der Halbgott Wagner, Bismarck oder Hindenburg -- ist sie nicht eine Nachwirkung des Erlösergedankens? Jedes einzelne Glied der Gesellschaft muss beurteilen können, worum es sich handelt. Gebrochen muss werden mit jeder Art Er- lösungssystem, zeige es sich in der Geheim-Philosophie, der Geheim-Musik, der Geheim-Dichtung oder der Geheim- Diplomatie. Alles das sind Rudimente eines mysteriösen Erlösungsgedankens und Erlöseraberglaubens, der Fiasko gemacht hat, in Deutschland mehr als anderswo 35). Wenn etwas recht geheimnisvoll geschieht, muss es deshalb schon göttlich sein? Erlösen wir uns von den Erlösern!
"Eure Werke taugen nichts", sagte Luther zu einem versunkenen, mittelalterlich mystischen Volk, und verschrieb sich dem orientalischen Geiste der Bibel. Wo blieb da die "teutsche Nation", die sonst doch so antisemitisch ist? Wo bleiben die Zionisten, die ihr mosaisch Gesetz re- klamieren? Kulturbasis ist heute das Neue Testament seit seinem Beginn, der Bergpredigt; denn es handelt sich um Europa 36).
Hierfür lassen sich von Luthers philologischer Tätigkeit folgende Maximen ableiten:
Als deutscher Prophet muss man laut schreien und deutlich reden. Denn das Volk ist schwerhörig. Unendliche Wiederholungen weniger Gedanken verfehlen schliesslich ihre Wirkung nicht.
Man muss Uebersetzungen herstellen von Büchern, die wichtig sind, und sie dem Volke geben. Eine Geheimliteratur gibt es nicht mehr.
Man soll genau und wenig lesen; ein Buch aber, das einem zusagt, wie ein Heiligtum bewahren.
Ueber ein wichtiges Buch kann nicht genug geschrieben, gepredigt, disputiert und gesprochen werden.
Man soll sich an das erlösende Wort halten und darauf sehen, dass ihm erlösende Taten folgen.
Die Bevormundung ist Büchern gegenüber, die Doku-
der Halbgott Wagner, Bismarck oder Hindenburg — ist sie nicht eine Nachwirkung des Erlösergedankens? Jedes einzelne Glied der Gesellschaft muss beurteilen können, worum es sich handelt. Gebrochen muss werden mit jeder Art Er- lösungssystem, zeige es sich in der Geheim-Philosophie, der Geheim-Musik, der Geheim-Dichtung oder der Geheim- Diplomatie. Alles das sind Rudimente eines mysteriösen Erlösungsgedankens und Erlöseraberglaubens, der Fiasko gemacht hat, in Deutschland mehr als anderswo 35). Wenn etwas recht geheimnisvoll geschieht, muss es deshalb schon göttlich sein? Erlösen wir uns von den Erlösern!
„Eure Werke taugen nichts“, sagte Luther zu einem versunkenen, mittelalterlich mystischen Volk, und verschrieb sich dem orientalischen Geiste der Bibel. Wo blieb da die „teutsche Nation“, die sonst doch so antisemitisch ist? Wo bleiben die Zionisten, die ihr mosaisch Gesetz re- klamieren? Kulturbasis ist heute das Neue Testament seit seinem Beginn, der Bergpredigt; denn es handelt sich um Europa 36).
Hierfür lassen sich von Luthers philologischer Tätigkeit folgende Maximen ableiten:
Als deutscher Prophet muss man laut schreien und deutlich reden. Denn das Volk ist schwerhörig. Unendliche Wiederholungen weniger Gedanken verfehlen schliesslich ihre Wirkung nicht.
Man muss Uebersetzungen herstellen von Büchern, die wichtig sind, und sie dem Volke geben. Eine Geheimliteratur gibt es nicht mehr.
Man soll genau und wenig lesen; ein Buch aber, das einem zusagt, wie ein Heiligtum bewahren.
Ueber ein wichtiges Buch kann nicht genug geschrieben, gepredigt, disputiert und gesprochen werden.
Man soll sich an das erlösende Wort halten und darauf sehen, dass ihm erlösende Taten folgen.
Die Bevormundung ist Büchern gegenüber, die Doku-
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der Halbgott Wagner, Bismarck oder Hindenburg — ist sie
nicht eine Nachwirkung des Erlösergedankens? Jedes einzelne
Glied der Gesellschaft muss beurteilen können, worum es
sich handelt. Gebrochen muss werden mit jeder Art Er-
lösungssystem, zeige es sich in der Geheim-Philosophie,
der Geheim-Musik, der Geheim-Dichtung oder der Geheim-
Diplomatie. Alles das sind Rudimente eines mysteriösen
Erlösungsgedankens und Erlöseraberglaubens, der Fiasko
gemacht hat, in Deutschland mehr als anderswo
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. Wenn
etwas recht geheimnisvoll geschieht, muss es deshalb schon
göttlich sein? Erlösen wir uns von den Erlösern!
„Eure Werke taugen nichts“, sagte Luther zu einem
versunkenen, mittelalterlich mystischen Volk, und verschrieb
sich dem orientalischen Geiste der Bibel. Wo blieb da
die „teutsche Nation“, die sonst doch so antisemitisch ist?
Wo bleiben die Zionisten, die ihr mosaisch Gesetz re-
klamieren? Kulturbasis ist heute das Neue Testament seit
seinem Beginn, der Bergpredigt; denn es handelt sich um
Europa
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Hierfür lassen sich von Luthers philologischer Tätigkeit
folgende Maximen ableiten:
Als deutscher Prophet muss man laut schreien und
deutlich reden. Denn das Volk ist schwerhörig. Unendliche
Wiederholungen weniger Gedanken verfehlen schliesslich
ihre Wirkung nicht.
Man muss Uebersetzungen herstellen von Büchern, die
wichtig sind, und sie dem Volke geben. Eine Geheimliteratur
gibt es nicht mehr.
Man soll genau und wenig lesen; ein Buch aber, das
einem zusagt, wie ein Heiligtum bewahren.
Ueber ein wichtiges Buch kann nicht genug geschrieben,
gepredigt, disputiert und gesprochen werden.
Man soll sich an das erlösende Wort halten und
darauf sehen, dass ihm erlösende Taten folgen.
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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/42>, abgerufen am 23.07.2024.
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