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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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ner, Schockgänger, Kißler, Pottfenner ("schiessen denen
Gaudieben, absonderlich Schränkern und Boskennern, auf ihre
vorhabende Massematten mit dem Beding Geld vor, daß sie ihnen
hiernächst die gestohlenen Waaren in desto wohlfeilern Preis über-
lassen sollen") und Baldower oder Auskundschafter. -- Das
Werk, welches sich auf der Landesbibliothek zu Kassel befindet, ist,
ungeachtet seiner überraschend originellen und auch jetzt noch immer
durchgreifenden Classification, namentlich von der Polizei, ganz un-
beachtet gelassen und ganz in Vergessenheit gerathen. Nur ein
einziges mal hat der Advocat Brandes in Celle in Stück 84 des
"Neuen Hannoverischen Magazin" von 1807, das Werk als einer
merkwürdigen Seltenheit erwähnt.

Actenmäßiger Verlauf, die vor denen Wohledlen Stadt-Gerichten zu
Leipzig wegen verschiedener Erzdiebe und Räuber, welche sich zu der
Kunzisch-, Mehnertisch- und Hessischen Bande gehalten, ergan-
gene peinliche Untersuchung u. s. w. betreffend. Leipzig 1764.

Dies Buch enthält den Proceß gegen den berüchtigten "böhmi-
schen Hanns" (Johann Gottfried Kuntze) und fünf seiner Com-
plicen, von denen Dachs und Kuntze im Gefängniß starben,
Voigt, Rehmann, Hahn und Bamberg zu Leipzig hingerichtet
wurden. Die aus mehr als 40 zum Theil namhaft gemachten
Mitgliedern (worunter auch vier Juden) bestehende und zum großen
Theil mit Tabuletkram und Olitäten im Lande umherziehende
Bande hielt bei ihrem Treiben vorzüglich den District von Hessen
durch Mitteldeutschland nach Böhmen inne und zeichnete sich durch
verwegenes Einbrechen (besonders durch Lewone legen) und durch
eine unglaubliche Menge von Pferdediebstählen aus. Die Bande
war im Besitz aller gaunerischen Hülfsmittel und Kenntnisse und
hatte einmal den verwegenen Muth, ihren Genossen Schmieds
Christel mit offener Gewalt aus dem Gefängniß zu Brehna zu
befreien. Der Böhmische Hans erbot sich sogar während der
Untersuchung, trotz seiner behaupteten Schuldlosigkeit, als Vergel-
tung für seine gebetene Freilassung, ein Gaunerbuch zu schreiben
und damit allen Diebereien in Zukunft vorzubeugen. Bemerkens-

ner, Schockgänger, Kißler, Pottfenner („ſchieſſen denen
Gaudieben, abſonderlich Schränkern und Boskennern, auf ihre
vorhabende Maſſematten mit dem Beding Geld vor, daß ſie ihnen
hiernächſt die geſtohlenen Waaren in deſto wohlfeilern Preis über-
laſſen ſollen“) und Baldower oder Auskundſchafter. — Das
Werk, welches ſich auf der Landesbibliothek zu Kaſſel befindet, iſt,
ungeachtet ſeiner überraſchend originellen und auch jetzt noch immer
durchgreifenden Claſſification, namentlich von der Polizei, ganz un-
beachtet gelaſſen und ganz in Vergeſſenheit gerathen. Nur ein
einziges mal hat der Advocat Brandes in Celle in Stück 84 des
„Neuen Hannoveriſchen Magazin“ von 1807, das Werk als einer
merkwürdigen Seltenheit erwähnt.

Actenmäßiger Verlauf, die vor denen Wohledlen Stadt-Gerichten zu
Leipzig wegen verſchiedener Erzdiebe und Räuber, welche ſich zu der
Kunziſch-, Mehnertiſch- und Heſſiſchen Bande gehalten, ergan-
gene peinliche Unterſuchung u. ſ. w. betreffend. Leipzig 1764.

Dies Buch enthält den Proceß gegen den berüchtigten „böhmi-
ſchen Hanns“ (Johann Gottfried Kuntze) und fünf ſeiner Com-
plicen, von denen Dachs und Kuntze im Gefängniß ſtarben,
Voigt, Rehmann, Hahn und Bamberg zu Leipzig hingerichtet
wurden. Die aus mehr als 40 zum Theil namhaft gemachten
Mitgliedern (worunter auch vier Juden) beſtehende und zum großen
Theil mit Tabuletkram und Olitäten im Lande umherziehende
Bande hielt bei ihrem Treiben vorzüglich den Diſtrict von Heſſen
durch Mitteldeutſchland nach Böhmen inne und zeichnete ſich durch
verwegenes Einbrechen (beſonders durch Lewone legen) und durch
eine unglaubliche Menge von Pferdediebſtählen aus. Die Bande
war im Beſitz aller gauneriſchen Hülfsmittel und Kenntniſſe und
hatte einmal den verwegenen Muth, ihren Genoſſen Schmieds
Chriſtel mit offener Gewalt aus dem Gefängniß zu Brehna zu
befreien. Der Böhmiſche Hans erbot ſich ſogar während der
Unterſuchung, trotz ſeiner behaupteten Schuldloſigkeit, als Vergel-
tung für ſeine gebetene Freilaſſung, ein Gaunerbuch zu ſchreiben
und damit allen Diebereien in Zukunft vorzubeugen. Bemerkens-

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[238/0254] ner, Schockgänger, Kißler, Pottfenner („ſchieſſen denen Gaudieben, abſonderlich Schränkern und Boskennern, auf ihre vorhabende Maſſematten mit dem Beding Geld vor, daß ſie ihnen hiernächſt die geſtohlenen Waaren in deſto wohlfeilern Preis über- laſſen ſollen“) und Baldower oder Auskundſchafter. — Das Werk, welches ſich auf der Landesbibliothek zu Kaſſel befindet, iſt, ungeachtet ſeiner überraſchend originellen und auch jetzt noch immer durchgreifenden Claſſification, namentlich von der Polizei, ganz un- beachtet gelaſſen und ganz in Vergeſſenheit gerathen. Nur ein einziges mal hat der Advocat Brandes in Celle in Stück 84 des „Neuen Hannoveriſchen Magazin“ von 1807, das Werk als einer merkwürdigen Seltenheit erwähnt. Actenmäßiger Verlauf, die vor denen Wohledlen Stadt-Gerichten zu Leipzig wegen verſchiedener Erzdiebe und Räuber, welche ſich zu der Kunziſch-, Mehnertiſch- und Heſſiſchen Bande gehalten, ergan- gene peinliche Unterſuchung u. ſ. w. betreffend. Leipzig 1764. Dies Buch enthält den Proceß gegen den berüchtigten „böhmi- ſchen Hanns“ (Johann Gottfried Kuntze) und fünf ſeiner Com- plicen, von denen Dachs und Kuntze im Gefängniß ſtarben, Voigt, Rehmann, Hahn und Bamberg zu Leipzig hingerichtet wurden. Die aus mehr als 40 zum Theil namhaft gemachten Mitgliedern (worunter auch vier Juden) beſtehende und zum großen Theil mit Tabuletkram und Olitäten im Lande umherziehende Bande hielt bei ihrem Treiben vorzüglich den Diſtrict von Heſſen durch Mitteldeutſchland nach Böhmen inne und zeichnete ſich durch verwegenes Einbrechen (beſonders durch Lewone legen) und durch eine unglaubliche Menge von Pferdediebſtählen aus. Die Bande war im Beſitz aller gauneriſchen Hülfsmittel und Kenntniſſe und hatte einmal den verwegenen Muth, ihren Genoſſen Schmieds Chriſtel mit offener Gewalt aus dem Gefängniß zu Brehna zu befreien. Der Böhmiſche Hans erbot ſich ſogar während der Unterſuchung, trotz ſeiner behaupteten Schuldloſigkeit, als Vergel- tung für ſeine gebetene Freilaſſung, ein Gaunerbuch zu ſchreiben und damit allen Diebereien in Zukunft vorzubeugen. Bemerkens-

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/254>, abgerufen am 02.05.2024.