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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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schen Sprache als Flexionssprachen hervorgehende Unmöglichkeit
oder mindestens vorwiegende unüberwindliche Schwierigkeit, das
Verständniß der verschiedenen Bedeutungen durch das phonetische
Element herzustellen, hat das Jüdischdeutsche vor dem dürren Zwang
der schwierigen phonetischen Modulation bewahrt, mit welcher die
sehr merkwürdige und einfachste aller Sprachen, die chinesische,
eine phonetische Unterscheidung nach der logischen Bedeutung beim
Sprechen herbeizuführen sucht. Die chinesische Sprache bildet hier
gewissermaßen den Gegensatz der jüdischdeutschen Sprache. Bei
den jüdischdeutschen Abbreviaturen bleiben die mehrdeutigen gra-
phischen Zeichen unveränderlich stehen und werden nur durch das
logische Verständniß in ihrer jedesmaligen speciellen Bedeutung
erklärlich, während ihnen das phonetische Element ganz abgeht
oder doch nur ausnahmsweise und einseitig beigelegt wird. Jm
Chinesischen bleibt aber bei den Schriftcharakteren, welche aus
einem Lautzeichen und aus einem Begriffszeichen zusammengesetzt
sind, das erstere durchweg phonetisch bestehen, so verschieden-
artige Begriffszeichen auch mit ihm verbunden werden, und das
Begriffszeichen verschwindet in phonetischer Hinsicht vollkommen
vor dem Lautzeichen, verleiht aber dem ganzen Schriftcharakter eine
andere logische Bedeutung. Auch dies wird ein Beispiel deutlicher
machen. Jm Chinesischen lautet [fremdsprachliches Material] tscheu (tschö) und bedeutet
Schiff, ist also zugleich Lautzeichen und Begriffszeichen. Wird
es nun mit andern Charakteren, welche ebenfalls sowol Laut- als
Begriffszeichen sind, zusammengesetzt, so verliert [fremdsprachliches Material] seine Be-
deutung
Schiff, behält aber den Laut tscheu bei, während das
mit ihm zusammengesetzte Wort seine phonetische Geltung ganz
verliert, dagegen aber dem ganzen componirten Charakter eine
neue bestimmte logische Bedeutung verleiht. Stellt man nun [fremdsprachliches Material]
mit nachfolgenden Charakteren zusammen, wie z. B. Schleicher,
"Sprachen Europas", S. 44, aufführt:
[fremdsprachliches Material] shui, Wasser,
[fremdsprachliches Material] kiu, Wagen,

ſchen Sprache als Flexionsſprachen hervorgehende Unmöglichkeit
oder mindeſtens vorwiegende unüberwindliche Schwierigkeit, das
Verſtändniß der verſchiedenen Bedeutungen durch das phonetiſche
Element herzuſtellen, hat das Jüdiſchdeutſche vor dem dürren Zwang
der ſchwierigen phonetiſchen Modulation bewahrt, mit welcher die
ſehr merkwürdige und einfachſte aller Sprachen, die chineſiſche,
eine phonetiſche Unterſcheidung nach der logiſchen Bedeutung beim
Sprechen herbeizuführen ſucht. Die chineſiſche Sprache bildet hier
gewiſſermaßen den Gegenſatz der jüdiſchdeutſchen Sprache. Bei
den jüdiſchdeutſchen Abbreviaturen bleiben die mehrdeutigen gra-
phiſchen Zeichen unveränderlich ſtehen und werden nur durch das
logiſche Verſtändniß in ihrer jedesmaligen ſpeciellen Bedeutung
erklärlich, während ihnen das phonetiſche Element ganz abgeht
oder doch nur ausnahmsweiſe und einſeitig beigelegt wird. Jm
Chineſiſchen bleibt aber bei den Schriftcharakteren, welche aus
einem Lautzeichen und aus einem Begriffszeichen zuſammengeſetzt
ſind, das erſtere durchweg phonetiſch beſtehen, ſo verſchieden-
artige Begriffszeichen auch mit ihm verbunden werden, und das
Begriffszeichen verſchwindet in phonetiſcher Hinſicht vollkommen
vor dem Lautzeichen, verleiht aber dem ganzen Schriftcharakter eine
andere logiſche Bedeutung. Auch dies wird ein Beiſpiel deutlicher
machen. Jm Chineſiſchen lautet [fremdsprachliches Material] tscheu (tſchö) und bedeutet
Schiff, iſt alſo zugleich Lautzeichen und Begriffszeichen. Wird
es nun mit andern Charakteren, welche ebenfalls ſowol Laut- als
Begriffszeichen ſind, zuſammengeſetzt, ſo verliert [fremdsprachliches Material] ſeine Be-
deutung
Schiff, behält aber den Laut tscheu bei, während das
mit ihm zuſammengeſetzte Wort ſeine phonetiſche Geltung ganz
verliert, dagegen aber dem ganzen componirten Charakter eine
neue beſtimmte logiſche Bedeutung verleiht. Stellt man nun [fremdsprachliches Material]
mit nachfolgenden Charakteren zuſammen, wie z. B. Schleicher,
„Sprachen Europas“, S. 44, aufführt:
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[fremdsprachliches Material] kiu, Wagen,

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[338/0372] ſchen Sprache als Flexionsſprachen hervorgehende Unmöglichkeit oder mindeſtens vorwiegende unüberwindliche Schwierigkeit, das Verſtändniß der verſchiedenen Bedeutungen durch das phonetiſche Element herzuſtellen, hat das Jüdiſchdeutſche vor dem dürren Zwang der ſchwierigen phonetiſchen Modulation bewahrt, mit welcher die ſehr merkwürdige und einfachſte aller Sprachen, die chineſiſche, eine phonetiſche Unterſcheidung nach der logiſchen Bedeutung beim Sprechen herbeizuführen ſucht. Die chineſiſche Sprache bildet hier gewiſſermaßen den Gegenſatz der jüdiſchdeutſchen Sprache. Bei den jüdiſchdeutſchen Abbreviaturen bleiben die mehrdeutigen gra- phiſchen Zeichen unveränderlich ſtehen und werden nur durch das logiſche Verſtändniß in ihrer jedesmaligen ſpeciellen Bedeutung erklärlich, während ihnen das phonetiſche Element ganz abgeht oder doch nur ausnahmsweiſe und einſeitig beigelegt wird. Jm Chineſiſchen bleibt aber bei den Schriftcharakteren, welche aus einem Lautzeichen und aus einem Begriffszeichen zuſammengeſetzt ſind, das erſtere durchweg phonetiſch beſtehen, ſo verſchieden- artige Begriffszeichen auch mit ihm verbunden werden, und das Begriffszeichen verſchwindet in phonetiſcher Hinſicht vollkommen vor dem Lautzeichen, verleiht aber dem ganzen Schriftcharakter eine andere logiſche Bedeutung. Auch dies wird ein Beiſpiel deutlicher machen. Jm Chineſiſchen lautet _ tscheu (tſchö) und bedeutet Schiff, iſt alſo zugleich Lautzeichen und Begriffszeichen. Wird es nun mit andern Charakteren, welche ebenfalls ſowol Laut- als Begriffszeichen ſind, zuſammengeſetzt, ſo verliert _ ſeine Be- deutung Schiff, behält aber den Laut tscheu bei, während das mit ihm zuſammengeſetzte Wort ſeine phonetiſche Geltung ganz verliert, dagegen aber dem ganzen componirten Charakter eine neue beſtimmte logiſche Bedeutung verleiht. Stellt man nun _ mit nachfolgenden Charakteren zuſammen, wie z. B. Schleicher, „Sprachen Europas“, S. 44, aufführt: _ shui, Waſſer, _ kiu, Wagen,

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/372>, abgerufen am 22.11.2024.