Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Fünffte Buch.
so nicht vberreden die Freyheit deß Armuts hinweg
zu legen. Dann im Fall ich schon den Kummer Reich-
thumb zu erlangen oder zuerhalten nicht hette; so
kan man doch bey Gütern anderer Vbel schwerlich
geübrigt seyn. Ich sage von der Gewonheit an Zärt-
ligkeit/ wartung deß Leibes/ Vergessung gleichsam
vberflüssiger Frommigkeit: Item von andern Be-
wegungen deß Gemüts die dem Reichthumb an-
hangen; als sich selber hoch halten/ andere verach-
ten/ keinen Schein deß Vnrechts vertragen können/
vnd durch Beyfall derselbigen/ welche Belohnung
jhrer Schmeicheley suchen/ auff vnbilliche Sachen
geleitet werden. Ferrner vermeine ich nicht/ daß es
leichter sey/ im Fall man schon das Reichthumb an-
genommen hat/ sich der andern Begierden entäus-
sern können/ als in vngestümmigkeit deß Meeres ei-
nem Wellen sich vertrawen/ vnd in den andern nicht
gerahten wöllen. Weil ich derwegen den Rest mei-
nes Lebens zum Dienste der Götter anzuwenden ge-
meinet bin/ so lasset mich für der Vberflüssigkeit/ die
eine Freundin solcher Entschliessung ist fliehen; da-
mit jhre Empfindung vnd andere Bewegungen
von denen sie begleitet wirdt/ in mein gefangenes
vnd schwaches Gemüt die vorigen Laster pflantzen/
vnd meine schwere Gedancken/ welche sich vergeb-
lich gegen den Himmel zusteigen bemühen/ wider-
umb herunter auff die Erde stürtzen. Warumb ver-
wundert jhr euch/ daß ich nach Armut sehe/ nicht
zwar daß ich darinnen Noth leyden/ aber mit weni-

gem
Q q q v

Das Fuͤnffte Buch.
ſo nicht vberꝛeden die Freyheit deß Armuts hinweg
zu legẽ. Dann im Fall ich ſchon den Kum̃er Reich-
thumb zu erlangen oder zuerhalten nicht hette; ſo
kan man doch bey Guͤtern anderer Vbel ſchwerlich
geuͤbrigt ſeyn. Ich ſage von der Gewonheit an Zaͤrt-
ligkeit/ wartung deß Leibes/ Vergeſſung gleichſam
vberfluͤſſiger Frommigkeit: Item von andern Be-
wegungen deß Gemuͤts die dem Reichthumb an-
hangen; als ſich ſelber hoch halten/ andere verach-
ten/ keinen Schein deß Vnrechts vertragen koͤnnen/
vnd durch Beyfall derſelbigen/ welche Belohnung
jhrer Schmeicheley ſuchen/ auff vnbilliche Sachen
geleitet werden. Ferꝛner vermeine ich nicht/ daß es
leichter ſey/ im Fall man ſchon das Reichthumb an-
genommen hat/ ſich der andern Begierden entaͤuſ-
ſern koͤnnen/ als in vngeſtuͤmmigkeit deß Meeres ei-
nem Wellen ſich vertrawen/ vnd in den andern nicht
gerahten woͤllen. Weil ich derwegen den Reſt mei-
nes Lebens zum Dienſte der Goͤtter anzuwenden ge-
meinet bin/ ſo laſſet mich fuͤr der Vberfluͤſſigkeit/ die
eine Freundin ſolcher Entſchlieſſung iſt fliehen; da-
mit jhre Empfindung vnd andere Bewegungen
von denen ſie begleitet wirdt/ in mein gefangenes
vnd ſchwaches Gemuͤt die vorigen Laſter pflantzen/
vnd meine ſchwere Gedancken/ welche ſich vergeb-
lich gegen den Himmel zuſteigen bemuͤhen/ wider-
umb herunter auff die Erde ſtuͤrtzen. Warumb ver-
wundert jhr euch/ daß ich nach Armut ſehe/ nicht
zwar daß ich darinnen Noth leyden/ aber mit weni-

gem
Q q q v
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f1029" n="985"/><fw place="top" type="header">Das Fu&#x0364;nffte Buch.</fw><lb/>
&#x017F;o nicht vber&#xA75B;eden die Freyheit deß Armuts hinweg<lb/>
zu lege&#x0303;. Dann im Fall ich &#x017F;chon den Kum&#x0303;er Reich-<lb/>
thumb zu erlangen oder zuerhalten nicht hette; &#x017F;o<lb/>
kan man doch bey Gu&#x0364;tern anderer Vbel &#x017F;chwerlich<lb/>
geu&#x0364;brigt &#x017F;eyn. Ich &#x017F;age von der Gewonheit an Za&#x0364;rt-<lb/>
ligkeit/ wartung deß Leibes/ Verge&#x017F;&#x017F;ung gleich&#x017F;am<lb/>
vberflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;iger Frommigkeit: Item von andern Be-<lb/>
wegungen deß Gemu&#x0364;ts die dem Reichthumb an-<lb/>
hangen; als &#x017F;ich &#x017F;elber hoch halten/ andere verach-<lb/>
ten/ keinen Schein deß Vnrechts vertragen ko&#x0364;nnen/<lb/>
vnd durch Beyfall der&#x017F;elbigen/ welche Belohnung<lb/>
jhrer Schmeicheley &#x017F;uchen/ auff vnbilliche Sachen<lb/>
geleitet werden. Fer&#xA75B;ner vermeine ich nicht/ daß es<lb/>
leichter &#x017F;ey/ im Fall man &#x017F;chon das Reichthumb an-<lb/>
genommen hat/ &#x017F;ich der andern Begierden enta&#x0364;u&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ern ko&#x0364;nnen/ als in vnge&#x017F;tu&#x0364;mmigkeit deß Meeres ei-<lb/>
nem Wellen &#x017F;ich vertrawen/ vnd in den andern nicht<lb/>
gerahten wo&#x0364;llen. Weil ich derwegen den Re&#x017F;t mei-<lb/>
nes Lebens zum Dien&#x017F;te der Go&#x0364;tter anzuwenden ge-<lb/>
meinet bin/ &#x017F;o la&#x017F;&#x017F;et mich fu&#x0364;r der Vberflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;igkeit/ die<lb/>
eine Freundin &#x017F;olcher Ent&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;ung i&#x017F;t fliehen; da-<lb/>
mit jhre Empfindung vnd andere Bewegungen<lb/>
von denen &#x017F;ie begleitet wirdt/ in mein gefangenes<lb/>
vnd &#x017F;chwaches Gemu&#x0364;t die vorigen La&#x017F;ter pflantzen/<lb/>
vnd meine &#x017F;chwere Gedancken/ welche &#x017F;ich vergeb-<lb/>
lich gegen den Himmel zu&#x017F;teigen bemu&#x0364;hen/ wider-<lb/>
umb herunter auff die Erde &#x017F;tu&#x0364;rtzen. Warumb ver-<lb/>
wundert jhr euch/ daß ich nach Armut &#x017F;ehe/ nicht<lb/>
zwar daß ich darinnen Noth leyden/ aber mit weni-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q q q v</fw><fw place="bottom" type="catch">gem</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[985/1029] Das Fuͤnffte Buch. ſo nicht vberꝛeden die Freyheit deß Armuts hinweg zu legẽ. Dann im Fall ich ſchon den Kum̃er Reich- thumb zu erlangen oder zuerhalten nicht hette; ſo kan man doch bey Guͤtern anderer Vbel ſchwerlich geuͤbrigt ſeyn. Ich ſage von der Gewonheit an Zaͤrt- ligkeit/ wartung deß Leibes/ Vergeſſung gleichſam vberfluͤſſiger Frommigkeit: Item von andern Be- wegungen deß Gemuͤts die dem Reichthumb an- hangen; als ſich ſelber hoch halten/ andere verach- ten/ keinen Schein deß Vnrechts vertragen koͤnnen/ vnd durch Beyfall derſelbigen/ welche Belohnung jhrer Schmeicheley ſuchen/ auff vnbilliche Sachen geleitet werden. Ferꝛner vermeine ich nicht/ daß es leichter ſey/ im Fall man ſchon das Reichthumb an- genommen hat/ ſich der andern Begierden entaͤuſ- ſern koͤnnen/ als in vngeſtuͤmmigkeit deß Meeres ei- nem Wellen ſich vertrawen/ vnd in den andern nicht gerahten woͤllen. Weil ich derwegen den Reſt mei- nes Lebens zum Dienſte der Goͤtter anzuwenden ge- meinet bin/ ſo laſſet mich fuͤr der Vberfluͤſſigkeit/ die eine Freundin ſolcher Entſchlieſſung iſt fliehen; da- mit jhre Empfindung vnd andere Bewegungen von denen ſie begleitet wirdt/ in mein gefangenes vnd ſchwaches Gemuͤt die vorigen Laſter pflantzen/ vnd meine ſchwere Gedancken/ welche ſich vergeb- lich gegen den Himmel zuſteigen bemuͤhen/ wider- umb herunter auff die Erde ſtuͤrtzen. Warumb ver- wundert jhr euch/ daß ich nach Armut ſehe/ nicht zwar daß ich darinnen Noth leyden/ aber mit weni- gem Q q q v

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/barclay_argenis_1626
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/barclay_argenis_1626/1029
Zitationshilfe: Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626, S. 985. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/barclay_argenis_1626/1029>, abgerufen am 23.11.2024.