Brecheisen als den Commandostab in Händen haben. Zur zweiten Klasse gehören die Baldowerer. So nennen sie nämlich diejenigen, die einen reichen zu bestehlenden Mann auswittern, ihn dem Chef anbringen, und ob gleich sie nicht mit in die Affaire ziehen, doch einen beträchtlichen Theil des Raubes erhalten. Zur dritten Klasse gehören die Veteranen, Räuber, die fast im nämlichen Rang mit dem Chef stehen und mit ihm zu Pferde oder in Chaisen an den zum Raube bestimmten oft sehr entlegenen Ort reisen, der Kern, die tüchtigsten, kühnsten, schlausten der Banden. Zur letzten Klasse gehören die Jungens. Diese sind junge liederliche Bursche, die sich in oder um den zu bestehlenden Ort aufhalten, und von dem Chef oder den Veteranen nur zur Ausführung des einzelnen Raubes angeworben und nachher wieder zurückgeschickt werden." Nirgends aber findet man in der Geschichte der Niederländischen Bande, daß diese Eintheilung consequent und deutlich durchgeführt wurde. Jedenfalls war sie nur dieser Bande eigenthümlich und wurde sehr bald obsolet.
Begünstigt durch die revolutionären Bewegungen in Bra- bant und Flandern erhob sich zunächst in Holland um 1790 das Räuberthum in jener furchtbaren Vereinigung, der man den Namen der Niederländischen Bande beilegte, und die sich in steter Beweglichkeit bald in den größern Gruppirungen der Brabanti- schen, Holländischen und Mersener Bande, bald in kleinern Rotten zusammenthat, im steten Kampfe mit den Sicherheits- behörden bald hier, bald dort hauste, an einem Orte verschwand, um an einem andern weit entfernten Orte desto unerwarteter wieder aufzutauchen, bei energischen Verfolgungen auseinander flog und sich bald von neuem wieder zusammenthat in dieser oder jener Gruppirung, von der nördlichsten Spitze Frieslands bis nach Baiern, von der Seine bis über die Elbe hinüber, bald in Paris und Arras, bald in Nimwegen und Aurich, bald in Hamm und Köln, bald in Ansbach und Donauwörth alles in Schrecken ver-
praktische Handwerkszeug, mit welchem der Bahnherr die Bahn bricht in die zur Beraubung auserkorenen Gebäude.
Brecheiſen als den Commandoſtab in Händen haben. Zur zweiten Klaſſe gehören die Baldowerer. So nennen ſie nämlich diejenigen, die einen reichen zu beſtehlenden Mann auswittern, ihn dem Chef anbringen, und ob gleich ſie nicht mit in die Affaire ziehen, doch einen beträchtlichen Theil des Raubes erhalten. Zur dritten Klaſſe gehören die Veteranen, Räuber, die faſt im nämlichen Rang mit dem Chef ſtehen und mit ihm zu Pferde oder in Chaiſen an den zum Raube beſtimmten oft ſehr entlegenen Ort reiſen, der Kern, die tüchtigſten, kühnſten, ſchlauſten der Banden. Zur letzten Klaſſe gehören die Jungens. Dieſe ſind junge liederliche Burſche, die ſich in oder um den zu beſtehlenden Ort aufhalten, und von dem Chef oder den Veteranen nur zur Ausführung des einzelnen Raubes angeworben und nachher wieder zurückgeſchickt werden.“ Nirgends aber findet man in der Geſchichte der Niederländiſchen Bande, daß dieſe Eintheilung conſequent und deutlich durchgeführt wurde. Jedenfalls war ſie nur dieſer Bande eigenthümlich und wurde ſehr bald obſolet.
Begünſtigt durch die revolutionären Bewegungen in Bra- bant und Flandern erhob ſich zunächſt in Holland um 1790 das Räuberthum in jener furchtbaren Vereinigung, der man den Namen der Niederländiſchen Bande beilegte, und die ſich in ſteter Beweglichkeit bald in den größern Gruppirungen der Brabanti- ſchen, Holländiſchen und Merſener Bande, bald in kleinern Rotten zuſammenthat, im ſteten Kampfe mit den Sicherheits- behörden bald hier, bald dort hauſte, an einem Orte verſchwand, um an einem andern weit entfernten Orte deſto unerwarteter wieder aufzutauchen, bei energiſchen Verfolgungen auseinander flog und ſich bald von neuem wieder zuſammenthat in dieſer oder jener Gruppirung, von der nördlichſten Spitze Frieslands bis nach Baiern, von der Seine bis über die Elbe hinüber, bald in Paris und Arras, bald in Nimwegen und Aurich, bald in Hamm und Köln, bald in Ansbach und Donauwörth alles in Schrecken ver-
praktiſche Handwerkszeug, mit welchem der Bahnherr die Bahn bricht in die zur Beraubung auserkorenen Gebäude.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0110"n="94"/>
Brecheiſen als den Commandoſtab in Händen haben. Zur zweiten<lb/>
Klaſſe gehören die Baldowerer. So nennen ſie nämlich diejenigen,<lb/>
die einen reichen zu beſtehlenden Mann auswittern, ihn dem Chef<lb/>
anbringen, und ob gleich ſie nicht mit in die Affaire ziehen, doch<lb/>
einen beträchtlichen Theil des Raubes erhalten. Zur dritten Klaſſe<lb/>
gehören die Veteranen, Räuber, die faſt im nämlichen Rang mit<lb/>
dem Chef ſtehen und mit ihm zu Pferde oder in Chaiſen an den<lb/>
zum Raube beſtimmten oft ſehr entlegenen Ort reiſen, der Kern,<lb/>
die tüchtigſten, kühnſten, ſchlauſten der Banden. Zur letzten Klaſſe<lb/>
gehören die Jungens. Dieſe ſind junge liederliche Burſche, die<lb/>ſich in oder um den zu beſtehlenden Ort aufhalten, und von dem<lb/>
Chef oder den Veteranen nur zur Ausführung des einzelnen<lb/>
Raubes angeworben und nachher wieder zurückgeſchickt werden.“<lb/>
Nirgends aber findet man in der Geſchichte der Niederländiſchen<lb/>
Bande, daß dieſe Eintheilung conſequent und deutlich durchgeführt<lb/>
wurde. Jedenfalls war ſie nur dieſer Bande eigenthümlich und<lb/>
wurde ſehr bald obſolet.</p><lb/><p>Begünſtigt durch die revolutionären Bewegungen in Bra-<lb/>
bant und Flandern erhob ſich zunächſt in Holland um 1790 das<lb/>
Räuberthum in jener furchtbaren Vereinigung, der man den Namen<lb/>
der <hirendition="#g">Niederländiſchen Bande</hi> beilegte, und die ſich in ſteter<lb/>
Beweglichkeit bald in den größern Gruppirungen der <hirendition="#g">Brabanti-<lb/>ſchen, Holländiſchen</hi> und <hirendition="#g">Merſener</hi> Bande, bald in kleinern<lb/>
Rotten zuſammenthat, im ſteten Kampfe mit den Sicherheits-<lb/>
behörden bald hier, bald dort hauſte, an einem Orte verſchwand,<lb/>
um an einem andern weit entfernten Orte deſto unerwarteter<lb/>
wieder aufzutauchen, bei energiſchen Verfolgungen auseinander<lb/>
flog und ſich bald von neuem wieder zuſammenthat in dieſer oder<lb/>
jener Gruppirung, von der nördlichſten Spitze Frieslands bis nach<lb/>
Baiern, von der Seine bis über die Elbe hinüber, bald in Paris<lb/>
und Arras, bald in Nimwegen und Aurich, bald in Hamm und<lb/>
Köln, bald in Ansbach und Donauwörth alles in Schrecken ver-<lb/><notexml:id="seg2pn_35_2"prev="#seg2pn_35_1"place="foot"n="3)">praktiſche Handwerkszeug, mit welchem der Bahnherr die Bahn bricht in die<lb/>
zur Beraubung auserkorenen Gebäude.</note><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[94/0110]
Brecheiſen als den Commandoſtab in Händen haben. Zur zweiten
Klaſſe gehören die Baldowerer. So nennen ſie nämlich diejenigen,
die einen reichen zu beſtehlenden Mann auswittern, ihn dem Chef
anbringen, und ob gleich ſie nicht mit in die Affaire ziehen, doch
einen beträchtlichen Theil des Raubes erhalten. Zur dritten Klaſſe
gehören die Veteranen, Räuber, die faſt im nämlichen Rang mit
dem Chef ſtehen und mit ihm zu Pferde oder in Chaiſen an den
zum Raube beſtimmten oft ſehr entlegenen Ort reiſen, der Kern,
die tüchtigſten, kühnſten, ſchlauſten der Banden. Zur letzten Klaſſe
gehören die Jungens. Dieſe ſind junge liederliche Burſche, die
ſich in oder um den zu beſtehlenden Ort aufhalten, und von dem
Chef oder den Veteranen nur zur Ausführung des einzelnen
Raubes angeworben und nachher wieder zurückgeſchickt werden.“
Nirgends aber findet man in der Geſchichte der Niederländiſchen
Bande, daß dieſe Eintheilung conſequent und deutlich durchgeführt
wurde. Jedenfalls war ſie nur dieſer Bande eigenthümlich und
wurde ſehr bald obſolet.
Begünſtigt durch die revolutionären Bewegungen in Bra-
bant und Flandern erhob ſich zunächſt in Holland um 1790 das
Räuberthum in jener furchtbaren Vereinigung, der man den Namen
der Niederländiſchen Bande beilegte, und die ſich in ſteter
Beweglichkeit bald in den größern Gruppirungen der Brabanti-
ſchen, Holländiſchen und Merſener Bande, bald in kleinern
Rotten zuſammenthat, im ſteten Kampfe mit den Sicherheits-
behörden bald hier, bald dort hauſte, an einem Orte verſchwand,
um an einem andern weit entfernten Orte deſto unerwarteter
wieder aufzutauchen, bei energiſchen Verfolgungen auseinander
flog und ſich bald von neuem wieder zuſammenthat in dieſer oder
jener Gruppirung, von der nördlichſten Spitze Frieslands bis nach
Baiern, von der Seine bis über die Elbe hinüber, bald in Paris
und Arras, bald in Nimwegen und Aurich, bald in Hamm und
Köln, bald in Ansbach und Donauwörth alles in Schrecken ver-
3)
3) praktiſche Handwerkszeug, mit welchem der Bahnherr die Bahn bricht in die
zur Beraubung auserkorenen Gebäude.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/110>, abgerufen am 01.08.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.