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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.

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zwar denselben populären Stoff als Grundlage. Weit entfernt
aber, ein abgerundetes strenges System zu schaffen, um das exclu-
sive geheime Verständniß anzubahnen und zu bewahren, blieb das
Gaunerthum auch hier seinem Grundsatz getreu, in das Volk hin-
einzudringen und ganz im Volk zu leben, aus dessen Sprache und
Typen das ihm dienlich Scheinende mit schlauer Wahl zusammen
zu lesen und für sein geheimes logisches Verständniß umzumodeln.
Das macht gerade das Verständniß der Gaunerzinken so überaus
schwer. Diese leiden nicht allein an der populären Verfärbung
der originellen Typen, sondern dazu auch noch an der autokraten
Auswahl und frivolen Umwandelung des verschlagenen Gauner-
thums. Und doch sind noch bis zur Stunde in sehr vielen Gau-
nerzinken die alten Originaltypen deutlich zu erkennen. Nimmt
man z. B. den rohen verwilderten Zinken der Kirschner in Th. II,
S. 59:

[Abbildung]
so erkennt man in dem Charakter, welcher von dem im 18. Jahr-
hundert als Diebszeichen allgemein gebräuchlichen Pfeil durchzogen
ist, ganz entschiedene Spuren der oben dargestellten Himmels- und
Engelsschrift. So ist a. a. O. in dem am 28. Juli 1856 am
Diete'schen Hause zu Gerstberg in Niederösterreich vom Schränker
gezeichneten Zinken
[Abbildung]
sehr bestimmt eine Spur von der Kammer- und Winkelschrift zu
erkennen, so wenig bewußt auch dem Jnhaber und Zeichner des
Zinkens die Ursprünglichkeit desselben mit der ersten wahren Be-
deutsamkeit gewesen sein mag. Solche Hindeutungen finden sich
in fast allen Gaunerzinken. Es darf nicht überraschen, daß häufig
in frappanter Weise die Zinken mit den streng geheim gehaltenen

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zwar denſelben populären Stoff als Grundlage. Weit entfernt
aber, ein abgerundetes ſtrenges Syſtem zu ſchaffen, um das exclu-
ſive geheime Verſtändniß anzubahnen und zu bewahren, blieb das
Gaunerthum auch hier ſeinem Grundſatz getreu, in das Volk hin-
einzudringen und ganz im Volk zu leben, aus deſſen Sprache und
Typen das ihm dienlich Scheinende mit ſchlauer Wahl zuſammen
zu leſen und für ſein geheimes logiſches Verſtändniß umzumodeln.
Das macht gerade das Verſtändniß der Gaunerzinken ſo überaus
ſchwer. Dieſe leiden nicht allein an der populären Verfärbung
der originellen Typen, ſondern dazu auch noch an der autokraten
Auswahl und frivolen Umwandelung des verſchlagenen Gauner-
thums. Und doch ſind noch bis zur Stunde in ſehr vielen Gau-
nerzinken die alten Originaltypen deutlich zu erkennen. Nimmt
man z. B. den rohen verwilderten Zinken der Kirſchner in Th. II,
S. 59:

[Abbildung]
ſo erkennt man in dem Charakter, welcher von dem im 18. Jahr-
hundert als Diebszeichen allgemein gebräuchlichen Pfeil durchzogen
iſt, ganz entſchiedene Spuren der oben dargeſtellten Himmels- und
Engelsſchrift. So iſt a. a. O. in dem am 28. Juli 1856 am
Diete’ſchen Hauſe zu Gerſtberg in Niederöſterreich vom Schränker
gezeichneten Zinken
[Abbildung]
ſehr beſtimmt eine Spur von der Kammer- und Winkelſchrift zu
erkennen, ſo wenig bewußt auch dem Jnhaber und Zeichner des
Zinkens die Urſprünglichkeit deſſelben mit der erſten wahren Be-
deutſamkeit geweſen ſein mag. Solche Hindeutungen finden ſich
in faſt allen Gaunerzinken. Es darf nicht überraſchen, daß häufig
in frappanter Weiſe die Zinken mit den ſtreng geheim gehaltenen

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[35/0047] zwar denſelben populären Stoff als Grundlage. Weit entfernt aber, ein abgerundetes ſtrenges Syſtem zu ſchaffen, um das exclu- ſive geheime Verſtändniß anzubahnen und zu bewahren, blieb das Gaunerthum auch hier ſeinem Grundſatz getreu, in das Volk hin- einzudringen und ganz im Volk zu leben, aus deſſen Sprache und Typen das ihm dienlich Scheinende mit ſchlauer Wahl zuſammen zu leſen und für ſein geheimes logiſches Verſtändniß umzumodeln. Das macht gerade das Verſtändniß der Gaunerzinken ſo überaus ſchwer. Dieſe leiden nicht allein an der populären Verfärbung der originellen Typen, ſondern dazu auch noch an der autokraten Auswahl und frivolen Umwandelung des verſchlagenen Gauner- thums. Und doch ſind noch bis zur Stunde in ſehr vielen Gau- nerzinken die alten Originaltypen deutlich zu erkennen. Nimmt man z. B. den rohen verwilderten Zinken der Kirſchner in Th. II, S. 59: [Abbildung] ſo erkennt man in dem Charakter, welcher von dem im 18. Jahr- hundert als Diebszeichen allgemein gebräuchlichen Pfeil durchzogen iſt, ganz entſchiedene Spuren der oben dargeſtellten Himmels- und Engelsſchrift. So iſt a. a. O. in dem am 28. Juli 1856 am Diete’ſchen Hauſe zu Gerſtberg in Niederöſterreich vom Schränker gezeichneten Zinken [Abbildung] ſehr beſtimmt eine Spur von der Kammer- und Winkelſchrift zu erkennen, ſo wenig bewußt auch dem Jnhaber und Zeichner des Zinkens die Urſprünglichkeit deſſelben mit der erſten wahren Be- deutſamkeit geweſen ſein mag. Solche Hindeutungen finden ſich in faſt allen Gaunerzinken. Es darf nicht überraſchen, daß häufig in frappanter Weiſe die Zinken mit den ſtreng geheim gehaltenen 3*

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/47>, abgerufen am 27.11.2024.