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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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gangen zu sein. Sie ist genau nach der obenerwähnten pforz-
heimer Ausgabe 1) in die niederdeutsche Sprache und zwar, wie
schon der erste Ueberblick zeigt, in die niederdeutsche Mundart
übersetzt, wie solche noch heute im Magdeburgischen und
Braunschweigischen gesprochen wird. Bezeichnend ist hierfür
noch die Reduction der Münze "plapphart" 2), Kap. 9, auf "ein
Brunswigische ofte grote Meydburgische pennynck
" und
die Vertauschung des süddeutschen Namens "Jörg keßler",
Kap. 10, mit dem sehr häufig in Norddeutschland (z. B.
in Lübeck als Schiffername) vorkommenden Namen ("Gerdt
westuelink [uth Schotlande"]) u. s. w. Nicht minder bezeichnend
ist das schon erwähnte, in Kap. 13 eingeschaltete Beispiel der
Sakramentsschänderin, welche 1510 "int Land to Cleve gekom-
men" ist. Ebenso sind die 62 Vocabeln, welche der "Vocabular" hin-
zufügt und nach alphabetischer Ordnung einreiht, ganz specifisch
magdeburgische und braunschweigische Ausdrücke, die weiter nach
Norden hin mehr und mehr verändert geschrieben und ausge-
sprochen werden, z. B. "bestepen", betrügen, in lübecker oder hol-

1) Sie hat sogar im "Vocabular" dieselbe auffallende Unordnung, daß mitten
zwischen den Vocabeln unter S das Wort "Floß" Sup, aufgeführt wird.
Uebrigens führt sie die "Conclusionen" bis zu Kap. 26 durch, mit Ausnahme
der Kap. 13, 15 u. 22.
2) Plapphart, Blapphart, Plappert, Blappert, Blaffert'
von Blav, Blaf, planus, aequus et amplus, superficie plana (Richey,
a. a. O., S. 378). -- Vielleicht, mit Wandlung der tenuis oder media in
die adspirata, zusammenhängend mit Fleb, Flab, Flabbe, Flappe (vgl.
dritter Abschnitt, Kap. 88, Note 1); davon auch das französische blafard, und
Blaffaert, eine kleine, ebene, glatte Münze ohne Gepräge. Davon Blaf-
fersemmel
oder Blaffer, glatte, nicht überschnittene runde Semmel, welche
noch jetzt, besonders während der Fasten, in Lübeck, Hamburg und andern
Orten gebacken werden. Blafferkringel und Blaffernägel ebenso nach
dem Verkaufswerth genannt. Jm Niederdeutschen ist noch: Blaf Aensicht
ein glattes, breites Gesicht; Blaf von Voorhoeft, die Gesichtsfläche,
Stirn. Blafsnut, ebenso Gesicht, besonders Mund. Ferner Plaveien,
mit Steinen pflastern; Een plaveide Weg, ein gepflasterter Weg. Plauel,
ein hölzerner Schlägel zum Ebenen des Estrichs, Waschholz. Vgl. außer
Richey, a. a. O., auch Schottelius, a. a. O., S. 1378, von Stieler, a. a. O.,
S. 192, und Kramer, a. a. O., S. 295.
10*

gangen zu ſein. Sie iſt genau nach der obenerwähnten pforz-
heimer Ausgabe 1) in die niederdeutſche Sprache und zwar, wie
ſchon der erſte Ueberblick zeigt, in die niederdeutſche Mundart
überſetzt, wie ſolche noch heute im Magdeburgiſchen und
Braunſchweigiſchen geſprochen wird. Bezeichnend iſt hierfür
noch die Reduction der Münze „plapphart“ 2), Kap. 9, auf „ein
Brunſwigiſche ofte grote Meydburgiſche pennynck
“ und
die Vertauſchung des ſüddeutſchen Namens „Jörg keßler“,
Kap. 10, mit dem ſehr häufig in Norddeutſchland (z. B.
in Lübeck als Schiffername) vorkommenden Namen („Gerdt
weſtuelink [uth Schotlande“]) u. ſ. w. Nicht minder bezeichnend
iſt das ſchon erwähnte, in Kap. 13 eingeſchaltete Beiſpiel der
Sakramentsſchänderin, welche 1510 „int Land to Cleve gekom-
men“ iſt. Ebenſo ſind die 62 Vocabeln, welche der „Vocabular“ hin-
zufügt und nach alphabetiſcher Ordnung einreiht, ganz ſpecifiſch
magdeburgiſche und braunſchweigiſche Ausdrücke, die weiter nach
Norden hin mehr und mehr verändert geſchrieben und ausge-
ſprochen werden, z. B. „beſtepen“, betrügen, in lübecker oder hol-

1) Sie hat ſogar im „Vocabular“ dieſelbe auffallende Unordnung, daß mitten
zwiſchen den Vocabeln unter S das Wort „Floß“ Sup, aufgeführt wird.
Uebrigens führt ſie die „Concluſionen“ bis zu Kap. 26 durch, mit Ausnahme
der Kap. 13, 15 u. 22.
2) Plapphart, Blapphart, Plappert, Blappert, Blaffert’
von Blav, Blaf, planus, aequus et amplus, superficie plana (Richey,
a. a. O., S. 378). — Vielleicht, mit Wandlung der tenuis oder media in
die adspirata, zuſammenhängend mit Fleb, Flab, Flabbe, Flappe (vgl.
dritter Abſchnitt, Kap. 88, Note 1); davon auch das franzöſiſche blafard, und
Blaffaert, eine kleine, ebene, glatte Münze ohne Gepräge. Davon Blaf-
ferſemmel
oder Blaffer, glatte, nicht überſchnittene runde Semmel, welche
noch jetzt, beſonders während der Faſten, in Lübeck, Hamburg und andern
Orten gebacken werden. Blafferkringel und Blaffernägel ebenſo nach
dem Verkaufswerth genannt. Jm Niederdeutſchen iſt noch: Blaf Aenſicht
ein glattes, breites Geſicht; Blaf von Voorhoeft, die Geſichtsfläche,
Stirn. Blafſnut, ebenſo Geſicht, beſonders Mund. Ferner Plaveien,
mit Steinen pflaſtern; Een plaveide Weg, ein gepflaſterter Weg. Plauel,
ein hölzerner Schlägel zum Ebenen des Eſtrichs, Waſchholz. Vgl. außer
Richey, a. a. O., auch Schottelius, a. a. O., S. 1378, von Stieler, a. a. O.,
S. 192, und Kramer, a. a. O., S. 295.
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[147/0163] gangen zu ſein. Sie iſt genau nach der obenerwähnten pforz- heimer Ausgabe 1) in die niederdeutſche Sprache und zwar, wie ſchon der erſte Ueberblick zeigt, in die niederdeutſche Mundart überſetzt, wie ſolche noch heute im Magdeburgiſchen und Braunſchweigiſchen geſprochen wird. Bezeichnend iſt hierfür noch die Reduction der Münze „plapphart“ 2), Kap. 9, auf „ein Brunſwigiſche ofte grote Meydburgiſche pennynck“ und die Vertauſchung des ſüddeutſchen Namens „Jörg keßler“, Kap. 10, mit dem ſehr häufig in Norddeutſchland (z. B. in Lübeck als Schiffername) vorkommenden Namen („Gerdt weſtuelink [uth Schotlande“]) u. ſ. w. Nicht minder bezeichnend iſt das ſchon erwähnte, in Kap. 13 eingeſchaltete Beiſpiel der Sakramentsſchänderin, welche 1510 „int Land to Cleve gekom- men“ iſt. Ebenſo ſind die 62 Vocabeln, welche der „Vocabular“ hin- zufügt und nach alphabetiſcher Ordnung einreiht, ganz ſpecifiſch magdeburgiſche und braunſchweigiſche Ausdrücke, die weiter nach Norden hin mehr und mehr verändert geſchrieben und ausge- ſprochen werden, z. B. „beſtepen“, betrügen, in lübecker oder hol- 1) Sie hat ſogar im „Vocabular“ dieſelbe auffallende Unordnung, daß mitten zwiſchen den Vocabeln unter S das Wort „Floß“ Sup, aufgeführt wird. Uebrigens führt ſie die „Concluſionen“ bis zu Kap. 26 durch, mit Ausnahme der Kap. 13, 15 u. 22. 2) Plapphart, Blapphart, Plappert, Blappert, Blaffert’ von Blav, Blaf, planus, aequus et amplus, superficie plana (Richey, a. a. O., S. 378). — Vielleicht, mit Wandlung der tenuis oder media in die adspirata, zuſammenhängend mit Fleb, Flab, Flabbe, Flappe (vgl. dritter Abſchnitt, Kap. 88, Note 1); davon auch das franzöſiſche blafard, und Blaffaert, eine kleine, ebene, glatte Münze ohne Gepräge. Davon Blaf- ferſemmel oder Blaffer, glatte, nicht überſchnittene runde Semmel, welche noch jetzt, beſonders während der Faſten, in Lübeck, Hamburg und andern Orten gebacken werden. Blafferkringel und Blaffernägel ebenſo nach dem Verkaufswerth genannt. Jm Niederdeutſchen iſt noch: Blaf Aenſicht ein glattes, breites Geſicht; Blaf von Voorhoeft, die Geſichtsfläche, Stirn. Blafſnut, ebenſo Geſicht, beſonders Mund. Ferner Plaveien, mit Steinen pflaſtern; Een plaveide Weg, ein gepflaſterter Weg. Plauel, ein hölzerner Schlägel zum Ebenen des Eſtrichs, Waſchholz. Vgl. außer Richey, a. a. O., auch Schottelius, a. a. O., S. 1378, von Stieler, a. a. O., S. 192, und Kramer, a. a. O., S. 295. 10*

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/163>, abgerufen am 28.04.2024.