regierung einen solchen errichtet hat. 1) Jst die Polizei erst zu historisch-wissenschaftlicher Begründung gekommen, so wird von ihr aus auch auf das Criminalrecht und dessen ganze Pflege ein sehr bedeutender Einfluß ausgehen, und auch im Criminalrecht vieles zu einer lebendigern Anschauung und Ausgleichung gebracht werden, was bei der bisherigen streng rationellen Behandlung für Leben und Praxis starr und unbeweglich geblieben, auch durch die dermalige Einführung der Geschworenengerichte doch noch nicht ausgeglichen ist.
Siebenundneunzigstes Kapitel. c)Die Centralisation und Repräsentation der Polizeigewalt.
Erst dann, wenn eine solche Durchbildung mehr und mehr verbreitet ist, wird die Polizei als ein in allen ihren Zweigen un- theilbar Ganzes erkannt, und die volle Nothwendigkeit ihrer Ver- einigung in eine Behörde und eine Person vollständig begriffen werden. Ohne diese Centralisation ist ihre Wirksamkeit durchaus gelähmt und unfruchtbar. Die widerlichen, Zeit und Kräfte raubenden Competenzconflicte fallen in ihrer ganzen Plage auf das Bürgerthum zurück, und vereiteln alle beabsichtigten Erfolge der Polizei. Die Coexistenz mehrerer gleicher Behörden an einem Orte macht es gerade, daß die Polizei in ihrer Wirksamkeit ge- hemmt, bloßgestellt und als lästige kostspielige Pensionärin des Staats mit Abneigung vom Bürgerthum betrachtet wird. Die landesherrlichen Polizeiinstitute stehen neben der magistratualen
1) Es ließen sich schon nach Zimmermann's "Leitfaden" sehr füglich Vorlesungen halten. Oder wenn die Masse zu groß ist, so müssen vor der Hand einzelne Abschnitte oder Zweige genügen, bis die Lehrmethode geläufiger geworden ist. Nur ein Anfang muß gemacht werden, und zwar bald; denn das Bedürfniß ist zu groß, als daß ein längerer Aufschub thunlich und rath- sam wäre!
regierung einen ſolchen errichtet hat. 1) Jſt die Polizei erſt zu hiſtoriſch-wiſſenſchaftlicher Begründung gekommen, ſo wird von ihr aus auch auf das Criminalrecht und deſſen ganze Pflege ein ſehr bedeutender Einfluß ausgehen, und auch im Criminalrecht vieles zu einer lebendigern Anſchauung und Ausgleichung gebracht werden, was bei der bisherigen ſtreng rationellen Behandlung für Leben und Praxis ſtarr und unbeweglich geblieben, auch durch die dermalige Einführung der Geſchworenengerichte doch noch nicht ausgeglichen iſt.
Siebenundneunzigſtes Kapitel. c)Die Centraliſation und Repräſentation der Polizeigewalt.
Erſt dann, wenn eine ſolche Durchbildung mehr und mehr verbreitet iſt, wird die Polizei als ein in allen ihren Zweigen un- theilbar Ganzes erkannt, und die volle Nothwendigkeit ihrer Ver- einigung in eine Behörde und eine Perſon vollſtändig begriffen werden. Ohne dieſe Centraliſation iſt ihre Wirkſamkeit durchaus gelähmt und unfruchtbar. Die widerlichen, Zeit und Kräfte raubenden Competenzconflicte fallen in ihrer ganzen Plage auf das Bürgerthum zurück, und vereiteln alle beabſichtigten Erfolge der Polizei. Die Coexiſtenz mehrerer gleicher Behörden an einem Orte macht es gerade, daß die Polizei in ihrer Wirkſamkeit ge- hemmt, bloßgeſtellt und als läſtige koſtſpielige Penſionärin des Staats mit Abneigung vom Bürgerthum betrachtet wird. Die landesherrlichen Polizeiinſtitute ſtehen neben der magiſtratualen
1) Es ließen ſich ſchon nach Zimmermann’s „Leitfaden“ ſehr füglich Vorleſungen halten. Oder wenn die Maſſe zu groß iſt, ſo müſſen vor der Hand einzelne Abſchnitte oder Zweige genügen, bis die Lehrmethode geläufiger geworden iſt. Nur ein Anfang muß gemacht werden, und zwar bald; denn das Bedürfniß iſt zu groß, als daß ein längerer Aufſchub thunlich und rath- ſam wäre!
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regierung einen ſolchen errichtet hat. 1) Jſt die Polizei erſt zu
hiſtoriſch-wiſſenſchaftlicher Begründung gekommen, ſo wird von
ihr aus auch auf das Criminalrecht und deſſen ganze Pflege ein
ſehr bedeutender Einfluß ausgehen, und auch im Criminalrecht
vieles zu einer lebendigern Anſchauung und Ausgleichung gebracht
werden, was bei der bisherigen ſtreng rationellen Behandlung für
Leben und Praxis ſtarr und unbeweglich geblieben, auch durch
die dermalige Einführung der Geſchworenengerichte doch noch nicht
ausgeglichen iſt.
Siebenundneunzigſtes Kapitel.
c) Die Centraliſation und Repräſentation der
Polizeigewalt.
Erſt dann, wenn eine ſolche Durchbildung mehr und mehr
verbreitet iſt, wird die Polizei als ein in allen ihren Zweigen un-
theilbar Ganzes erkannt, und die volle Nothwendigkeit ihrer Ver-
einigung in eine Behörde und eine Perſon vollſtändig begriffen
werden. Ohne dieſe Centraliſation iſt ihre Wirkſamkeit durchaus
gelähmt und unfruchtbar. Die widerlichen, Zeit und Kräfte
raubenden Competenzconflicte fallen in ihrer ganzen Plage auf
das Bürgerthum zurück, und vereiteln alle beabſichtigten Erfolge
der Polizei. Die Coexiſtenz mehrerer gleicher Behörden an einem
Orte macht es gerade, daß die Polizei in ihrer Wirkſamkeit ge-
hemmt, bloßgeſtellt und als läſtige koſtſpielige Penſionärin des
Staats mit Abneigung vom Bürgerthum betrachtet wird. Die
landesherrlichen Polizeiinſtitute ſtehen neben der magiſtratualen
1) Es ließen ſich ſchon nach Zimmermann’s „Leitfaden“ ſehr füglich
Vorleſungen halten. Oder wenn die Maſſe zu groß iſt, ſo müſſen vor der
Hand einzelne Abſchnitte oder Zweige genügen, bis die Lehrmethode geläufiger
geworden iſt. Nur ein Anfang muß gemacht werden, und zwar bald; denn
das Bedürfniß iſt zu groß, als daß ein längerer Aufſchub thunlich und rath-
ſam wäre!
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/370>, abgerufen am 16.02.2025.
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