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Allgemeine Zeitung. Nr. 156. Augsburg, 4. Juni 1840.

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ihm selbst unter den extremen Geistern, welche die Zeit der Revolutionen gebar, neue Anhänger zu gewinnen.

Heute starb hier, wo er seit geraumer Zeit in stiller Zurückgezogenheit gelebt hatte, der herzogl. sachsen-gothaische Hofrath, Karl v. Reinhard, geboren 1769, der sich in der litterarischen Welt durch seine eigenen Gedichte und andere schönwissenschaftliche Schriften (man sehe Hitzigs gelehrtes Berlin S. 210), insbesondere aber durch Herausgabe der Schriften seines Freundes I. A. Bürger bekannt gemacht hat. Er war der letzte kaiserliche gekrönte Dichter; auch möchten außer ihm keine Ritter des weltlichen St. Joachim-Stifts-Ritter- und Mitglieder des pegnesischen Blumenordens zu Nürnberg, in welchem er den Namen "Lyndor" führte, mehr existirt haben. (Letztere Vermuthung ist ungegründet, da der pegnesische Blumenorden sich bis zur Stunde einer thätigen Fortdauer erfreut, und mehrere talentvolle Dichter und Schriftsteller unter seinen Mitgliedern zählt.) (Pr. St.-Z.)

Dänemark.

Unterm gestrigen Datum hat eine große Ordensverleihung und Beförderung stattgefunden. Unter den Ritterkreuzen des Elephantenordens bemerkt man die Professoren Steinheil in München, Steffens in Berlin, Molitor in Frankfurt und Dahl in Dresden. (K. C. Bl.)

Die Berling'sche Zeitung publicirt eine königliche Verordnung, durch welche in Uebereinstimmung mit der Petition der Schleswigschen Provincialstände die deutsche Sprache als Kirchen- und Gerichtssprache im nördlichen Theil von Schleswig, woselbst der gemeine Mann größtentheils dänisch spricht, abgeschafft und die dänische Sprache an ihrer Statt eingeführt wird. - Zugleich untersagt die Verordnung den Gebrauch lateinischer Redensarten in gerichtlichen Documenten. - In Betreff der Behandlung, Freilassung und Freikaufung der Sklaven in Westindien sind umfassende Gesetze erlassen. - Nach der Thronbesteigung Christians VIII reichten bekanntlich die hiesigen Studenten zwei ziemlich verschiedene Adressen, und demnächst noch eine "Erklärung" ein. Debatten unter den Studenten und der Beschluß einen Verein zu stiften, in dem künftig Alles verabredet werden sollte, was die Studenten betreffe, waren hievon die Folge. Der Verein trat trotz manches Widerspruchs von Seite des Consistoriums ins Leben, erhielt aber vor kurzem von jenem ein Schreiben, welches halb im bittenden, halb im befehlenden Ton verlangte, stets davon benachrichtigt zu werden, wann und wo man eine Versammlung halten wolle, welche Fragen discutirt werden sollten, und welche Beschlüsse man gefaßt habe. Die Repräsentanten der Studenten antworteten auf diese "Bitte", sie publicirten die fraglichen Punkte, wären aber gern erbötig, dem Consistorium immer eine specielle Nachricht darüber zugehen zu lassen. Eine demnächst berufene Generalversammlung cassirte diesen Beschluß mit Rücksicht auf die Zukunft, und behauptete ihre gänzliche Unabhängigkeit vom Consistorium, welches nun dem Gerücht nach alle Mitglieder des Vereins von sämmtlichen akademischen Beneficien ausschließen, und, wenn dieß nicht hilft, nach königlichem Befehl den Verein aufheben will. Dieser Vorfall hat zu vielem Gerede und einer Steigerung der Spannungen Anlaß gegeben. - In Betreff der Eisenbahnfrage hat die Regierung eine Commission niedergesetzt, welcher Plane in dieser Beziehung vorzulegen sind. Man wird freie Concurrenz gewähren, und die Eisenbahn ins Leben treten lassen, welche die meisten Actionnäre zählt. Diesen Vortheil dürfte die Kiel-Hamburger Bahn haben, und der dänische Handelsstand, welcher darin seinen offenbaren Ruin sieht, auch eine abermalige Begünstigung Hamburgs fürchtet, gibt sich den lebhaftesten Besorgnissen hin.

Hier Näheres über die Auftritte von gestern Abend. Die Stimmung gleich einer Gewitterwolke. Prinzessin Karoline wurde, als sie nach dem Theater fuhr, mit großer Ehrfurcht und hie und da mit dem Ruf: "Es lebe die Tochter unseres alten Königs!" begrüßt. Vor dem Hotel des Barons Thotts flammten Pechfackeln. Dieß wollte der dort versammelte Pöbel nicht leiden; die Fenster im untern Geschosse und die Straßenlaternen wurden zerschlagen und die Pechfackeln zweimal umgerissen, so daß dort Alles dunkel war, als der König kam. Eine große Anzahl Husaren füllte den Markt und wurde mit Bonmots empfangen; der alte König, meinte man, habe 10 bis 12 Mann zur Aufrechthaltung der Ordnung verwendet; jetzt sehe man ganze Escadronen. Endlich, gegen 11 Uhr, kam der Zug. Alles war lautlos und still, bis der Pöbel bei Thotts Palais ein Geheul erhob. Auf der Amalienburg hatte sich der loyale Theil der Bürgermasse versammelt, und begrüßte den König mit einem Hurrah, welches Andere mit Pfeifen beantworteten; dadurch entstand großer Lärm. Der König neigte sich aus dem Wagen und dankte; aber dieß beschwichtigte den Lärm nicht, der noch fortdauerte, als er schon im Schloß war. Des Königs Adjutant, Ewod, kam heraus, ging mitten unter die Masse und redete den Leuten zu, sich nach Hause zu begeben. Man wollte nicht. Er brachte ein Hurrah aus, worin man einstimmte; ja man geleitete ihn zu Hause und begrüßte ihn mit einem Lebehoch. Indessen waren andere Haufen nach dem Norden der Stadt geeilt, um den Studenten und dem Advocaten Christensen ein Lebehoch zu bringen und die Fenster der Judenkirche einzuschlagen. Die Polizei schritt ein; der Pöbel bewaffnete sich mit Pflastersteinen. Die Bewohner dieses Stadtviertels fürchteten jeden Augenblick die Wirbel des Generalmarsches zu hören, indessen ging doch Alles noch gnädig ab. Der Aufwand des Hofes, die Rede- und Preßprocesse, die Affaire mit den Studenten, die Eisenbahnangelegenheiten, die Beschränkung der Gratialien, ganz besonders aber die stolze Nichtachtung der öffentlichen Stimme, das Schweigen über alle Angelegenheiten, die das Publicum interessiren, steigern jeden Augenblick den Unmuth des Volks. Fadrelandet erklärt geradezu: die Stimmung ist nie der Regierung so feindselig gewesen. Die Polizei scheint Befehl zu haben, nur im äußersten Nothfall mit Thätlichkeiten vorzugehen, die auch sicher nicht ohne ernstliche Repressalien ablaufen würden.

Unterm 23 d. M. hat der akademische Senat ein wohlgefaßtes begütigendes Schreiben an die dänischen Studenten erlassen, in welchem er die nützliche und gute Seite der Discussion akademischer Gegenstände im Studentenverein anerkennt und diesem Gedeihen wünscht, so lange selbiger sich in diesen Schranken halte, auf der andern Seite aber mit einem Hinblick auf die deutschen Universitäten und ihre Umtriebe vor allen politischen Tendenzen warnt. Der Senat besteht auf seiner "Forderung" von der Zeit der Versammlungen, ihrer Absicht und ihren Beschlüssen unterrichtet zu werden, er spricht die Hoffnung aus, daß der Verein sich hiezu bequemen werde, und warnt vor den sonst zu erwartenden Folgen, nämlich der Ausschießung der Theilnehmer von akademischen Beneficien und der Aufhebung des Vereins. Gestern ward das Schreiben den Studirenden zugestellt und in der Berling'schen Zeitung abgedruckt. Einige

ihm selbst unter den extremen Geistern, welche die Zeit der Revolutionen gebar, neue Anhänger zu gewinnen.

Heute starb hier, wo er seit geraumer Zeit in stiller Zurückgezogenheit gelebt hatte, der herzogl. sachsen-gothaische Hofrath, Karl v. Reinhard, geboren 1769, der sich in der litterarischen Welt durch seine eigenen Gedichte und andere schönwissenschaftliche Schriften (man sehe Hitzigs gelehrtes Berlin S. 210), insbesondere aber durch Herausgabe der Schriften seines Freundes I. A. Bürger bekannt gemacht hat. Er war der letzte kaiserliche gekrönte Dichter; auch möchten außer ihm keine Ritter des weltlichen St. Joachim-Stifts-Ritter- und Mitglieder des pegnesischen Blumenordens zu Nürnberg, in welchem er den Namen „Lyndor“ führte, mehr existirt haben. (Letztere Vermuthung ist ungegründet, da der pegnesische Blumenorden sich bis zur Stunde einer thätigen Fortdauer erfreut, und mehrere talentvolle Dichter und Schriftsteller unter seinen Mitgliedern zählt.) (Pr. St.-Z.)

Dänemark.

Unterm gestrigen Datum hat eine große Ordensverleihung und Beförderung stattgefunden. Unter den Ritterkreuzen des Elephantenordens bemerkt man die Professoren Steinheil in München, Steffens in Berlin, Molitor in Frankfurt und Dahl in Dresden. (K. C. Bl.)

Die Berling'sche Zeitung publicirt eine königliche Verordnung, durch welche in Uebereinstimmung mit der Petition der Schleswigschen Provincialstände die deutsche Sprache als Kirchen- und Gerichtssprache im nördlichen Theil von Schleswig, woselbst der gemeine Mann größtentheils dänisch spricht, abgeschafft und die dänische Sprache an ihrer Statt eingeführt wird. – Zugleich untersagt die Verordnung den Gebrauch lateinischer Redensarten in gerichtlichen Documenten. – In Betreff der Behandlung, Freilassung und Freikaufung der Sklaven in Westindien sind umfassende Gesetze erlassen. – Nach der Thronbesteigung Christians VIII reichten bekanntlich die hiesigen Studenten zwei ziemlich verschiedene Adressen, und demnächst noch eine „Erklärung“ ein. Debatten unter den Studenten und der Beschluß einen Verein zu stiften, in dem künftig Alles verabredet werden sollte, was die Studenten betreffe, waren hievon die Folge. Der Verein trat trotz manches Widerspruchs von Seite des Consistoriums ins Leben, erhielt aber vor kurzem von jenem ein Schreiben, welches halb im bittenden, halb im befehlenden Ton verlangte, stets davon benachrichtigt zu werden, wann und wo man eine Versammlung halten wolle, welche Fragen discutirt werden sollten, und welche Beschlüsse man gefaßt habe. Die Repräsentanten der Studenten antworteten auf diese „Bitte“, sie publicirten die fraglichen Punkte, wären aber gern erbötig, dem Consistorium immer eine specielle Nachricht darüber zugehen zu lassen. Eine demnächst berufene Generalversammlung cassirte diesen Beschluß mit Rücksicht auf die Zukunft, und behauptete ihre gänzliche Unabhängigkeit vom Consistorium, welches nun dem Gerücht nach alle Mitglieder des Vereins von sämmtlichen akademischen Beneficien ausschließen, und, wenn dieß nicht hilft, nach königlichem Befehl den Verein aufheben will. Dieser Vorfall hat zu vielem Gerede und einer Steigerung der Spannungen Anlaß gegeben. – In Betreff der Eisenbahnfrage hat die Regierung eine Commission niedergesetzt, welcher Plane in dieser Beziehung vorzulegen sind. Man wird freie Concurrenz gewähren, und die Eisenbahn ins Leben treten lassen, welche die meisten Actionnäre zählt. Diesen Vortheil dürfte die Kiel-Hamburger Bahn haben, und der dänische Handelsstand, welcher darin seinen offenbaren Ruin sieht, auch eine abermalige Begünstigung Hamburgs fürchtet, gibt sich den lebhaftesten Besorgnissen hin.

Hier Näheres über die Auftritte von gestern Abend. Die Stimmung gleich einer Gewitterwolke. Prinzessin Karoline wurde, als sie nach dem Theater fuhr, mit großer Ehrfurcht und hie und da mit dem Ruf: „Es lebe die Tochter unseres alten Königs!“ begrüßt. Vor dem Hotel des Barons Thotts flammten Pechfackeln. Dieß wollte der dort versammelte Pöbel nicht leiden; die Fenster im untern Geschosse und die Straßenlaternen wurden zerschlagen und die Pechfackeln zweimal umgerissen, so daß dort Alles dunkel war, als der König kam. Eine große Anzahl Husaren füllte den Markt und wurde mit Bonmots empfangen; der alte König, meinte man, habe 10 bis 12 Mann zur Aufrechthaltung der Ordnung verwendet; jetzt sehe man ganze Escadronen. Endlich, gegen 11 Uhr, kam der Zug. Alles war lautlos und still, bis der Pöbel bei Thotts Palais ein Geheul erhob. Auf der Amalienburg hatte sich der loyale Theil der Bürgermasse versammelt, und begrüßte den König mit einem Hurrah, welches Andere mit Pfeifen beantworteten; dadurch entstand großer Lärm. Der König neigte sich aus dem Wagen und dankte; aber dieß beschwichtigte den Lärm nicht, der noch fortdauerte, als er schon im Schloß war. Des Königs Adjutant, Ewod, kam heraus, ging mitten unter die Masse und redete den Leuten zu, sich nach Hause zu begeben. Man wollte nicht. Er brachte ein Hurrah aus, worin man einstimmte; ja man geleitete ihn zu Hause und begrüßte ihn mit einem Lebehoch. Indessen waren andere Haufen nach dem Norden der Stadt geeilt, um den Studenten und dem Advocaten Christensen ein Lebehoch zu bringen und die Fenster der Judenkirche einzuschlagen. Die Polizei schritt ein; der Pöbel bewaffnete sich mit Pflastersteinen. Die Bewohner dieses Stadtviertels fürchteten jeden Augenblick die Wirbel des Generalmarsches zu hören, indessen ging doch Alles noch gnädig ab. Der Aufwand des Hofes, die Rede- und Preßprocesse, die Affaire mit den Studenten, die Eisenbahnangelegenheiten, die Beschränkung der Gratialien, ganz besonders aber die stolze Nichtachtung der öffentlichen Stimme, das Schweigen über alle Angelegenheiten, die das Publicum interessiren, steigern jeden Augenblick den Unmuth des Volks. Fadrelandet erklärt geradezu: die Stimmung ist nie der Regierung so feindselig gewesen. Die Polizei scheint Befehl zu haben, nur im äußersten Nothfall mit Thätlichkeiten vorzugehen, die auch sicher nicht ohne ernstliche Repressalien ablaufen würden.

Unterm 23 d. M. hat der akademische Senat ein wohlgefaßtes begütigendes Schreiben an die dänischen Studenten erlassen, in welchem er die nützliche und gute Seite der Discussion akademischer Gegenstände im Studentenverein anerkennt und diesem Gedeihen wünscht, so lange selbiger sich in diesen Schranken halte, auf der andern Seite aber mit einem Hinblick auf die deutschen Universitäten und ihre Umtriebe vor allen politischen Tendenzen warnt. Der Senat besteht auf seiner „Forderung“ von der Zeit der Versammlungen, ihrer Absicht und ihren Beschlüssen unterrichtet zu werden, er spricht die Hoffnung aus, daß der Verein sich hiezu bequemen werde, und warnt vor den sonst zu erwartenden Folgen, nämlich der Ausschießung der Theilnehmer von akademischen Beneficien und der Aufhebung des Vereins. Gestern ward das Schreiben den Studirenden zugestellt und in der Berling'schen Zeitung abgedruckt. Einige

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[1247/0007] ihm selbst unter den extremen Geistern, welche die Zeit der Revolutionen gebar, neue Anhänger zu gewinnen. _ Zossen, 24 Mai. Heute starb hier, wo er seit geraumer Zeit in stiller Zurückgezogenheit gelebt hatte, der herzogl. sachsen-gothaische Hofrath, Karl v. Reinhard, geboren 1769, der sich in der litterarischen Welt durch seine eigenen Gedichte und andere schönwissenschaftliche Schriften (man sehe Hitzigs gelehrtes Berlin S. 210), insbesondere aber durch Herausgabe der Schriften seines Freundes I. A. Bürger bekannt gemacht hat. Er war der letzte kaiserliche gekrönte Dichter; auch möchten außer ihm keine Ritter des weltlichen St. Joachim-Stifts-Ritter- und Mitglieder des pegnesischen Blumenordens zu Nürnberg, in welchem er den Namen „Lyndor“ führte, mehr existirt haben. (Letztere Vermuthung ist ungegründet, da der pegnesische Blumenorden sich bis zur Stunde einer thätigen Fortdauer erfreut, und mehrere talentvolle Dichter und Schriftsteller unter seinen Mitgliedern zählt.) (Pr. St.-Z.) Dänemark. _ Kopenhagen, 23 Mai. Unterm gestrigen Datum hat eine große Ordensverleihung und Beförderung stattgefunden. Unter den Ritterkreuzen des Elephantenordens bemerkt man die Professoren Steinheil in München, Steffens in Berlin, Molitor in Frankfurt und Dahl in Dresden. (K. C. Bl.) _ Kopenhagen, 24 Mai. Die Berling'sche Zeitung publicirt eine königliche Verordnung, durch welche in Uebereinstimmung mit der Petition der Schleswigschen Provincialstände die deutsche Sprache als Kirchen- und Gerichtssprache im nördlichen Theil von Schleswig, woselbst der gemeine Mann größtentheils dänisch spricht, abgeschafft und die dänische Sprache an ihrer Statt eingeführt wird. – Zugleich untersagt die Verordnung den Gebrauch lateinischer Redensarten in gerichtlichen Documenten. – In Betreff der Behandlung, Freilassung und Freikaufung der Sklaven in Westindien sind umfassende Gesetze erlassen. – Nach der Thronbesteigung Christians VIII reichten bekanntlich die hiesigen Studenten zwei ziemlich verschiedene Adressen, und demnächst noch eine „Erklärung“ ein. Debatten unter den Studenten und der Beschluß einen Verein zu stiften, in dem künftig Alles verabredet werden sollte, was die Studenten betreffe, waren hievon die Folge. Der Verein trat trotz manches Widerspruchs von Seite des Consistoriums ins Leben, erhielt aber vor kurzem von jenem ein Schreiben, welches halb im bittenden, halb im befehlenden Ton verlangte, stets davon benachrichtigt zu werden, wann und wo man eine Versammlung halten wolle, welche Fragen discutirt werden sollten, und welche Beschlüsse man gefaßt habe. Die Repräsentanten der Studenten antworteten auf diese „Bitte“, sie publicirten die fraglichen Punkte, wären aber gern erbötig, dem Consistorium immer eine specielle Nachricht darüber zugehen zu lassen. Eine demnächst berufene Generalversammlung cassirte diesen Beschluß mit Rücksicht auf die Zukunft, und behauptete ihre gänzliche Unabhängigkeit vom Consistorium, welches nun dem Gerücht nach alle Mitglieder des Vereins von sämmtlichen akademischen Beneficien ausschließen, und, wenn dieß nicht hilft, nach königlichem Befehl den Verein aufheben will. Dieser Vorfall hat zu vielem Gerede und einer Steigerung der Spannungen Anlaß gegeben. – In Betreff der Eisenbahnfrage hat die Regierung eine Commission niedergesetzt, welcher Plane in dieser Beziehung vorzulegen sind. Man wird freie Concurrenz gewähren, und die Eisenbahn ins Leben treten lassen, welche die meisten Actionnäre zählt. Diesen Vortheil dürfte die Kiel-Hamburger Bahn haben, und der dänische Handelsstand, welcher darin seinen offenbaren Ruin sieht, auch eine abermalige Begünstigung Hamburgs fürchtet, gibt sich den lebhaftesten Besorgnissen hin. _ Kopenhagen, 24 Mai. Hier Näheres über die Auftritte von gestern Abend. Die Stimmung gleich einer Gewitterwolke. Prinzessin Karoline wurde, als sie nach dem Theater fuhr, mit großer Ehrfurcht und hie und da mit dem Ruf: „Es lebe die Tochter unseres alten Königs!“ begrüßt. Vor dem Hotel des Barons Thotts flammten Pechfackeln. Dieß wollte der dort versammelte Pöbel nicht leiden; die Fenster im untern Geschosse und die Straßenlaternen wurden zerschlagen und die Pechfackeln zweimal umgerissen, so daß dort Alles dunkel war, als der König kam. Eine große Anzahl Husaren füllte den Markt und wurde mit Bonmots empfangen; der alte König, meinte man, habe 10 bis 12 Mann zur Aufrechthaltung der Ordnung verwendet; jetzt sehe man ganze Escadronen. Endlich, gegen 11 Uhr, kam der Zug. Alles war lautlos und still, bis der Pöbel bei Thotts Palais ein Geheul erhob. Auf der Amalienburg hatte sich der loyale Theil der Bürgermasse versammelt, und begrüßte den König mit einem Hurrah, welches Andere mit Pfeifen beantworteten; dadurch entstand großer Lärm. Der König neigte sich aus dem Wagen und dankte; aber dieß beschwichtigte den Lärm nicht, der noch fortdauerte, als er schon im Schloß war. Des Königs Adjutant, Ewod, kam heraus, ging mitten unter die Masse und redete den Leuten zu, sich nach Hause zu begeben. Man wollte nicht. Er brachte ein Hurrah aus, worin man einstimmte; ja man geleitete ihn zu Hause und begrüßte ihn mit einem Lebehoch. Indessen waren andere Haufen nach dem Norden der Stadt geeilt, um den Studenten und dem Advocaten Christensen ein Lebehoch zu bringen und die Fenster der Judenkirche einzuschlagen. Die Polizei schritt ein; der Pöbel bewaffnete sich mit Pflastersteinen. Die Bewohner dieses Stadtviertels fürchteten jeden Augenblick die Wirbel des Generalmarsches zu hören, indessen ging doch Alles noch gnädig ab. Der Aufwand des Hofes, die Rede- und Preßprocesse, die Affaire mit den Studenten, die Eisenbahnangelegenheiten, die Beschränkung der Gratialien, ganz besonders aber die stolze Nichtachtung der öffentlichen Stimme, das Schweigen über alle Angelegenheiten, die das Publicum interessiren, steigern jeden Augenblick den Unmuth des Volks. Fadrelandet erklärt geradezu: die Stimmung ist nie der Regierung so feindselig gewesen. Die Polizei scheint Befehl zu haben, nur im äußersten Nothfall mit Thätlichkeiten vorzugehen, die auch sicher nicht ohne ernstliche Repressalien ablaufen würden. _ Kopenhagen, 26 Mai. Unterm 23 d. M. hat der akademische Senat ein wohlgefaßtes begütigendes Schreiben an die dänischen Studenten erlassen, in welchem er die nützliche und gute Seite der Discussion akademischer Gegenstände im Studentenverein anerkennt und diesem Gedeihen wünscht, so lange selbiger sich in diesen Schranken halte, auf der andern Seite aber mit einem Hinblick auf die deutschen Universitäten und ihre Umtriebe vor allen politischen Tendenzen warnt. Der Senat besteht auf seiner „Forderung“ von der Zeit der Versammlungen, ihrer Absicht und ihren Beschlüssen unterrichtet zu werden, er spricht die Hoffnung aus, daß der Verein sich hiezu bequemen werde, und warnt vor den sonst zu erwartenden Folgen, nämlich der Ausschießung der Theilnehmer von akademischen Beneficien und der Aufhebung des Vereins. Gestern ward das Schreiben den Studirenden zugestellt und in der Berling'schen Zeitung abgedruckt. Einige

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 156. Augsburg, 4. Juni 1840, S. 1247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_156_18400604/7>, abgerufen am 23.11.2024.