Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

hängen, ohne eigentlichen Nutzen von diesem äußerst praktischen
Reisestück zu haben u. s. w.

Die Sicherheitsvorschläge, welche Hirt in seinem vortrefflichen
kleinen Buch, S. 32 fg., macht, sind genau nach den angeführten
Rücksichten bemessen 1), und empfehlen sich als praktisch und nütz-
lich. Die Befestigung der Portemonnaies an Schnüren oder
Stahlketten, wie Hirt vorschlägt, ist dem Taschendieb gewiß in
den meisten Fällen ein Hinderniß. Ebenso sicher sind die tie-
fern
Taschen in Beinkleidern, Westen und Röcken. Die durch-
gehende Befestigung der hintern Rocktaschen an das Unterfutter
verhindert das rasche Abschneiden. Brieftaschen, Dosen und Werth-
sachen sollte man vernünftigerweise nie anders als in den innern
Brusttaschen tragen, welche unerlaßlich mit einer Klappe zum Zu-
knöpfen versehen sein müssen. Gegen das Aufschneiden der Brust-
taschen von außen her im Gedränge schützen die Wattirungen
noch besser, wenn man sie mit dünnen, elastischen Federn von
rund gewickeltem Draht quer durchziehen läßt. Dem Fußreisenden,
der erwarten muß, daß er mit fremden Leuten zusammen auf einer
gemeinsamen Streu schlafen und vielleicht das Aufschneiden seines
Reisesacks fürchten muß, ist allerdings die von Hirt vorgeschlagene,

1) Freilich lassen sich nicht alle Maßregeln, die der Engländer nach Ge-
legenheit in seiner sonderbaren Weise auszudenken weiß, nachahmen und em-
pfehlen, so praktisch sie auch sind. Einer der größten englischen Taschendiebe
Tom Taylor wurde einmal wirklich geangelt. Jm Drurylanetheater hatte
nämlich Taylor eines Abends einem neben ihm im Parterre sitzenden Eng-
länder 40 Guineen aus der Rocktasche gestohlen, und war verwegen genug, am
andern Abend wiederzukommen und, da er den Bestohlenen wieder auf dem-
selben Platz erblickte, sich zu ihm zu setzen. Der Engländer, welcher den Tay-
lor trotz seiner Verkleidung wiedererkannte, stellte sich ganz arglos und steckte
eine bedeutende Menge Guineen in die Rocktasche, in welche Taylor bald dar-
auf seine Hand prakticirte. Die Tasche war jedoch am Eingange mit Fischer-
haken besetzt, die das Zurückziehen der Hand verhinderten. Nach einer Weile
stand der Engländer, dem der geangelte Taylor gezwungen folgen mußte, kalt-
blütig auf und ging über die Straße in einen Gasthof, wo er Taylor zum
Ersatz alles Gestohlenen zwang, ihn derb durchprügelte und dann dem herbei-
gelaufenen Volk überließ, welches ihn schwemmte und so arg mishandelte, daß
er einen Arm und ein Bein dabei brach.

hängen, ohne eigentlichen Nutzen von dieſem äußerſt praktiſchen
Reiſeſtück zu haben u. ſ. w.

Die Sicherheitsvorſchläge, welche Hirt in ſeinem vortrefflichen
kleinen Buch, S. 32 fg., macht, ſind genau nach den angeführten
Rückſichten bemeſſen 1), und empfehlen ſich als praktiſch und nütz-
lich. Die Befeſtigung der Portemonnaies an Schnüren oder
Stahlketten, wie Hirt vorſchlägt, iſt dem Taſchendieb gewiß in
den meiſten Fällen ein Hinderniß. Ebenſo ſicher ſind die tie-
fern
Taſchen in Beinkleidern, Weſten und Röcken. Die durch-
gehende Befeſtigung der hintern Rocktaſchen an das Unterfutter
verhindert das raſche Abſchneiden. Brieftaſchen, Doſen und Werth-
ſachen ſollte man vernünftigerweiſe nie anders als in den innern
Bruſttaſchen tragen, welche unerlaßlich mit einer Klappe zum Zu-
knöpfen verſehen ſein müſſen. Gegen das Aufſchneiden der Bruſt-
taſchen von außen her im Gedränge ſchützen die Wattirungen
noch beſſer, wenn man ſie mit dünnen, elaſtiſchen Federn von
rund gewickeltem Draht quer durchziehen läßt. Dem Fußreiſenden,
der erwarten muß, daß er mit fremden Leuten zuſammen auf einer
gemeinſamen Streu ſchlafen und vielleicht das Aufſchneiden ſeines
Reiſeſacks fürchten muß, iſt allerdings die von Hirt vorgeſchlagene,

1) Freilich laſſen ſich nicht alle Maßregeln, die der Engländer nach Ge-
legenheit in ſeiner ſonderbaren Weiſe auszudenken weiß, nachahmen und em-
pfehlen, ſo praktiſch ſie auch ſind. Einer der größten engliſchen Taſchendiebe
Tom Taylor wurde einmal wirklich geangelt. Jm Drurylanetheater hatte
nämlich Taylor eines Abends einem neben ihm im Parterre ſitzenden Eng-
länder 40 Guineen aus der Rocktaſche geſtohlen, und war verwegen genug, am
andern Abend wiederzukommen und, da er den Beſtohlenen wieder auf dem-
ſelben Platz erblickte, ſich zu ihm zu ſetzen. Der Engländer, welcher den Tay-
lor trotz ſeiner Verkleidung wiedererkannte, ſtellte ſich ganz arglos und ſteckte
eine bedeutende Menge Guineen in die Rocktaſche, in welche Taylor bald dar-
auf ſeine Hand prakticirte. Die Taſche war jedoch am Eingange mit Fiſcher-
haken beſetzt, die das Zurückziehen der Hand verhinderten. Nach einer Weile
ſtand der Engländer, dem der geangelte Taylor gezwungen folgen mußte, kalt-
blütig auf und ging über die Straße in einen Gaſthof, wo er Taylor zum
Erſatz alles Geſtohlenen zwang, ihn derb durchprügelte und dann dem herbei-
gelaufenen Volk überließ, welches ihn ſchwemmte und ſo arg mishandelte, daß
er einen Arm und ein Bein dabei brach.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0245" n="233"/>
hängen, ohne eigentlichen Nutzen von die&#x017F;em äußer&#x017F;t prakti&#x017F;chen<lb/>
Rei&#x017F;e&#x017F;tück zu haben u. &#x017F;. w.</p><lb/>
              <p>Die Sicherheitsvor&#x017F;chläge, welche Hirt in &#x017F;einem vortrefflichen<lb/>
kleinen Buch, S. 32 fg., macht, &#x017F;ind genau nach den angeführten<lb/>
Rück&#x017F;ichten beme&#x017F;&#x017F;en <note place="foot" n="1)">Freilich la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich nicht alle Maßregeln, die der <hi rendition="#g">Engländer</hi> nach Ge-<lb/>
legenheit in &#x017F;einer &#x017F;onderbaren Wei&#x017F;e auszudenken weiß, nachahmen und em-<lb/>
pfehlen, &#x017F;o prakti&#x017F;ch &#x017F;ie auch &#x017F;ind. Einer der größten engli&#x017F;chen Ta&#x017F;chendiebe<lb/>
Tom Taylor wurde einmal wirklich <hi rendition="#g">geangelt</hi>. Jm Drurylanetheater hatte<lb/>
nämlich Taylor eines Abends einem neben ihm im Parterre &#x017F;itzenden Eng-<lb/>
länder 40 Guineen aus der Rockta&#x017F;che ge&#x017F;tohlen, und war verwegen genug, am<lb/>
andern Abend wiederzukommen und, da er den Be&#x017F;tohlenen wieder auf dem-<lb/>
&#x017F;elben Platz erblickte, &#x017F;ich zu ihm zu &#x017F;etzen. Der Engländer, welcher den Tay-<lb/>
lor trotz &#x017F;einer Verkleidung wiedererkannte, &#x017F;tellte &#x017F;ich ganz arglos und &#x017F;teckte<lb/>
eine bedeutende Menge Guineen in die Rockta&#x017F;che, in welche Taylor bald dar-<lb/>
auf &#x017F;eine Hand prakticirte. Die Ta&#x017F;che war jedoch am Eingange mit Fi&#x017F;cher-<lb/>
haken be&#x017F;etzt, die das Zurückziehen der Hand verhinderten. Nach einer Weile<lb/>
&#x017F;tand der Engländer, dem der geangelte Taylor gezwungen folgen mußte, kalt-<lb/>
blütig auf und ging über die Straße in einen Ga&#x017F;thof, wo er Taylor zum<lb/>
Er&#x017F;atz alles Ge&#x017F;tohlenen zwang, ihn derb durchprügelte und dann dem herbei-<lb/>
gelaufenen Volk überließ, welches ihn &#x017F;chwemmte und &#x017F;o arg mishandelte, daß<lb/>
er einen Arm und ein Bein dabei brach.</note>, und empfehlen &#x017F;ich als prakti&#x017F;ch und nütz-<lb/>
lich. Die Befe&#x017F;tigung der Portemonnaies an Schnüren oder<lb/>
Stahlketten, wie Hirt vor&#x017F;chlägt, i&#x017F;t dem Ta&#x017F;chendieb gewiß in<lb/>
den mei&#x017F;ten Fällen ein Hinderniß. Eben&#x017F;o &#x017F;icher &#x017F;ind die <hi rendition="#g">tie-<lb/>
fern</hi> Ta&#x017F;chen in Beinkleidern, We&#x017F;ten und Röcken. Die durch-<lb/>
gehende Befe&#x017F;tigung der hintern Rockta&#x017F;chen an das Unterfutter<lb/>
verhindert das ra&#x017F;che Ab&#x017F;chneiden. Briefta&#x017F;chen, Do&#x017F;en und Werth-<lb/>
&#x017F;achen &#x017F;ollte man vernünftigerwei&#x017F;e nie anders als in den innern<lb/>
Bru&#x017F;tta&#x017F;chen tragen, welche unerlaßlich mit einer Klappe zum Zu-<lb/>
knöpfen ver&#x017F;ehen &#x017F;ein mü&#x017F;&#x017F;en. Gegen das Auf&#x017F;chneiden der Bru&#x017F;t-<lb/>
ta&#x017F;chen von außen her im Gedränge &#x017F;chützen die Wattirungen<lb/>
noch be&#x017F;&#x017F;er, wenn man &#x017F;ie mit dünnen, ela&#x017F;ti&#x017F;chen Federn von<lb/>
rund gewickeltem Draht quer durchziehen läßt. Dem Fußrei&#x017F;enden,<lb/>
der erwarten muß, daß er mit fremden Leuten zu&#x017F;ammen auf einer<lb/>
gemein&#x017F;amen Streu &#x017F;chlafen und vielleicht das Auf&#x017F;chneiden &#x017F;eines<lb/>
Rei&#x017F;e&#x017F;acks fürchten muß, i&#x017F;t allerdings die von Hirt vorge&#x017F;chlagene,<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[233/0245] hängen, ohne eigentlichen Nutzen von dieſem äußerſt praktiſchen Reiſeſtück zu haben u. ſ. w. Die Sicherheitsvorſchläge, welche Hirt in ſeinem vortrefflichen kleinen Buch, S. 32 fg., macht, ſind genau nach den angeführten Rückſichten bemeſſen 1), und empfehlen ſich als praktiſch und nütz- lich. Die Befeſtigung der Portemonnaies an Schnüren oder Stahlketten, wie Hirt vorſchlägt, iſt dem Taſchendieb gewiß in den meiſten Fällen ein Hinderniß. Ebenſo ſicher ſind die tie- fern Taſchen in Beinkleidern, Weſten und Röcken. Die durch- gehende Befeſtigung der hintern Rocktaſchen an das Unterfutter verhindert das raſche Abſchneiden. Brieftaſchen, Doſen und Werth- ſachen ſollte man vernünftigerweiſe nie anders als in den innern Bruſttaſchen tragen, welche unerlaßlich mit einer Klappe zum Zu- knöpfen verſehen ſein müſſen. Gegen das Aufſchneiden der Bruſt- taſchen von außen her im Gedränge ſchützen die Wattirungen noch beſſer, wenn man ſie mit dünnen, elaſtiſchen Federn von rund gewickeltem Draht quer durchziehen läßt. Dem Fußreiſenden, der erwarten muß, daß er mit fremden Leuten zuſammen auf einer gemeinſamen Streu ſchlafen und vielleicht das Aufſchneiden ſeines Reiſeſacks fürchten muß, iſt allerdings die von Hirt vorgeſchlagene, 1) Freilich laſſen ſich nicht alle Maßregeln, die der Engländer nach Ge- legenheit in ſeiner ſonderbaren Weiſe auszudenken weiß, nachahmen und em- pfehlen, ſo praktiſch ſie auch ſind. Einer der größten engliſchen Taſchendiebe Tom Taylor wurde einmal wirklich geangelt. Jm Drurylanetheater hatte nämlich Taylor eines Abends einem neben ihm im Parterre ſitzenden Eng- länder 40 Guineen aus der Rocktaſche geſtohlen, und war verwegen genug, am andern Abend wiederzukommen und, da er den Beſtohlenen wieder auf dem- ſelben Platz erblickte, ſich zu ihm zu ſetzen. Der Engländer, welcher den Tay- lor trotz ſeiner Verkleidung wiedererkannte, ſtellte ſich ganz arglos und ſteckte eine bedeutende Menge Guineen in die Rocktaſche, in welche Taylor bald dar- auf ſeine Hand prakticirte. Die Taſche war jedoch am Eingange mit Fiſcher- haken beſetzt, die das Zurückziehen der Hand verhinderten. Nach einer Weile ſtand der Engländer, dem der geangelte Taylor gezwungen folgen mußte, kalt- blütig auf und ging über die Straße in einen Gaſthof, wo er Taylor zum Erſatz alles Geſtohlenen zwang, ihn derb durchprügelte und dann dem herbei- gelaufenen Volk überließ, welches ihn ſchwemmte und ſo arg mishandelte, daß er einen Arm und ein Bein dabei brach.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/245
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/245>, abgerufen am 22.11.2024.