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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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Alphabetisches Verzeichniß einer Anzahl von Räubern, Dieben und
Vagabonden,
mit hinzugefügten Signalements ihrer Person und
Angabe einiger Diebsherbergen, entworfen nach den Aussagen
einer zu Kiel in den Jahren 1811 und 1812 eingezogenen
Räuberbande, von C. D. Christensen. Hamburg 1814.

Der als Polizeimann rühmlichst bekannte Verfasser war Vor-
sitzender der außerordentlichen Criminalcommission des holsteinischen
Obercriminalgerichtes in Untersuchungssachen gegen die Räuber-
bande 1), welche, völlig nach der Taktik der niederländischen Räu-
ber, in der Nacht vom 25.--26. Februar 1811 in dem nahe bei Lübeck
gelegenen Orte Stockelsdorf den Erbpächter Hardt in dessen Woh-
nung beraubt und mit seiner Familie schwer gemishandelt, und
welche, begünstigt durch die heillose Verwirrung während der
französischen Occupation, mitten in der Stadt Lübeck ihren Wohn-
sitz hatte, von hier aus aber ihre Räubereien im benachbarten
Mecklenburg, Holstein u. s. w. trieb. Die vielen und lehrreichen

1) Der Hauptführer der Bande, Anton Heinze, entfloh aus Lübeck, höchst
wahrscheinlich gewarnt von pflichtvergessenen Polizeibeamten, während mehrere
Mitglieder ergriffen, zum Tode verurtheilt und zu lebenswieriger Freiheitsstrafe
begnadigt wurden. Heinze oder Heins, der lahme oder alte Peter genannt,
war ein alter versuchter Räuber und Genosse der Niederländischen Banden,
des Damian Hessel, Weber (Fetzer) u. A. Später wurde er in Münster
wegen zweier Einbrüche zur Untersuchung gezogen und dann nach Holstein
ausgeliefert, wo er im November 1818 unter dem Namen Peter Maus zu
Bargerbrücke unweit Lübeck mit dem Beile hingerichtet wurde. Die verschie-
denen bittern Hindeutungen des Verfassers auf die damalige schlechte Polizei-
verwaltung in Lübeck sind nicht ohne Grund. Während der französischen Oc-
cupation der "guten Stadt Lübeck" herrschte eine kaum glaubliche Willkür
und Bestechlichkeit in der Verwaltung. War doch der berüchtigte Niederländer
Räuber Serves Joseph (Cerf Levi, Polack, Jainkof, Joseph Defries und Hor-
mell genannt) der auch bei dem Klein-Seelheimer Raube (vgl. Schwencken
Nr. 605) als Hauptführer figurirte, im Jahre 1812 von der französischen
Verwaltung als Douanier in Lübeck angestellt. Ueber dies Treiben der fran-
zösischen Gewalthaber in der unglücklichen Stadt gibt das neu erschienene ver-
dienstvolle und mit großem Fleiß und gewissenhaftem Quellenstudium gear-
beitete Werk: "Geschichte Lübecks während der Vereinigung mit dem fran-
zösischen Kaiserreiche 1811--13", von M. C. Klug, Pastor zu St.-Jakobi
in Lübeck (zwei Abtheilungen, 1856--57) ein lebendiges und treues Bild.
Alphabetiſches Verzeichniß einer Anzahl von Räubern, Dieben und
Vagabonden,
mit hinzugefügten Signalements ihrer Perſon und
Angabe einiger Diebsherbergen, entworfen nach den Ausſagen
einer zu Kiel in den Jahren 1811 und 1812 eingezogenen
Räuberbande, von C. D. Chriſtenſen. Hamburg 1814.

Der als Polizeimann rühmlichſt bekannte Verfaſſer war Vor-
ſitzender der außerordentlichen Criminalcommiſſion des holſteiniſchen
Obercriminalgerichtes in Unterſuchungsſachen gegen die Räuber-
bande 1), welche, völlig nach der Taktik der niederländiſchen Räu-
ber, in der Nacht vom 25.—26. Februar 1811 in dem nahe bei Lübeck
gelegenen Orte Stockelsdorf den Erbpächter Hardt in deſſen Woh-
nung beraubt und mit ſeiner Familie ſchwer gemishandelt, und
welche, begünſtigt durch die heilloſe Verwirrung während der
franzöſiſchen Occupation, mitten in der Stadt Lübeck ihren Wohn-
ſitz hatte, von hier aus aber ihre Räubereien im benachbarten
Mecklenburg, Holſtein u. ſ. w. trieb. Die vielen und lehrreichen

1) Der Hauptführer der Bande, Anton Heinze, entfloh aus Lübeck, höchſt
wahrſcheinlich gewarnt von pflichtvergeſſenen Polizeibeamten, während mehrere
Mitglieder ergriffen, zum Tode verurtheilt und zu lebenswieriger Freiheitsſtrafe
begnadigt wurden. Heinze oder Heins, der lahme oder alte Peter genannt,
war ein alter verſuchter Räuber und Genoſſe der Niederländiſchen Banden,
des Damian Heſſel, Weber (Fetzer) u. A. Später wurde er in Münſter
wegen zweier Einbrüche zur Unterſuchung gezogen und dann nach Holſtein
ausgeliefert, wo er im November 1818 unter dem Namen Peter Maus zu
Bargerbrücke unweit Lübeck mit dem Beile hingerichtet wurde. Die verſchie-
denen bittern Hindeutungen des Verfaſſers auf die damalige ſchlechte Polizei-
verwaltung in Lübeck ſind nicht ohne Grund. Während der franzöſiſchen Oc-
cupation der „guten Stadt Lübeck“ herrſchte eine kaum glaubliche Willkür
und Beſtechlichkeit in der Verwaltung. War doch der berüchtigte Niederländer
Räuber Serves Joſeph (Cerf Levi, Polack, Jainkof, Joſeph Defries und Hor-
mell genannt) der auch bei dem Klein-Seelheimer Raube (vgl. Schwencken
Nr. 605) als Hauptführer figurirte, im Jahre 1812 von der franzöſiſchen
Verwaltung als Douanier in Lübeck angeſtellt. Ueber dies Treiben der fran-
zöſiſchen Gewalthaber in der unglücklichen Stadt gibt das neu erſchienene ver-
dienſtvolle und mit großem Fleiß und gewiſſenhaftem Quellenſtudium gear-
beitete Werk: „Geſchichte Lübecks während der Vereinigung mit dem fran-
zöſiſchen Kaiſerreiche 1811—13“, von M. C. Klug, Paſtor zu St.-Jakobi
in Lübeck (zwei Abtheilungen, 1856—57) ein lebendiges und treues Bild.
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[253/0269] Alphabetiſches Verzeichniß einer Anzahl von Räubern, Dieben und Vagabonden, mit hinzugefügten Signalements ihrer Perſon und Angabe einiger Diebsherbergen, entworfen nach den Ausſagen einer zu Kiel in den Jahren 1811 und 1812 eingezogenen Räuberbande, von C. D. Chriſtenſen. Hamburg 1814. Der als Polizeimann rühmlichſt bekannte Verfaſſer war Vor- ſitzender der außerordentlichen Criminalcommiſſion des holſteiniſchen Obercriminalgerichtes in Unterſuchungsſachen gegen die Räuber- bande 1), welche, völlig nach der Taktik der niederländiſchen Räu- ber, in der Nacht vom 25.—26. Februar 1811 in dem nahe bei Lübeck gelegenen Orte Stockelsdorf den Erbpächter Hardt in deſſen Woh- nung beraubt und mit ſeiner Familie ſchwer gemishandelt, und welche, begünſtigt durch die heilloſe Verwirrung während der franzöſiſchen Occupation, mitten in der Stadt Lübeck ihren Wohn- ſitz hatte, von hier aus aber ihre Räubereien im benachbarten Mecklenburg, Holſtein u. ſ. w. trieb. Die vielen und lehrreichen 1) Der Hauptführer der Bande, Anton Heinze, entfloh aus Lübeck, höchſt wahrſcheinlich gewarnt von pflichtvergeſſenen Polizeibeamten, während mehrere Mitglieder ergriffen, zum Tode verurtheilt und zu lebenswieriger Freiheitsſtrafe begnadigt wurden. Heinze oder Heins, der lahme oder alte Peter genannt, war ein alter verſuchter Räuber und Genoſſe der Niederländiſchen Banden, des Damian Heſſel, Weber (Fetzer) u. A. Später wurde er in Münſter wegen zweier Einbrüche zur Unterſuchung gezogen und dann nach Holſtein ausgeliefert, wo er im November 1818 unter dem Namen Peter Maus zu Bargerbrücke unweit Lübeck mit dem Beile hingerichtet wurde. Die verſchie- denen bittern Hindeutungen des Verfaſſers auf die damalige ſchlechte Polizei- verwaltung in Lübeck ſind nicht ohne Grund. Während der franzöſiſchen Oc- cupation der „guten Stadt Lübeck“ herrſchte eine kaum glaubliche Willkür und Beſtechlichkeit in der Verwaltung. War doch der berüchtigte Niederländer Räuber Serves Joſeph (Cerf Levi, Polack, Jainkof, Joſeph Defries und Hor- mell genannt) der auch bei dem Klein-Seelheimer Raube (vgl. Schwencken Nr. 605) als Hauptführer figurirte, im Jahre 1812 von der franzöſiſchen Verwaltung als Douanier in Lübeck angeſtellt. Ueber dies Treiben der fran- zöſiſchen Gewalthaber in der unglücklichen Stadt gibt das neu erſchienene ver- dienſtvolle und mit großem Fleiß und gewiſſenhaftem Quellenſtudium gear- beitete Werk: „Geſchichte Lübecks während der Vereinigung mit dem fran- zöſiſchen Kaiſerreiche 1811—13“, von M. C. Klug, Paſtor zu St.-Jakobi in Lübeck (zwei Abtheilungen, 1856—57) ein lebendiges und treues Bild.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/269>, abgerufen am 02.05.2024.