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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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einzige, denn das Herz ist ein durch starke Umwandlung unkenntlich gewordener
ähnlicher Theil -- eine unter dem vordern Abschnitt des Darmkanals vorragende
selbstständige Verlängerung der Gefässschicht. In Ermangelung einer andern
gangbaren Benennung wollen wir deshalb die gesammte selbstständige Verlänge-
rung der Gefässschicht das Gekröse nennen und uns erinnern, dass es als Primitiv-
organ mehr umfasst, als im gewöhnlichen Sprachgebrauche.

Es bildet sich von diesen Primitivorganen die animalische Abtheilung des
Leibes:

die beiden Fleischröhren mit dem Stamme,
die Nervenröhre,
die gemeinschaftliche Hautröhre;

die plastische Abtheilung aber:

der Darmkanal, aus einer Schleimhautschicht und einer Gefässschicht be-
stehend,
das Gekröse oder der selbstständige Theil der Gefässschicht.

Bekanntlich ist die animalische Abtheilung des Leibes symmetrisch aus zweic. Symme-
trie in den
Röhren.

gleichen Hälften, einer rechten und einer linken, gebaut *). Die plastische Ab-
theilung ist, wie wir bemerkten, nur an ihren Enden symmetrisch, aber doch so,
dass die rechte Hälfte als eine Modification der linken betrachtet werden kann. So
muss man den Gallengang als in der Mitte liegend sich denken, und die rechte
Hälste der Leber als eine vermehrte, die linke als eine verminderte Hälfte anse-
hen. Vor allen Dingen bitte ich aber vorläufig, um in der folgenden Demonstra-
tion keinen Anstoss zu finden, auch den vegetativen Theil sich symmetrisch vor-
zustellen, weil er in sehr früher Zeit in der That symmetrisch ist.

Wegen der Symmetrie im Bau der Wirbelthiere können wir uns alle Pri-d. Die Röh-
ren lassen
sich daher
als verwach-
sene Platten
denken.
Taf. IV. F. 1.

mitivorgane derselben als aus zwei Hälften verwachsen denken. Wenn wir näm-
lich ein Wirbelthier von oben herab in der Mittelebene bis in die Nervenröhre
spalten würden, ohne mit dem Schnitte die untere Wand der Nervenröhre zu tref-
fen, und es dann eben so von der untern Fläche aus in der Mittelebene bis in die
Darmröhre spalten (nachdem diese symmetrisch in die Mitte gestellt ist), ohne
die obere Wand des Darmes einzuschneiden und die durch die Spaltung erhalteneu
Theile aus einander legen wollten, so würde das ganze Thier in zwei gleiche

*) Die Ausnahmen von dieser Symmetrie sind sehr selten, wie in den Schollen und der Nase
einiger Cetaceen. Doch sind auch diese Ungleichheiten nur Veränderungen einer ursprüng-
lichen Symmetrie.
II. I

einzige, denn das Herz ist ein durch starke Umwandlung unkenntlich gewordener
ähnlicher Theil — eine unter dem vordern Abschnitt des Darmkanals vorragende
selbstständige Verlängerung der Gefäſsschicht. In Ermangelung einer andern
gangbaren Benennung wollen wir deshalb die gesammte selbstständige Verlänge-
rung der Gefäſsschicht das Gekröse nennen und uns erinnern, daſs es als Primitiv-
organ mehr umfaſst, als im gewöhnlichen Sprachgebrauche.

Es bildet sich von diesen Primitivorganen die animalische Abtheilung des
Leibes:

die beiden Fleischröhren mit dem Stamme,
die Nervenröhre,
die gemeinschaftliche Hautröhre;

die plastische Abtheilung aber:

der Darmkanal, aus einer Schleimhautschicht und einer Gefäſsschicht be-
stehend,
das Gekröse oder der selbstständige Theil der Gefäſsschicht.

Bekanntlich ist die animalische Abtheilung des Leibes symmetrisch aus zweic. Symme-
trie in den
Röhren.

gleichen Hälften, einer rechten und einer linken, gebaut *). Die plastische Ab-
theilung ist, wie wir bemerkten, nur an ihren Enden symmetrisch, aber doch so,
daſs die rechte Hälfte als eine Modification der linken betrachtet werden kann. So
muſs man den Gallengang als in der Mitte liegend sich denken, und die rechte
Hälſte der Leber als eine vermehrte, die linke als eine verminderte Hälfte anse-
hen. Vor allen Dingen bitte ich aber vorläufig, um in der folgenden Demonstra-
tion keinen Anstoſs zu finden, auch den vegetativen Theil sich symmetrisch vor-
zustellen, weil er in sehr früher Zeit in der That symmetrisch ist.

Wegen der Symmetrie im Bau der Wirbelthiere können wir uns alle Pri-d. Die Röh-
ren lassen
sich daher
als verwach-
sene Platten
denken.
Taf. IV. F. 1.

mitivorgane derselben als aus zwei Hälften verwachsen denken. Wenn wir näm-
lich ein Wirbelthier von oben herab in der Mittelebene bis in die Nervenröhre
spalten würden, ohne mit dem Schnitte die untere Wand der Nervenröhre zu tref-
fen, und es dann eben so von der untern Fläche aus in der Mittelebene bis in die
Darmröhre spalten (nachdem diese symmetrisch in die Mitte gestellt ist), ohne
die obere Wand des Darmes einzuschneiden und die durch die Spaltung erhalteneu
Theile aus einander legen wollten, so würde das ganze Thier in zwei gleiche

*) Die Ausnahmen von dieser Symmetrie sind sehr selten, wie in den Schollen und der Nase
einiger Cetaceen. Doch sind auch diese Ungleichheiten nur Veränderungen einer ursprüng-
lichen Symmetrie.
II. I
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[65/0075] einzige, denn das Herz ist ein durch starke Umwandlung unkenntlich gewordener ähnlicher Theil — eine unter dem vordern Abschnitt des Darmkanals vorragende selbstständige Verlängerung der Gefäſsschicht. In Ermangelung einer andern gangbaren Benennung wollen wir deshalb die gesammte selbstständige Verlänge- rung der Gefäſsschicht das Gekröse nennen und uns erinnern, daſs es als Primitiv- organ mehr umfaſst, als im gewöhnlichen Sprachgebrauche. Es bildet sich von diesen Primitivorganen die animalische Abtheilung des Leibes: die beiden Fleischröhren mit dem Stamme, die Nervenröhre, die gemeinschaftliche Hautröhre; die plastische Abtheilung aber: der Darmkanal, aus einer Schleimhautschicht und einer Gefäſsschicht be- stehend, das Gekröse oder der selbstständige Theil der Gefäſsschicht. Bekanntlich ist die animalische Abtheilung des Leibes symmetrisch aus zwei gleichen Hälften, einer rechten und einer linken, gebaut *). Die plastische Ab- theilung ist, wie wir bemerkten, nur an ihren Enden symmetrisch, aber doch so, daſs die rechte Hälfte als eine Modification der linken betrachtet werden kann. So muſs man den Gallengang als in der Mitte liegend sich denken, und die rechte Hälſte der Leber als eine vermehrte, die linke als eine verminderte Hälfte anse- hen. Vor allen Dingen bitte ich aber vorläufig, um in der folgenden Demonstra- tion keinen Anstoſs zu finden, auch den vegetativen Theil sich symmetrisch vor- zustellen, weil er in sehr früher Zeit in der That symmetrisch ist. c. Symme- trie in den Röhren. Wegen der Symmetrie im Bau der Wirbelthiere können wir uns alle Pri- mitivorgane derselben als aus zwei Hälften verwachsen denken. Wenn wir näm- lich ein Wirbelthier von oben herab in der Mittelebene bis in die Nervenröhre spalten würden, ohne mit dem Schnitte die untere Wand der Nervenröhre zu tref- fen, und es dann eben so von der untern Fläche aus in der Mittelebene bis in die Darmröhre spalten (nachdem diese symmetrisch in die Mitte gestellt ist), ohne die obere Wand des Darmes einzuschneiden und die durch die Spaltung erhalteneu Theile aus einander legen wollten, so würde das ganze Thier in zwei gleiche d. Die Röh- ren lassen sich daher als verwach- sene Platten denken. Taf. IV. F. 1. *) Die Ausnahmen von dieser Symmetrie sind sehr selten, wie in den Schollen und der Nase einiger Cetaceen. Doch sind auch diese Ungleichheiten nur Veränderungen einer ursprüng- lichen Symmetrie. II. I

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/75>, abgerufen am 24.11.2024.