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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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für das Judenthum, sondern auch für alle christliche social-politische
Verhältnisse von schlimmen Folgen gewesen ist. Jm "Jüdischen
Baldower" zeigt sich die Auctorität des "Entdeckten Judenthums" 1)
von Eisenmenger in der Criminalrechtspflege deutlicher als sonst
in irgendeiner Untersuchung des vorigen Jahrhunderts. Schon
1644 hatte Müller in seinem "Judaismus" 2) und 1681 Wagen-
seil in seinen "Tela ignea Satanae" 3) einen wüthenden Kreuz-
zug gegen die J[u]den unternommen. Beide Werke, besonders
ersteres, mit wie g[ro]ßem Haß und blinden Eifer sie auch geschrie-
ben sind, hatten doch weniger directen Nachtheil für die richtige
Beurtheilung des J[u]denthums, da sie sich immer doch nur auf
dem Gebiete dogm[a]tischer Polemik bewegen und bei weitem mehr
den christlichen Eifer der Verfasser als die Verworfenheit des Ju-
denthums documentiren. Eisenmenger polemisirt eigentlich gar
nicht. Er stellt einzelne aphoristische judenfeindliche Sätze apodik-
tisch trocken und dürr hin und gibt nun mit erstaunlicher Belesen-
heit aus dem Talmud und aus den besondern hebräischen Werken
von 199 talmudistischen Schriftstellern und den verdächtigen Büchern
von acht jüdischen Convertiken des 16. u. 17 Jahrhunderts, ohne
Berücksichtigung des Zusammenhanges, der Zeit und Person seiner
Gewährsmänner, eine Unzahl von Excerpten als Belegstellen zu
seinen Paradoxen. Seiner innern Geltung nach würde das "Ent-
deckte Judenthum" gar nicht die Aufmerksamkeit erregt und die

1) "Joh. Andreä Eisenmenger's, Professors der orientalischen Sprachen
bei der Universität Heydelberg, Entdecktes Judenthum oder gründlicher und
wahrhaffter Bericht, welchergestalt die verstockte Juden die hochheylige Drey-
Einigkeit, Gott Vater, Sohn u. Heil. Geist, erschrecklicher Weise lästern und
verunehren." Zwei Theile. (Zweite Auflage, Königsberg 1711.)
2) "Judaismus oder Judenthumb. Das ist Außführlicher Bericht von
des Jüdischen Volkes Unglauben, Blindheit und Verstockung, durch Johannem
Müllern der H. Schrifft Dr. und Pastor der Hauptkirche zu St. Peter in
Hamburg" (1644).
3) Johann Christoph Wagenseil, Dr. jur. Prof. der orient. Sprachen zu
Altdorf, "Tela ignea Satanae, hoc est Arcani et horribiles Judaeorum ad-
versus Christum Deum et Christianam religionem libri anecdotoi
"
(1681).

für das Judenthum, ſondern auch für alle chriſtliche ſocial-politiſche
Verhältniſſe von ſchlimmen Folgen geweſen iſt. Jm „Jüdiſchen
Baldower“ zeigt ſich die Auctorität des „Entdeckten Judenthums“ 1)
von Eiſenmenger in der Criminalrechtspflege deutlicher als ſonſt
in irgendeiner Unterſuchung des vorigen Jahrhunderts. Schon
1644 hatte Müller in ſeinem „Judaismus“ 2) und 1681 Wagen-
ſeil in ſeinen „Tela ignea Satanae3) einen wüthenden Kreuz-
zug gegen die J[u]den unternommen. Beide Werke, beſonders
erſteres, mit wie g[ro]ßem Haß und blinden Eifer ſie auch geſchrie-
ben ſind, hatten doch weniger directen Nachtheil für die richtige
Beurtheilung des J[u]denthums, da ſie ſich immer doch nur auf
dem Gebiete dogm[a]tiſcher Polemik bewegen und bei weitem mehr
den chriſtlichen Eifer der Verfaſſer als die Verworfenheit des Ju-
denthums documentiren. Eiſenmenger polemiſirt eigentlich gar
nicht. Er ſtellt einzelne aphoriſtiſche judenfeindliche Sätze apodik-
tiſch trocken und dürr hin und gibt nun mit erſtaunlicher Beleſen-
heit aus dem Talmud und aus den beſondern hebräiſchen Werken
von 199 talmudiſtiſchen Schriftſtellern und den verdächtigen Büchern
von acht jüdiſchen Convertiken des 16. u. 17 Jahrhunderts, ohne
Berückſichtigung des Zuſammenhanges, der Zeit und Perſon ſeiner
Gewährsmänner, eine Unzahl von Excerpten als Belegſtellen zu
ſeinen Paradoxen. Seiner innern Geltung nach würde das „Ent-
deckte Judenthum“ gar nicht die Aufmerkſamkeit erregt und die

1) „Joh. Andreä Eiſenmenger’s, Profeſſors der orientaliſchen Sprachen
bei der Univerſität Heydelberg, Entdecktes Judenthum oder gründlicher und
wahrhaffter Bericht, welchergeſtalt die verſtockte Juden die hochheylige Drey-
Einigkeit, Gott Vater, Sohn u. Heil. Geiſt, erſchrecklicher Weiſe läſtern und
verunehren.“ Zwei Theile. (Zweite Auflage, Königsberg 1711.)
2)Judaismus oder Judenthumb. Das iſt Außführlicher Bericht von
des Jüdiſchen Volkes Unglauben, Blindheit und Verſtockung, durch Johannem
Müllern der H. Schrifft Dr. und Paſtor der Hauptkirche zu St. Peter in
Hamburg“ (1644).
3) Johann Chriſtoph Wagenſeil, Dr. jur. Prof. der orient. Sprachen zu
Altdorf, „Tela ignea Satanae, hoc est Arcani et horribiles Judaeorum ad-
versus Christum Deum et Christianam religionem libri anecdotoi

(1681).
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[233/0249] für das Judenthum, ſondern auch für alle chriſtliche ſocial-politiſche Verhältniſſe von ſchlimmen Folgen geweſen iſt. Jm „Jüdiſchen Baldower“ zeigt ſich die Auctorität des „Entdeckten Judenthums“ 1) von Eiſenmenger in der Criminalrechtspflege deutlicher als ſonſt in irgendeiner Unterſuchung des vorigen Jahrhunderts. Schon 1644 hatte Müller in ſeinem „Judaismus“ 2) und 1681 Wagen- ſeil in ſeinen „Tela ignea Satanae“ 3) einen wüthenden Kreuz- zug gegen die Juden unternommen. Beide Werke, beſonders erſteres, mit wie großem Haß und blinden Eifer ſie auch geſchrie- ben ſind, hatten doch weniger directen Nachtheil für die richtige Beurtheilung des Judenthums, da ſie ſich immer doch nur auf dem Gebiete dogmatiſcher Polemik bewegen und bei weitem mehr den chriſtlichen Eifer der Verfaſſer als die Verworfenheit des Ju- denthums documentiren. Eiſenmenger polemiſirt eigentlich gar nicht. Er ſtellt einzelne aphoriſtiſche judenfeindliche Sätze apodik- tiſch trocken und dürr hin und gibt nun mit erſtaunlicher Beleſen- heit aus dem Talmud und aus den beſondern hebräiſchen Werken von 199 talmudiſtiſchen Schriftſtellern und den verdächtigen Büchern von acht jüdiſchen Convertiken des 16. u. 17 Jahrhunderts, ohne Berückſichtigung des Zuſammenhanges, der Zeit und Perſon ſeiner Gewährsmänner, eine Unzahl von Excerpten als Belegſtellen zu ſeinen Paradoxen. Seiner innern Geltung nach würde das „Ent- deckte Judenthum“ gar nicht die Aufmerkſamkeit erregt und die 1) „Joh. Andreä Eiſenmenger’s, Profeſſors der orientaliſchen Sprachen bei der Univerſität Heydelberg, Entdecktes Judenthum oder gründlicher und wahrhaffter Bericht, welchergeſtalt die verſtockte Juden die hochheylige Drey- Einigkeit, Gott Vater, Sohn u. Heil. Geiſt, erſchrecklicher Weiſe läſtern und verunehren.“ Zwei Theile. (Zweite Auflage, Königsberg 1711.) 2) „Judaismus oder Judenthumb. Das iſt Außführlicher Bericht von des Jüdiſchen Volkes Unglauben, Blindheit und Verſtockung, durch Johannem Müllern der H. Schrifft Dr. und Paſtor der Hauptkirche zu St. Peter in Hamburg“ (1644). 3) Johann Chriſtoph Wagenſeil, Dr. jur. Prof. der orient. Sprachen zu Altdorf, „Tela ignea Satanae, hoc est Arcani et horribiles Judaeorum ad- versus Christum Deum et Christianam religionem libri anecdotoi“ (1681).

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/249>, abgerufen am 03.05.2024.