Plassenburg, im Obermainkreise des Königreichs Baiern, von Karl Stuhlmüller. 1823.
Der Verfasser hatte als Vorstand des Zwangsarbeitshauses zu Plassenburg und als Polizeicommissar schon lange Verdacht über die Existenz einer weitverbreiteten jüdischen Gaunerbande gefaßt, welcher durch die Bekanntschaft mit den trefflichen Schwen- cken'schen Notizen sich zur Evidenz steigerte. Dies bewog ihn, mehrere zu Plassenburg detinirte Gauner (S. viii--xii) zu Ge- ständnissen und Aufschlüssen über die Bande zu bringen, welches ihm denn auch so vollständig gelang, daß er die großartigsten Entdeckungen herbeiführte. Darüber gibt das vorliegende Werk Auskunft. Zuerst wird eine kurze Geschichte der Untersuchung (S. vii--xiii) gegeben, sodann folgen sehr interessante Notizen (S. xiv--xxvi) über Gaunerindustrie und über die verschiedenen Classen derselben, wobei wol Schwencken's Bemerkungen mit zu Grunde gelegt sind. Von S. 1--181 werden dann, ganz in derselben geistvollen Weise wie bei Schwencken, die Personalien von 143 außerhalb Baierns, und von S. 181--273 die von 95 innerhalb Baierns lebenden jüdischen Gaunern mitgetheilt. S. 273-- 294 enthält das etwas dürr gehaltene Verzeichniß der bei der plassenburger Untersuchung ausgemittelten 212 Verbrechen, und S. 295--311 ein Verzeichniß von 138 Gaunerherbergen und Niederlagen in Baiern, Würtemberg, Baden und einigen nörd- licher gelegenen Nachbarstaaten. S. 311--313 enthält eine Sammlung von 37 Gaunerwörtern zum Verständniß der Nach- richten, und S. 313--314 die gaunerischen Benennungen von 28 Ländern und Städten. Die beiden ausführlichen Namens- und Ortsregister erleichtern den Gebrauch des in jeder Bezie- hung sehr verdienstlichen und für die Geschichte des Gaunerthums, sowie für den praktischen Gebrauch noch immer überaus wichtigen Buchs sehr wesentlich. Da das Werk ohnehin als eine Ergän- zung und Fortsetzung der Schwencken'schen Notizen angesehen werden kann, dessen geistvoller Haltung es völlig gleichkommt, so gilt es als eine der wichtigsten und bedeutendsten Erscheinungen in der Gaunerliteratur.
Plaſſenburg, im Obermainkreiſe des Königreichs Baiern, von Karl Stuhlmüller. 1823.
Der Verfaſſer hatte als Vorſtand des Zwangsarbeitshauſes zu Plaſſenburg und als Polizeicommiſſar ſchon lange Verdacht über die Exiſtenz einer weitverbreiteten jüdiſchen Gaunerbande gefaßt, welcher durch die Bekanntſchaft mit den trefflichen Schwen- cken’ſchen Notizen ſich zur Evidenz ſteigerte. Dies bewog ihn, mehrere zu Plaſſenburg detinirte Gauner (S. viii—xii) zu Ge- ſtändniſſen und Aufſchlüſſen über die Bande zu bringen, welches ihm denn auch ſo vollſtändig gelang, daß er die großartigſten Entdeckungen herbeiführte. Darüber gibt das vorliegende Werk Auskunft. Zuerſt wird eine kurze Geſchichte der Unterſuchung (S. vii—xiii) gegeben, ſodann folgen ſehr intereſſante Notizen (S. xiv—xxvi) über Gaunerinduſtrie und über die verſchiedenen Claſſen derſelben, wobei wol Schwencken’s Bemerkungen mit zu Grunde gelegt ſind. Von S. 1—181 werden dann, ganz in derſelben geiſtvollen Weiſe wie bei Schwencken, die Perſonalien von 143 außerhalb Baierns, und von S. 181—273 die von 95 innerhalb Baierns lebenden jüdiſchen Gaunern mitgetheilt. S. 273— 294 enthält das etwas dürr gehaltene Verzeichniß der bei der plaſſenburger Unterſuchung ausgemittelten 212 Verbrechen, und S. 295—311 ein Verzeichniß von 138 Gaunerherbergen und Niederlagen in Baiern, Würtemberg, Baden und einigen nörd- licher gelegenen Nachbarſtaaten. S. 311—313 enthält eine Sammlung von 37 Gaunerwörtern zum Verſtändniß der Nach- richten, und S. 313—314 die gauneriſchen Benennungen von 28 Ländern und Städten. Die beiden ausführlichen Namens- und Ortsregiſter erleichtern den Gebrauch des in jeder Bezie- hung ſehr verdienſtlichen und für die Geſchichte des Gaunerthums, ſowie für den praktiſchen Gebrauch noch immer überaus wichtigen Buchs ſehr weſentlich. Da das Werk ohnehin als eine Ergän- zung und Fortſetzung der Schwencken’ſchen Notizen angeſehen werden kann, deſſen geiſtvoller Haltung es völlig gleichkommt, ſo gilt es als eine der wichtigſten und bedeutendſten Erſcheinungen in der Gaunerliteratur.
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Plaſſenburg, im Obermainkreiſe des Königreichs Baiern, von
Karl Stuhlmüller. 1823.
Der Verfaſſer hatte als Vorſtand des Zwangsarbeitshauſes
zu Plaſſenburg und als Polizeicommiſſar ſchon lange Verdacht
über die Exiſtenz einer weitverbreiteten jüdiſchen Gaunerbande
gefaßt, welcher durch die Bekanntſchaft mit den trefflichen Schwen-
cken’ſchen Notizen ſich zur Evidenz ſteigerte. Dies bewog ihn,
mehrere zu Plaſſenburg detinirte Gauner (S. viii—xii) zu Ge-
ſtändniſſen und Aufſchlüſſen über die Bande zu bringen, welches
ihm denn auch ſo vollſtändig gelang, daß er die großartigſten
Entdeckungen herbeiführte. Darüber gibt das vorliegende Werk
Auskunft. Zuerſt wird eine kurze Geſchichte der Unterſuchung
(S. vii—xiii) gegeben, ſodann folgen ſehr intereſſante Notizen
(S. xiv—xxvi) über Gaunerinduſtrie und über die verſchiedenen
Claſſen derſelben, wobei wol Schwencken’s Bemerkungen mit zu
Grunde gelegt ſind. Von S. 1—181 werden dann, ganz in
derſelben geiſtvollen Weiſe wie bei Schwencken, die Perſonalien
von 143 außerhalb Baierns, und von S. 181—273 die von 95
innerhalb Baierns lebenden jüdiſchen Gaunern mitgetheilt. S. 273—
294 enthält das etwas dürr gehaltene Verzeichniß der bei der
plaſſenburger Unterſuchung ausgemittelten 212 Verbrechen, und
S. 295—311 ein Verzeichniß von 138 Gaunerherbergen und
Niederlagen in Baiern, Würtemberg, Baden und einigen nörd-
licher gelegenen Nachbarſtaaten. S. 311—313 enthält eine
Sammlung von 37 Gaunerwörtern zum Verſtändniß der Nach-
richten, und S. 313—314 die gauneriſchen Benennungen von
28 Ländern und Städten. Die beiden ausführlichen Namens-
und Ortsregiſter erleichtern den Gebrauch des in jeder Bezie-
hung ſehr verdienſtlichen und für die Geſchichte des Gaunerthums,
ſowie für den praktiſchen Gebrauch noch immer überaus wichtigen
Buchs ſehr weſentlich. Da das Werk ohnehin als eine Ergän-
zung und Fortſetzung der Schwencken’ſchen Notizen angeſehen
werden kann, deſſen geiſtvoller Haltung es völlig gleichkommt, ſo
gilt es als eine der wichtigſten und bedeutendſten Erſcheinungen
in der Gaunerliteratur.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/276>, abgerufen am 01.08.2024.
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