zu treffen. Jm ganzen Buche findet man ebenfalls keinen einzigen deutschrabbinischen Buchstaben.
Es ist merkwürdig, wie dies Buch, welches vermöge seiner zwei Auflagen doch jedenfalls Verbreitung gefunden haben muß, dennoch den Juristen so durchaus unbekannt geblieben ist, daß das jüdischdeutsche Vocabular im Supplement der koburger De- signation des jüdischen Baldobers (vgl. Th. I, S. 232), obschon es in Wort, Form, Sinn und Deutung hart an Christian's Wör- terbuch streift, ganz und gar keine Rücksicht auf Christian genom- men hat, obgleich die ganze berühmte koburger Untersuchung fast auf demselben Boden stattfand, auf welchem Christian's Wörter- buch entstanden war. Dieses Nahesein und doch nicht Zusammen- treffen ist charakterisch für die Justizpflege, für die Stellung der Juden und für die Geltung der Judenmission in damaliger Zeit. Zu welchen Entdeckungen und zu welchen Resultaten für Justiz- pflege und Polizei hätten diese Berührungen geführt! Am Schlusse führt der Verfasser noch 24 Broches oder Segenssprüche des jüdi- schen Hausvaters an, sowie ein jüdischdeutsches Gespräch zwischen zwei Handelsjuden und ein theologisches Gespräch zwischen einem Studenten und einem Juden, welche man in spätern ähnlichen Büchern wiederholt abgedruckt findet, welche jedoch in sprachlicher und anderer Hinsicht nichts besonders Merkwürdiges enthalten.
"Kurtze und gründliche Anweisung Zur Teutsch-Jüdischen Sprache, Aus welcher nicht nur Teutsch-Jüdisch zu schreiben und zu lesen, sondern auch zu sprechen kann erlernt werden, So wohl den Studiosis Theologiae, als auch denen Handels-Leuten, Und allen denen, die mit Jüden zu correspondiren oder sonst zu thun haben, zum besten entworffen von PhilogLotto" (Freiberg 1733). Der pseudonyme Philoglottus (sein wirklicher Name ist J. P. Lütke) wird schon dreister. Er hat das Buch dem Herzog Johann Adolf von Sachsen mit einer kriechenden Vorrede gewidmet, wel- cher ein dürftiger "Vorbericht an den Leser" folgt, mit der Be- hauptung, "daß das Jüdische ein Dialekt des Hebräischen sei". Von diesem Standpunkt geht der Verfasser denn auch in der auf neun Seiten sehr mager und undeutlich abgehandelten eigensten Gram-
zu treffen. Jm ganzen Buche findet man ebenfalls keinen einzigen deutſchrabbiniſchen Buchſtaben.
Es iſt merkwürdig, wie dies Buch, welches vermöge ſeiner zwei Auflagen doch jedenfalls Verbreitung gefunden haben muß, dennoch den Juriſten ſo durchaus unbekannt geblieben iſt, daß das jüdiſchdeutſche Vocabular im Supplement der koburger De- ſignation des jüdiſchen Baldobers (vgl. Th. I, S. 232), obſchon es in Wort, Form, Sinn und Deutung hart an Chriſtian’s Wör- terbuch ſtreift, ganz und gar keine Rückſicht auf Chriſtian genom- men hat, obgleich die ganze berühmte koburger Unterſuchung faſt auf demſelben Boden ſtattfand, auf welchem Chriſtian’s Wörter- buch entſtanden war. Dieſes Naheſein und doch nicht Zuſammen- treffen iſt charakteriſch für die Juſtizpflege, für die Stellung der Juden und für die Geltung der Judenmiſſion in damaliger Zeit. Zu welchen Entdeckungen und zu welchen Reſultaten für Juſtiz- pflege und Polizei hätten dieſe Berührungen geführt! Am Schluſſe führt der Verfaſſer noch 24 Broches oder Segensſprüche des jüdi- ſchen Hausvaters an, ſowie ein jüdiſchdeutſches Geſpräch zwiſchen zwei Handelsjuden und ein theologiſches Geſpräch zwiſchen einem Studenten und einem Juden, welche man in ſpätern ähnlichen Büchern wiederholt abgedruckt findet, welche jedoch in ſprachlicher und anderer Hinſicht nichts beſonders Merkwürdiges enthalten.
„Kurtze und gründliche Anweiſung Zur Teutſch-Jüdiſchen Sprache, Aus welcher nicht nur Teutſch-Jüdiſch zu ſchreiben und zu leſen, ſondern auch zu ſprechen kann erlernt werden, So wohl den Studiosis Theologiae, als auch denen Handels-Leuten, Und allen denen, die mit Jüden zu correspondiren oder ſonſt zu thun haben, zum beſten entworffen von PhilogLotto“ (Freiberg 1733). Der pſeudonyme Philoglottus (ſein wirklicher Name iſt J. P. Lütke) wird ſchon dreiſter. Er hat das Buch dem Herzog Johann Adolf von Sachſen mit einer kriechenden Vorrede gewidmet, wel- cher ein dürftiger „Vorbericht an den Leſer“ folgt, mit der Be- hauptung, „daß das Jüdiſche ein Dialekt des Hebräiſchen ſei“. Von dieſem Standpunkt geht der Verfaſſer denn auch in der auf neun Seiten ſehr mager und undeutlich abgehandelten eigenſten Gram-
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zu treffen. Jm ganzen Buche findet man ebenfalls keinen einzigen
deutſchrabbiniſchen Buchſtaben.
Es iſt merkwürdig, wie dies Buch, welches vermöge ſeiner
zwei Auflagen doch jedenfalls Verbreitung gefunden haben muß,
dennoch den Juriſten ſo durchaus unbekannt geblieben iſt, daß
das jüdiſchdeutſche Vocabular im Supplement der koburger De-
ſignation des jüdiſchen Baldobers (vgl. Th. I, S. 232), obſchon
es in Wort, Form, Sinn und Deutung hart an Chriſtian’s Wör-
terbuch ſtreift, ganz und gar keine Rückſicht auf Chriſtian genom-
men hat, obgleich die ganze berühmte koburger Unterſuchung faſt
auf demſelben Boden ſtattfand, auf welchem Chriſtian’s Wörter-
buch entſtanden war. Dieſes Naheſein und doch nicht Zuſammen-
treffen iſt charakteriſch für die Juſtizpflege, für die Stellung der
Juden und für die Geltung der Judenmiſſion in damaliger Zeit.
Zu welchen Entdeckungen und zu welchen Reſultaten für Juſtiz-
pflege und Polizei hätten dieſe Berührungen geführt! Am Schluſſe
führt der Verfaſſer noch 24 Broches oder Segensſprüche des jüdi-
ſchen Hausvaters an, ſowie ein jüdiſchdeutſches Geſpräch zwiſchen
zwei Handelsjuden und ein theologiſches Geſpräch zwiſchen einem
Studenten und einem Juden, welche man in ſpätern ähnlichen
Büchern wiederholt abgedruckt findet, welche jedoch in ſprachlicher
und anderer Hinſicht nichts beſonders Merkwürdiges enthalten.
„Kurtze und gründliche Anweiſung Zur Teutſch-Jüdiſchen
Sprache, Aus welcher nicht nur Teutſch-Jüdiſch zu ſchreiben und
zu leſen, ſondern auch zu ſprechen kann erlernt werden, So wohl
den Studiosis Theologiae, als auch denen Handels-Leuten, Und
allen denen, die mit Jüden zu correspondiren oder ſonſt zu thun
haben, zum beſten entworffen von PhilogLotto“ (Freiberg 1733).
Der pſeudonyme Philoglottus (ſein wirklicher Name iſt J. P.
Lütke) wird ſchon dreiſter. Er hat das Buch dem Herzog Johann
Adolf von Sachſen mit einer kriechenden Vorrede gewidmet, wel-
cher ein dürftiger „Vorbericht an den Leſer“ folgt, mit der Be-
hauptung, „daß das Jüdiſche ein Dialekt des Hebräiſchen ſei“.
Von dieſem Standpunkt geht der Verfaſſer denn auch in der auf
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/267>, abgerufen am 24.11.2024.
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