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Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626.

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Joh. Barclayens Argenis/
Diese ist meine Mutter. Also gab sie mir den Brieff/
weichen jhr hier sehet/ Herr/ vnd ich gestern auß einer
verborgenen Truhen herfür gesuchet habe/ damit
ich jhn euch köndte fürzeigen. Höret nun was der
Inhalt sey. Alcea wündtschet Selenissen alles gu-
tes. Wann jhr fraget wie ich euch kenne/ welche jhr
nicht kennet/ so wisset daß dieses der Tugendt grös-
seste Belohnung sey/ daß sie die jhrigen nicht lesset
verborgen bleiben. Der König in Sicilien würde
euch zu Aufferziehung seiner Tochter nicht erlesen
haben/ wann er eine von fürtrefflichern Gaben hette
finden können. Ewer löbliches Gerüchte ist mitten
durch die vnbekandten Völcker (dann jhr nennet vns
auch Barbarische) biß zu mir gedrungen; mein vnd
meines Vatterlandes Schuldt aber ist es/ daß ich
von euch erkandt zuwerden nicht verdienet habe.
Jedoch vnterlasset gleichwol nicht ein Mitleiden
mit mir zutragen. Ob ich schon eine Außländerin
bin/ jedoch bin ich vnglückselig/ bin ein Weib/ vnd/
wann dieses gleichsfals ersprößlich seyn mag/ von
Vrsprunge eine Griechin. Nehmet mein liebstes
Pfand/ meine einige Tochter auff/ die gewiß/ wann
jhr mir gleubet/ auß hohem Geblüte gebohren ist.
Sie wird euch besser berichten/ als was für Vnglück
vns betrifft/ vnd was mich zu solchem Anschlag ge-
zwungen hat. Doch wil ich diß Elend für ein Glück
halten/ wann jhr vns nicht allein die Ehr erzeigen
werdet sie bey euch zu haben/ sondern auch vielmehr/
wann jhr sie in ewern Sitten werdet vnterrichten.
Seydt den Göttern befohlen.

Nach

Joh. Barclayens Argenis/
Dieſe iſt meine Mutter. Alſo gab ſie mir den Brieff/
weichen jhr hier ſehet/ Herꝛ/ vnd ich geſtern auß einer
verborgenen Truhen herfuͤr geſuchet habe/ damit
ich jhn euch koͤndte fuͤrzeigen. Hoͤret nun was der
Inhalt ſey. Alcea wuͤndtſchet Seleniſſen alles gu-
tes. Wann jhr fraget wie ich euch kenne/ welche jhr
nicht kennet/ ſo wiſſet daß dieſes der Tugendt groͤſ-
ſeſte Belohnung ſey/ daß ſie die jhrigen nicht leſſet
verborgen bleiben. Der Koͤnig in Sicilien wuͤrde
euch zu Aufferziehung ſeiner Tochter nicht erleſen
haben/ wann er eine von fuͤrtrefflichern Gaben hette
finden koͤnnen. Ewer loͤbliches Geruͤchte iſt mitten
durch die vnbekandten Voͤlcker (dann jhr nennet vns
auch Barbariſche) biß zu mir gedrungen; mein vnd
meines Vatterlandes Schuldt aber iſt es/ daß ich
von euch erkandt zuwerden nicht verdienet habe.
Jedoch vnterlaſſet gleichwol nicht ein Mitleiden
mit mir zutragen. Ob ich ſchon eine Außlaͤnderin
bin/ jedoch bin ich vngluͤckſelig/ bin ein Weib/ vnd/
wann dieſes gleichsfals erſproͤßlich ſeyn mag/ von
Vrſprunge eine Griechin. Nehmet mein liebſtes
Pfand/ meine einige Tochter auff/ die gewiß/ wann
jhr mir gleubet/ auß hohem Gebluͤte gebohren iſt.
Sie wird euch beſſer berichtẽ/ als was fuͤr Vngluͤck
vns betrifft/ vnd was mich zu ſolchem Anſchlag ge-
zwungen hat. Doch wil ich diß Elend fuͤr ein Gluͤck
halten/ wann jhr vns nicht allein die Ehr erzeigen
werdet ſie bey euch zu haben/ ſondern auch vielmehr/
wann jhr ſie in ewern Sitten werdet vnterꝛichten.
Seydt den Goͤttern befohlen.

Nach
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[472/0516] Joh. Barclayens Argenis/ Dieſe iſt meine Mutter. Alſo gab ſie mir den Brieff/ weichen jhr hier ſehet/ Herꝛ/ vnd ich geſtern auß einer verborgenen Truhen herfuͤr geſuchet habe/ damit ich jhn euch koͤndte fuͤrzeigen. Hoͤret nun was der Inhalt ſey. Alcea wuͤndtſchet Seleniſſen alles gu- tes. Wann jhr fraget wie ich euch kenne/ welche jhr nicht kennet/ ſo wiſſet daß dieſes der Tugendt groͤſ- ſeſte Belohnung ſey/ daß ſie die jhrigen nicht leſſet verborgen bleiben. Der Koͤnig in Sicilien wuͤrde euch zu Aufferziehung ſeiner Tochter nicht erleſen haben/ wann er eine von fuͤrtrefflichern Gaben hette finden koͤnnen. Ewer loͤbliches Geruͤchte iſt mitten durch die vnbekandten Voͤlcker (dann jhr nennet vns auch Barbariſche) biß zu mir gedrungen; mein vnd meines Vatterlandes Schuldt aber iſt es/ daß ich von euch erkandt zuwerden nicht verdienet habe. Jedoch vnterlaſſet gleichwol nicht ein Mitleiden mit mir zutragen. Ob ich ſchon eine Außlaͤnderin bin/ jedoch bin ich vngluͤckſelig/ bin ein Weib/ vnd/ wann dieſes gleichsfals erſproͤßlich ſeyn mag/ von Vrſprunge eine Griechin. Nehmet mein liebſtes Pfand/ meine einige Tochter auff/ die gewiß/ wann jhr mir gleubet/ auß hohem Gebluͤte gebohren iſt. Sie wird euch beſſer berichtẽ/ als was fuͤr Vngluͤck vns betrifft/ vnd was mich zu ſolchem Anſchlag ge- zwungen hat. Doch wil ich diß Elend fuͤr ein Gluͤck halten/ wann jhr vns nicht allein die Ehr erzeigen werdet ſie bey euch zu haben/ ſondern auch vielmehr/ wann jhr ſie in ewern Sitten werdet vnterꝛichten. Seydt den Goͤttern befohlen. Nach

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Zitationshilfe: Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/barclay_argenis_1626/516>, abgerufen am 28.04.2024.