von professionirten Dieben verübt sind, trifft man fast immer in der Nähe der Einbruchstelle auf frische menschliche Excremente. Die Gauner haben den Glauben, daß die Schläfer im an- gegriffenen Hause nicht erwachen, und daß der Einbruch überhaupt nicht bemerkt und gestört wird, so lange die Excremente noch die animalische Wärme haben. Die Wahrnehmung ist in neuester Zeit wieder häufig gemacht worden. 1) Die oben in der Note erwähnten, im Jahre 1844 hingerichteten stockelsdorfer Raub- mörder hatten dieselbe Vorbereitung gemacht. Jn meiner bewegten Praxis weiß ich nur sehr wenig Fälle auf dem Lande, wo ich nicht bei der Localinspection dieselbe Wahrnehmung hätte machen müssen.
Endlich muß, der weiten Verbreitung wegen, noch erwähnt werden, daß der scheußliche Aberglaube, durch Beischlaf und Be- rührung jungfräulicher Personen, namentlich noch unreifer Mäd- chen, von der Syphilis befreit zu werden, ebenso tief im Gauner- thum wie im gemeinen Volk haftet, und daß in der Geschichte des Gaunerthums bis zu dieser Stunde die Fälle von schänd- lichen, oft tödlich verlaufenden brutalen Mishandlungen leider nicht die seltensten sind.
Ueber andere Formen des Aberglaubens vergleiche man Grimm's "Deutsche Mythologie", S. 639 fg., 689, und im Anhange S. xxix--clxii, wo sich des Jnteressanten viel findet. Specielleres wird bei der Wahrsagerei, Kap. 69 u. fg., ab- gehandelt werden.
Der Besitz so vieler Hülfsmittel, Fertigkeiten, Geheimnisse und die vielen glücklichen Erfolge und Erfahrungen bringen im Gauner ferner eine sehr starke Eitelkeit und Prahlsucht hervor, mit der er schon überhaupt geringschätzig auf den Nichtgauner, den Hautz, Kaffer, Wittschen, Wittstock u. s. w. herabsieht. Wie
1) Sie scheint vernachlässigt worden zu sein, obgleich auch schon Falken- berg, a. a. O., I, 30, hierauf aufmerksam gemacht hat, mit der Bemerkung, daß die Gauner auch noch einen Topf oder Hut anwendeten zur Bedeckung und Warmhaltung der Excremente.
von profeſſionirten Dieben verübt ſind, trifft man faſt immer in der Nähe der Einbruchſtelle auf friſche menſchliche Excremente. Die Gauner haben den Glauben, daß die Schläfer im an- gegriffenen Hauſe nicht erwachen, und daß der Einbruch überhaupt nicht bemerkt und geſtört wird, ſo lange die Excremente noch die animaliſche Wärme haben. Die Wahrnehmung iſt in neueſter Zeit wieder häufig gemacht worden. 1) Die oben in der Note erwähnten, im Jahre 1844 hingerichteten ſtockelsdorfer Raub- mörder hatten dieſelbe Vorbereitung gemacht. Jn meiner bewegten Praxis weiß ich nur ſehr wenig Fälle auf dem Lande, wo ich nicht bei der Localinſpection dieſelbe Wahrnehmung hätte machen müſſen.
Endlich muß, der weiten Verbreitung wegen, noch erwähnt werden, daß der ſcheußliche Aberglaube, durch Beiſchlaf und Be- rührung jungfräulicher Perſonen, namentlich noch unreifer Mäd- chen, von der Syphilis befreit zu werden, ebenſo tief im Gauner- thum wie im gemeinen Volk haftet, und daß in der Geſchichte des Gaunerthums bis zu dieſer Stunde die Fälle von ſchänd- lichen, oft tödlich verlaufenden brutalen Mishandlungen leider nicht die ſeltenſten ſind.
Ueber andere Formen des Aberglaubens vergleiche man Grimm’s „Deutſche Mythologie“, S. 639 fg., 689, und im Anhange S. xxix—clxii, wo ſich des Jntereſſanten viel findet. Specielleres wird bei der Wahrſagerei, Kap. 69 u. fg., ab- gehandelt werden.
Der Beſitz ſo vieler Hülfsmittel, Fertigkeiten, Geheimniſſe und die vielen glücklichen Erfolge und Erfahrungen bringen im Gauner ferner eine ſehr ſtarke Eitelkeit und Prahlſucht hervor, mit der er ſchon überhaupt geringſchätzig auf den Nichtgauner, den Hautz, Kaffer, Wittſchen, Wittſtock u. ſ. w. herabſieht. Wie
1) Sie ſcheint vernachläſſigt worden zu ſein, obgleich auch ſchon Falken- berg, a. a. O., I, 30, hierauf aufmerkſam gemacht hat, mit der Bemerkung, daß die Gauner auch noch einen Topf oder Hut anwendeten zur Bedeckung und Warmhaltung der Excremente.
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von profeſſionirten Dieben verübt ſind, trifft man faſt immer in
der Nähe der Einbruchſtelle auf friſche menſchliche Excremente.
Die Gauner haben den Glauben, daß die Schläfer im an-
gegriffenen Hauſe nicht erwachen, und daß der Einbruch überhaupt
nicht bemerkt und geſtört wird, ſo lange die Excremente noch die
animaliſche Wärme haben. Die Wahrnehmung iſt in neueſter
Zeit wieder häufig gemacht worden. 1) Die oben in der Note
erwähnten, im Jahre 1844 hingerichteten ſtockelsdorfer Raub-
mörder hatten dieſelbe Vorbereitung gemacht. Jn meiner bewegten
Praxis weiß ich nur ſehr wenig Fälle auf dem Lande, wo ich
nicht bei der Localinſpection dieſelbe Wahrnehmung hätte machen
müſſen.
Endlich muß, der weiten Verbreitung wegen, noch erwähnt
werden, daß der ſcheußliche Aberglaube, durch Beiſchlaf und Be-
rührung jungfräulicher Perſonen, namentlich noch unreifer Mäd-
chen, von der Syphilis befreit zu werden, ebenſo tief im Gauner-
thum wie im gemeinen Volk haftet, und daß in der Geſchichte
des Gaunerthums bis zu dieſer Stunde die Fälle von ſchänd-
lichen, oft tödlich verlaufenden brutalen Mishandlungen leider nicht
die ſeltenſten ſind.
Ueber andere Formen des Aberglaubens vergleiche man
Grimm’s „Deutſche Mythologie“, S. 639 fg., 689, und im
Anhange S. xxix—clxii, wo ſich des Jntereſſanten viel findet.
Specielleres wird bei der Wahrſagerei, Kap. 69 u. fg., ab-
gehandelt werden.
Der Beſitz ſo vieler Hülfsmittel, Fertigkeiten, Geheimniſſe und
die vielen glücklichen Erfolge und Erfahrungen bringen im Gauner
ferner eine ſehr ſtarke Eitelkeit und Prahlſucht hervor, mit
der er ſchon überhaupt geringſchätzig auf den Nichtgauner, den
Hautz, Kaffer, Wittſchen, Wittſtock u. ſ. w. herabſieht. Wie
1) Sie ſcheint vernachläſſigt worden zu ſein, obgleich auch ſchon Falken-
berg, a. a. O., I, 30, hierauf aufmerkſam gemacht hat, mit der Bemerkung,
daß die Gauner auch noch einen Topf oder Hut anwendeten zur Bedeckung
und Warmhaltung der Excremente.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/37>, abgerufen am 16.02.2025.
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