Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.lehrer, wandernde Handwerksgesellen, Marktschreier und Taschen- I, 810, Note; Hüllmann, "Städtewesen des Mittelalters", IV, 264. Mich. Sachse erzählt sogar "Praef. Annal. pronub.", daß noch 1542 zu Rom durch die päpstlichen Beamten die Abgabe von 45,000 Dirnen erhoben wurde. Eine unerhörte Frechheit ist das Bittschreiben der Töchter im Frauen- haus zu Nürnberg an den Rath, im Jahre 1492, wider die Eingriffe der Win- keldirnen, wobei die Supplicantinnen bitten: "Uns arme dermassen, und von alter Herkommen Recht und Sitt ist zu halten." Sie findet sich abgedruckt bei Malblank, "Geschichte der Peinl. Gerichtsordn. Karl's V.", S. 50. Unter den "Fahrenden und Sprechern", Gaucklern u. s. w., wird auch schon 1362 zu Basel Nikolaus Beheim genannt, der sogar bis Skandinavien zog. Als Possenreißer im Reden und Singen traten auch in Menge die "Lotter" auf, und schon 1313 findet sich der Name der noch heute sogenannten Lottergasse zu Basel. Fechter, a. a. O. 1) Seit der Vorschrift des §. 7 der "Reform zu Frankfurt von 1442" wimmelt es in den Reichsgesetzen von Bestimmungen gegen das Umherziehen reyssiger Knechte, obschon in den wichtigen Vorschriften des Reichstagsabschiedes zu Augsburg von 1500 (tit. 53--83), die stehenden Söldner eingeführt und eine Menge gefährlicher Subjecte dadurch von den öffentlichen Wegen und Stegen entfernt wurden. Die Erfindung des Schießpulvers war ein bedeu- tender Anlaß, daß das edle ritterliche Wesen aus der Kriegsführung rasch verschwand und durch Elemente aus den niedrigsten Volksschichten ergänzt wurde. 2) Nur mit Erstaunen und Unwillen kann man in Wächter's herr-
lehrer, wandernde Handwerksgeſellen, Marktſchreier und Taſchen- I, 810, Note; Hüllmann, „Städteweſen des Mittelalters“, IV, 264. Mich. Sachſe erzählt ſogar „Praef. Annal. pronub.“, daß noch 1542 zu Rom durch die päpſtlichen Beamten die Abgabe von 45,000 Dirnen erhoben wurde. Eine unerhörte Frechheit iſt das Bittſchreiben der Töchter im Frauen- haus zu Nürnberg an den Rath, im Jahre 1492, wider die Eingriffe der Win- keldirnen, wobei die Supplicantinnen bitten: „Uns arme dermaſſen, und von alter Herkommen Recht und Sitt iſt zu halten.“ Sie findet ſich abgedruckt bei Malblank, „Geſchichte der Peinl. Gerichtsordn. Karl’s V.“, S. 50. Unter den „Fahrenden und Sprechern“, Gaucklern u. ſ. w., wird auch ſchon 1362 zu Baſel Nikolaus Beheim genannt, der ſogar bis Skandinavien zog. Als Poſſenreißer im Reden und Singen traten auch in Menge die „Lotter“ auf, und ſchon 1313 findet ſich der Name der noch heute ſogenannten Lottergaſſe zu Baſel. Fechter, a. a. O. 1) Seit der Vorſchrift des §. 7 der „Reform zu Frankfurt von 1442“ wimmelt es in den Reichsgeſetzen von Beſtimmungen gegen das Umherziehen reyſſiger Knechte, obſchon in den wichtigen Vorſchriften des Reichstagsabſchiedes zu Augsburg von 1500 (tit. 53—83), die ſtehenden Söldner eingeführt und eine Menge gefährlicher Subjecte dadurch von den öffentlichen Wegen und Stegen entfernt wurden. Die Erfindung des Schießpulvers war ein bedeu- tender Anlaß, daß das edle ritterliche Weſen aus der Kriegsführung raſch verſchwand und durch Elemente aus den niedrigſten Volksſchichten ergänzt wurde. 2) Nur mit Erſtaunen und Unwillen kann man in Wächter’s herr-
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lehrer, wandernde Handwerksgeſellen, Marktſchreier und Taſchen-
ſpieler. Die vielen gerichtlichen Ehrloſigkeitserklärungen, welche
die Verurtheilten aus der menſchlichen Geſellſchaft hinausſtießen
und zur Verzweiflung und zum Verbrechen trieben, verſtärkten
die verbrecheriſche Maſſe. Dazu kamen die vielen Landesverwei-
ſungen, durch welche die gefährlichſten Subjecte von dem einen
Landesherrn weggewieſen wurden, um bei dem andern neue Un-
thaten zu verüben; ferner das Umherſtreifen der nach den vielen
Fehden entlaſſenen Soldaten 1), die gleich dem Adel auf eigene
Hand vom Stegreif oder Sattel lebten und ſich auf die Reiterei
legten. Das Verbrechen war offene Gewalt und wich nur der
jedesmaligen überlegenern Gegengewalt. Die kaiſerlichen Land-
frieden, ſelbſt des mannhaften Friedrich I. von 1158 und ſpäter
von 1281, 1303, waren nur Transacte der Schwäche mit der
immer unaufhaltſamer wachſenden rohen unbändigen Gewalt. 2)
3)
1) Seit der Vorſchrift des §. 7 der „Reform zu Frankfurt von 1442“
wimmelt es in den Reichsgeſetzen von Beſtimmungen gegen das Umherziehen
reyſſiger Knechte, obſchon in den wichtigen Vorſchriften des Reichstagsabſchiedes
zu Augsburg von 1500 (tit. 53—83), die ſtehenden Söldner eingeführt und
eine Menge gefährlicher Subjecte dadurch von den öffentlichen Wegen und
Stegen entfernt wurden. Die Erfindung des Schießpulvers war ein bedeu-
tender Anlaß, daß das edle ritterliche Weſen aus der Kriegsführung raſch
verſchwand und durch Elemente aus den niedrigſten Volksſchichten ergänzt
wurde.
2) Nur mit Erſtaunen und Unwillen kann man in Wächter’s herr-
3) I, 810, Note; Hüllmann, „Städteweſen des Mittelalters“, IV, 264.
Mich. Sachſe erzählt ſogar „Praef. Annal. pronub.“, daß noch 1542 zu
Rom durch die päpſtlichen Beamten die Abgabe von 45,000 Dirnen erhoben
wurde. Eine unerhörte Frechheit iſt das Bittſchreiben der Töchter im Frauen-
haus zu Nürnberg an den Rath, im Jahre 1492, wider die Eingriffe der Win-
keldirnen, wobei die Supplicantinnen bitten: „Uns arme dermaſſen, und von
alter Herkommen Recht und Sitt iſt zu halten.“ Sie findet ſich abgedruckt
bei Malblank, „Geſchichte der Peinl. Gerichtsordn. Karl’s V.“, S. 50. Unter
den „Fahrenden und Sprechern“, Gaucklern u. ſ. w., wird auch ſchon 1362
zu Baſel Nikolaus Beheim genannt, der ſogar bis Skandinavien zog. Als
Poſſenreißer im Reden und Singen traten auch in Menge die „Lotter“ auf,
und ſchon 1313 findet ſich der Name der noch heute ſogenannten Lottergaſſe
zu Baſel. Fechter, a. a. O.
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