Die rührende Legende aber von einem Genie der Demut und Liebe, das man gekreuzigt hat, -- wer versteht sie heute noch? Der mehr oder weniger feiste Bürger -- glaubt er und will er denn glauben, dass er erlöst werden kann? Wer soll erlösen? Von welchem Uebel? Wozu schleppt man die Bibeln herum? Die heutige Reformation handelt von Kriegsschuld und Kriegsursachen 33).
Eine der schlimmsten Ursachen des Weltkrieges war die Reformation des 16. Jahrhunderts. Das Zurückgreifen aber auf das paulinische Christentum war das Allerschlimmste. Paulus, der von der Obrigkeit sagte, ein jeglicher habe ihr "untertan" zu sein "mit Zittern und Beben"; Paulus, der "Journalist Christi", wie Hatvany ihn nennt; Paulus, der jene jüdische Legende vom erlösenden Genie der Demut als erster durch Theologenbeiwerk übertrieb und veränderte, er scheint auch jenen Versöhnungsfrieden zwischen altem und neuem Testament, zwischen einem Richtergott und seinem rebellischen Sohne, eingeführt zu haben, indem er Unversöhnliches vereinte und den rebellischen Christen, vom Schinder gekreuzigt, dem alten Judengott unterwarf. Es würde zu weit führen, hier den Nachweis zu liefern. Man lese aber die Psychologie des Rabbi Paulus nach, die Nietzsche in der "Morgenröte" gegeben hat 34). Von Paulus leitete Luther den jüdischen Defaitismus der Moral ab, "christlich Recht sei nicht, sich sträuben wider Unrecht sondern dahin zu geben Leib und Gut, dass es raube, wer da raube. Leiden, Leiden, Kreuz, Kreuz sei des Christen Recht."
Und die Lehre vom göttlichen Individuum? Glauben wir noch, dass der Einzelne uns zu erlösen vermag? Sind wir nicht im Begriffe, zu brechen mit einem bequemen Genie- kult, der alle Kräfte des Volkes aufsaugt und jeden, der kein Genie ist, der eigenen Trägheit überlässt, weil ja der andere, das Genie, es für ihn tut oder getan hat? Die abgöttische Verehrung, die den Verstand der Nation aufzehrt, heisse
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Die rührende Legende aber von einem Genie der Demut und Liebe, das man gekreuzigt hat, — wer versteht sie heute noch? Der mehr oder weniger feiste Bürger — glaubt er und will er denn glauben, dass er erlöst werden kann? Wer soll erlösen? Von welchem Uebel? Wozu schleppt man die Bibeln herum? Die heutige Reformation handelt von Kriegsschuld und Kriegsursachen 33).
Eine der schlimmsten Ursachen des Weltkrieges war die Reformation des 16. Jahrhunderts. Das Zurückgreifen aber auf das paulinische Christentum war das Allerschlimmste. Paulus, der von der Obrigkeit sagte, ein jeglicher habe ihr „untertan“ zu sein „mit Zittern und Beben“; Paulus, der „Journalist Christi“, wie Hatvany ihn nennt; Paulus, der jene jüdische Legende vom erlösenden Genie der Demut als erster durch Theologenbeiwerk übertrieb und veränderte, er scheint auch jenen Versöhnungsfrieden zwischen altem und neuem Testament, zwischen einem Richtergott und seinem rebellischen Sohne, eingeführt zu haben, indem er Unversöhnliches vereinte und den rebellischen Christen, vom Schinder gekreuzigt, dem alten Judengott unterwarf. Es würde zu weit führen, hier den Nachweis zu liefern. Man lese aber die Psychologie des Rabbi Paulus nach, die Nietzsche in der „Morgenröte“ gegeben hat 34). Von Paulus leitete Luther den jüdischen Defaitismus der Moral ab, „christlich Recht sei nicht, sich sträuben wider Unrecht sondern dahin zu geben Leib und Gut, dass es raube, wer da raube. Leiden, Leiden, Kreuz, Kreuz sei des Christen Recht.“
Und die Lehre vom göttlichen Individuum? Glauben wir noch, dass der Einzelne uns zu erlösen vermag? Sind wir nicht im Begriffe, zu brechen mit einem bequemen Genie- kult, der alle Kräfte des Volkes aufsaugt und jeden, der kein Genie ist, der eigenen Trägheit überlässt, weil ja der andere, das Genie, es für ihn tut oder getan hat? Die abgöttische Verehrung, die den Verstand der Nation aufzehrt, heisse
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Die rührende Legende aber von einem Genie der Demut und
Liebe, das man gekreuzigt hat, — wer versteht sie heute
noch? Der mehr oder weniger feiste Bürger — glaubt er
und will er denn glauben, dass er erlöst werden kann?
Wer soll erlösen? Von welchem Uebel? Wozu schleppt
man die Bibeln herum? Die heutige Reformation handelt
von Kriegsschuld und Kriegsursachen
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Eine der schlimmsten Ursachen des Weltkrieges war
die Reformation des 16. Jahrhunderts. Das Zurückgreifen
aber auf das paulinische Christentum war das Allerschlimmste.
Paulus, der von der Obrigkeit sagte, ein jeglicher habe ihr
„untertan“ zu sein „mit Zittern und Beben“; Paulus, der
„Journalist Christi“, wie Hatvany ihn nennt; Paulus, der
jene jüdische Legende vom erlösenden Genie der Demut
als erster durch Theologenbeiwerk übertrieb und veränderte,
er scheint auch jenen Versöhnungsfrieden zwischen altem
und neuem Testament, zwischen einem Richtergott und
seinem rebellischen Sohne, eingeführt zu haben, indem er
Unversöhnliches vereinte und den rebellischen Christen,
vom Schinder gekreuzigt, dem alten Judengott unterwarf.
Es würde zu weit führen, hier den Nachweis zu liefern.
Man lese aber die Psychologie des Rabbi Paulus nach, die
Nietzsche in der „Morgenröte“ gegeben hat
³⁴⁾
. Von Paulus
leitete Luther den jüdischen Defaitismus der Moral ab,
„christlich Recht sei nicht, sich sträuben wider Unrecht
sondern dahin zu geben Leib und Gut, dass es raube, wer
da raube. Leiden, Leiden, Kreuz, Kreuz sei des Christen
Recht.“
Und die Lehre vom göttlichen Individuum? Glauben
wir noch, dass der Einzelne uns zu erlösen vermag? Sind
wir nicht im Begriffe, zu brechen mit einem bequemen Genie-
kult, der alle Kräfte des Volkes aufsaugt und jeden, der kein
Genie ist, der eigenen Trägheit überlässt, weil ja der andere,
das Genie, es für ihn tut oder getan hat? Die abgöttische
Verehrung, die den Verstand der Nation aufzehrt, heisse
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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/41>, abgerufen am 23.11.2024.
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