Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

cher des Lasters und Verbrechens gewinnen will, als ein beleh-
rendes und tüchtiges Buch zu empfehlen.

Die gefährlichen Klassen Wiens. Darstellung ihres Entstehens, ihrer
Verbindungen, ihrer Taktik, ihrer Sitten und Gewohnheiten
und ihrer Sprache. Mit belehrenden Winken über Gaunerkniffe
und einem Wörterbuche der Gaunersprache. Wien 1851.

Dies Buch, nach dessen Titel man eine Darlegung der
specifisch wienerischen gefährlichen Klassen erwarten sollte, ist im
Grunde nichts als eine Compilation aus den bekannten Werken
des Parent-Duchatelet 1), H. A. Fregier 2), Fr. Rittler 3), Thiele,
Zimmermann und anderer, aus denen das Beste, was über Pro-
stitution und Gaunerthum gesagt ist, zusammengetragen und auf
die wiener Zustände angewandt wird. Der (unbekannte) Verfasser
hat ebenso viel Geist wie Unklarheit und kann in seiner unruhigen
französisch-phraseologischen Manier vor lauter Sentimentalität und
humanen Gedanken gar nicht recht zu Worten und wieder vor
lauter Worten nicht recht zu klaren Gedanken kommen. Das
Bündigste im Buche haben, was der Verfasser auch selbst (S. 96,
Note 1) dankbar ausspricht, andere geschrieben. Die verworre-
nen Beigaben des Verfassers werden durch die unklare Eintheilung
des Werks eben nicht deutlicher gemacht. Dennoch geben die vie-
len geistreichen aphoristischen Gedanken in diesem Buche, welches
man immer mit Jnteresse liest, eine ganz hübsche Aehrenlese.
Entschieden Beachtung verdient das Gaunerwörterbuch (S. 140--
172), welches manche bemerkenswerthe, dem südlichen Deutschland
eigenthümliche Terminologien enthält, und welches noch weiter be-
sprochen werden wird.

1) "De la prostitution dans la ville de Paris, consideree sous le
rapport de l'hygiene publique, de la morale et de l'administration; ou-
vrage appuye de documens statistiques, puises dans les archives de la
prefecture de police, avec cartes et tableaux
" (Paris 1837).
2) "Des classes dangereuses" (Paris 1839).
3) "Freimüthige Enthüllung der wahren Ursachen des täglich sich mehren-
den Bettelunwesens, und wohlgemeinte Vorschläge, ihm mit sicherm Erfolge zu
steuern" (Wien 1818).

cher des Laſters und Verbrechens gewinnen will, als ein beleh-
rendes und tüchtiges Buch zu empfehlen.

Die gefährlichen Klaſſen Wiens. Darſtellung ihres Entſtehens, ihrer
Verbindungen, ihrer Taktik, ihrer Sitten und Gewohnheiten
und ihrer Sprache. Mit belehrenden Winken über Gaunerkniffe
und einem Wörterbuche der Gaunerſprache. Wien 1851.

Dies Buch, nach deſſen Titel man eine Darlegung der
ſpecifiſch wieneriſchen gefährlichen Klaſſen erwarten ſollte, iſt im
Grunde nichts als eine Compilation aus den bekannten Werken
des Parent-Duchatelet 1), H. A. Fregier 2), Fr. Rittler 3), Thiele,
Zimmermann und anderer, aus denen das Beſte, was über Pro-
ſtitution und Gaunerthum geſagt iſt, zuſammengetragen und auf
die wiener Zuſtände angewandt wird. Der (unbekannte) Verfaſſer
hat ebenſo viel Geiſt wie Unklarheit und kann in ſeiner unruhigen
franzöſiſch-phraſeologiſchen Manier vor lauter Sentimentalität und
humanen Gedanken gar nicht recht zu Worten und wieder vor
lauter Worten nicht recht zu klaren Gedanken kommen. Das
Bündigſte im Buche haben, was der Verfaſſer auch ſelbſt (S. 96,
Note 1) dankbar ausſpricht, andere geſchrieben. Die verworre-
nen Beigaben des Verfaſſers werden durch die unklare Eintheilung
des Werks eben nicht deutlicher gemacht. Dennoch geben die vie-
len geiſtreichen aphoriſtiſchen Gedanken in dieſem Buche, welches
man immer mit Jntereſſe lieſt, eine ganz hübſche Aehrenleſe.
Entſchieden Beachtung verdient das Gaunerwörterbuch (S. 140—
172), welches manche bemerkenswerthe, dem ſüdlichen Deutſchland
eigenthümliche Terminologien enthält, und welches noch weiter be-
ſprochen werden wird.

1)De la prostitution dans la ville de Paris, considerée sous le
rapport de l’hygiène publique, de la morale et de l’administration; ou-
vrage appuyé de documens statistiques, puisés dans les archives de la
préfecture de police, avec cartes et tableaux
“ (Paris 1837).
2)Des classes dangereuses“ (Paris 1839).
3) „Freimüthige Enthüllung der wahren Urſachen des täglich ſich mehren-
den Bettelunweſens, und wohlgemeinte Vorſchläge, ihm mit ſicherm Erfolge zu
ſteuern“ (Wien 1818).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0285" n="269"/>
cher des La&#x017F;ters und Verbrechens gewinnen will, als ein beleh-<lb/>
rendes und tüchtiges Buch zu empfehlen.</p><lb/>
        <list>
          <item><hi rendition="#b">Die gefährlichen Kla&#x017F;&#x017F;en Wiens.</hi> Dar&#x017F;tellung ihres Ent&#x017F;tehens, ihrer<lb/>
Verbindungen, ihrer Taktik, ihrer Sitten und Gewohnheiten<lb/>
und ihrer Sprache. Mit belehrenden Winken über Gaunerkniffe<lb/>
und einem Wörterbuche der Gauner&#x017F;prache. Wien 1851.</item>
        </list><lb/>
        <p>Dies Buch, nach de&#x017F;&#x017F;en Titel man eine Darlegung der<lb/>
&#x017F;pecifi&#x017F;ch wieneri&#x017F;chen gefährlichen Kla&#x017F;&#x017F;en erwarten &#x017F;ollte, i&#x017F;t im<lb/>
Grunde nichts als eine Compilation aus den bekannten Werken<lb/>
des Parent-Duchatelet <note place="foot" n="1)">&#x201E;<hi rendition="#aq">De la prostitution dans la ville de Paris, considerée sous le<lb/>
rapport de l&#x2019;hygiène publique, de la morale et de l&#x2019;administration; ou-<lb/>
vrage appuyé de documens statistiques, puisés dans les archives de la<lb/>
préfecture de police, avec cartes et tableaux</hi>&#x201C; (Paris 1837).</note>, H. A. Fregier <note place="foot" n="2)">&#x201E;<hi rendition="#aq">Des classes dangereuses</hi>&#x201C; (Paris 1839).</note>, Fr. Rittler <note place="foot" n="3)">&#x201E;Freimüthige Enthüllung der wahren Ur&#x017F;achen des täglich &#x017F;ich mehren-<lb/>
den Bettelunwe&#x017F;ens, und wohlgemeinte Vor&#x017F;chläge, ihm mit &#x017F;icherm Erfolge zu<lb/>
&#x017F;teuern&#x201C; (Wien 1818).</note>, Thiele,<lb/>
Zimmermann und anderer, aus denen das Be&#x017F;te, was über Pro-<lb/>
&#x017F;titution und Gaunerthum ge&#x017F;agt i&#x017F;t, zu&#x017F;ammengetragen und auf<lb/>
die wiener Zu&#x017F;tände angewandt wird. Der (unbekannte) Verfa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
hat eben&#x017F;o viel Gei&#x017F;t wie Unklarheit und kann in &#x017F;einer unruhigen<lb/>
franzö&#x017F;i&#x017F;ch-phra&#x017F;eologi&#x017F;chen Manier vor lauter Sentimentalität und<lb/>
humanen Gedanken gar nicht recht zu Worten und wieder vor<lb/>
lauter Worten nicht recht zu klaren Gedanken kommen. Das<lb/>
Bündig&#x017F;te im Buche haben, was der Verfa&#x017F;&#x017F;er auch &#x017F;elb&#x017F;t (S. 96,<lb/>
Note 1) dankbar aus&#x017F;pricht, <hi rendition="#g">andere</hi> ge&#x017F;chrieben. Die verworre-<lb/>
nen Beigaben des Verfa&#x017F;&#x017F;ers werden durch die unklare Eintheilung<lb/>
des Werks eben nicht deutlicher gemacht. Dennoch geben die vie-<lb/>
len gei&#x017F;treichen aphori&#x017F;ti&#x017F;chen Gedanken in die&#x017F;em Buche, welches<lb/>
man immer mit Jntere&#x017F;&#x017F;e lie&#x017F;t, eine ganz hüb&#x017F;che Aehrenle&#x017F;e.<lb/>
Ent&#x017F;chieden Beachtung verdient das Gaunerwörterbuch (S. 140&#x2014;<lb/>
172), welches manche bemerkenswerthe, dem &#x017F;üdlichen Deut&#x017F;chland<lb/>
eigenthümliche Terminologien enthält, und welches noch weiter be-<lb/>
&#x017F;prochen werden wird.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[269/0285] cher des Laſters und Verbrechens gewinnen will, als ein beleh- rendes und tüchtiges Buch zu empfehlen. Die gefährlichen Klaſſen Wiens. Darſtellung ihres Entſtehens, ihrer Verbindungen, ihrer Taktik, ihrer Sitten und Gewohnheiten und ihrer Sprache. Mit belehrenden Winken über Gaunerkniffe und einem Wörterbuche der Gaunerſprache. Wien 1851. Dies Buch, nach deſſen Titel man eine Darlegung der ſpecifiſch wieneriſchen gefährlichen Klaſſen erwarten ſollte, iſt im Grunde nichts als eine Compilation aus den bekannten Werken des Parent-Duchatelet 1), H. A. Fregier 2), Fr. Rittler 3), Thiele, Zimmermann und anderer, aus denen das Beſte, was über Pro- ſtitution und Gaunerthum geſagt iſt, zuſammengetragen und auf die wiener Zuſtände angewandt wird. Der (unbekannte) Verfaſſer hat ebenſo viel Geiſt wie Unklarheit und kann in ſeiner unruhigen franzöſiſch-phraſeologiſchen Manier vor lauter Sentimentalität und humanen Gedanken gar nicht recht zu Worten und wieder vor lauter Worten nicht recht zu klaren Gedanken kommen. Das Bündigſte im Buche haben, was der Verfaſſer auch ſelbſt (S. 96, Note 1) dankbar ausſpricht, andere geſchrieben. Die verworre- nen Beigaben des Verfaſſers werden durch die unklare Eintheilung des Werks eben nicht deutlicher gemacht. Dennoch geben die vie- len geiſtreichen aphoriſtiſchen Gedanken in dieſem Buche, welches man immer mit Jntereſſe lieſt, eine ganz hübſche Aehrenleſe. Entſchieden Beachtung verdient das Gaunerwörterbuch (S. 140— 172), welches manche bemerkenswerthe, dem ſüdlichen Deutſchland eigenthümliche Terminologien enthält, und welches noch weiter be- ſprochen werden wird. 1) „De la prostitution dans la ville de Paris, considerée sous le rapport de l’hygiène publique, de la morale et de l’administration; ou- vrage appuyé de documens statistiques, puisés dans les archives de la préfecture de police, avec cartes et tableaux“ (Paris 1837). 2) „Des classes dangereuses“ (Paris 1839). 3) „Freimüthige Enthüllung der wahren Urſachen des täglich ſich mehren- den Bettelunweſens, und wohlgemeinte Vorſchläge, ihm mit ſicherm Erfolge zu ſteuern“ (Wien 1818).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/285
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/285>, abgerufen am 02.05.2024.