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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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Es ist ein trauriges Symptom der gesunkenen kaiserlichen Macht,
wenn Kaiser Karl IV. 1356 in seiner "Güldenen Bulle" (tit. 17, 2)
das "Angreifen und Ueberziehen mit Brennen und Rauben" nach
dreitägiger Ansage concessionirt. Es ist ein ohnmächtiges Wort,
wenn Kaiser Friedrich III. zu Anfang seiner "Frankfurter Refor-
mation von 1442" ausspricht, "daß er seine kaiserliche Pflicht gegen
manniglich also beweisen wolle, damit man im H. Reich Fried
und Gemachseliglich empfinde", während er die Absage seines Vor-
fahren, Karl's IV., und das Rauben und Pfänden von neuem
sanctionirt, während Landsknechte 1), Räuber und Zigeunerbanden

lichen "Beiträgen zur deutschen Geschichte", S. 256, zum Schluß der Excurse
zu Abhandl. 2, über das Faust- und Fehderecht, den förmlichen Fehdebrief
der leipziger Schuhknechte lesen, durch welche diese Unverschämten sogar
noch im Jahre 1471 "allen und jeglichen Studenten der Universität Leipzig,
welches Wesens sie sind, sie seyen Doctoren, Licentiaten, Meister oder Bacca-
laurei; sie seyen geistlich oder weltlich, jung oder alt, klein oder groß" offne
Fehde und Feindschaft mittelst feierlichen Fehdebriefes ansagen. Mit gleichem
Erstaunen nimmt man auch wahr, daß alles jenes Gesindel, Gauner, Spielleute,
liederliche Weiber u. s. w., obschon es schutzlos und rechtlos durch die Welt
zieht, doch -- und welchen andern schlagendern Beweis könnte es für die
Masse und Gewalt des Gaunerthums jener Zeit geben -- auf dem Kohlen-
berg bei Basel seine eigene Gerichtsstätte hatte, wo es feierlich Recht gab
und nahm. Vgl. Dr. L. A. Burckhardt's treffliche Abhandlung: "Die Freistätte
der Gilen und Lahmen auf dem Kohlenberg", in Streuber's "Baseler Taschen-
buch", 1851, S. 1 fg.; "Basel im 14. Jahrhundert", S. 111 fg. und S. 349.
1) Die falsche Ableitung Landsknecht von "Lantze" widerlegt Schottelius,
a. a. O., S. 451, gegen Phil. Clüver, "Germania antiqua", lib. 1, p. 351.
Ueber das Treiben der Landsknechte vgl. Sebastian Frank, "Kayserchronik",
S. 217. Jnteressant ist auch die Notiz, welche der arnheimer Propst Pontus
Heuterus von Delfft, in seiner "Belgischen Geschichte" (lib. 7, f. 341) über die
Landsknechte gibt. Maximilian warb diese durch ganz Deutschland streifenden
liederlichen Gesellen im Jahre 1490 gegen die Ungarn, und wurde von ihnen
auf dem Zuge gegen Buda im Stich gelassen. Die Landsknechte kehrten mit
reicher Beute beladen nach Deutschland zurück. Darüber empört, ließ Maxi-
milian eine Menge Landsknechte als Fahneneidsbrüchige ergreifen und mit
Schwert, Wasser, Strick und Feuer hinrichten. "Qua ratione", so schließt
Heuterus, "vagi per Germaniam Milites latrocinari desiere (?), antea ob
rapacitatem et sordes a vulgo "Buc" hoc est "capri" dicti.
" Als Maxi-
milian die stehenden Heere einrichtete, kassirte er den Namen "Buc" und
befahl den Namen "Landsknecht" (provinciae milites) zu gebrauchen.

Es iſt ein trauriges Symptom der geſunkenen kaiſerlichen Macht,
wenn Kaiſer Karl IV. 1356 in ſeiner „Güldenen Bulle“ (tit. 17, 2)
das „Angreifen und Ueberziehen mit Brennen und Rauben“ nach
dreitägiger Anſage conceſſionirt. Es iſt ein ohnmächtiges Wort,
wenn Kaiſer Friedrich III. zu Anfang ſeiner „Frankfurter Refor-
mation von 1442“ ausſpricht, „daß er ſeine kaiſerliche Pflicht gegen
manniglich alſo beweiſen wolle, damit man im H. Reich Fried
und Gemachſeliglich empfinde“, während er die Abſage ſeines Vor-
fahren, Karl’s IV., und das Rauben und Pfänden von neuem
ſanctionirt, während Landsknechte 1), Räuber und Zigeunerbanden

lichen „Beiträgen zur deutſchen Geſchichte“, S. 256, zum Schluß der Excurſe
zu Abhandl. 2, über das Fauſt- und Fehderecht, den förmlichen Fehdebrief
der leipziger Schuhknechte leſen, durch welche dieſe Unverſchämten ſogar
noch im Jahre 1471 „allen und jeglichen Studenten der Univerſität Leipzig,
welches Weſens ſie ſind, ſie ſeyen Doctoren, Licentiaten, Meiſter oder Bacca-
laurei; ſie ſeyen geiſtlich oder weltlich, jung oder alt, klein oder groß“ offne
Fehde und Feindſchaft mittelſt feierlichen Fehdebriefes anſagen. Mit gleichem
Erſtaunen nimmt man auch wahr, daß alles jenes Geſindel, Gauner, Spielleute,
liederliche Weiber u. ſ. w., obſchon es ſchutzlos und rechtlos durch die Welt
zieht, doch — und welchen andern ſchlagendern Beweis könnte es für die
Maſſe und Gewalt des Gaunerthums jener Zeit geben — auf dem Kohlen-
berg bei Baſel ſeine eigene Gerichtsſtätte hatte, wo es feierlich Recht gab
und nahm. Vgl. Dr. L. A. Burckhardt’s treffliche Abhandlung: „Die Freiſtätte
der Gilen und Lahmen auf dem Kohlenberg“, in Streuber’s „Baſeler Taſchen-
buch“, 1851, S. 1 fg.; „Baſel im 14. Jahrhundert“, S. 111 fg. und S. 349.
1) Die falſche Ableitung Landsknecht von „Lantze“ widerlegt Schottelius,
a. a. O., S. 451, gegen Phil. Clüver, „Germania antiqua“, lib. 1, p. 351.
Ueber das Treiben der Landsknechte vgl. Sebaſtian Frank, „Kayſerchronik“,
S. 217. Jntereſſant iſt auch die Notiz, welche der arnheimer Propſt Pontus
Heuterus von Delfft, in ſeiner „Belgiſchen Geſchichte“ (lib. 7, f. 341) über die
Landsknechte gibt. Maximilian warb dieſe durch ganz Deutſchland ſtreifenden
liederlichen Geſellen im Jahre 1490 gegen die Ungarn, und wurde von ihnen
auf dem Zuge gegen Buda im Stich gelaſſen. Die Landsknechte kehrten mit
reicher Beute beladen nach Deutſchland zurück. Darüber empört, ließ Maxi-
milian eine Menge Landsknechte als Fahneneidsbrüchige ergreifen und mit
Schwert, Waſſer, Strick und Feuer hinrichten. „Qua ratione“, ſo ſchließt
Heuterus, „vagi per Germaniam Milites latrocinari desiere (?), antea ob
rapacitatem et sordes a vulgo «Buc» hoc est «capri» dicti.
“ Als Maxi-
milian die ſtehenden Heere einrichtete, kaſſirte er den Namen „Buc“ und
befahl den Namen „Landsknecht“ (provinciae milites) zu gebrauchen.
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[48/0064] Es iſt ein trauriges Symptom der geſunkenen kaiſerlichen Macht, wenn Kaiſer Karl IV. 1356 in ſeiner „Güldenen Bulle“ (tit. 17, 2) das „Angreifen und Ueberziehen mit Brennen und Rauben“ nach dreitägiger Anſage conceſſionirt. Es iſt ein ohnmächtiges Wort, wenn Kaiſer Friedrich III. zu Anfang ſeiner „Frankfurter Refor- mation von 1442“ ausſpricht, „daß er ſeine kaiſerliche Pflicht gegen manniglich alſo beweiſen wolle, damit man im H. Reich Fried und Gemachſeliglich empfinde“, während er die Abſage ſeines Vor- fahren, Karl’s IV., und das Rauben und Pfänden von neuem ſanctionirt, während Landsknechte 1), Räuber und Zigeunerbanden 2) 1) Die falſche Ableitung Landsknecht von „Lantze“ widerlegt Schottelius, a. a. O., S. 451, gegen Phil. Clüver, „Germania antiqua“, lib. 1, p. 351. Ueber das Treiben der Landsknechte vgl. Sebaſtian Frank, „Kayſerchronik“, S. 217. Jntereſſant iſt auch die Notiz, welche der arnheimer Propſt Pontus Heuterus von Delfft, in ſeiner „Belgiſchen Geſchichte“ (lib. 7, f. 341) über die Landsknechte gibt. Maximilian warb dieſe durch ganz Deutſchland ſtreifenden liederlichen Geſellen im Jahre 1490 gegen die Ungarn, und wurde von ihnen auf dem Zuge gegen Buda im Stich gelaſſen. Die Landsknechte kehrten mit reicher Beute beladen nach Deutſchland zurück. Darüber empört, ließ Maxi- milian eine Menge Landsknechte als Fahneneidsbrüchige ergreifen und mit Schwert, Waſſer, Strick und Feuer hinrichten. „Qua ratione“, ſo ſchließt Heuterus, „vagi per Germaniam Milites latrocinari desiere (?), antea ob rapacitatem et sordes a vulgo «Buc» hoc est «capri» dicti.“ Als Maxi- milian die ſtehenden Heere einrichtete, kaſſirte er den Namen „Buc“ und befahl den Namen „Landsknecht“ (provinciae milites) zu gebrauchen. 2) lichen „Beiträgen zur deutſchen Geſchichte“, S. 256, zum Schluß der Excurſe zu Abhandl. 2, über das Fauſt- und Fehderecht, den förmlichen Fehdebrief der leipziger Schuhknechte leſen, durch welche dieſe Unverſchämten ſogar noch im Jahre 1471 „allen und jeglichen Studenten der Univerſität Leipzig, welches Weſens ſie ſind, ſie ſeyen Doctoren, Licentiaten, Meiſter oder Bacca- laurei; ſie ſeyen geiſtlich oder weltlich, jung oder alt, klein oder groß“ offne Fehde und Feindſchaft mittelſt feierlichen Fehdebriefes anſagen. Mit gleichem Erſtaunen nimmt man auch wahr, daß alles jenes Geſindel, Gauner, Spielleute, liederliche Weiber u. ſ. w., obſchon es ſchutzlos und rechtlos durch die Welt zieht, doch — und welchen andern ſchlagendern Beweis könnte es für die Maſſe und Gewalt des Gaunerthums jener Zeit geben — auf dem Kohlen- berg bei Baſel ſeine eigene Gerichtsſtätte hatte, wo es feierlich Recht gab und nahm. Vgl. Dr. L. A. Burckhardt’s treffliche Abhandlung: „Die Freiſtätte der Gilen und Lahmen auf dem Kohlenberg“, in Streuber’s „Baſeler Taſchen- buch“, 1851, S. 1 fg.; „Baſel im 14. Jahrhundert“, S. 111 fg. und S. 349.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/64>, abgerufen am 24.11.2024.