Gaunerbande des Johann Stelzner und Johann Müller (der kleine Husar) und deren Genossen (worunter acht Frauenspersonen) ge- führte Untersuchung; die gleichzeitig 1820 zu Frankfurt a. d. O. und zu Magdeburg gegen eine weitverzweigte meistens aus Juden bestehende Gaunerbande geführte Untersuchung; die bei dem Polizeicommissariat Plassenburg im Obermainkreise seit 1822 ge- führte Untersuchung, über welche Stuhlmüller in seinem trefflichen Buche überraschende Mittheilungen macht; die 1823 und sodann vor- züglich 1826 vom Polizeiamte zu Frankfurt a. M. gegen eine Bande von mehr als 60 Gaunern, ebenso die 1824 von dem herzoglich nassauischen Criminalgerichte z[u] Wiesbaden angestellte Unter- suchung; die von der eigens eingesetzten Commission zu Celle 1824 und 1825 gegen eine bedeutende Gaunerbande geführte Untersuchung. Endlich sind in Oesterreich seit 1830 bis auf die neueste Zeit unablässig viele Gaunerbanden zur Untersuchung ge- zogen worden, von denen besonders die Windmichel'sche, Löschen- kohl'sche und Graßl'sche Bande Erwähnung verdienen. 1)
Die großartigste Gauneruntersuchung, die bisjetzt geführt worden ist und die in ihrer Gründlichkeit, sowie den Resultaten nach, als ein Glanzpunkt in der Geschichte der preußischen Crimi- nalrechtspflege erscheint, ist die im Januar 1831 zu Berlin gegen den Handelsmann Moses Levin Löwenthal und Consorten begonnene Untersuchung, bei welcher 520 Personen implicirten, 204 Personen zur Untersuchung gezogen wurden, über 800 Ver- brechen zur Sprache kamen und 549 näher erörtert wurden, unter denen 506 als Raub oder gewaltsamer oder beträchtlicher Dieb- stahl, durch welche 46 öffentliche Kassen und 460 Privatpersonen um mehr als 210,000 Thlr. bestohlen waren. Es wurde zu- sammen in erster Jnstanz auf 1264 Jahre Zuchthaus und 1380 Hiebe, in zweiter Jnstanz auf 858 Jahre und 1060 Hiebe er- kannt. Die erstaunlichen Resultate der Untersuchung und die Menge pikanter Jndividuen und Gaunerstreiche, die in ihr zur Sprache gekommen sind, haben dem bekannten vom Criminalactuar
1) Vgl. "Oesterr. Centralpolizeiblatt", 1854, Nr. 10.
Gaunerbande des Johann Stelzner und Johann Müller (der kleine Huſar) und deren Genoſſen (worunter acht Frauensperſonen) ge- führte Unterſuchung; die gleichzeitig 1820 zu Frankfurt a. d. O. und zu Magdeburg gegen eine weitverzweigte meiſtens aus Juden beſtehende Gaunerbande geführte Unterſuchung; die bei dem Polizeicommiſſariat Plaſſenburg im Obermainkreiſe ſeit 1822 ge- führte Unterſuchung, über welche Stuhlmüller in ſeinem trefflichen Buche überraſchende Mittheilungen macht; die 1823 und ſodann vor- züglich 1826 vom Polizeiamte zu Frankfurt a. M. gegen eine Bande von mehr als 60 Gaunern, ebenſo die 1824 von dem herzoglich naſſauiſchen Criminalgerichte z[u] Wiesbaden angeſtellte Unter- ſuchung; die von der eigens eingeſetzten Commiſſion zu Celle 1824 und 1825 gegen eine bedeutende Gaunerbande geführte Unterſuchung. Endlich ſind in Oeſterreich ſeit 1830 bis auf die neueſte Zeit unabläſſig viele Gaunerbanden zur Unterſuchung ge- zogen worden, von denen beſonders die Windmichel’ſche, Löſchen- kohl’ſche und Graßl’ſche Bande Erwähnung verdienen. 1)
Die großartigſte Gaunerunterſuchung, die bisjetzt geführt worden iſt und die in ihrer Gründlichkeit, ſowie den Reſultaten nach, als ein Glanzpunkt in der Geſchichte der preußiſchen Crimi- nalrechtspflege erſcheint, iſt die im Januar 1831 zu Berlin gegen den Handelsmann Moſes Levin Löwenthal und Conſorten begonnene Unterſuchung, bei welcher 520 Perſonen implicirten, 204 Perſonen zur Unterſuchung gezogen wurden, über 800 Ver- brechen zur Sprache kamen und 549 näher erörtert wurden, unter denen 506 als Raub oder gewaltſamer oder beträchtlicher Dieb- ſtahl, durch welche 46 öffentliche Kaſſen und 460 Privatperſonen um mehr als 210,000 Thlr. beſtohlen waren. Es wurde zu- ſammen in erſter Jnſtanz auf 1264 Jahre Zuchthaus und 1380 Hiebe, in zweiter Jnſtanz auf 858 Jahre und 1060 Hiebe er- kannt. Die erſtaunlichen Reſultate der Unterſuchung und die Menge pikanter Jndividuen und Gaunerſtreiche, die in ihr zur Sprache gekommen ſind, haben dem bekannten vom Criminalactuar
1) Vgl. „Oeſterr. Centralpolizeiblatt“, 1854, Nr. 10.
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Gaunerbande des Johann Stelzner und Johann Müller (der kleine
Huſar) und deren Genoſſen (worunter acht Frauensperſonen) ge-
führte Unterſuchung; die gleichzeitig 1820 zu Frankfurt a. d. O.
und zu Magdeburg gegen eine weitverzweigte meiſtens aus
Juden beſtehende Gaunerbande geführte Unterſuchung; die bei dem
Polizeicommiſſariat Plaſſenburg im Obermainkreiſe ſeit 1822 ge-
führte Unterſuchung, über welche Stuhlmüller in ſeinem trefflichen
Buche überraſchende Mittheilungen macht; die 1823 und ſodann vor-
züglich 1826 vom Polizeiamte zu Frankfurt a. M. gegen eine Bande
von mehr als 60 Gaunern, ebenſo die 1824 von dem herzoglich
naſſauiſchen Criminalgerichte zu Wiesbaden angeſtellte Unter-
ſuchung; die von der eigens eingeſetzten Commiſſion zu Celle
1824 und 1825 gegen eine bedeutende Gaunerbande geführte
Unterſuchung. Endlich ſind in Oeſterreich ſeit 1830 bis auf die
neueſte Zeit unabläſſig viele Gaunerbanden zur Unterſuchung ge-
zogen worden, von denen beſonders die Windmichel’ſche, Löſchen-
kohl’ſche und Graßl’ſche Bande Erwähnung verdienen. 1)
Die großartigſte Gaunerunterſuchung, die bisjetzt geführt
worden iſt und die in ihrer Gründlichkeit, ſowie den Reſultaten
nach, als ein Glanzpunkt in der Geſchichte der preußiſchen Crimi-
nalrechtspflege erſcheint, iſt die im Januar 1831 zu Berlin gegen
den Handelsmann Moſes Levin Löwenthal und Conſorten
begonnene Unterſuchung, bei welcher 520 Perſonen implicirten,
204 Perſonen zur Unterſuchung gezogen wurden, über 800 Ver-
brechen zur Sprache kamen und 549 näher erörtert wurden, unter
denen 506 als Raub oder gewaltſamer oder beträchtlicher Dieb-
ſtahl, durch welche 46 öffentliche Kaſſen und 460 Privatperſonen
um mehr als 210,000 Thlr. beſtohlen waren. Es wurde zu-
ſammen in erſter Jnſtanz auf 1264 Jahre Zuchthaus und 1380
Hiebe, in zweiter Jnſtanz auf 858 Jahre und 1060 Hiebe er-
kannt. Die erſtaunlichen Reſultate der Unterſuchung und die
Menge pikanter Jndividuen und Gaunerſtreiche, die in ihr zur
Sprache gekommen ſind, haben dem bekannten vom Criminalactuar
1) Vgl. „Oeſterr. Centralpolizeiblatt“, 1854, Nr. 10.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/130>, abgerufen am 08.07.2024.
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