Damian Hessel und Anton Keil fünf Hauptführer auf die Guillo- tine und gegen hundert Räuber in die Strafanstalten brachten. Kaum war jedoch eine leidliche Sicherheit hergestellt, so brachten die neuen Kriegsbewegungen auch wieder die alte Unsicherheit hervor. Mit der Bekämpfung der französischen Zwingherrschaft 1813 brach auch das durch die allgemeine Bewegung ermuthigte und namentlich durch die Beseitigung der französischen Gensdarmerie verwegen gewordene Gesindel aller Orten wieder hervor. Unter anderm entsprangen in Kassel allein bei der Besetzung durch rus- sische Truppen im September 1813 nicht weniger als 171 Sträf- linge, unter ihnen viele verwegene Räuber; ebenso in Heiligen- stadt 88 Sträflinge. Es gab kaum irgendeinen von den fran- zösischen Truppen geräumten Ort, wo nicht ähnliche Entweichungen stattgefunden hätten. Das Gesindel fand sich leicht wieder zu- sammen, und bot den Sicherheitsbehörden um so mehr die Spitze, als bei der Besetzung der Verwaltungen allerdings den neuan- gestellten, von dem besten Willen beseelten Beamten die aus- reichenden Personal- und andern zur wirksamen Bekämpfung des Gaunerthums nöthigen Kenntnisse abgingen. Erst allmählich ge- lang es, das zufolge der alsbald wieder eingeführten Gensdarmerie 1) zwar nicht mehr zu offenen Räuberbanden, so doch zu organi- sirten Diebsbanden zusammengerottete, aber unter dem Schein einfacher Bürgerlichkeit in allen social-politischen Verhältnissen sich versteckt haltende Gesindel zu Paaren zu treiben. Unter den ein- zelnen resultatreichen Untersuchungen zeichnen sich besonders aus: die 1815 zu Liegnitz in Schlesien und 1816 zu Memel geführten Untersuchungen gegen jüdische Gauner; die 1815--17 in Han- nover von einer eigenen Commission geführte Untersuchung gegen Joh. Sippel, Anton Vogel, Chr. Dietrich, den schwarzen Konrad u. s. w.; die zu Kassel im Frühjahr 1816 begonnene Untersuchung gegen Benjamin Joseph, Michel Heinemann, Marcus Jonas Keßler und ihre übrigen Genossen, welche durch ganz Deutschland Gaunereien verübt hatten; die von 1818--20 zu Kassel gegen die
1) Vgl. Kamptz, "Allgemeiner Codex der Gensdarmerie" (Berlin 1815).
Ave-Lallemant, Gaunerthum. I. 8
Damian Heſſel und Anton Keil fünf Hauptführer auf die Guillo- tine und gegen hundert Räuber in die Strafanſtalten brachten. Kaum war jedoch eine leidliche Sicherheit hergeſtellt, ſo brachten die neuen Kriegsbewegungen auch wieder die alte Unſicherheit hervor. Mit der Bekämpfung der franzöſiſchen Zwingherrſchaft 1813 brach auch das durch die allgemeine Bewegung ermuthigte und namentlich durch die Beſeitigung der franzöſiſchen Gensdarmerie verwegen gewordene Geſindel aller Orten wieder hervor. Unter anderm entſprangen in Kaſſel allein bei der Beſetzung durch ruſ- ſiſche Truppen im September 1813 nicht weniger als 171 Sträf- linge, unter ihnen viele verwegene Räuber; ebenſo in Heiligen- ſtadt 88 Sträflinge. Es gab kaum irgendeinen von den fran- zöſiſchen Truppen geräumten Ort, wo nicht ähnliche Entweichungen ſtattgefunden hätten. Das Geſindel fand ſich leicht wieder zu- ſammen, und bot den Sicherheitsbehörden um ſo mehr die Spitze, als bei der Beſetzung der Verwaltungen allerdings den neuan- geſtellten, von dem beſten Willen beſeelten Beamten die aus- reichenden Perſonal- und andern zur wirkſamen Bekämpfung des Gaunerthums nöthigen Kenntniſſe abgingen. Erſt allmählich ge- lang es, das zufolge der alsbald wieder eingeführten Gensdarmerie 1) zwar nicht mehr zu offenen Räuberbanden, ſo doch zu organi- ſirten Diebsbanden zuſammengerottete, aber unter dem Schein einfacher Bürgerlichkeit in allen ſocial-politiſchen Verhältniſſen ſich verſteckt haltende Geſindel zu Paaren zu treiben. Unter den ein- zelnen reſultatreichen Unterſuchungen zeichnen ſich beſonders aus: die 1815 zu Liegnitz in Schleſien und 1816 zu Memel geführten Unterſuchungen gegen jüdiſche Gauner; die 1815—17 in Han- nover von einer eigenen Commiſſion geführte Unterſuchung gegen Joh. Sippel, Anton Vogel, Chr. Dietrich, den ſchwarzen Konrad u. ſ. w.; die zu Kaſſel im Frühjahr 1816 begonnene Unterſuchung gegen Benjamin Joſeph, Michel Heinemann, Marcus Jonas Keßler und ihre übrigen Genoſſen, welche durch ganz Deutſchland Gaunereien verübt hatten; die von 1818—20 zu Kaſſel gegen die
1) Vgl. Kamptz, „Allgemeiner Codex der Gensdarmerie“ (Berlin 1815).
Avé-Lallemant, Gaunerthum. I. 8
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0129"n="113"/>
Damian Heſſel und Anton Keil fünf Hauptführer auf die Guillo-<lb/>
tine und gegen hundert Räuber in die Strafanſtalten brachten.<lb/>
Kaum war jedoch eine leidliche Sicherheit hergeſtellt, ſo brachten<lb/>
die neuen Kriegsbewegungen auch wieder die alte Unſicherheit<lb/>
hervor. Mit der Bekämpfung der franzöſiſchen Zwingherrſchaft<lb/>
1813 brach auch das durch die allgemeine Bewegung ermuthigte und<lb/>
namentlich durch die Beſeitigung der franzöſiſchen Gensdarmerie<lb/>
verwegen gewordene Geſindel aller Orten wieder hervor. Unter<lb/>
anderm entſprangen in Kaſſel allein bei der Beſetzung durch ruſ-<lb/>ſiſche Truppen im September 1813 nicht weniger als 171 Sträf-<lb/>
linge, unter ihnen viele verwegene Räuber; ebenſo in Heiligen-<lb/>ſtadt 88 Sträflinge. Es gab kaum irgendeinen von den fran-<lb/>
zöſiſchen Truppen geräumten Ort, wo nicht ähnliche Entweichungen<lb/>ſtattgefunden hätten. Das Geſindel fand ſich leicht wieder zu-<lb/>ſammen, und bot den Sicherheitsbehörden um ſo mehr die Spitze,<lb/>
als bei der Beſetzung der Verwaltungen allerdings den neuan-<lb/>
geſtellten, von dem beſten Willen beſeelten Beamten die aus-<lb/>
reichenden Perſonal- und andern zur wirkſamen Bekämpfung des<lb/>
Gaunerthums nöthigen Kenntniſſe abgingen. Erſt allmählich ge-<lb/>
lang es, das zufolge der alsbald wieder eingeführten Gensdarmerie <noteplace="foot"n="1)">Vgl. Kamptz, „Allgemeiner Codex der Gensdarmerie“ (Berlin 1815).</note><lb/>
zwar nicht mehr zu offenen Räuberbanden, ſo doch zu organi-<lb/>ſirten Diebsbanden zuſammengerottete, aber unter dem Schein<lb/>
einfacher Bürgerlichkeit in allen ſocial-politiſchen Verhältniſſen ſich<lb/>
verſteckt haltende Geſindel zu Paaren zu treiben. Unter den ein-<lb/>
zelnen reſultatreichen Unterſuchungen zeichnen ſich beſonders aus:<lb/>
die 1815 zu Liegnitz in Schleſien und 1816 zu Memel geführten<lb/>
Unterſuchungen gegen jüdiſche Gauner; die 1815—17 in Han-<lb/>
nover von einer eigenen Commiſſion geführte Unterſuchung gegen<lb/>
Joh. Sippel, Anton Vogel, Chr. Dietrich, den ſchwarzen Konrad<lb/>
u. ſ. w.; die zu Kaſſel im Frühjahr 1816 begonnene Unterſuchung<lb/>
gegen Benjamin Joſeph, Michel Heinemann, Marcus Jonas<lb/>
Keßler und ihre übrigen Genoſſen, welche durch ganz Deutſchland<lb/>
Gaunereien verübt hatten; die von 1818—20 zu Kaſſel gegen die<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Avé-Lallemant,</hi> Gaunerthum. <hirendition="#aq">I.</hi> 8</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[113/0129]
Damian Heſſel und Anton Keil fünf Hauptführer auf die Guillo-
tine und gegen hundert Räuber in die Strafanſtalten brachten.
Kaum war jedoch eine leidliche Sicherheit hergeſtellt, ſo brachten
die neuen Kriegsbewegungen auch wieder die alte Unſicherheit
hervor. Mit der Bekämpfung der franzöſiſchen Zwingherrſchaft
1813 brach auch das durch die allgemeine Bewegung ermuthigte und
namentlich durch die Beſeitigung der franzöſiſchen Gensdarmerie
verwegen gewordene Geſindel aller Orten wieder hervor. Unter
anderm entſprangen in Kaſſel allein bei der Beſetzung durch ruſ-
ſiſche Truppen im September 1813 nicht weniger als 171 Sträf-
linge, unter ihnen viele verwegene Räuber; ebenſo in Heiligen-
ſtadt 88 Sträflinge. Es gab kaum irgendeinen von den fran-
zöſiſchen Truppen geräumten Ort, wo nicht ähnliche Entweichungen
ſtattgefunden hätten. Das Geſindel fand ſich leicht wieder zu-
ſammen, und bot den Sicherheitsbehörden um ſo mehr die Spitze,
als bei der Beſetzung der Verwaltungen allerdings den neuan-
geſtellten, von dem beſten Willen beſeelten Beamten die aus-
reichenden Perſonal- und andern zur wirkſamen Bekämpfung des
Gaunerthums nöthigen Kenntniſſe abgingen. Erſt allmählich ge-
lang es, das zufolge der alsbald wieder eingeführten Gensdarmerie 1)
zwar nicht mehr zu offenen Räuberbanden, ſo doch zu organi-
ſirten Diebsbanden zuſammengerottete, aber unter dem Schein
einfacher Bürgerlichkeit in allen ſocial-politiſchen Verhältniſſen ſich
verſteckt haltende Geſindel zu Paaren zu treiben. Unter den ein-
zelnen reſultatreichen Unterſuchungen zeichnen ſich beſonders aus:
die 1815 zu Liegnitz in Schleſien und 1816 zu Memel geführten
Unterſuchungen gegen jüdiſche Gauner; die 1815—17 in Han-
nover von einer eigenen Commiſſion geführte Unterſuchung gegen
Joh. Sippel, Anton Vogel, Chr. Dietrich, den ſchwarzen Konrad
u. ſ. w.; die zu Kaſſel im Frühjahr 1816 begonnene Unterſuchung
gegen Benjamin Joſeph, Michel Heinemann, Marcus Jonas
Keßler und ihre übrigen Genoſſen, welche durch ganz Deutſchland
Gaunereien verübt hatten; die von 1818—20 zu Kaſſel gegen die
1) Vgl. Kamptz, „Allgemeiner Codex der Gensdarmerie“ (Berlin 1815).
Avé-Lallemant, Gaunerthum. I. 8
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/129>, abgerufen am 08.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.