Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.in jener Zeit des Faust- und Fehderechts das Verbrechen als Je verwegener das Gaunerthum aufgetreten ist, je größer der in jener Zeit des Fauſt- und Fehderechts das Verbrechen als Je verwegener das Gaunerthum aufgetreten iſt, je größer der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0020" n="4"/> in jener Zeit des Fauſt- und Fehderechts das Verbrechen als<lb/> förmliches Gewerbe zu betreiben anfing. Dies gewerbliche Ver-<lb/> brechen trieb ſeinen wilden Wucher fort, bis es den überlegenen<lb/> Widerſtand fand. So bald dieſer das Gewerbe überwältigt hatte,<lb/> wurde es zur verbrecheriſchen Kunſt, welche mit ſcharfem Blicke<lb/> das bürgerliche Siechthum zu erkennen, ſeine wunden Stellen zu<lb/> durchdringen und in den künſtlichen Formen des bürgerlichen<lb/> Lebens ſich zu verſtecken, ſich in ihnen feſtzuſetzen und ſie auszu-<lb/> beuten wußte. So entſtand das deutſche Gaunerthum, als <hi rendition="#g">ra-<lb/> tionelles verbrecheriſches Gewerbe</hi>, mit einer Repräſen-<lb/> tation aus den verſchiedenartigſten verbrecheriſchen Elementen, in<lb/> der Gruppirung als Räuberthum, bei dem Mangel ausreichenden<lb/> öffentlichen Schutzes, mit offener Gewalt hervortretend; als eigen-<lb/> ſtes Gaunerthum in allen Formen des künſtlichen bürgerlichen<lb/> Lebens verſteckt ſich bewegend und die Gelegenheit der Schwäche<lb/> erſpähend.</p><lb/> <p>Je verwegener das Gaunerthum aufgetreten iſt, je größer der<lb/> materielle und moraliſche Schaden iſt, den es dem bürgerlichen<lb/> Leben und deſſen freier Bewegung zugefügt hat, deſto eifriger iſt<lb/> die Polizei und Geſetzgebung bemüht, dies ungeheuere Polypen-<lb/> gewächs, das ſich an das ganze bürgerliche Leben geſetzt hat, aus-<lb/> zurotten. Es hat nicht an geiſtreichen und verdienten Männern<lb/> gefehlt, wie Hönn, Weiſſenbruch, Rebmann, Pfiſter, Grol-<lb/> man, Brill, Schwencken, Falkenberg, Stuhlmüller, Wenmohs,<lb/> Thiele u. ſ. w., welche reichen Stoff und werthvolle Analyſen<lb/> gegeben haben. Jndeſſen iſt die Darſtellung des frechen und ver-<lb/> wegenen Zuſammenrottirens zu organiſirten Räuberbanden oder<lb/> der Taktik der jüdiſchen Gauner immer nur die aphoriſtiſche<lb/> Darſtellung ſingulärer Formen und Gruppen, die allerdings<lb/> ſehr intereſſant und wichtig iſt, in dieſer Beſchränkung aber<lb/> den Ueberblick über die Entſtehung und Fortentwickelung des<lb/> Gaunerthums und über ſeine ſittliche und ſocial-politiſche Be-<lb/> deutſamkeit vermiſſen läßt. Nur in dieſer totalen Anſchauung<lb/> läßt ſich das Gaunerthum verſtehen, und dies ſein Verſtändniß<lb/> iſt für die Gegenwart eine dringende Nothwendigkeit, damit man<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [4/0020]
in jener Zeit des Fauſt- und Fehderechts das Verbrechen als
förmliches Gewerbe zu betreiben anfing. Dies gewerbliche Ver-
brechen trieb ſeinen wilden Wucher fort, bis es den überlegenen
Widerſtand fand. So bald dieſer das Gewerbe überwältigt hatte,
wurde es zur verbrecheriſchen Kunſt, welche mit ſcharfem Blicke
das bürgerliche Siechthum zu erkennen, ſeine wunden Stellen zu
durchdringen und in den künſtlichen Formen des bürgerlichen
Lebens ſich zu verſtecken, ſich in ihnen feſtzuſetzen und ſie auszu-
beuten wußte. So entſtand das deutſche Gaunerthum, als ra-
tionelles verbrecheriſches Gewerbe, mit einer Repräſen-
tation aus den verſchiedenartigſten verbrecheriſchen Elementen, in
der Gruppirung als Räuberthum, bei dem Mangel ausreichenden
öffentlichen Schutzes, mit offener Gewalt hervortretend; als eigen-
ſtes Gaunerthum in allen Formen des künſtlichen bürgerlichen
Lebens verſteckt ſich bewegend und die Gelegenheit der Schwäche
erſpähend.
Je verwegener das Gaunerthum aufgetreten iſt, je größer der
materielle und moraliſche Schaden iſt, den es dem bürgerlichen
Leben und deſſen freier Bewegung zugefügt hat, deſto eifriger iſt
die Polizei und Geſetzgebung bemüht, dies ungeheuere Polypen-
gewächs, das ſich an das ganze bürgerliche Leben geſetzt hat, aus-
zurotten. Es hat nicht an geiſtreichen und verdienten Männern
gefehlt, wie Hönn, Weiſſenbruch, Rebmann, Pfiſter, Grol-
man, Brill, Schwencken, Falkenberg, Stuhlmüller, Wenmohs,
Thiele u. ſ. w., welche reichen Stoff und werthvolle Analyſen
gegeben haben. Jndeſſen iſt die Darſtellung des frechen und ver-
wegenen Zuſammenrottirens zu organiſirten Räuberbanden oder
der Taktik der jüdiſchen Gauner immer nur die aphoriſtiſche
Darſtellung ſingulärer Formen und Gruppen, die allerdings
ſehr intereſſant und wichtig iſt, in dieſer Beſchränkung aber
den Ueberblick über die Entſtehung und Fortentwickelung des
Gaunerthums und über ſeine ſittliche und ſocial-politiſche Be-
deutſamkeit vermiſſen läßt. Nur in dieſer totalen Anſchauung
läßt ſich das Gaunerthum verſtehen, und dies ſein Verſtändniß
iſt für die Gegenwart eine dringende Nothwendigkeit, damit man
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