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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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Baue. "Freilich", sagt der Verfasser (S. v) mit Recht, "ist diese
Arbeit nicht so leicht, als sie auf den ersten Blick erscheinen
möchte, und es gehört jahrelanges Forschen und eine unermüdete
Geduld dazu, um die unbiegsame Hartnäckigkeit, mit welcher die
Gauner ihre persönlichen Verhältnisse, ihr früheres Leben, ihre
Verbindungen und dergleichen zu verbergen bemüht sind, zu über-
winden, indem sie wohl fühlen, daß sie durch solche Aufklärungen
aus ihrer bisherigen Verborgenheit hervorgezogen und dem ver-
folgenden Auge der Polizei bloßgestellt werden." Doch sind ja
gerade die Unterlassungssünden der Polizei der schlimmste Vor-
schub für das Gaunerthum. Möchte doch das treffliche Rund-
schreiben zum allgemeinen Circular für alle deutschen Poli-
zeibehörden
und an jeder noch so kleinen Polizeistelle es den
Beamten zur Pflicht gemacht werden, bei allen vorkommenden
oder verdächtigen gaunerischen Jndividuen die möglichst genauesten
Nachforschungen über Abstammung und Familie einzuziehen, deren
Kenntniß von ungemeiner, sehr häufig gar nicht vorabzusehen-
der Wichtigkeit ist. Wer sollte es ahnen, daß z. B. von dem
im Jahre 1828 zu Kassel entworfenen Stammbaum der
Familie Steinbach jetzt an den Ufern der Ostsee ein Zweig wu-
chert, der dem Polizeiamt zu Lübeck manche verdrießliche Mühe
macht!

Die jüdischen Gauner in Deutschland, ihre Taktik, ihre Eigenthümlich-
keiten und ihre Sprache, nebst ausführlichen Nachrichten über
die in Deutschland und an dessen Grenzen sich aufhaltenden
berüchtigsten jüdischen Gauner. Nach Criminalacten und son-
stigen zuverlässigen Quellen bearbeitet und zunächst praktischen
Criminal- und Polizeibeamten gewidmet von A. F. Thiele,
königl. Preußischen Criminal-Actuarius. Berlin 1840.

Die Großartigkeit und der Aufwand der 1831 zu Berlin
wider den Handelsmann Moses Levin Löwenthal und Consorten,
mit so erstaunlichen Resultaten angestellten Untersuchung, an wel-
cher der Verfasser thätigen Antheil hatte, und aus welcher er eine
reiche Anzahl pikanter Gaunerzüge mittheilt, die Neuheit des

Baue. „Freilich“, ſagt der Verfaſſer (S. v) mit Recht, „iſt dieſe
Arbeit nicht ſo leicht, als ſie auf den erſten Blick erſcheinen
möchte, und es gehört jahrelanges Forſchen und eine unermüdete
Geduld dazu, um die unbiegſame Hartnäckigkeit, mit welcher die
Gauner ihre perſönlichen Verhältniſſe, ihr früheres Leben, ihre
Verbindungen und dergleichen zu verbergen bemüht ſind, zu über-
winden, indem ſie wohl fühlen, daß ſie durch ſolche Aufklärungen
aus ihrer bisherigen Verborgenheit hervorgezogen und dem ver-
folgenden Auge der Polizei bloßgeſtellt werden.“ Doch ſind ja
gerade die Unterlaſſungsſünden der Polizei der ſchlimmſte Vor-
ſchub für das Gaunerthum. Möchte doch das treffliche Rund-
ſchreiben zum allgemeinen Circular für alle deutſchen Poli-
zeibehörden
und an jeder noch ſo kleinen Polizeiſtelle es den
Beamten zur Pflicht gemacht werden, bei allen vorkommenden
oder verdächtigen gauneriſchen Jndividuen die möglichſt genaueſten
Nachforſchungen über Abſtammung und Familie einzuziehen, deren
Kenntniß von ungemeiner, ſehr häufig gar nicht vorabzuſehen-
der Wichtigkeit iſt. Wer ſollte es ahnen, daß z. B. von dem
im Jahre 1828 zu Kaſſel entworfenen Stammbaum der
Familie Steinbach jetzt an den Ufern der Oſtſee ein Zweig wu-
chert, der dem Polizeiamt zu Lübeck manche verdrießliche Mühe
macht!

Die jüdiſchen Gauner in Deutſchland, ihre Taktik, ihre Eigenthümlich-
keiten und ihre Sprache, nebſt ausführlichen Nachrichten über
die in Deutſchland und an deſſen Grenzen ſich aufhaltenden
berüchtigſten jüdiſchen Gauner. Nach Criminalacten und ſon-
ſtigen zuverläſſigen Quellen bearbeitet und zunächſt praktiſchen
Criminal- und Polizeibeamten gewidmet von A. F. Thiele,
königl. Preußiſchen Criminal-Actuarius. Berlin 1840.

Die Großartigkeit und der Aufwand der 1831 zu Berlin
wider den Handelsmann Moſes Levin Löwenthal und Conſorten,
mit ſo erſtaunlichen Reſultaten angeſtellten Unterſuchung, an wel-
cher der Verfaſſer thätigen Antheil hatte, und aus welcher er eine
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[264/0280] Baue. „Freilich“, ſagt der Verfaſſer (S. v) mit Recht, „iſt dieſe Arbeit nicht ſo leicht, als ſie auf den erſten Blick erſcheinen möchte, und es gehört jahrelanges Forſchen und eine unermüdete Geduld dazu, um die unbiegſame Hartnäckigkeit, mit welcher die Gauner ihre perſönlichen Verhältniſſe, ihr früheres Leben, ihre Verbindungen und dergleichen zu verbergen bemüht ſind, zu über- winden, indem ſie wohl fühlen, daß ſie durch ſolche Aufklärungen aus ihrer bisherigen Verborgenheit hervorgezogen und dem ver- folgenden Auge der Polizei bloßgeſtellt werden.“ Doch ſind ja gerade die Unterlaſſungsſünden der Polizei der ſchlimmſte Vor- ſchub für das Gaunerthum. Möchte doch das treffliche Rund- ſchreiben zum allgemeinen Circular für alle deutſchen Poli- zeibehörden und an jeder noch ſo kleinen Polizeiſtelle es den Beamten zur Pflicht gemacht werden, bei allen vorkommenden oder verdächtigen gauneriſchen Jndividuen die möglichſt genaueſten Nachforſchungen über Abſtammung und Familie einzuziehen, deren Kenntniß von ungemeiner, ſehr häufig gar nicht vorabzuſehen- der Wichtigkeit iſt. Wer ſollte es ahnen, daß z. B. von dem im Jahre 1828 zu Kaſſel entworfenen Stammbaum der Familie Steinbach jetzt an den Ufern der Oſtſee ein Zweig wu- chert, der dem Polizeiamt zu Lübeck manche verdrießliche Mühe macht! Die jüdiſchen Gauner in Deutſchland, ihre Taktik, ihre Eigenthümlich- keiten und ihre Sprache, nebſt ausführlichen Nachrichten über die in Deutſchland und an deſſen Grenzen ſich aufhaltenden berüchtigſten jüdiſchen Gauner. Nach Criminalacten und ſon- ſtigen zuverläſſigen Quellen bearbeitet und zunächſt praktiſchen Criminal- und Polizeibeamten gewidmet von A. F. Thiele, königl. Preußiſchen Criminal-Actuarius. Berlin 1840. Die Großartigkeit und der Aufwand der 1831 zu Berlin wider den Handelsmann Moſes Levin Löwenthal und Conſorten, mit ſo erſtaunlichen Reſultaten angeſtellten Unterſuchung, an wel- cher der Verfaſſer thätigen Antheil hatte, und aus welcher er eine reiche Anzahl pikanter Gaunerzüge mittheilt, die Neuheit des

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/280>, abgerufen am 02.05.2024.