Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626.Das Vierdte Buch. deres Kindt an die stelle geben/ vnnd das jhrige heim-lich retten solte. Die Frawen entdeckten solchen An- schlag einer anderen auff dem Lande/ die mit meiner bekandt war/ vnd das Kindt erziehen kundte; sie heis- set Sicambre. Als die Königin gleich liegen solte/ führete sie meine Fraw nebenst jhrem Manne/ dessen man auch bedurffte/ nach Hofe. Nachden sie nun sich mit dem tewresten Eyde verbunden hatten/ die Sache in geheim zuhalten/ wardt niemandt in der Königin Gemach gelassen/ als die so darumb wusten. Die Götter halffen. Timandre wardt eines Sohnes entbunden; vnnd die betrüglichen Weiber legten eine Tochter in die Königliche Wiege. Was für Ge- dancken meinet jhr wol daß die Königin damals ge- habt habe? Sie empfandt ein beben nachdem andern/ vnd hielte es für eine Freundtschafft wann man jhr die Geburt hinweg neme/ welche die Mütter söst mit so grossen Schmertzen kauffen. Ich hab es offt auß jhrem Munde gehöret/ sie hette nichtsmehr gefürch- tet/ als daß durch deß Kindes schreyen/ oder d Weiber Furchtsamkeit d Anschlag möchte verrahten werden. Nichtsdestoweniger/ ob schon jhre Marter vnd Pein vnaußsprechlich war/ redete sie doch mit leiser Stimm die Sicambre/ welche das Kindt vnter dem Getümmel weg tragen solte/ also an: Meine Freundin/ vergönnet mir/ daß ich euch bey allen Göttern beschwere mir Trew zuseyn; damit ich nicht/ in dem ich andere zu betriegen gedencke/ durch wegschickung meines Kindes von mir selbst betrogen werde. Dann ich muß X x iiij
Das Vierdte Buch. deres Kindt an die ſtelle geben/ vnnd das jhrige heim-lich retten ſolte. Die Frawen entdeckten ſolchen An- ſchlag einer anderen auff dem Lande/ die mit meiner bekandt war/ vnd das Kindt erziehen kundte; ſie heiſ- ſet Sicambre. Als die Koͤnigin gleich liegen ſolte/ fuͤhrete ſie meine Fraw nebenſt jhrem Manne/ deſſen man auch bedurffte/ nach Hofe. Nachdẽ ſie nun ſich mit dem tewreſten Eyde verbunden hattẽ/ die Sache in geheim zuhalten/ wardt niemandt in der Koͤnigin Gemach gelaſſen/ als die ſo darumb wuſten. Die Goͤtter halffen. Timandre wardt eines Sohnes entbunden; vnnd die betruͤglichen Weiber legten eine Tochter in die Koͤnigliche Wiege. Was fuͤr Ge- dancken meinet jhr wol daß die Koͤnigin damals ge- habt habe? Sie empfandt ein bebẽ nachdem andern/ vnd hielte es fuͤr eine Freundtſchafft wann man jhr die Geburt hinweg neme/ welche die Muͤtter ſoͤſt mit ſo groſſen Schmertzen kauffen. Ich hab es offt auß jhrem Munde gehoͤret/ ſie hette nichtsmehr gefuͤrch- tet/ als daß durch deß Kindes ſchreyẽ/ oder d̕ Weiber Furchtſamkeit d̕ Anſchlag moͤchte verꝛahten werdẽ. Nichtsdeſtoweniger/ ob ſchon jhre Marter vñ Pein vnaußſprechlich war/ redete ſie doch mit leiſer Stim̃ die Sicambre/ welche das Kindt vnter dem Getuͤm̃el weg tragen ſolte/ alſo an: Meine Freundin/ vergoͤñet mir/ daß ich euch bey allen Goͤttern beſchwere mir Trew zuſeyn; damit ich nicht/ in dem ich andere zu betriegen gedencke/ durch wegſchickung meines Kindes von mir ſelbſt betrogen werde. Dann ich muß X x iiij
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Das Vierdte Buch.
deres Kindt an die ſtelle geben/ vnnd das jhrige heim-
lich retten ſolte. Die Frawen entdeckten ſolchen An-
ſchlag einer anderen auff dem Lande/ die mit meiner
bekandt war/ vnd das Kindt erziehen kundte; ſie heiſ-
ſet Sicambre. Als die Koͤnigin gleich liegen ſolte/
fuͤhrete ſie meine Fraw nebenſt jhrem Manne/ deſſen
man auch bedurffte/ nach Hofe. Nachdẽ ſie nun ſich
mit dem tewreſten Eyde verbunden hattẽ/ die Sache
in geheim zuhalten/ wardt niemandt in der Koͤnigin
Gemach gelaſſen/ als die ſo darumb wuſten. Die
Goͤtter halffen. Timandre wardt eines Sohnes
entbunden; vnnd die betruͤglichen Weiber legten eine
Tochter in die Koͤnigliche Wiege. Was fuͤr Ge-
dancken meinet jhr wol daß die Koͤnigin damals ge-
habt habe? Sie empfandt ein bebẽ nachdem andern/
vnd hielte es fuͤr eine Freundtſchafft wann man jhr
die Geburt hinweg neme/ welche die Muͤtter ſoͤſt mit
ſo groſſen Schmertzen kauffen. Ich hab es offt auß
jhrem Munde gehoͤret/ ſie hette nichtsmehr gefuͤrch-
tet/ als daß durch deß Kindes ſchreyẽ/ oder d̕ Weiber
Furchtſamkeit d̕ Anſchlag moͤchte verꝛahten werdẽ.
Nichtsdeſtoweniger/ ob ſchon jhre Marter vñ Pein
vnaußſprechlich war/ redete ſie doch mit leiſer Stim̃
die Sicambre/ welche das Kindt vnter dem Getuͤm̃el
weg tragen ſolte/ alſo an: Meine Freundin/ vergoͤñet
mir/ daß ich euch bey allen Goͤttern beſchwere mir
Trew zuſeyn; damit ich nicht/ in dem ich andere zu
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