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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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Nachrichten von merkwürdigen Verbrechern in Deutschland. Zwei
Bände. Bornholm 1786.

Dies recht interessante und mit Beruf geschriebene Werk gibt
nach alphabetischer Namensordnung eine ziemlich bedeutende An-
zahl kurzer Verbrecherbiographien aus dem 15.--18. Jahrhundert,
theils nach gedruckten, theils nach ungedruckten Acten, und ist
namentlich in historischer Hinsicht ein recht glückliches Complement
mancher Lücke. Neben den meisten schon obenangeführten Gauner-
processen werden noch anziehende Mittheilungen, z. B. über den
Alchymisten Cajetan, Salamon Jacob, Käsebier u. A. gegeben,
wodurch das Buch jedenfalls eine Stelle in der Gaunerliteratur
verdient.

Beiträge zur Geschichte der Menschheit, in Erzählungen aus wich-
tigen Gerichtsacten. Altenburg 1790.

Das Buch enthält eine Anzahl merkwürdiger Criminalrechts-
fälle, meist aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, deren Be-
arbeitung von psychologischem und juristischem Scharfblick des un-
bekannten Verfassers zeugt. Besonders wichtig ist die Bd. 1,
Samml. 1, S. 67, mitgetheilte Geschichte eines Hauptdiebes von
der Thüringischen Bande, welche von 1758--68 ihr Wesen trieb,
und von welcher im kursächsischen Amt F. der Anführer der Bande,
der schwarze Friedrich, mit 84 Genossen zur Haft und Unter-
suchung kam. Vorzüglich interessant sind die Enthüllungen des
Scheelen Abraham (Abe), welcher über die damalige thüringische
Räubertaktik mancherlei Aufschlüsse gibt. Unter seinen Geständ-
nissen ist das der schon erwähnten gewaltsamen, mit offenem Sturm
bewirkten Befreiung seines Genossen Mahler Gustel aus dem Ge-
fängniß zu Großen-Furra am 3. Mai 1759 merkwürdig, sowie
für die tückische Mordlust der Bande bezeichnend, daß die Räuber
nach Abe's Geständniß bei den nächtlichen Einbrüchen und Ueber-
fällen den geknebelten Personen eine Schlinge um den Hals zu
legen pflegten, die an den hinten aufgezogenen Füßen befestigt
war, sodaß bei jeder Bewegung der Füße die Unglücklichen sich
selbst erwürgten. Jm Uebrigen ist das durch den Defensor des

Nachrichten von merkwürdigen Verbrechern in Deutſchland. Zwei
Bände. Bornholm 1786.

Dies recht intereſſante und mit Beruf geſchriebene Werk gibt
nach alphabetiſcher Namensordnung eine ziemlich bedeutende An-
zahl kurzer Verbrecherbiographien aus dem 15.—18. Jahrhundert,
theils nach gedruckten, theils nach ungedruckten Acten, und iſt
namentlich in hiſtoriſcher Hinſicht ein recht glückliches Complement
mancher Lücke. Neben den meiſten ſchon obenangeführten Gauner-
proceſſen werden noch anziehende Mittheilungen, z. B. über den
Alchymiſten Cajetan, Salamon Jacob, Käſebier u. A. gegeben,
wodurch das Buch jedenfalls eine Stelle in der Gaunerliteratur
verdient.

Beiträge zur Geſchichte der Menſchheit, in Erzählungen aus wich-
tigen Gerichtsacten. Altenburg 1790.

Das Buch enthält eine Anzahl merkwürdiger Criminalrechts-
fälle, meiſt aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, deren Be-
arbeitung von pſychologiſchem und juriſtiſchem Scharfblick des un-
bekannten Verfaſſers zeugt. Beſonders wichtig iſt die Bd. 1,
Samml. 1, S. 67, mitgetheilte Geſchichte eines Hauptdiebes von
der Thüringiſchen Bande, welche von 1758—68 ihr Weſen trieb,
und von welcher im kurſächſiſchen Amt F. der Anführer der Bande,
der ſchwarze Friedrich, mit 84 Genoſſen zur Haft und Unter-
ſuchung kam. Vorzüglich intereſſant ſind die Enthüllungen des
Scheelen Abraham (Abe), welcher über die damalige thüringiſche
Räubertaktik mancherlei Aufſchlüſſe gibt. Unter ſeinen Geſtänd-
niſſen iſt das der ſchon erwähnten gewaltſamen, mit offenem Sturm
bewirkten Befreiung ſeines Genoſſen Mahler Guſtel aus dem Ge-
fängniß zu Großen-Furra am 3. Mai 1759 merkwürdig, ſowie
für die tückiſche Mordluſt der Bande bezeichnend, daß die Räuber
nach Abe’s Geſtändniß bei den nächtlichen Einbrüchen und Ueber-
fällen den geknebelten Perſonen eine Schlinge um den Hals zu
legen pflegten, die an den hinten aufgezogenen Füßen befeſtigt
war, ſodaß bei jeder Bewegung der Füße die Unglücklichen ſich
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[240/0256] Nachrichten von merkwürdigen Verbrechern in Deutſchland. Zwei Bände. Bornholm 1786. Dies recht intereſſante und mit Beruf geſchriebene Werk gibt nach alphabetiſcher Namensordnung eine ziemlich bedeutende An- zahl kurzer Verbrecherbiographien aus dem 15.—18. Jahrhundert, theils nach gedruckten, theils nach ungedruckten Acten, und iſt namentlich in hiſtoriſcher Hinſicht ein recht glückliches Complement mancher Lücke. Neben den meiſten ſchon obenangeführten Gauner- proceſſen werden noch anziehende Mittheilungen, z. B. über den Alchymiſten Cajetan, Salamon Jacob, Käſebier u. A. gegeben, wodurch das Buch jedenfalls eine Stelle in der Gaunerliteratur verdient. Beiträge zur Geſchichte der Menſchheit, in Erzählungen aus wich- tigen Gerichtsacten. Altenburg 1790. Das Buch enthält eine Anzahl merkwürdiger Criminalrechts- fälle, meiſt aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, deren Be- arbeitung von pſychologiſchem und juriſtiſchem Scharfblick des un- bekannten Verfaſſers zeugt. Beſonders wichtig iſt die Bd. 1, Samml. 1, S. 67, mitgetheilte Geſchichte eines Hauptdiebes von der Thüringiſchen Bande, welche von 1758—68 ihr Weſen trieb, und von welcher im kurſächſiſchen Amt F. der Anführer der Bande, der ſchwarze Friedrich, mit 84 Genoſſen zur Haft und Unter- ſuchung kam. Vorzüglich intereſſant ſind die Enthüllungen des Scheelen Abraham (Abe), welcher über die damalige thüringiſche Räubertaktik mancherlei Aufſchlüſſe gibt. Unter ſeinen Geſtänd- niſſen iſt das der ſchon erwähnten gewaltſamen, mit offenem Sturm bewirkten Befreiung ſeines Genoſſen Mahler Guſtel aus dem Ge- fängniß zu Großen-Furra am 3. Mai 1759 merkwürdig, ſowie für die tückiſche Mordluſt der Bande bezeichnend, daß die Räuber nach Abe’s Geſtändniß bei den nächtlichen Einbrüchen und Ueber- fällen den geknebelten Perſonen eine Schlinge um den Hals zu legen pflegten, die an den hinten aufgezogenen Füßen befeſtigt war, ſodaß bei jeder Bewegung der Füße die Unglücklichen ſich ſelbſt erwürgten. Jm Uebrigen iſt das durch den Defenſor des

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/256>, abgerufen am 02.05.2024.