Strohhalme, können auch sehr leicht durch das Wegkratzen des bröcklichen und mürben Lehms mit einem Brecheisen oder spitzen Stück Holz, und durch Herausbiegen oder Zerschneiden der Holz- stäbe mit dem Messer 1) eingelegt werden. Diese Wände sind daher immer die bevorzugten Angriffsstellen der Schränker. Man sollte diese Wände ganz verwerfen, da sie obendrein der Witterung schlechten Widerstand leisten. Mit kaum geringerer Leichtigkeit sind die Fachwände 2), namentlich wenn sie mit ungebrannten Ziegelsteinen (Klutsteinen) hergestellt sind, einzulegen. Selbst tüch- tig gebrannte Ziegelsteine sichern, besonders wenn sie mit Lehm statt des Kalks vermauert sind, wenig gegen den Schränker, da der bündige Zusammenhang zwischen dem Holzwerk und den Steinen fehlt; das Holzwerk wirft sich, schwindet oder fault zu- sammen, wodurch an den Seiten der Ständer und namentlich unter den Riegeln mehr oder minder breite Fugen entstehen, welche das Herausnehmen der Steine mit dem Brecheisen wesentlich er- leichtern. Fast immer fängt der Schränker den Einbruch einer Fachwand unterhalb eines Riegels an, und nimmt die Steine von oben nach unten heraus, und zwar so, daß eine Ständerseite ganz frei gelegt wird, und die Einbruchstelle die Gestalt eines rechtwinke- ligen, auf einen spitzen Winkel gestellten Dreiecks gewinnt. Nur wenn keine Thür oder kein Fenster von innen zur Flucht oder zum Transport größerer Sachen geöffnet werden kann, und die Einbruchstelle die einzige Durchgangstelle bleibt, wird ein ganzes Fach (Schild) eingelegt. Der erfahrene Schränker schichtet auch die behutsam gelösten Ziegel neben der Einbruchstelle gegen die Wand auf, theils um die Aushebung des Fachs für den etwa herzutre- tenden Wächter oder sonstigen Dritten als die unvollendete Tages- arbeit eines Maurers erscheinen zu lassen, theils um das Poltern
1) Jm Jüdisch-Deutschen: Ssackin; davon corrumpirt Sackum, Sackem, Sacken, Zackum, Zacken; auch besonders Kaut, Hertling, Herterich, Kanif, oder das zigeunerische Tschurin und Tschuri.
2) Das Fach einer solcher Wand wird Schild genannt, das Heraus- brechen oder Herausnehmen eines solchen Faches: Schild einlegen, was überhaupt auch für Einbrechen genommen wird.
Strohhalme, können auch ſehr leicht durch das Wegkratzen des bröcklichen und mürben Lehms mit einem Brecheiſen oder ſpitzen Stück Holz, und durch Herausbiegen oder Zerſchneiden der Holz- ſtäbe mit dem Meſſer 1) eingelegt werden. Dieſe Wände ſind daher immer die bevorzugten Angriffsſtellen der Schränker. Man ſollte dieſe Wände ganz verwerfen, da ſie obendrein der Witterung ſchlechten Widerſtand leiſten. Mit kaum geringerer Leichtigkeit ſind die Fachwände 2), namentlich wenn ſie mit ungebrannten Ziegelſteinen (Klutſteinen) hergeſtellt ſind, einzulegen. Selbſt tüch- tig gebrannte Ziegelſteine ſichern, beſonders wenn ſie mit Lehm ſtatt des Kalks vermauert ſind, wenig gegen den Schränker, da der bündige Zuſammenhang zwiſchen dem Holzwerk und den Steinen fehlt; das Holzwerk wirft ſich, ſchwindet oder fault zu- ſammen, wodurch an den Seiten der Ständer und namentlich unter den Riegeln mehr oder minder breite Fugen entſtehen, welche das Herausnehmen der Steine mit dem Brecheiſen weſentlich er- leichtern. Faſt immer fängt der Schränker den Einbruch einer Fachwand unterhalb eines Riegels an, und nimmt die Steine von oben nach unten heraus, und zwar ſo, daß eine Ständerſeite ganz frei gelegt wird, und die Einbruchſtelle die Geſtalt eines rechtwinke- ligen, auf einen ſpitzen Winkel geſtellten Dreiecks gewinnt. Nur wenn keine Thür oder kein Fenſter von innen zur Flucht oder zum Transport größerer Sachen geöffnet werden kann, und die Einbruchſtelle die einzige Durchgangſtelle bleibt, wird ein ganzes Fach (Schild) eingelegt. Der erfahrene Schränker ſchichtet auch die behutſam gelöſten Ziegel neben der Einbruchſtelle gegen die Wand auf, theils um die Aushebung des Fachs für den etwa herzutre- tenden Wächter oder ſonſtigen Dritten als die unvollendete Tages- arbeit eines Maurers erſcheinen zu laſſen, theils um das Poltern
1) Jm Jüdiſch-Deutſchen: Sſackin; davon corrumpirt Sackum, Sackem, Sacken, Zackum, Zacken; auch beſonders Kaut, Hertling, Herterich, Kanif, oder das zigeuneriſche Tſchurin und Tſchuri.
2) Das Fach einer ſolcher Wand wird Schild genannt, das Heraus- brechen oder Herausnehmen eines ſolchen Faches: Schild einlegen, was überhaupt auch für Einbrechen genommen wird.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0136"n="124"/>
Strohhalme, können auch ſehr leicht durch das Wegkratzen des<lb/>
bröcklichen und mürben Lehms mit einem Brecheiſen oder ſpitzen<lb/>
Stück Holz, und durch Herausbiegen oder Zerſchneiden der Holz-<lb/>ſtäbe mit dem Meſſer <noteplace="foot"n="1)">Jm Jüdiſch-Deutſchen: <hirendition="#g">Sſackin;</hi> davon corrumpirt <hirendition="#g">Sackum,<lb/>
Sackem, Sacken, Zackum, Zacken;</hi> auch beſonders <hirendition="#g">Kaut, Hertling,<lb/>
Herterich, Kanif,</hi> oder das zigeuneriſche <hirendition="#g">Tſchurin</hi> und <hirendition="#g">Tſchuri.</hi></note> eingelegt werden. Dieſe Wände ſind daher<lb/>
immer die bevorzugten Angriffsſtellen der Schränker. Man ſollte<lb/>
dieſe Wände ganz verwerfen, da ſie obendrein der Witterung<lb/>ſchlechten Widerſtand leiſten. Mit kaum geringerer Leichtigkeit<lb/>ſind die Fachwände <noteplace="foot"n="2)">Das Fach einer ſolcher Wand wird <hirendition="#g">Schild</hi> genannt, das Heraus-<lb/>
brechen oder Herausnehmen eines ſolchen Faches: <hirendition="#g">Schild einlegen,</hi> was<lb/>
überhaupt auch für Einbrechen genommen wird.</note>, namentlich wenn ſie mit ungebrannten<lb/>
Ziegelſteinen (Klutſteinen) hergeſtellt ſind, einzulegen. Selbſt tüch-<lb/>
tig gebrannte Ziegelſteine ſichern, beſonders wenn ſie mit Lehm<lb/>ſtatt des Kalks vermauert ſind, wenig gegen den Schränker, da<lb/>
der bündige Zuſammenhang zwiſchen dem Holzwerk und den<lb/>
Steinen fehlt; das Holzwerk wirft ſich, ſchwindet oder fault zu-<lb/>ſammen, wodurch an den Seiten der Ständer und namentlich<lb/>
unter den Riegeln mehr oder minder breite Fugen entſtehen, welche<lb/>
das Herausnehmen der Steine mit dem Brecheiſen weſentlich er-<lb/>
leichtern. Faſt immer fängt der Schränker den Einbruch einer<lb/>
Fachwand unterhalb eines Riegels an, und nimmt die Steine von<lb/>
oben nach unten heraus, und zwar ſo, daß eine Ständerſeite ganz<lb/>
frei gelegt wird, und die Einbruchſtelle die Geſtalt eines rechtwinke-<lb/>
ligen, auf einen ſpitzen Winkel geſtellten Dreiecks gewinnt. Nur<lb/>
wenn keine Thür oder kein Fenſter von innen zur Flucht oder<lb/>
zum Transport größerer Sachen geöffnet werden kann, und die<lb/>
Einbruchſtelle die einzige Durchgangſtelle bleibt, wird ein ganzes<lb/>
Fach (Schild) eingelegt. Der erfahrene Schränker ſchichtet auch die<lb/>
behutſam gelöſten Ziegel neben der Einbruchſtelle gegen die Wand<lb/>
auf, theils um die Aushebung des Fachs für den etwa herzutre-<lb/>
tenden Wächter oder ſonſtigen Dritten als die unvollendete Tages-<lb/>
arbeit eines Maurers erſcheinen zu laſſen, theils um das Poltern<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[124/0136]
Strohhalme, können auch ſehr leicht durch das Wegkratzen des
bröcklichen und mürben Lehms mit einem Brecheiſen oder ſpitzen
Stück Holz, und durch Herausbiegen oder Zerſchneiden der Holz-
ſtäbe mit dem Meſſer 1) eingelegt werden. Dieſe Wände ſind daher
immer die bevorzugten Angriffsſtellen der Schränker. Man ſollte
dieſe Wände ganz verwerfen, da ſie obendrein der Witterung
ſchlechten Widerſtand leiſten. Mit kaum geringerer Leichtigkeit
ſind die Fachwände 2), namentlich wenn ſie mit ungebrannten
Ziegelſteinen (Klutſteinen) hergeſtellt ſind, einzulegen. Selbſt tüch-
tig gebrannte Ziegelſteine ſichern, beſonders wenn ſie mit Lehm
ſtatt des Kalks vermauert ſind, wenig gegen den Schränker, da
der bündige Zuſammenhang zwiſchen dem Holzwerk und den
Steinen fehlt; das Holzwerk wirft ſich, ſchwindet oder fault zu-
ſammen, wodurch an den Seiten der Ständer und namentlich
unter den Riegeln mehr oder minder breite Fugen entſtehen, welche
das Herausnehmen der Steine mit dem Brecheiſen weſentlich er-
leichtern. Faſt immer fängt der Schränker den Einbruch einer
Fachwand unterhalb eines Riegels an, und nimmt die Steine von
oben nach unten heraus, und zwar ſo, daß eine Ständerſeite ganz
frei gelegt wird, und die Einbruchſtelle die Geſtalt eines rechtwinke-
ligen, auf einen ſpitzen Winkel geſtellten Dreiecks gewinnt. Nur
wenn keine Thür oder kein Fenſter von innen zur Flucht oder
zum Transport größerer Sachen geöffnet werden kann, und die
Einbruchſtelle die einzige Durchgangſtelle bleibt, wird ein ganzes
Fach (Schild) eingelegt. Der erfahrene Schränker ſchichtet auch die
behutſam gelöſten Ziegel neben der Einbruchſtelle gegen die Wand
auf, theils um die Aushebung des Fachs für den etwa herzutre-
tenden Wächter oder ſonſtigen Dritten als die unvollendete Tages-
arbeit eines Maurers erſcheinen zu laſſen, theils um das Poltern
1) Jm Jüdiſch-Deutſchen: Sſackin; davon corrumpirt Sackum,
Sackem, Sacken, Zackum, Zacken; auch beſonders Kaut, Hertling,
Herterich, Kanif, oder das zigeuneriſche Tſchurin und Tſchuri.
2) Das Fach einer ſolcher Wand wird Schild genannt, das Heraus-
brechen oder Herausnehmen eines ſolchen Faches: Schild einlegen, was
überhaupt auch für Einbrechen genommen wird.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/136>, abgerufen am 08.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.