Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 180. Augsburg, 28. Juni 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

ins Feld stellen, der von Riga sogar 1500. Das Volk ist fleißig und reich in den Producten des Landes und der Viehzucht; aber zugleich völlig indisciplinirt und von unzähmbarer Kraft und Energie. Miliana liegt ungefähr 28 Lieues südwestlich von Algier und 14 oder 15 Lieues von Scherschel.

Daunou's Leichenbegängniß hat mit der von ihm selbst angeordneten Einfachheit stattgehabt. Der Hitze ungeachtet hatte sich eine große Anzahl angesehener Männer der beiden Kammern, des Instituts und des Künstlerstandes bei dem Zuge nach dem Gottesacker des Pere Lachaise eingefunden. In meiner ersten Notiz glaube ich nicht erwähnt zu haben, daß Daunou es war, der auf dem Marsfelde die Lobrede auf General Hoche hielt, und im Tribunate die Schlacht bei Marengo durch seinen Vortrag feierte, und daß seinem Antrage gemäß eine öffentliche nationelle Anerkennung zu Ehren des Generals Desair votirt wurde. - Wir haben jetzt schon eigentlich keine Kammern mehr: die Deputirtenkammer ist geschlossen und die Kammer der Pairs beschäftigt sich nur noch der Form halber mit dem Budget. Jetzt wo die anregende Lebhaftigkeit der Tagsdebatten nicht mehr besteht, kann man einen ruhigern und würdigenden Blick auf die Thaten und Werke des Ministeriums vom 1 März werfen. Wir läugnen nicht, daß Fehler begangen wurden, allein wir halten dem Ministerium einigermaßen Rechnung von der schwierigen Stellung, in welcher es sich befand, und indem wir die Bilanz der getroffenen Neuerungen und Gesetzesvorschläge in der innern Verwaltung, in den öffentlichen Bauten, im Justiz- und Unterrichtswesen ziehen, finden wir, daß das Ministerium werkthätig war, daß es Verbesserungen, und sehr bedeutende getroffen, vor denen seine Vorgänger zurückgewichen waren, und daß es die hämische Verkleinerung der conservativen Partei nicht verdient. Was diese Angriffe übrigens in den Augen der unbefangen Urtheilenden ohne allen Zweifel verdächtig machen muß, ist die maßlose Leidenschaftlichkeit und Härte, mit denen sie gemacht wurden; beinahe wird man versucht, sie auf Kosten der Eifersucht und des Neides zu setzen und dem Ministerium als Trost zuzurufen: "Besser Neider als Bemitleider." Was die neue Opposition so übel stimmt, ist wohl die immer mehr wachsende Sicherheit, daß der Bestand des Ministeriums Thiers auf längere Zeit gesichert scheint, bis zur nächsten Sitzung jedenfalls, und wenn es ihm gelingt, was wohl nicht sehr schwer seyn möchte, die Feierlichkeit der Beerdigung Napoleons ohne unglückliche Zufälle und Aufstände zu begehen, wenn außerdem weitere Gesetzesvorschläge im öffentlichen Interesse, wie z. B. das versprochene Project Cousin's über den Secundärunterricht diese zweite Sitzung bezeichnen, so werden die Conservativen vergeblich versuchen, die öffentliche Meinung zu überzeugen, dieses Ministerium tauge weniger als alle vorhergehenden, und man müsse sich beeilen, ihm eine doctrinäre Nachfolge zu geben. - Es scheint, es wird sich bei dem Guttenbergsfest in Straßburg eine ziemlich große Anzahl Pariser einfinden. Sie wissen schon, daß der Stand der Buchhändler und Buchdrucker durch eigens erwählte Abgesandte dabei vertreten wird; auch die Schriftsetzer wollen nicht zurückbleiben und senden ihre Vollmachtträger, eben so die hier bestehende Gesellschaft für Elementarunterricht. - Die Blätter sprechen von einer sehr interessanten Ausgrabung celtischer Alterthümer, die bei Motte-Saint-Keray im Departement der Loire inferieure stattgehabt haben soll.

Italien.

Das Giornale delle due Sicilie enthält eine k. Ordonnanz, kraft welcher die Militärcommissionen in den sicilischen Städten Palermo, Girgenti, Trapani und Calatanisetta, deren Amtsverrichtungen am 30 Jun. aufhören sollten, bis zum Ende des gegenwärtigen Jahres die Stelle der ordentlichen Gerichte vertreten sollen.

Alle Nachrichten aus Neapel stimmen dahin überein, daß der französische Einfluß auf die dortigen Verhältnisse sich von Tag zu Tag vergrößere, und die sogenannte Partei von Murat wieder zu Ansehen bringe. Mehrere Personen, die seit Jahren nicht beachtet worden, kommen gegenwärtig wieder an Hof, und daher ist auch wohl die Nachricht entstanden, und von allen ausländischen Blättern wiederholt worden, als beabsichtige der König, seinem Volke eine Constitution zu geben. Hier bringen diese, gewiß nicht ohne Absicht, ausgestreuten Gerüchte einen unangenehmen Eindruck hervor, und machen die Polizei aufmerksam auf die Schritte und die Bewegungen dieser Partei. - Die Schwefelfrage tritt unter solchen Verhältnissen mehr in Hintergrund, und muß wichtigeren Verhandlungen Platz machen. Der österreichische Gesandte in Neapel, Graf v. Lebzeltern, wird fürs erste dort bleiben; man scheint in Wien nicht gesonnen, diesen Staatsmann von seinem Posten abzurufen, der bisher zur Zufriedenheit seines Hofs gehandelt hat. - Die Gräfin Zichi-Ferraris, Schwiegermutter des Fürsten Metternich, befindet sich seit einigen Tagen mit Familie hier. - Die gestrige Frohnleichnamsprocession wurde mit allem üblichen Glanz von sämmtlichen Capiteln der Basiliken, den zahlreichen Ordensgeistlichen, allen hier anwesenden Bischöfen und Cardinälen, so wie dem heiligen Vater festlich begangen. Der Papst, tief ergriffen von der Feier des Augenblicks, schien etwas bleicher als gewöhnlich, doch sonst nicht unwohl auszusehen.

So günstig sich die Schwefelfrage in letzter Zeit auch gestaltet hat, so ereignen sich doch hin und wieder Zwischenfälle, welche momentane Besorgnisse erregen, hauptsächlich weil die zwei Hauptactionäre der Compagnie, welche das Monopol in Pacht hat, der König von Neapel selbst und Hr. Thiers sind. Sonst besteht die Compagnie meist aus Legitimisten; ein großer Theil der Schwefelausbeute gehört der Frau Herzogin von Berry. Der von Wien abberufene k. neapolitanische Gesandte Marquis Gagliati ist von dem Könige sehr freundlich empfangen worden, wodurch man darthun zu wollen scheint, daß seine Abberufung eigentlich nicht ihm, sondern vielleicht dem Hofe gegolten, an welchem er beglaubigt war. Diese Vermuthung scheint einen Beleg darin zu finden, daß der König gegen den Marquis Gagliati die Gnade hatte, seinen Sohn dem Wiener Gesandtschaftsposten zuzutheilen; andrerseits aber dem kais. österreichischen Gesandten in Neapel, Frhrn. v. Lebzeltern, fortwährend mit ziemlicher Kälte begegnet wird. Es zeigte sich dieß am Namensfeste des Königs fast auffallend. Es war aus Anlaß dieses Festes große Gala bei Hofe; neben dem diplomatischen Corps erschien hiebei auch das Officiercorps der englischen Marine mit Stopford an der Spitze, und hatte sich, im Vergleich mit jenem des genannten Repräsentanten, des artigsten Empfangs zu erfreuen. - Als Nachfolger des Marquis Gagliati auf den Gesandtschaftsposten am Wiener Hofe bezeichnet man den Hrn. V. Ramirez, dermalen Gesandten in Turin, während man den Marquis für den neapolitanischen Gesandtschaftsposten in Rom oder jenen in London bestimmt glaubt. - Abbe Caprioli steht beim Könige wieder in vollen Gnaden.

Deutschland.

Die Abreise Sr. k. Hoh. des Kronprinzen ist nunmehr auf Montag den 29 Jun. vertagt. - Gestern Nachmittag kam Ihre k. Hoh. die Kurfürstin von Hessen unter dem Namen einer Gräfin von Schönfels nebst Prinzessin

ins Feld stellen, der von Riga sogar 1500. Das Volk ist fleißig und reich in den Producten des Landes und der Viehzucht; aber zugleich völlig indisciplinirt und von unzähmbarer Kraft und Energie. Miliana liegt ungefähr 28 Lieues südwestlich von Algier und 14 oder 15 Lieues von Scherschel.

Daunou's Leichenbegängniß hat mit der von ihm selbst angeordneten Einfachheit stattgehabt. Der Hitze ungeachtet hatte sich eine große Anzahl angesehener Männer der beiden Kammern, des Instituts und des Künstlerstandes bei dem Zuge nach dem Gottesacker des Père Lachaise eingefunden. In meiner ersten Notiz glaube ich nicht erwähnt zu haben, daß Daunou es war, der auf dem Marsfelde die Lobrede auf General Hoche hielt, und im Tribunate die Schlacht bei Marengo durch seinen Vortrag feierte, und daß seinem Antrage gemäß eine öffentliche nationelle Anerkennung zu Ehren des Generals Desair votirt wurde. – Wir haben jetzt schon eigentlich keine Kammern mehr: die Deputirtenkammer ist geschlossen und die Kammer der Pairs beschäftigt sich nur noch der Form halber mit dem Budget. Jetzt wo die anregende Lebhaftigkeit der Tagsdebatten nicht mehr besteht, kann man einen ruhigern und würdigenden Blick auf die Thaten und Werke des Ministeriums vom 1 März werfen. Wir läugnen nicht, daß Fehler begangen wurden, allein wir halten dem Ministerium einigermaßen Rechnung von der schwierigen Stellung, in welcher es sich befand, und indem wir die Bilanz der getroffenen Neuerungen und Gesetzesvorschläge in der innern Verwaltung, in den öffentlichen Bauten, im Justiz- und Unterrichtswesen ziehen, finden wir, daß das Ministerium werkthätig war, daß es Verbesserungen, und sehr bedeutende getroffen, vor denen seine Vorgänger zurückgewichen waren, und daß es die hämische Verkleinerung der conservativen Partei nicht verdient. Was diese Angriffe übrigens in den Augen der unbefangen Urtheilenden ohne allen Zweifel verdächtig machen muß, ist die maßlose Leidenschaftlichkeit und Härte, mit denen sie gemacht wurden; beinahe wird man versucht, sie auf Kosten der Eifersucht und des Neides zu setzen und dem Ministerium als Trost zuzurufen: „Besser Neider als Bemitleider.“ Was die neue Opposition so übel stimmt, ist wohl die immer mehr wachsende Sicherheit, daß der Bestand des Ministeriums Thiers auf längere Zeit gesichert scheint, bis zur nächsten Sitzung jedenfalls, und wenn es ihm gelingt, was wohl nicht sehr schwer seyn möchte, die Feierlichkeit der Beerdigung Napoleons ohne unglückliche Zufälle und Aufstände zu begehen, wenn außerdem weitere Gesetzesvorschläge im öffentlichen Interesse, wie z. B. das versprochene Project Cousin's über den Secundärunterricht diese zweite Sitzung bezeichnen, so werden die Conservativen vergeblich versuchen, die öffentliche Meinung zu überzeugen, dieses Ministerium tauge weniger als alle vorhergehenden, und man müsse sich beeilen, ihm eine doctrinäre Nachfolge zu geben. – Es scheint, es wird sich bei dem Guttenbergsfest in Straßburg eine ziemlich große Anzahl Pariser einfinden. Sie wissen schon, daß der Stand der Buchhändler und Buchdrucker durch eigens erwählte Abgesandte dabei vertreten wird; auch die Schriftsetzer wollen nicht zurückbleiben und senden ihre Vollmachtträger, eben so die hier bestehende Gesellschaft für Elementarunterricht. – Die Blätter sprechen von einer sehr interessanten Ausgrabung celtischer Alterthümer, die bei Motte-Saint-Keray im Departement der Loire inférieure stattgehabt haben soll.

Italien.

Das Giornale delle due Sicilie enthält eine k. Ordonnanz, kraft welcher die Militärcommissionen in den sicilischen Städten Palermo, Girgenti, Trapani und Calatanisetta, deren Amtsverrichtungen am 30 Jun. aufhören sollten, bis zum Ende des gegenwärtigen Jahres die Stelle der ordentlichen Gerichte vertreten sollen.

Alle Nachrichten aus Neapel stimmen dahin überein, daß der französische Einfluß auf die dortigen Verhältnisse sich von Tag zu Tag vergrößere, und die sogenannte Partei von Murat wieder zu Ansehen bringe. Mehrere Personen, die seit Jahren nicht beachtet worden, kommen gegenwärtig wieder an Hof, und daher ist auch wohl die Nachricht entstanden, und von allen ausländischen Blättern wiederholt worden, als beabsichtige der König, seinem Volke eine Constitution zu geben. Hier bringen diese, gewiß nicht ohne Absicht, ausgestreuten Gerüchte einen unangenehmen Eindruck hervor, und machen die Polizei aufmerksam auf die Schritte und die Bewegungen dieser Partei. – Die Schwefelfrage tritt unter solchen Verhältnissen mehr in Hintergrund, und muß wichtigeren Verhandlungen Platz machen. Der österreichische Gesandte in Neapel, Graf v. Lebzeltern, wird fürs erste dort bleiben; man scheint in Wien nicht gesonnen, diesen Staatsmann von seinem Posten abzurufen, der bisher zur Zufriedenheit seines Hofs gehandelt hat. – Die Gräfin Zichi-Ferraris, Schwiegermutter des Fürsten Metternich, befindet sich seit einigen Tagen mit Familie hier. – Die gestrige Frohnleichnamsprocession wurde mit allem üblichen Glanz von sämmtlichen Capiteln der Basiliken, den zahlreichen Ordensgeistlichen, allen hier anwesenden Bischöfen und Cardinälen, so wie dem heiligen Vater festlich begangen. Der Papst, tief ergriffen von der Feier des Augenblicks, schien etwas bleicher als gewöhnlich, doch sonst nicht unwohl auszusehen.

So günstig sich die Schwefelfrage in letzter Zeit auch gestaltet hat, so ereignen sich doch hin und wieder Zwischenfälle, welche momentane Besorgnisse erregen, hauptsächlich weil die zwei Hauptactionäre der Compagnie, welche das Monopol in Pacht hat, der König von Neapel selbst und Hr. Thiers sind. Sonst besteht die Compagnie meist aus Legitimisten; ein großer Theil der Schwefelausbeute gehört der Frau Herzogin von Berry. Der von Wien abberufene k. neapolitanische Gesandte Marquis Gagliati ist von dem Könige sehr freundlich empfangen worden, wodurch man darthun zu wollen scheint, daß seine Abberufung eigentlich nicht ihm, sondern vielleicht dem Hofe gegolten, an welchem er beglaubigt war. Diese Vermuthung scheint einen Beleg darin zu finden, daß der König gegen den Marquis Gagliati die Gnade hatte, seinen Sohn dem Wiener Gesandtschaftsposten zuzutheilen; andrerseits aber dem kais. österreichischen Gesandten in Neapel, Frhrn. v. Lebzeltern, fortwährend mit ziemlicher Kälte begegnet wird. Es zeigte sich dieß am Namensfeste des Königs fast auffallend. Es war aus Anlaß dieses Festes große Gala bei Hofe; neben dem diplomatischen Corps erschien hiebei auch das Officiercorps der englischen Marine mit Stopford an der Spitze, und hatte sich, im Vergleich mit jenem des genannten Repräsentanten, des artigsten Empfangs zu erfreuen. – Als Nachfolger des Marquis Gagliati auf den Gesandtschaftsposten am Wiener Hofe bezeichnet man den Hrn. V. Ramirez, dermalen Gesandten in Turin, während man den Marquis für den neapolitanischen Gesandtschaftsposten in Rom oder jenen in London bestimmt glaubt. – Abbé Caprioli steht beim Könige wieder in vollen Gnaden.

Deutschland.

Die Abreise Sr. k. Hoh. des Kronprinzen ist nunmehr auf Montag den 29 Jun. vertagt. – Gestern Nachmittag kam Ihre k. Hoh. die Kurfürstin von Hessen unter dem Namen einer Gräfin von Schönfels nebst Prinzessin

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0004" n="1436"/>
ins Feld stellen, der von Riga sogar 1500. Das Volk ist fleißig und reich in den Producten des Landes und der Viehzucht; aber zugleich völlig indisciplinirt und von unzähmbarer Kraft und Energie. Miliana liegt ungefähr 28 Lieues südwestlich von Algier und 14 oder 15 Lieues von Scherschel.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 23 Jun.</dateline>
          <p> Daunou's Leichenbegängniß hat mit der von ihm selbst angeordneten Einfachheit stattgehabt. Der Hitze ungeachtet hatte sich eine große Anzahl angesehener Männer der beiden Kammern, des Instituts und des Künstlerstandes bei dem Zuge nach dem Gottesacker des Père Lachaise eingefunden. In meiner ersten Notiz glaube ich nicht erwähnt zu haben, daß Daunou es war, der auf dem Marsfelde die Lobrede auf General Hoche hielt, und im Tribunate die Schlacht bei Marengo durch seinen Vortrag feierte, und daß seinem Antrage gemäß eine öffentliche nationelle Anerkennung zu Ehren des Generals Desair votirt wurde. &#x2013; Wir haben jetzt schon eigentlich keine Kammern mehr: die Deputirtenkammer ist geschlossen und die Kammer der Pairs beschäftigt sich nur noch der Form halber mit dem Budget. Jetzt wo die anregende Lebhaftigkeit der Tagsdebatten nicht mehr besteht, kann man einen ruhigern und würdigenden Blick auf die Thaten und Werke des Ministeriums vom 1 März werfen. Wir läugnen nicht, daß Fehler begangen wurden, allein wir halten dem Ministerium einigermaßen Rechnung von der schwierigen Stellung, in welcher es sich befand, und indem wir die Bilanz der getroffenen Neuerungen und Gesetzesvorschläge in der innern Verwaltung, in den öffentlichen Bauten, im Justiz- und Unterrichtswesen ziehen, finden wir, daß das Ministerium werkthätig war, daß es Verbesserungen, und sehr bedeutende getroffen, vor denen seine Vorgänger zurückgewichen waren, und daß es die hämische Verkleinerung der conservativen Partei nicht verdient. Was diese Angriffe übrigens in den Augen der unbefangen Urtheilenden ohne allen Zweifel verdächtig machen muß, ist die maßlose Leidenschaftlichkeit und Härte, mit denen sie gemacht wurden; beinahe wird man versucht, sie auf Kosten der Eifersucht und des Neides zu setzen und dem Ministerium als Trost zuzurufen: &#x201E;Besser Neider als Bemitleider.&#x201C; Was die neue Opposition so übel stimmt, ist wohl die immer mehr wachsende Sicherheit, daß der Bestand des Ministeriums Thiers auf längere Zeit gesichert scheint, bis zur nächsten Sitzung jedenfalls, und wenn es ihm gelingt, was wohl nicht sehr schwer seyn möchte, die Feierlichkeit der Beerdigung Napoleons ohne unglückliche Zufälle und Aufstände zu begehen, wenn außerdem weitere Gesetzesvorschläge im öffentlichen Interesse, wie z. B. das versprochene Project Cousin's über den Secundärunterricht diese zweite Sitzung bezeichnen, so werden die Conservativen vergeblich versuchen, die öffentliche Meinung zu überzeugen, dieses Ministerium tauge weniger als alle vorhergehenden, und man müsse sich beeilen, ihm eine doctrinäre Nachfolge zu geben. &#x2013; Es scheint, es wird sich bei dem Guttenbergsfest in Straßburg eine ziemlich große Anzahl Pariser einfinden. Sie wissen schon, daß der Stand der Buchhändler und Buchdrucker durch eigens erwählte Abgesandte dabei vertreten wird; auch die Schriftsetzer wollen nicht zurückbleiben und senden ihre Vollmachtträger, eben so die hier bestehende Gesellschaft für Elementarunterricht. &#x2013; Die Blätter sprechen von einer sehr interessanten Ausgrabung celtischer Alterthümer, die bei Motte-Saint-Keray im Departement der Loire inférieure stattgehabt haben soll.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Italien.</hi> </head><lb/>
        <p>Das <hi rendition="#g">Giornale delle due Sicilie</hi> enthält eine k. Ordonnanz, kraft welcher die Militärcommissionen in den sicilischen Städten Palermo, Girgenti, Trapani und Calatanisetta, deren Amtsverrichtungen am 30 Jun. aufhören sollten, bis zum Ende des gegenwärtigen Jahres die Stelle der ordentlichen Gerichte vertreten sollen.</p><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Rom,</hi> 19 Jun.</dateline>
          <p> Alle Nachrichten aus Neapel stimmen dahin überein, daß der französische Einfluß auf die dortigen Verhältnisse sich von Tag zu Tag vergrößere, und die sogenannte Partei von Murat wieder zu Ansehen bringe. Mehrere Personen, die seit Jahren nicht beachtet worden, kommen gegenwärtig wieder an Hof, und daher ist auch wohl die Nachricht entstanden, und von allen ausländischen Blättern wiederholt worden, als beabsichtige der König, seinem Volke eine Constitution zu geben. Hier bringen diese, gewiß nicht ohne Absicht, ausgestreuten Gerüchte einen unangenehmen Eindruck hervor, und machen die Polizei aufmerksam auf die Schritte und die Bewegungen dieser Partei. &#x2013; Die Schwefelfrage tritt unter solchen Verhältnissen mehr in Hintergrund, und muß wichtigeren Verhandlungen Platz machen. Der österreichische Gesandte in Neapel, Graf v. Lebzeltern, wird fürs erste dort bleiben; man scheint in Wien nicht gesonnen, diesen Staatsmann von seinem Posten abzurufen, der bisher zur Zufriedenheit seines Hofs gehandelt hat. &#x2013; Die Gräfin Zichi-Ferraris, Schwiegermutter des Fürsten Metternich, befindet sich seit einigen Tagen mit Familie hier. &#x2013; Die gestrige Frohnleichnamsprocession wurde mit allem üblichen Glanz von sämmtlichen Capiteln der Basiliken, den zahlreichen Ordensgeistlichen, allen hier anwesenden Bischöfen und Cardinälen, so wie dem heiligen Vater festlich begangen. Der Papst, tief ergriffen von der Feier des Augenblicks, schien etwas bleicher als gewöhnlich, doch sonst nicht unwohl auszusehen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Von der italienischen Gränze,</hi> 18 Jun.</dateline>
          <p> So günstig sich die Schwefelfrage in letzter Zeit auch gestaltet hat, so ereignen sich doch hin und wieder Zwischenfälle, welche momentane Besorgnisse erregen, hauptsächlich weil die zwei Hauptactionäre der Compagnie, welche das Monopol in Pacht hat, der König von Neapel selbst und Hr. Thiers sind. Sonst besteht die Compagnie meist aus Legitimisten; ein großer Theil der Schwefelausbeute gehört der Frau Herzogin von Berry. Der von Wien abberufene k. neapolitanische Gesandte Marquis Gagliati ist von dem Könige sehr freundlich empfangen worden, wodurch man darthun zu wollen scheint, daß seine Abberufung eigentlich nicht ihm, sondern vielleicht dem Hofe gegolten, an welchem er beglaubigt war. Diese Vermuthung scheint einen Beleg darin zu finden, daß der König gegen den Marquis Gagliati die Gnade hatte, seinen Sohn dem Wiener Gesandtschaftsposten zuzutheilen; andrerseits aber dem kais. österreichischen Gesandten in Neapel, Frhrn. v. Lebzeltern, fortwährend mit ziemlicher Kälte begegnet wird. Es zeigte sich dieß am Namensfeste des Königs fast auffallend. Es war aus Anlaß dieses Festes große Gala bei Hofe; neben dem diplomatischen Corps erschien hiebei auch das Officiercorps der englischen Marine mit Stopford an der Spitze, und hatte sich, im Vergleich mit jenem des genannten Repräsentanten, des artigsten Empfangs zu erfreuen. &#x2013; Als Nachfolger des Marquis Gagliati auf den Gesandtschaftsposten am Wiener Hofe bezeichnet man den Hrn. V. Ramirez, dermalen Gesandten in Turin, während man den Marquis für den neapolitanischen Gesandtschaftsposten in Rom oder jenen in London bestimmt glaubt. &#x2013; Abbé Caprioli steht beim Könige wieder in vollen Gnaden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Deutschland.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">München,</hi> 26 Jun.</dateline>
          <p> Die Abreise Sr. k. Hoh. des Kronprinzen ist nunmehr auf Montag den 29 Jun. vertagt. &#x2013; Gestern Nachmittag kam Ihre k. Hoh. die Kurfürstin von Hessen unter dem Namen einer Gräfin von Schönfels nebst Prinzessin<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1436/0004] ins Feld stellen, der von Riga sogar 1500. Das Volk ist fleißig und reich in den Producten des Landes und der Viehzucht; aber zugleich völlig indisciplinirt und von unzähmbarer Kraft und Energie. Miliana liegt ungefähr 28 Lieues südwestlich von Algier und 14 oder 15 Lieues von Scherschel. _ Paris, 23 Jun. Daunou's Leichenbegängniß hat mit der von ihm selbst angeordneten Einfachheit stattgehabt. Der Hitze ungeachtet hatte sich eine große Anzahl angesehener Männer der beiden Kammern, des Instituts und des Künstlerstandes bei dem Zuge nach dem Gottesacker des Père Lachaise eingefunden. In meiner ersten Notiz glaube ich nicht erwähnt zu haben, daß Daunou es war, der auf dem Marsfelde die Lobrede auf General Hoche hielt, und im Tribunate die Schlacht bei Marengo durch seinen Vortrag feierte, und daß seinem Antrage gemäß eine öffentliche nationelle Anerkennung zu Ehren des Generals Desair votirt wurde. – Wir haben jetzt schon eigentlich keine Kammern mehr: die Deputirtenkammer ist geschlossen und die Kammer der Pairs beschäftigt sich nur noch der Form halber mit dem Budget. Jetzt wo die anregende Lebhaftigkeit der Tagsdebatten nicht mehr besteht, kann man einen ruhigern und würdigenden Blick auf die Thaten und Werke des Ministeriums vom 1 März werfen. Wir läugnen nicht, daß Fehler begangen wurden, allein wir halten dem Ministerium einigermaßen Rechnung von der schwierigen Stellung, in welcher es sich befand, und indem wir die Bilanz der getroffenen Neuerungen und Gesetzesvorschläge in der innern Verwaltung, in den öffentlichen Bauten, im Justiz- und Unterrichtswesen ziehen, finden wir, daß das Ministerium werkthätig war, daß es Verbesserungen, und sehr bedeutende getroffen, vor denen seine Vorgänger zurückgewichen waren, und daß es die hämische Verkleinerung der conservativen Partei nicht verdient. Was diese Angriffe übrigens in den Augen der unbefangen Urtheilenden ohne allen Zweifel verdächtig machen muß, ist die maßlose Leidenschaftlichkeit und Härte, mit denen sie gemacht wurden; beinahe wird man versucht, sie auf Kosten der Eifersucht und des Neides zu setzen und dem Ministerium als Trost zuzurufen: „Besser Neider als Bemitleider.“ Was die neue Opposition so übel stimmt, ist wohl die immer mehr wachsende Sicherheit, daß der Bestand des Ministeriums Thiers auf längere Zeit gesichert scheint, bis zur nächsten Sitzung jedenfalls, und wenn es ihm gelingt, was wohl nicht sehr schwer seyn möchte, die Feierlichkeit der Beerdigung Napoleons ohne unglückliche Zufälle und Aufstände zu begehen, wenn außerdem weitere Gesetzesvorschläge im öffentlichen Interesse, wie z. B. das versprochene Project Cousin's über den Secundärunterricht diese zweite Sitzung bezeichnen, so werden die Conservativen vergeblich versuchen, die öffentliche Meinung zu überzeugen, dieses Ministerium tauge weniger als alle vorhergehenden, und man müsse sich beeilen, ihm eine doctrinäre Nachfolge zu geben. – Es scheint, es wird sich bei dem Guttenbergsfest in Straßburg eine ziemlich große Anzahl Pariser einfinden. Sie wissen schon, daß der Stand der Buchhändler und Buchdrucker durch eigens erwählte Abgesandte dabei vertreten wird; auch die Schriftsetzer wollen nicht zurückbleiben und senden ihre Vollmachtträger, eben so die hier bestehende Gesellschaft für Elementarunterricht. – Die Blätter sprechen von einer sehr interessanten Ausgrabung celtischer Alterthümer, die bei Motte-Saint-Keray im Departement der Loire inférieure stattgehabt haben soll. Italien. Das Giornale delle due Sicilie enthält eine k. Ordonnanz, kraft welcher die Militärcommissionen in den sicilischen Städten Palermo, Girgenti, Trapani und Calatanisetta, deren Amtsverrichtungen am 30 Jun. aufhören sollten, bis zum Ende des gegenwärtigen Jahres die Stelle der ordentlichen Gerichte vertreten sollen. _ Rom, 19 Jun. Alle Nachrichten aus Neapel stimmen dahin überein, daß der französische Einfluß auf die dortigen Verhältnisse sich von Tag zu Tag vergrößere, und die sogenannte Partei von Murat wieder zu Ansehen bringe. Mehrere Personen, die seit Jahren nicht beachtet worden, kommen gegenwärtig wieder an Hof, und daher ist auch wohl die Nachricht entstanden, und von allen ausländischen Blättern wiederholt worden, als beabsichtige der König, seinem Volke eine Constitution zu geben. Hier bringen diese, gewiß nicht ohne Absicht, ausgestreuten Gerüchte einen unangenehmen Eindruck hervor, und machen die Polizei aufmerksam auf die Schritte und die Bewegungen dieser Partei. – Die Schwefelfrage tritt unter solchen Verhältnissen mehr in Hintergrund, und muß wichtigeren Verhandlungen Platz machen. Der österreichische Gesandte in Neapel, Graf v. Lebzeltern, wird fürs erste dort bleiben; man scheint in Wien nicht gesonnen, diesen Staatsmann von seinem Posten abzurufen, der bisher zur Zufriedenheit seines Hofs gehandelt hat. – Die Gräfin Zichi-Ferraris, Schwiegermutter des Fürsten Metternich, befindet sich seit einigen Tagen mit Familie hier. – Die gestrige Frohnleichnamsprocession wurde mit allem üblichen Glanz von sämmtlichen Capiteln der Basiliken, den zahlreichen Ordensgeistlichen, allen hier anwesenden Bischöfen und Cardinälen, so wie dem heiligen Vater festlich begangen. Der Papst, tief ergriffen von der Feier des Augenblicks, schien etwas bleicher als gewöhnlich, doch sonst nicht unwohl auszusehen. _ Von der italienischen Gränze, 18 Jun. So günstig sich die Schwefelfrage in letzter Zeit auch gestaltet hat, so ereignen sich doch hin und wieder Zwischenfälle, welche momentane Besorgnisse erregen, hauptsächlich weil die zwei Hauptactionäre der Compagnie, welche das Monopol in Pacht hat, der König von Neapel selbst und Hr. Thiers sind. Sonst besteht die Compagnie meist aus Legitimisten; ein großer Theil der Schwefelausbeute gehört der Frau Herzogin von Berry. Der von Wien abberufene k. neapolitanische Gesandte Marquis Gagliati ist von dem Könige sehr freundlich empfangen worden, wodurch man darthun zu wollen scheint, daß seine Abberufung eigentlich nicht ihm, sondern vielleicht dem Hofe gegolten, an welchem er beglaubigt war. Diese Vermuthung scheint einen Beleg darin zu finden, daß der König gegen den Marquis Gagliati die Gnade hatte, seinen Sohn dem Wiener Gesandtschaftsposten zuzutheilen; andrerseits aber dem kais. österreichischen Gesandten in Neapel, Frhrn. v. Lebzeltern, fortwährend mit ziemlicher Kälte begegnet wird. Es zeigte sich dieß am Namensfeste des Königs fast auffallend. Es war aus Anlaß dieses Festes große Gala bei Hofe; neben dem diplomatischen Corps erschien hiebei auch das Officiercorps der englischen Marine mit Stopford an der Spitze, und hatte sich, im Vergleich mit jenem des genannten Repräsentanten, des artigsten Empfangs zu erfreuen. – Als Nachfolger des Marquis Gagliati auf den Gesandtschaftsposten am Wiener Hofe bezeichnet man den Hrn. V. Ramirez, dermalen Gesandten in Turin, während man den Marquis für den neapolitanischen Gesandtschaftsposten in Rom oder jenen in London bestimmt glaubt. – Abbé Caprioli steht beim Könige wieder in vollen Gnaden. Deutschland. _ München, 26 Jun. Die Abreise Sr. k. Hoh. des Kronprinzen ist nunmehr auf Montag den 29 Jun. vertagt. – Gestern Nachmittag kam Ihre k. Hoh. die Kurfürstin von Hessen unter dem Namen einer Gräfin von Schönfels nebst Prinzessin

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_180_18400628
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_180_18400628/4
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 180. Augsburg, 28. Juni 1840, S. 1436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_180_18400628/4>, abgerufen am 23.11.2024.