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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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A. F. Thiele 1840 herausgegebenen Werke gewissermaßen eine
Popularität gegeben, weshalb hier um so eher auf dies Buch
verwiesen werden darf. Wichtig ist aber vor allem diese Unter-
suchung als ein offenkundiger Beweis von der historischen Propa-
ganda des Gaunerthums, das mitten im tiefsten langjährigen
Frieden und bei dem Bestande einer scharfsichtigen Polizei dennoch
in allen social-politischen Schichten so geheim und mächtig fort-
wuchern konnte, daß es sich zu solcher Gewalt zu erheben ver-
mochte. So sehr auch diese großartige Erfahrung das Gefühl
der Sicherheit bei allen tieferblickenden Polizeimännern geschwächt
und dafür ihren Eifer belebt hat, so wenig ist und bleibt doch
das Gaunerthum durch diesen und manchen andern großartigen
Schlag besiegt. Seit dem wilden Sturmjahre 1848 hat es sogar
kecker als je wieder sein Haupt erhoben und aller Orten die Be-
hörden zum schweren hartnäckigen Kampf provocirt. Die unter
anderm seit mehreren Jahren eifrig thätig gewesene Criminal-
untersuchungscommission in Holstein unter Leitung des wackern
Matthiessen zu Glückstadt hat erst im Sommer des Jahres 1856
ihre riesige Arbeit vollenden können, und hat dabei, wie die große
berliner Untersuchung und alle die vielen neuern Untersuchungen,
die bis auf den heutigen Tag geführt sind, denselben Beweis über
die Propaganda des Gaunerthums geliefert. Die offene Gewalt
des Verbrechens hat nur insoweit aufgehört, als der gegnerische
Widerdruck seine Kraft zum Niederhalten behauptet und an den
Tag legt. Die Polizei und das Gaunerthum halten einander
im Schach und stehen einander beobachtend gegenüber. Die tiefe
Einbürgerung des Gaunerthums in das ganze social-politische
Leben kann dabei so wenig zweifelhaft sein, wie die Ueberzeugung,
daß es mit diesem fortleben und bei seiner zunehmenden Ver-
künstelung ebenfalls immermehr an Künstlichkeit gewinnen wird.
Mag auch die Polizei niemals ohne Arg und ohne Verdacht gegen
die Existenz und den verderblichen Wucher des Gaunerthums ge-
blieben sein, mag sie, aus Achtung vor dem Recht der freien bür-
gerlichen Bewegung, und aus Achtung vor dem Recht des Fa-
milienhauses, die Analyse des so überaus künstlich und buntfarbig

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A. F. Thiele 1840 herausgegebenen Werke gewiſſermaßen eine
Popularität gegeben, weshalb hier um ſo eher auf dies Buch
verwieſen werden darf. Wichtig iſt aber vor allem dieſe Unter-
ſuchung als ein offenkundiger Beweis von der hiſtoriſchen Propa-
ganda des Gaunerthums, das mitten im tiefſten langjährigen
Frieden und bei dem Beſtande einer ſcharfſichtigen Polizei dennoch
in allen ſocial-politiſchen Schichten ſo geheim und mächtig fort-
wuchern konnte, daß es ſich zu ſolcher Gewalt zu erheben ver-
mochte. So ſehr auch dieſe großartige Erfahrung das Gefühl
der Sicherheit bei allen tieferblickenden Polizeimännern geſchwächt
und dafür ihren Eifer belebt hat, ſo wenig iſt und bleibt doch
das Gaunerthum durch dieſen und manchen andern großartigen
Schlag beſiegt. Seit dem wilden Sturmjahre 1848 hat es ſogar
kecker als je wieder ſein Haupt erhoben und aller Orten die Be-
hörden zum ſchweren hartnäckigen Kampf provocirt. Die unter
anderm ſeit mehreren Jahren eifrig thätig geweſene Criminal-
unterſuchungscommiſſion in Holſtein unter Leitung des wackern
Matthieſſen zu Glückſtadt hat erſt im Sommer des Jahres 1856
ihre rieſige Arbeit vollenden können, und hat dabei, wie die große
berliner Unterſuchung und alle die vielen neuern Unterſuchungen,
die bis auf den heutigen Tag geführt ſind, denſelben Beweis über
die Propaganda des Gaunerthums geliefert. Die offene Gewalt
des Verbrechens hat nur inſoweit aufgehört, als der gegneriſche
Widerdruck ſeine Kraft zum Niederhalten behauptet und an den
Tag legt. Die Polizei und das Gaunerthum halten einander
im Schach und ſtehen einander beobachtend gegenüber. Die tiefe
Einbürgerung des Gaunerthums in das ganze ſocial-politiſche
Leben kann dabei ſo wenig zweifelhaft ſein, wie die Ueberzeugung,
daß es mit dieſem fortleben und bei ſeiner zunehmenden Ver-
künſtelung ebenfalls immermehr an Künſtlichkeit gewinnen wird.
Mag auch die Polizei niemals ohne Arg und ohne Verdacht gegen
die Exiſtenz und den verderblichen Wucher des Gaunerthums ge-
blieben ſein, mag ſie, aus Achtung vor dem Recht der freien bür-
gerlichen Bewegung, und aus Achtung vor dem Recht des Fa-
milienhauſes, die Analyſe des ſo überaus künſtlich und buntfarbig

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[115/0131] A. F. Thiele 1840 herausgegebenen Werke gewiſſermaßen eine Popularität gegeben, weshalb hier um ſo eher auf dies Buch verwieſen werden darf. Wichtig iſt aber vor allem dieſe Unter- ſuchung als ein offenkundiger Beweis von der hiſtoriſchen Propa- ganda des Gaunerthums, das mitten im tiefſten langjährigen Frieden und bei dem Beſtande einer ſcharfſichtigen Polizei dennoch in allen ſocial-politiſchen Schichten ſo geheim und mächtig fort- wuchern konnte, daß es ſich zu ſolcher Gewalt zu erheben ver- mochte. So ſehr auch dieſe großartige Erfahrung das Gefühl der Sicherheit bei allen tieferblickenden Polizeimännern geſchwächt und dafür ihren Eifer belebt hat, ſo wenig iſt und bleibt doch das Gaunerthum durch dieſen und manchen andern großartigen Schlag beſiegt. Seit dem wilden Sturmjahre 1848 hat es ſogar kecker als je wieder ſein Haupt erhoben und aller Orten die Be- hörden zum ſchweren hartnäckigen Kampf provocirt. Die unter anderm ſeit mehreren Jahren eifrig thätig geweſene Criminal- unterſuchungscommiſſion in Holſtein unter Leitung des wackern Matthieſſen zu Glückſtadt hat erſt im Sommer des Jahres 1856 ihre rieſige Arbeit vollenden können, und hat dabei, wie die große berliner Unterſuchung und alle die vielen neuern Unterſuchungen, die bis auf den heutigen Tag geführt ſind, denſelben Beweis über die Propaganda des Gaunerthums geliefert. Die offene Gewalt des Verbrechens hat nur inſoweit aufgehört, als der gegneriſche Widerdruck ſeine Kraft zum Niederhalten behauptet und an den Tag legt. Die Polizei und das Gaunerthum halten einander im Schach und ſtehen einander beobachtend gegenüber. Die tiefe Einbürgerung des Gaunerthums in das ganze ſocial-politiſche Leben kann dabei ſo wenig zweifelhaft ſein, wie die Ueberzeugung, daß es mit dieſem fortleben und bei ſeiner zunehmenden Ver- künſtelung ebenfalls immermehr an Künſtlichkeit gewinnen wird. Mag auch die Polizei niemals ohne Arg und ohne Verdacht gegen die Exiſtenz und den verderblichen Wucher des Gaunerthums ge- blieben ſein, mag ſie, aus Achtung vor dem Recht der freien bür- gerlichen Bewegung, und aus Achtung vor dem Recht des Fa- milienhauſes, die Analyſe des ſo überaus künſtlich und buntfarbig 8 *

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/131>, abgerufen am 24.11.2024.