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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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sich, und zwar wol zuerst in der sehr bemerkenswerthen Vorrede
zu dem "Schauplatz der Betrüger" (1687) der Ausdruck Gau-
dieb
in der vollen Bedeutung des heutigen Gauner. Die
spätern Anekdotensammlungen und Schelmenromane gebrauchen
den Ausdruck Gaudieb fast durchgehends, bis er um die Mitte
des vorigen Jahrhunderts außer Gebrauch zu kommen und dem
viel geförderten Ausdruck Jauner zu weichen beginnt. Niemals
ist jedoch das specifisch niedersächsische adjectivische gau sub-
stantivisch zu Gauner verlängert und in die hochdeutsche Sprache
aufgenommen worden. Jm Niederdeutschen existirt auch jetzt
immer nur noch gau als Adjectiv und Adverb. Die einzige
niedersächsische Verlängerung 1) ist Gauigkeit, Behendigkeit,
Geschwindigkeit, und das einzige Compositum bleibt Gaudeef,
Gaudieb. 2)

Die natürlichste Ableitung des Wortes Gauner scheint die
von Zigeuner oder Zigauner zu sein. Für die Annahme die-
ser bloßen Wortverkürzung spricht die prägnant hervortretende
Thatsache, daß in der Anschauung des Volks die Zigeuner seit
ihrem ersten Auftreten in Deutschland immer als Typus aller
Gaunerkunst angesehen wurden. Auch heutigen Tags gilt in den
Augen des Volks fast jede noch so kleine umherziehende Truppe
von Seiltänzern, Musikanten, Händlern, Kesselflickern u. s. w.
für nichts Geringeres als für Zigeuner. Sogar auch die heuti-

das französische engan, Betrug. Davon läßt sich aber wol schwerlich die
deutsche Ableitung Gauner rechtfertigen.
1) Kramer ("Hoog-Neder-Duitsch Dictionnaire" I, 87; Nürnberg
1719) hat noch den Ausdruck Gauwert, ein geschwinder, schlauer, ver-
messener Waghals.
2) Richey ("Hamburger Jdiotikon", S. 71) hat die Beispiele: He was
my to gau
, er war mir zu geschwinde; Gaht gau to, geht hurtig zu;
Jn de Gauigkeit, im Huy; Gaudeef, Gaudieb, Spitzbube. Bemerkens-
werth ist, daß man weder bei Moscherosch ("Philander von Sittewald") und
Schottelius, noch im "Beutelschneider" und "Schauplatz jämmerlicher Mord-
geschichten" (s. d. Literatur) das Wort Gaudieb oder Gauner findet. Die
Reichsgesetzgebung gebraucht den Ausdruck Zigeuner sogar erst in tit. 27
des Reichsabschiedes zu Augsburg 1500.

ſich, und zwar wol zuerſt in der ſehr bemerkenswerthen Vorrede
zu dem „Schauplatz der Betrüger“ (1687) der Ausdruck Gau-
dieb
in der vollen Bedeutung des heutigen Gauner. Die
ſpätern Anekdotenſammlungen und Schelmenromane gebrauchen
den Ausdruck Gaudieb faſt durchgehends, bis er um die Mitte
des vorigen Jahrhunderts außer Gebrauch zu kommen und dem
viel geförderten Ausdruck Jauner zu weichen beginnt. Niemals
iſt jedoch das ſpecifiſch niederſächſiſche adjectiviſche gau ſub-
ſtantiviſch zu Gauner verlängert und in die hochdeutſche Sprache
aufgenommen worden. Jm Niederdeutſchen exiſtirt auch jetzt
immer nur noch gau als Adjectiv und Adverb. Die einzige
niederſächſiſche Verlängerung 1) iſt Gauigkeit, Behendigkeit,
Geſchwindigkeit, und das einzige Compoſitum bleibt Gaudeef,
Gaudieb. 2)

Die natürlichſte Ableitung des Wortes Gauner ſcheint die
von Zigeuner oder Zigauner zu ſein. Für die Annahme die-
ſer bloßen Wortverkürzung ſpricht die prägnant hervortretende
Thatſache, daß in der Anſchauung des Volks die Zigeuner ſeit
ihrem erſten Auftreten in Deutſchland immer als Typus aller
Gaunerkunſt angeſehen wurden. Auch heutigen Tags gilt in den
Augen des Volks faſt jede noch ſo kleine umherziehende Truppe
von Seiltänzern, Muſikanten, Händlern, Keſſelflickern u. ſ. w.
für nichts Geringeres als für Zigeuner. Sogar auch die heuti-

das franzöſiſche engan, Betrug. Davon läßt ſich aber wol ſchwerlich die
deutſche Ableitung Gauner rechtfertigen.
1) Kramer („Hoog-Neder-Duitsch Dictionnaire“ I, 87; Nürnberg
1719) hat noch den Ausdruck Gauwert, ein geſchwinder, ſchlauer, ver-
meſſener Waghals.
2) Richey („Hamburger Jdiotikon“, S. 71) hat die Beiſpiele: He was
my to gau
, er war mir zu geſchwinde; Gaht gau to, geht hurtig zu;
Jn de Gauigkeit, im Huy; Gaudeef, Gaudieb, Spitzbube. Bemerkens-
werth iſt, daß man weder bei Moſcheroſch („Philander von Sittewald“) und
Schottelius, noch im „Beutelſchneider“ und „Schauplatz jämmerlicher Mord-
geſchichten“ (ſ. d. Literatur) das Wort Gaudieb oder Gauner findet. Die
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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/24>, abgerufen am 21.11.2024.