Allgemeine Zeitung. Nr. 179. Augsburg, 27. Juni 1840.undenkbar, daß aus der Blutsaat des 30jährigen Kriegs nicht wenigstens so viel Duldung hervorgegangen seyn sollte, daß beide Theile ruhig neben einander, wenn auch nicht ohne Reibung, bestehen könnten. Preußen hat allerdings in seinem kirchlichen Streit einen groben Mißgriff gemacht, und sich gegen den wahren Geist des Protestantismus so sehr als gegen die katholische Kirchenfreiheit vergangen, aber dennoch ist es, selbst in seinem Fehler, mit einer Milde verfahren, der sich Niemand von Rußland versehen würde. Die Bestrebungen, die Katholiken gegen Preußen aufzuhetzen, werden somit eben so vergeblich seyn, als die Bemühungen, die Fürsten des westlichen Deutschlands glauben zu machen, ihr Heil beruhe in einem Protectorate Rußlands. Wenn auch einzelne hochstehende Personen sich zu einem solchen Glauben verblenden lassen könnten - was wir indessen in keiner Weise annehmen - so theilt doch die Masse des Volkes diesen nicht im Mindesten, und die Geschichte liefert Beispiele in Menge, daß die Meinungen einzelner, hochstehender Personen und ganzer Stände machtlos zu Boden sinken vor den politischen Zu- und Abneigungen der Völker, welche, mögen sie auch zum Theil noch so blind seyn, doch fast immer auf einem richtigen Gefühl beruhen. Manche Vertheidiger Rußlands schreiben sich die Federn stumpf, um diese oder jene Maaßregel Rußlands zu rechtfertigen, und dieß ist auch, wer wollte es läugnen? in vielen Beziehungen recht wohl möglich, hat aber der Vertheidiger in seiner Weise Vernunft geredet Stunden lang, hat man ihm auch im Einzelnen Recht gegeben, so ist am Ende der Refrain doch immer wieder, daß man die Russen nicht leiden kann. Solche dunkle Gefühle in der Masse sind in Berechnung zu nehmen, so gut, wie gewonnene und verlorene Schlachten, gar häufig noch mehr als diese, und - rien n'est si entete qu'un fait. Es ist allerdings ein schlimmes Zeichen, daß ein so wohl unterrichtetes Cabinet, wie das russische, ein solches Buch auch nur erscheinen läßt, denn es gibt den Maaßstab dessen, was man wagen zu können glaubt, aber auch das russische Cabinet kann sich täuschen, denn es gibt noch in Deutschland eine öffentliche Meinung, die sich wenig in der jetzigen Litteratur, am wenigsten in den Zeitungen ausspricht, die dennoch vorhanden und die nur zu befriedigen ist durch Maaßregeln, die zum Gesammtwohl und zu größerer Einigkeit Deutschlands führen, und welche am Ende durch alle Kunst russischer, französischer und englischer Diplomaten nicht mehr aufzuhalten seyn werden. Rußland und Polen. Der Bischof von Podlachien. Das Journal des Debats und nach ihm der Fränkische Courier und andere deutsche Blätter theilen in einem Schreiben von der polnischen Gränze die nähern Umstände der Verhaftung des Bischofs Gutkowski von Podlachien mit. Es lautet folgendermaßen: "Polnische Gränze, 16 Mai. Wir übersenden Ihnen abschriftlich das officielle Schreiben, das der Bischof von Podlachien an den Director des Departements des Cultus im Königreich Polen richtete. Es wird Ihnen die Ursachen enthüllen, welche die Entführung dieses Prälaten in der Nacht des 1 Mai herbeiführten und die Falschheit der Behauptungen mehrerer Journale, die ihn als einen Aufrührer darstellten, der der Civilbehörde in einer Sache den Gehorsam versagt habe, wo alle andern Bischöfe Polens sich unterworfen hätten. Die Länge des Schreibens nöthigt uns nur folgenden Auszug zu geben: "Yanow, 28 März 1840. Indem ich als Vertheidiger der Rechte der Kirche und ihres Eigenthums auftrete, stütze ich mich auf die Garantien, welche sowohl die alte Constitution des Königreichs, als das von Sr. Maj. dem uns regierenden Kaiser octroyirte organische Statut verleihen; ich habe nicht nachgelassen, gegen alle Eingriffe dieser Art zu protestiren. Ich habe unter Anderm verlangt, daß das Pfarrhaus zu Wengrow aufhören solle, zu Soldatenwohnungen verwendet zu werden, und daß dasselbe den Geistlichen dieser Pfarrei, die ohne Obdach sind, und den emeritirten Priestern meiner Diöcese zurückgegeben werde, welchen dieses Haus als Hospiz zu dienen bestimmt ist. Das Departement des Cultus hat durch sein Rescript vom 24 Dec. 1837 und durch ein anderes vom 18 Jun. 1838 die Gerechtigkeit dieser Reclamation anerkannt und die Wiederherstellung und Herausgabe dieses Gebäudes versprochen. Ich erwartete geduldig die Erfüllung dieser Zusicherung, als mir berichtet wurde, daß ein neuer Eingriff gegen die zur Pfarrei von Wlodawa und den Religiosen vom Orden des heil. Paulus gehörigen Gebäulichkeiten bewerkstelligt werden solle, um auch diese zu Casernen zu machen. Diese Antastung eines Eigenthums, das unter der Garantie der Gesetze steht, ist eine Beleidigung der Kirche, der Gerechtigkeit und selbst der Majestät des Souveräns, welcher sicherlich seinem Gouvernement nicht gestatten kann, durch Acte, welche ein öffentliches Aergerniß bilden, das Eigenthum der unter seinem Scepter stehenden Kirchen anzugreifen, das er, in seinem organischen Statut, zu ehren versprochen hat. Rechtfertigt diese verletzende Gewaltthätigkeit nicht, was ich in meinem Schreiben vom 9 März d. J. sagen zu müssen glaubte? nämlich, daß zu keiner mir erinnerlichen Epoche dieses unglückliche Land ein gegen die katholische Kirche feindseligeres, ungerechteres, oder gewaltthätigeres Gouvernement gehabt habe." (Nachdem verschiedene Dinge aufgezählt worden, welche von Seite der Behörde schützende Maaßregeln erheischen, schließt der Bischof mit folgenden Worten:) "Das Departement des Cultus wird durch Annahme dieser Maaßregeln beweisen, daß es gewissenhaft die Pflichten erfüllt, welche ihm von unserm erlauchten Souverän vorgezeichnet sind, an den der Unterzeichnete, wenn seinem Verlangen nicht Gerechtigkeit widerfährt, vielleicht doch Mittel finden wird, das treue Gemälde so vieler Mißbräuche und Gewaltthätigkeiten gelangen zu lassen. (unterz.) Johann Marcel Gutkowski, Bischof." "Der würdige Prälat zögerte nicht, sein Versprechen zu halten. Wir bedauern, den Brief, den er an den Kaiser richtete, nicht vollständig zu besitzen. Folgendes scheinen die Hauptstellen: "Bei so schreienden Mißbräuchen und unaufhörlichen Verfolgungen des katholischen Glaubens, die im voraus mir den Verlust so vieler meiner Fürsorge anvertrauten Seelen verkündigen, die alle durch die Taufe geweiht und durch das Blut unsers Herrn Jesu Christi erkauft waren, sehe ich mich genöthigt, Ew. Maj. aufzurufen, einen Blick des Mitgefühls auf Ihre von so großem Unglück heimgesuchten Unterthanen zu werfen, für die einst Ew. Maj. verantwortlich seyn werden.... Ich beschwöre Ew. Maj., sich den geleisteten Schwur ins Gedächtniß zurückzurufen.... Allem Anschein nach werde ich zuerst vor den Thron des Allmächtigen treten; aber die Könige werden gerufen wie wir.... Gott also wird uns richten, und ich werde nicht angeklagt werden, meine Pflicht vernachlässigt zu haben, sondern das Zeugniß als guter Hirt für meine Schafe gebeten und die nöthigen Schritte für ihr Heil gethan zu haben." - Dieses Schreiben hat allem Anschein nach das russische Gouvernement bestimmt, diesem unerschrocknen Gegner durch die gewaltsame Maaßregel der Gefangensetzung Stillschweigen aufzulegen. Gewisse Correspondenzen deutscher Journale haben jedoch nicht ermangelt, die Gewalt nach ihrer Gewohnheit durch Lügen zu rechtfertigen und die gegen den Bischof angewandten Maaßregeln widersetzlichen undenkbar, daß aus der Blutsaat des 30jährigen Kriegs nicht wenigstens so viel Duldung hervorgegangen seyn sollte, daß beide Theile ruhig neben einander, wenn auch nicht ohne Reibung, bestehen könnten. Preußen hat allerdings in seinem kirchlichen Streit einen groben Mißgriff gemacht, und sich gegen den wahren Geist des Protestantismus so sehr als gegen die katholische Kirchenfreiheit vergangen, aber dennoch ist es, selbst in seinem Fehler, mit einer Milde verfahren, der sich Niemand von Rußland versehen würde. Die Bestrebungen, die Katholiken gegen Preußen aufzuhetzen, werden somit eben so vergeblich seyn, als die Bemühungen, die Fürsten des westlichen Deutschlands glauben zu machen, ihr Heil beruhe in einem Protectorate Rußlands. Wenn auch einzelne hochstehende Personen sich zu einem solchen Glauben verblenden lassen könnten – was wir indessen in keiner Weise annehmen – so theilt doch die Masse des Volkes diesen nicht im Mindesten, und die Geschichte liefert Beispiele in Menge, daß die Meinungen einzelner, hochstehender Personen und ganzer Stände machtlos zu Boden sinken vor den politischen Zu- und Abneigungen der Völker, welche, mögen sie auch zum Theil noch so blind seyn, doch fast immer auf einem richtigen Gefühl beruhen. Manche Vertheidiger Rußlands schreiben sich die Federn stumpf, um diese oder jene Maaßregel Rußlands zu rechtfertigen, und dieß ist auch, wer wollte es läugnen? in vielen Beziehungen recht wohl möglich, hat aber der Vertheidiger in seiner Weise Vernunft geredet Stunden lang, hat man ihm auch im Einzelnen Recht gegeben, so ist am Ende der Refrain doch immer wieder, daß man die Russen nicht leiden kann. Solche dunkle Gefühle in der Masse sind in Berechnung zu nehmen, so gut, wie gewonnene und verlorene Schlachten, gar häufig noch mehr als diese, und – rien n'est si entêté qu'un fait. Es ist allerdings ein schlimmes Zeichen, daß ein so wohl unterrichtetes Cabinet, wie das russische, ein solches Buch auch nur erscheinen läßt, denn es gibt den Maaßstab dessen, was man wagen zu können glaubt, aber auch das russische Cabinet kann sich täuschen, denn es gibt noch in Deutschland eine öffentliche Meinung, die sich wenig in der jetzigen Litteratur, am wenigsten in den Zeitungen ausspricht, die dennoch vorhanden und die nur zu befriedigen ist durch Maaßregeln, die zum Gesammtwohl und zu größerer Einigkeit Deutschlands führen, und welche am Ende durch alle Kunst russischer, französischer und englischer Diplomaten nicht mehr aufzuhalten seyn werden. Rußland und Polen. Der Bischof von Podlachien. Das Journal des Débats und nach ihm der Fränkische Courier und andere deutsche Blätter theilen in einem Schreiben von der polnischen Gränze die nähern Umstände der Verhaftung des Bischofs Gutkowski von Podlachien mit. Es lautet folgendermaßen: „Polnische Gränze, 16 Mai. Wir übersenden Ihnen abschriftlich das officielle Schreiben, das der Bischof von Podlachien an den Director des Departements des Cultus im Königreich Polen richtete. Es wird Ihnen die Ursachen enthüllen, welche die Entführung dieses Prälaten in der Nacht des 1 Mai herbeiführten und die Falschheit der Behauptungen mehrerer Journale, die ihn als einen Aufrührer darstellten, der der Civilbehörde in einer Sache den Gehorsam versagt habe, wo alle andern Bischöfe Polens sich unterworfen hätten. Die Länge des Schreibens nöthigt uns nur folgenden Auszug zu geben: „Yanow, 28 März 1840. Indem ich als Vertheidiger der Rechte der Kirche und ihres Eigenthums auftrete, stütze ich mich auf die Garantien, welche sowohl die alte Constitution des Königreichs, als das von Sr. Maj. dem uns regierenden Kaiser octroyirte organische Statut verleihen; ich habe nicht nachgelassen, gegen alle Eingriffe dieser Art zu protestiren. Ich habe unter Anderm verlangt, daß das Pfarrhaus zu Wengrow aufhören solle, zu Soldatenwohnungen verwendet zu werden, und daß dasselbe den Geistlichen dieser Pfarrei, die ohne Obdach sind, und den emeritirten Priestern meiner Diöcese zurückgegeben werde, welchen dieses Haus als Hospiz zu dienen bestimmt ist. Das Departement des Cultus hat durch sein Rescript vom 24 Dec. 1837 und durch ein anderes vom 18 Jun. 1838 die Gerechtigkeit dieser Reclamation anerkannt und die Wiederherstellung und Herausgabe dieses Gebäudes versprochen. Ich erwartete geduldig die Erfüllung dieser Zusicherung, als mir berichtet wurde, daß ein neuer Eingriff gegen die zur Pfarrei von Wlodawa und den Religiosen vom Orden des heil. Paulus gehörigen Gebäulichkeiten bewerkstelligt werden solle, um auch diese zu Casernen zu machen. Diese Antastung eines Eigenthums, das unter der Garantie der Gesetze steht, ist eine Beleidigung der Kirche, der Gerechtigkeit und selbst der Majestät des Souveräns, welcher sicherlich seinem Gouvernement nicht gestatten kann, durch Acte, welche ein öffentliches Aergerniß bilden, das Eigenthum der unter seinem Scepter stehenden Kirchen anzugreifen, das er, in seinem organischen Statut, zu ehren versprochen hat. Rechtfertigt diese verletzende Gewaltthätigkeit nicht, was ich in meinem Schreiben vom 9 März d. J. sagen zu müssen glaubte? nämlich, daß zu keiner mir erinnerlichen Epoche dieses unglückliche Land ein gegen die katholische Kirche feindseligeres, ungerechteres, oder gewaltthätigeres Gouvernement gehabt habe.“ (Nachdem verschiedene Dinge aufgezählt worden, welche von Seite der Behörde schützende Maaßregeln erheischen, schließt der Bischof mit folgenden Worten:) „Das Departement des Cultus wird durch Annahme dieser Maaßregeln beweisen, daß es gewissenhaft die Pflichten erfüllt, welche ihm von unserm erlauchten Souverän vorgezeichnet sind, an den der Unterzeichnete, wenn seinem Verlangen nicht Gerechtigkeit widerfährt, vielleicht doch Mittel finden wird, das treue Gemälde so vieler Mißbräuche und Gewaltthätigkeiten gelangen zu lassen. (unterz.) Johann Marcel Gutkowski, Bischof.“ „Der würdige Prälat zögerte nicht, sein Versprechen zu halten. Wir bedauern, den Brief, den er an den Kaiser richtete, nicht vollständig zu besitzen. Folgendes scheinen die Hauptstellen: „Bei so schreienden Mißbräuchen und unaufhörlichen Verfolgungen des katholischen Glaubens, die im voraus mir den Verlust so vieler meiner Fürsorge anvertrauten Seelen verkündigen, die alle durch die Taufe geweiht und durch das Blut unsers Herrn Jesu Christi erkauft waren, sehe ich mich genöthigt, Ew. Maj. aufzurufen, einen Blick des Mitgefühls auf Ihre von so großem Unglück heimgesuchten Unterthanen zu werfen, für die einst Ew. Maj. verantwortlich seyn werden.... Ich beschwöre Ew. Maj., sich den geleisteten Schwur ins Gedächtniß zurückzurufen.... Allem Anschein nach werde ich zuerst vor den Thron des Allmächtigen treten; aber die Könige werden gerufen wie wir.... Gott also wird uns richten, und ich werde nicht angeklagt werden, meine Pflicht vernachlässigt zu haben, sondern das Zeugniß als guter Hirt für meine Schafe gebeten und die nöthigen Schritte für ihr Heil gethan zu haben.“ – Dieses Schreiben hat allem Anschein nach das russische Gouvernement bestimmt, diesem unerschrocknen Gegner durch die gewaltsame Maaßregel der Gefangensetzung Stillschweigen aufzulegen. Gewisse Correspondenzen deutscher Journale haben jedoch nicht ermangelt, die Gewalt nach ihrer Gewohnheit durch Lügen zu rechtfertigen und die gegen den Bischof angewandten Maaßregeln widersetzlichen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0012" n="1420"/> undenkbar, daß aus der Blutsaat des 30jährigen Kriegs nicht wenigstens so viel Duldung hervorgegangen seyn sollte, daß beide Theile ruhig neben einander, wenn auch nicht ohne Reibung, bestehen könnten. Preußen hat allerdings in seinem kirchlichen Streit einen groben Mißgriff gemacht, und sich gegen den wahren Geist des Protestantismus so sehr als gegen die katholische Kirchenfreiheit vergangen, aber dennoch ist es, selbst in seinem Fehler, mit einer Milde verfahren, der sich Niemand von Rußland versehen würde. Die Bestrebungen, die Katholiken gegen Preußen aufzuhetzen, werden somit eben so vergeblich seyn, als die Bemühungen, die Fürsten des westlichen Deutschlands glauben zu machen, ihr Heil beruhe in einem Protectorate Rußlands.</p><lb/> <p>Wenn auch einzelne hochstehende Personen sich zu einem solchen Glauben verblenden lassen könnten – was wir indessen in keiner Weise annehmen – so theilt doch die Masse des Volkes diesen nicht im Mindesten, und die Geschichte liefert Beispiele in Menge, daß die Meinungen einzelner, hochstehender Personen und ganzer Stände machtlos zu Boden sinken vor den politischen Zu- und Abneigungen der Völker, welche, mögen sie auch zum Theil noch so blind seyn, doch fast immer auf einem richtigen Gefühl beruhen. Manche Vertheidiger Rußlands schreiben sich die Federn stumpf, um diese oder jene Maaßregel Rußlands zu rechtfertigen, und dieß ist auch, wer wollte es läugnen? in vielen Beziehungen recht wohl möglich, hat aber der Vertheidiger in seiner Weise Vernunft geredet Stunden lang, hat man ihm auch im Einzelnen Recht gegeben, so ist am Ende der Refrain doch immer wieder, daß man die Russen nicht leiden kann. Solche dunkle Gefühle in der Masse sind in Berechnung zu nehmen, so gut, wie gewonnene und verlorene Schlachten, gar häufig noch mehr als diese, und – rien n'est si entêté qu'un fait.</p><lb/> <p>Es ist allerdings ein schlimmes Zeichen, daß ein so wohl unterrichtetes Cabinet, wie das russische, ein solches Buch auch nur erscheinen läßt, denn es gibt den Maaßstab dessen, was man wagen zu können glaubt, aber auch das russische Cabinet kann sich täuschen, denn es gibt noch in Deutschland eine öffentliche Meinung, die sich wenig in der jetzigen Litteratur, am wenigsten in den Zeitungen ausspricht, die dennoch vorhanden und die nur zu befriedigen ist durch Maaßregeln, die zum Gesammtwohl und zu größerer Einigkeit Deutschlands führen, und welche am Ende durch alle Kunst russischer, französischer und englischer Diplomaten nicht mehr aufzuhalten seyn werden.</p> </div> </div><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Rußland und Polen.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#g">Der Bischof von Podlachien</hi>.</p><lb/> <p>Das Journal des Débats und nach ihm der Fränkische Courier und andere deutsche Blätter theilen in einem Schreiben von der polnischen Gränze die nähern Umstände der Verhaftung des Bischofs Gutkowski von Podlachien mit. Es lautet folgendermaßen: „<hi rendition="#b">Polnische Gränze</hi>, 16 Mai. Wir übersenden Ihnen abschriftlich das officielle Schreiben, das der Bischof von Podlachien an den Director des Departements des Cultus im Königreich Polen richtete. Es wird Ihnen die Ursachen enthüllen, welche die Entführung dieses Prälaten in der Nacht des 1 Mai herbeiführten und die Falschheit der Behauptungen mehrerer Journale, die ihn als einen Aufrührer darstellten, der der Civilbehörde in einer Sache den Gehorsam versagt habe, wo alle andern Bischöfe Polens sich unterworfen hätten. Die Länge des Schreibens nöthigt uns nur folgenden Auszug zu geben: „<hi rendition="#g">Yanow</hi>, 28 März 1840. Indem ich als Vertheidiger der Rechte der Kirche und ihres Eigenthums auftrete, stütze ich mich auf die Garantien, welche sowohl die alte Constitution des Königreichs, als das von Sr. Maj. dem uns regierenden Kaiser octroyirte organische Statut verleihen; ich habe nicht nachgelassen, gegen alle Eingriffe dieser Art zu protestiren. Ich habe unter Anderm verlangt, daß das Pfarrhaus zu Wengrow aufhören solle, zu Soldatenwohnungen verwendet zu werden, und daß dasselbe den Geistlichen dieser Pfarrei, die ohne Obdach sind, und den emeritirten Priestern meiner Diöcese zurückgegeben werde, welchen dieses Haus als Hospiz zu dienen bestimmt ist. Das Departement des Cultus hat durch sein Rescript vom 24 Dec. 1837 und durch ein anderes vom 18 Jun. 1838 die Gerechtigkeit dieser Reclamation anerkannt und die Wiederherstellung und Herausgabe dieses Gebäudes versprochen. Ich erwartete geduldig die Erfüllung dieser Zusicherung, als mir berichtet wurde, daß ein neuer Eingriff gegen die zur Pfarrei von Wlodawa und den Religiosen vom Orden des heil. Paulus gehörigen Gebäulichkeiten bewerkstelligt werden solle, um auch diese zu Casernen zu machen. Diese Antastung eines Eigenthums, das unter der Garantie der Gesetze steht, ist eine Beleidigung der Kirche, der Gerechtigkeit und selbst der Majestät des Souveräns, welcher sicherlich seinem Gouvernement nicht gestatten kann, durch Acte, welche ein öffentliches Aergerniß bilden, das Eigenthum der unter seinem Scepter stehenden Kirchen anzugreifen, das er, in seinem organischen Statut, zu ehren versprochen hat. Rechtfertigt diese verletzende Gewaltthätigkeit nicht, was ich in meinem Schreiben vom 9 März d. J. sagen zu müssen glaubte? nämlich, daß zu keiner mir erinnerlichen Epoche dieses unglückliche Land ein gegen die katholische Kirche feindseligeres, ungerechteres, oder gewaltthätigeres Gouvernement gehabt habe.“ (Nachdem verschiedene Dinge aufgezählt worden, welche von Seite der Behörde schützende Maaßregeln erheischen, schließt der Bischof mit folgenden Worten:) „Das Departement des Cultus wird durch Annahme dieser Maaßregeln beweisen, daß es gewissenhaft die Pflichten erfüllt, welche ihm von unserm erlauchten Souverän vorgezeichnet sind, an den der Unterzeichnete, wenn seinem Verlangen nicht Gerechtigkeit widerfährt, vielleicht doch Mittel finden wird, das treue Gemälde so vieler Mißbräuche und Gewaltthätigkeiten gelangen zu lassen. (unterz.) <hi rendition="#g">Johann Marcel Gutkowski</hi>, Bischof.“</p><lb/> <p>„Der würdige Prälat zögerte nicht, sein Versprechen zu halten. Wir bedauern, den Brief, den er an den Kaiser richtete, nicht vollständig zu besitzen. Folgendes scheinen die Hauptstellen: „Bei so schreienden Mißbräuchen und unaufhörlichen Verfolgungen des katholischen Glaubens, die im voraus mir den Verlust so vieler meiner Fürsorge anvertrauten Seelen verkündigen, die alle durch die Taufe geweiht und durch das Blut unsers Herrn Jesu Christi erkauft waren, sehe ich mich genöthigt, Ew. Maj. aufzurufen, einen Blick des Mitgefühls auf Ihre von so großem Unglück heimgesuchten Unterthanen zu werfen, für die einst Ew. Maj. verantwortlich seyn werden.... Ich beschwöre Ew. Maj., sich den geleisteten Schwur ins Gedächtniß zurückzurufen.... Allem Anschein nach werde ich zuerst vor den Thron des Allmächtigen treten; aber die Könige werden gerufen wie wir.... Gott also wird uns richten, und ich werde nicht angeklagt werden, meine Pflicht vernachlässigt zu haben, sondern das Zeugniß als guter Hirt für meine Schafe gebeten und die nöthigen Schritte für ihr Heil gethan zu haben.“ – Dieses Schreiben hat allem Anschein nach das russische Gouvernement bestimmt, diesem unerschrocknen Gegner durch die gewaltsame Maaßregel der Gefangensetzung Stillschweigen aufzulegen. Gewisse Correspondenzen deutscher Journale haben jedoch nicht ermangelt, die Gewalt nach ihrer Gewohnheit durch Lügen zu rechtfertigen und die gegen den Bischof angewandten Maaßregeln widersetzlichen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [1420/0012]
undenkbar, daß aus der Blutsaat des 30jährigen Kriegs nicht wenigstens so viel Duldung hervorgegangen seyn sollte, daß beide Theile ruhig neben einander, wenn auch nicht ohne Reibung, bestehen könnten. Preußen hat allerdings in seinem kirchlichen Streit einen groben Mißgriff gemacht, und sich gegen den wahren Geist des Protestantismus so sehr als gegen die katholische Kirchenfreiheit vergangen, aber dennoch ist es, selbst in seinem Fehler, mit einer Milde verfahren, der sich Niemand von Rußland versehen würde. Die Bestrebungen, die Katholiken gegen Preußen aufzuhetzen, werden somit eben so vergeblich seyn, als die Bemühungen, die Fürsten des westlichen Deutschlands glauben zu machen, ihr Heil beruhe in einem Protectorate Rußlands.
Wenn auch einzelne hochstehende Personen sich zu einem solchen Glauben verblenden lassen könnten – was wir indessen in keiner Weise annehmen – so theilt doch die Masse des Volkes diesen nicht im Mindesten, und die Geschichte liefert Beispiele in Menge, daß die Meinungen einzelner, hochstehender Personen und ganzer Stände machtlos zu Boden sinken vor den politischen Zu- und Abneigungen der Völker, welche, mögen sie auch zum Theil noch so blind seyn, doch fast immer auf einem richtigen Gefühl beruhen. Manche Vertheidiger Rußlands schreiben sich die Federn stumpf, um diese oder jene Maaßregel Rußlands zu rechtfertigen, und dieß ist auch, wer wollte es läugnen? in vielen Beziehungen recht wohl möglich, hat aber der Vertheidiger in seiner Weise Vernunft geredet Stunden lang, hat man ihm auch im Einzelnen Recht gegeben, so ist am Ende der Refrain doch immer wieder, daß man die Russen nicht leiden kann. Solche dunkle Gefühle in der Masse sind in Berechnung zu nehmen, so gut, wie gewonnene und verlorene Schlachten, gar häufig noch mehr als diese, und – rien n'est si entêté qu'un fait.
Es ist allerdings ein schlimmes Zeichen, daß ein so wohl unterrichtetes Cabinet, wie das russische, ein solches Buch auch nur erscheinen läßt, denn es gibt den Maaßstab dessen, was man wagen zu können glaubt, aber auch das russische Cabinet kann sich täuschen, denn es gibt noch in Deutschland eine öffentliche Meinung, die sich wenig in der jetzigen Litteratur, am wenigsten in den Zeitungen ausspricht, die dennoch vorhanden und die nur zu befriedigen ist durch Maaßregeln, die zum Gesammtwohl und zu größerer Einigkeit Deutschlands führen, und welche am Ende durch alle Kunst russischer, französischer und englischer Diplomaten nicht mehr aufzuhalten seyn werden.
Rußland und Polen.
Der Bischof von Podlachien.
Das Journal des Débats und nach ihm der Fränkische Courier und andere deutsche Blätter theilen in einem Schreiben von der polnischen Gränze die nähern Umstände der Verhaftung des Bischofs Gutkowski von Podlachien mit. Es lautet folgendermaßen: „Polnische Gränze, 16 Mai. Wir übersenden Ihnen abschriftlich das officielle Schreiben, das der Bischof von Podlachien an den Director des Departements des Cultus im Königreich Polen richtete. Es wird Ihnen die Ursachen enthüllen, welche die Entführung dieses Prälaten in der Nacht des 1 Mai herbeiführten und die Falschheit der Behauptungen mehrerer Journale, die ihn als einen Aufrührer darstellten, der der Civilbehörde in einer Sache den Gehorsam versagt habe, wo alle andern Bischöfe Polens sich unterworfen hätten. Die Länge des Schreibens nöthigt uns nur folgenden Auszug zu geben: „Yanow, 28 März 1840. Indem ich als Vertheidiger der Rechte der Kirche und ihres Eigenthums auftrete, stütze ich mich auf die Garantien, welche sowohl die alte Constitution des Königreichs, als das von Sr. Maj. dem uns regierenden Kaiser octroyirte organische Statut verleihen; ich habe nicht nachgelassen, gegen alle Eingriffe dieser Art zu protestiren. Ich habe unter Anderm verlangt, daß das Pfarrhaus zu Wengrow aufhören solle, zu Soldatenwohnungen verwendet zu werden, und daß dasselbe den Geistlichen dieser Pfarrei, die ohne Obdach sind, und den emeritirten Priestern meiner Diöcese zurückgegeben werde, welchen dieses Haus als Hospiz zu dienen bestimmt ist. Das Departement des Cultus hat durch sein Rescript vom 24 Dec. 1837 und durch ein anderes vom 18 Jun. 1838 die Gerechtigkeit dieser Reclamation anerkannt und die Wiederherstellung und Herausgabe dieses Gebäudes versprochen. Ich erwartete geduldig die Erfüllung dieser Zusicherung, als mir berichtet wurde, daß ein neuer Eingriff gegen die zur Pfarrei von Wlodawa und den Religiosen vom Orden des heil. Paulus gehörigen Gebäulichkeiten bewerkstelligt werden solle, um auch diese zu Casernen zu machen. Diese Antastung eines Eigenthums, das unter der Garantie der Gesetze steht, ist eine Beleidigung der Kirche, der Gerechtigkeit und selbst der Majestät des Souveräns, welcher sicherlich seinem Gouvernement nicht gestatten kann, durch Acte, welche ein öffentliches Aergerniß bilden, das Eigenthum der unter seinem Scepter stehenden Kirchen anzugreifen, das er, in seinem organischen Statut, zu ehren versprochen hat. Rechtfertigt diese verletzende Gewaltthätigkeit nicht, was ich in meinem Schreiben vom 9 März d. J. sagen zu müssen glaubte? nämlich, daß zu keiner mir erinnerlichen Epoche dieses unglückliche Land ein gegen die katholische Kirche feindseligeres, ungerechteres, oder gewaltthätigeres Gouvernement gehabt habe.“ (Nachdem verschiedene Dinge aufgezählt worden, welche von Seite der Behörde schützende Maaßregeln erheischen, schließt der Bischof mit folgenden Worten:) „Das Departement des Cultus wird durch Annahme dieser Maaßregeln beweisen, daß es gewissenhaft die Pflichten erfüllt, welche ihm von unserm erlauchten Souverän vorgezeichnet sind, an den der Unterzeichnete, wenn seinem Verlangen nicht Gerechtigkeit widerfährt, vielleicht doch Mittel finden wird, das treue Gemälde so vieler Mißbräuche und Gewaltthätigkeiten gelangen zu lassen. (unterz.) Johann Marcel Gutkowski, Bischof.“
„Der würdige Prälat zögerte nicht, sein Versprechen zu halten. Wir bedauern, den Brief, den er an den Kaiser richtete, nicht vollständig zu besitzen. Folgendes scheinen die Hauptstellen: „Bei so schreienden Mißbräuchen und unaufhörlichen Verfolgungen des katholischen Glaubens, die im voraus mir den Verlust so vieler meiner Fürsorge anvertrauten Seelen verkündigen, die alle durch die Taufe geweiht und durch das Blut unsers Herrn Jesu Christi erkauft waren, sehe ich mich genöthigt, Ew. Maj. aufzurufen, einen Blick des Mitgefühls auf Ihre von so großem Unglück heimgesuchten Unterthanen zu werfen, für die einst Ew. Maj. verantwortlich seyn werden.... Ich beschwöre Ew. Maj., sich den geleisteten Schwur ins Gedächtniß zurückzurufen.... Allem Anschein nach werde ich zuerst vor den Thron des Allmächtigen treten; aber die Könige werden gerufen wie wir.... Gott also wird uns richten, und ich werde nicht angeklagt werden, meine Pflicht vernachlässigt zu haben, sondern das Zeugniß als guter Hirt für meine Schafe gebeten und die nöthigen Schritte für ihr Heil gethan zu haben.“ – Dieses Schreiben hat allem Anschein nach das russische Gouvernement bestimmt, diesem unerschrocknen Gegner durch die gewaltsame Maaßregel der Gefangensetzung Stillschweigen aufzulegen. Gewisse Correspondenzen deutscher Journale haben jedoch nicht ermangelt, die Gewalt nach ihrer Gewohnheit durch Lügen zu rechtfertigen und die gegen den Bischof angewandten Maaßregeln widersetzlichen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |