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Allgemeine Zeitung. Nr. 151. Augsburg, 30. Mai 1840.

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Erinnerungen aus Griechenland und den jonischen Inseln.

I. Ersteigung des Taygetos.

(Beschluß.)

1836. Man weckte uns schon um 1 Uhr, den weiten Weg vor dem Aufgang der Sonne, der vom Gipfel aus betrachtet werden sollte, bis dahin noch zurücklegen zu können. Nur Wenige haben diesen Gipfel bestiegen, und Viele sind vor dem Ziel zurückgekehrt, da die Erklimmung desselben im höchsten Grade beschwerlich und an manchen Stellen gefährlich ist, oben auch fast immer ein eiskalter Wind herrscht, der heute zu einem förmlichen Sturm angewachsen war. Dessen ungeachtet zählte ich unter meinen Vorgängern zwei berühmte Namen, die mit dieser Expedition militärische Zwecke verbanden. Der erste ist kein Geringerer als Ibrahim Pascha, der den Berg von der Maina aus bestieg, um einen genauen Ueberblick der ganzen Gegend zu gewinnen; der zweite ist der griechische Generallieutenant Church, oder Stratikos Georgio, wie ihn die Griechen nennen.

Man pflegt von Puli-Vrisi an, oder wenigstens in kurzer Entfernung davon, zu Fuß weiter zu steigen, da aber unsere Maulthiere sehr gut waren, wollte ich versuchen, mich noch so weit als möglich ihrer zu bedienen, obgleich die Art dieses Reitens hier nicht die angenehmste ist. Man sitzt hoch über dem Thiere auf einem mit Teppichen belegten Packsattel, der durch nichts als einen Strick um den Leib des Maulesels befestigt wird; andere zwei Stricke dienen als Bügel, und die ganze Vorrichtung ist so schwankend, daß man sich mit der größten Vorsicht in der Balance erhalten muß, um nicht mit umgedrehtem Sattel herabzufallen. Das Thier hat keinen Zaum, sondern wird an einer um die Nase gebundenen Leine von einem Führer geleitet, während ein anderer, um es anzutreiben, hinterher geht. Es war noch völlig dunkel, als wir aufbrachen, und blieb fast eine Stunde so, in der ich, aller Ermahnungen und Weigerungen der Führer ungeachtet, meinen luftigen Sitz nicht verließ, bis an einer gerade aufsteigenden Felsenwand alle Möglichkeit des Reitens aufhörte. Ich muß aufrichtig bekennen, daß die Dunkelheit viel zu diesem Wagstück beitrug, denn als wir bei Tage wieder auf demselben Wege zu Fuß hinabstiegen, traute ich kaum meinen eigenen Augen, und würde, wenn ich es nicht selbst erlebt, die Ausführung eines solchen Rittes für eine Fabel gehalten haben, auch hatte man Noth genug, die Thiere nachher nur leer hinabzubringen.

Seit Afrika des anhaltenden Fußgehens fast ganz entwöhnt, ward mir das Klimmen in der ersten halben Stunde äußerst peinlich, doch nach und nach kam ich wieder in den alten Gang. Wir gelangten jetzt an ein fast senkrecht absteigendes, hart gefrornes Schneefeld, in das die Führer Fußstapfen schlugen, in welche sorgfältig tretend wir Uebrigen hinüber gehen sollten. Hr. Emil, der bei dem wahrhaft halsbrechend zu nennenden Ritt mir herzhaft gefolgt war, wurde hier vom Schwindel übermannt, glitschte beim ersten Fußtritt aus, und hatte von Glück zu sagen, daß er, an einen Stein sich anklammernd, auf Händen und Füßen das eben verlassene feste Ufer wieder zu gewinnen im Stande war. Doch mußte er den zweiten Versuch aufgeben, und blieb, Bergblumen sammelnd, auf dem Plateau zurück, wobei er übrigens gewiß den besten Theil erwählte, denn ich und die Führer waren genöthigt, noch über eine Stunde im Schweiße unsers Angesichts, den selbst der eisige Wind nur momentan dämpfte, fortzuklettern. Bewunderungswürdig war die Unermüdlichkeit der Gendarmen und Milizsoldaten, die mit dem Anstand Tanzender die schwierigsten Klippen hinansprangen, und obgleich von Schweiß triefend, doch nie die mindeste Müdigkeit dabei verriethen. Ich selbst brauchte oft die Stütze ihrer Hände, ehe ich dem heiligen Elias - dem Erben und Nachfolger des Helios - auf seinem Steinthrone meine Devotion bezeigen konnte, wo ich mir, vor Kälte schauernd, jetzt sehnlich etwas von der feurigen Wolke wünschte, auf welcher der Prophet einst gen Himmel fuhr. Die Bergkuppe läuft in eine regelmäßige konische Spitze aus, auf der man einen viereckigen, losen Wall von dem umherliegenden Felsgerölle aufgeführt hat. Während ich mich hier, doch in etwas vor dem unleidlichen Wintersturme geschützt, in zwei Mäntel gewickelt niedersetzte und mein Perspectiv befestigen ließ, vergnügten sich meine militärischen Begleiter damit, zuerst ihre Flinten abzufeuern, dann Schneekugeln in der Hand zu formen, von denen Jeder drei bis vier, gleich so viel Bechern Gefrornes, zu sich nahm und das Eis mit den Zähnen knirschend zerbiß, wie manche Leute mit Zucker zu thun pflegen; endlich legten sie sich selbst, zu noch besserer Abkühlung, sämmtlich auf den Schnee hin, und luden dort von neuem ihre Gewehre. Man sieht, die Natur gewöhnt sich an Alles, aber so abgehärtete Soldaten scheinen mir unbezahlbar.

Obgleich kaum eine einzige Wolke sich am Himmel zeigte, war die Witterung doch nicht günstig, denn ein dicker bläulicher Dunst umhüllte alle fernen Gegenstände. Von der ungeheuern Aussicht, die sich hier in klaren Tagen (welche jedoch zu den höchsten Seltenheiten gehören) über einen ganzen Theil der Erde, bis in die Gegenden von Smyrna und selbst Konstantinopel, bis Malta, Sicilien und die jonischen Inseln ausbreiten soll, sah ich nur wenig. Kaum konnte ich, wie einen undeutlichen Nebel, Candia erkennen; von den jonischen Inseln zeigte sich, außer dem nahen Cerigo, keine Spur, die Berge Rumeliens selbst waren nur schwach sichtbar, und vom Archipelagus entdeckte ich allein, über die Landzunge hinweg, Poros und ein Stück von Aegina, weil auf diese gerade der Sonne Strahlen trafen. Dagegen gewahrte man allerdings den größten Theil des Peloponnes, besonders die Maina, Lakonien und Messenien mit den Festungen von Koron und Modon, gleich einer sauber gezeichneten Landkarte unter sich, zur willkommensten und vollständigsten Orientirung. Immer noch war diese Aussicht von hohem Interesse, doch lange nicht das, was sie seyn konnte, wenn Elias gewollt hätte! Die beste Zeit zur Ersteigung des Taygetos mag vielleicht Ende Octobers oder Anfang Novembers, kurz vor oder nach Regenwetter seyn, wo die gewaltige Sonne nicht mehr so viel Dünste aus den Thälern emporzieht. Ich bezweifle, daß im Sommer je der Ueberblick allumfassend sey. Nach der französischen Messung ist der Gipfel des heiligen Elias 2390 Meter, also etwas über 7000 Fuß hoch, 50 Fuß höher als der Kyllene am Styx im Gebirge Khelmos, nach dem heil. Elias der höchste Berg in der Morea, wie man auch von hier deutlich gewahr ward.

Wir hatten zur Ersteigung des Agios Elias von der Ebene aus vier Stunden zu Pferde, eine zu Maulesel und anderthalb zu Fuß gebraucht; der Rückmarsch bis Puli Vrisi zu Fuß erforderte etwas über zwei Stunden, und ich glaube, daß ich nie in meinem Leben ermüdeter gewesen bin, als bei meiner Ankunft daselbst. Man sollte meinen, Athen habe als Capua auf mich gewirkt, denn als ich durch den Genuß einiger Kübel Milch nur den unauslöschlichen Durst in etwas

Erinnerungen aus Griechenland und den jonischen Inseln.

I. Ersteigung des Taygetos.

(Beschluß.)

1836. Man weckte uns schon um 1 Uhr, den weiten Weg vor dem Aufgang der Sonne, der vom Gipfel aus betrachtet werden sollte, bis dahin noch zurücklegen zu können. Nur Wenige haben diesen Gipfel bestiegen, und Viele sind vor dem Ziel zurückgekehrt, da die Erklimmung desselben im höchsten Grade beschwerlich und an manchen Stellen gefährlich ist, oben auch fast immer ein eiskalter Wind herrscht, der heute zu einem förmlichen Sturm angewachsen war. Dessen ungeachtet zählte ich unter meinen Vorgängern zwei berühmte Namen, die mit dieser Expedition militärische Zwecke verbanden. Der erste ist kein Geringerer als Ibrahim Pascha, der den Berg von der Maina aus bestieg, um einen genauen Ueberblick der ganzen Gegend zu gewinnen; der zweite ist der griechische Generallieutenant Church, oder Stratikos Georgio, wie ihn die Griechen nennen.

Man pflegt von Puli-Vrisi an, oder wenigstens in kurzer Entfernung davon, zu Fuß weiter zu steigen, da aber unsere Maulthiere sehr gut waren, wollte ich versuchen, mich noch so weit als möglich ihrer zu bedienen, obgleich die Art dieses Reitens hier nicht die angenehmste ist. Man sitzt hoch über dem Thiere auf einem mit Teppichen belegten Packsattel, der durch nichts als einen Strick um den Leib des Maulesels befestigt wird; andere zwei Stricke dienen als Bügel, und die ganze Vorrichtung ist so schwankend, daß man sich mit der größten Vorsicht in der Balance erhalten muß, um nicht mit umgedrehtem Sattel herabzufallen. Das Thier hat keinen Zaum, sondern wird an einer um die Nase gebundenen Leine von einem Führer geleitet, während ein anderer, um es anzutreiben, hinterher geht. Es war noch völlig dunkel, als wir aufbrachen, und blieb fast eine Stunde so, in der ich, aller Ermahnungen und Weigerungen der Führer ungeachtet, meinen luftigen Sitz nicht verließ, bis an einer gerade aufsteigenden Felsenwand alle Möglichkeit des Reitens aufhörte. Ich muß aufrichtig bekennen, daß die Dunkelheit viel zu diesem Wagstück beitrug, denn als wir bei Tage wieder auf demselben Wege zu Fuß hinabstiegen, traute ich kaum meinen eigenen Augen, und würde, wenn ich es nicht selbst erlebt, die Ausführung eines solchen Rittes für eine Fabel gehalten haben, auch hatte man Noth genug, die Thiere nachher nur leer hinabzubringen.

Seit Afrika des anhaltenden Fußgehens fast ganz entwöhnt, ward mir das Klimmen in der ersten halben Stunde äußerst peinlich, doch nach und nach kam ich wieder in den alten Gang. Wir gelangten jetzt an ein fast senkrecht absteigendes, hart gefrornes Schneefeld, in das die Führer Fußstapfen schlugen, in welche sorgfältig tretend wir Uebrigen hinüber gehen sollten. Hr. Emil, der bei dem wahrhaft halsbrechend zu nennenden Ritt mir herzhaft gefolgt war, wurde hier vom Schwindel übermannt, glitschte beim ersten Fußtritt aus, und hatte von Glück zu sagen, daß er, an einen Stein sich anklammernd, auf Händen und Füßen das eben verlassene feste Ufer wieder zu gewinnen im Stande war. Doch mußte er den zweiten Versuch aufgeben, und blieb, Bergblumen sammelnd, auf dem Plateau zurück, wobei er übrigens gewiß den besten Theil erwählte, denn ich und die Führer waren genöthigt, noch über eine Stunde im Schweiße unsers Angesichts, den selbst der eisige Wind nur momentan dämpfte, fortzuklettern. Bewunderungswürdig war die Unermüdlichkeit der Gendarmen und Milizsoldaten, die mit dem Anstand Tanzender die schwierigsten Klippen hinansprangen, und obgleich von Schweiß triefend, doch nie die mindeste Müdigkeit dabei verriethen. Ich selbst brauchte oft die Stütze ihrer Hände, ehe ich dem heiligen Elias – dem Erben und Nachfolger des Helios – auf seinem Steinthrone meine Devotion bezeigen konnte, wo ich mir, vor Kälte schauernd, jetzt sehnlich etwas von der feurigen Wolke wünschte, auf welcher der Prophet einst gen Himmel fuhr. Die Bergkuppe läuft in eine regelmäßige konische Spitze aus, auf der man einen viereckigen, losen Wall von dem umherliegenden Felsgerölle aufgeführt hat. Während ich mich hier, doch in etwas vor dem unleidlichen Wintersturme geschützt, in zwei Mäntel gewickelt niedersetzte und mein Perspectiv befestigen ließ, vergnügten sich meine militärischen Begleiter damit, zuerst ihre Flinten abzufeuern, dann Schneekugeln in der Hand zu formen, von denen Jeder drei bis vier, gleich so viel Bechern Gefrornes, zu sich nahm und das Eis mit den Zähnen knirschend zerbiß, wie manche Leute mit Zucker zu thun pflegen; endlich legten sie sich selbst, zu noch besserer Abkühlung, sämmtlich auf den Schnee hin, und luden dort von neuem ihre Gewehre. Man sieht, die Natur gewöhnt sich an Alles, aber so abgehärtete Soldaten scheinen mir unbezahlbar.

Obgleich kaum eine einzige Wolke sich am Himmel zeigte, war die Witterung doch nicht günstig, denn ein dicker bläulicher Dunst umhüllte alle fernen Gegenstände. Von der ungeheuern Aussicht, die sich hier in klaren Tagen (welche jedoch zu den höchsten Seltenheiten gehören) über einen ganzen Theil der Erde, bis in die Gegenden von Smyrna und selbst Konstantinopel, bis Malta, Sicilien und die jonischen Inseln ausbreiten soll, sah ich nur wenig. Kaum konnte ich, wie einen undeutlichen Nebel, Candia erkennen; von den jonischen Inseln zeigte sich, außer dem nahen Cerigo, keine Spur, die Berge Rumeliens selbst waren nur schwach sichtbar, und vom Archipelagus entdeckte ich allein, über die Landzunge hinweg, Poros und ein Stück von Aegina, weil auf diese gerade der Sonne Strahlen trafen. Dagegen gewahrte man allerdings den größten Theil des Peloponnes, besonders die Maina, Lakonien und Messenien mit den Festungen von Koron und Modon, gleich einer sauber gezeichneten Landkarte unter sich, zur willkommensten und vollständigsten Orientirung. Immer noch war diese Aussicht von hohem Interesse, doch lange nicht das, was sie seyn konnte, wenn Elias gewollt hätte! Die beste Zeit zur Ersteigung des Taygetos mag vielleicht Ende Octobers oder Anfang Novembers, kurz vor oder nach Regenwetter seyn, wo die gewaltige Sonne nicht mehr so viel Dünste aus den Thälern emporzieht. Ich bezweifle, daß im Sommer je der Ueberblick allumfassend sey. Nach der französischen Messung ist der Gipfel des heiligen Elias 2390 Meter, also etwas über 7000 Fuß hoch, 50 Fuß höher als der Kyllene am Styx im Gebirge Khelmós, nach dem heil. Elias der höchste Berg in der Morea, wie man auch von hier deutlich gewahr ward.

Wir hatten zur Ersteigung des Agios Elias von der Ebene aus vier Stunden zu Pferde, eine zu Maulesel und anderthalb zu Fuß gebraucht; der Rückmarsch bis Puli Vrisi zu Fuß erforderte etwas über zwei Stunden, und ich glaube, daß ich nie in meinem Leben ermüdeter gewesen bin, als bei meiner Ankunft daselbst. Man sollte meinen, Athen habe als Capua auf mich gewirkt, denn als ich durch den Genuß einiger Kübel Milch nur den unauslöschlichen Durst in etwas

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          <p> 1836. Man weckte uns schon um 1 Uhr, den weiten Weg vor dem Aufgang der Sonne, der vom Gipfel aus betrachtet werden sollte, bis dahin noch zurücklegen zu können. Nur Wenige haben diesen Gipfel bestiegen, und Viele sind vor dem Ziel zurückgekehrt, da die Erklimmung desselben im höchsten Grade beschwerlich und an manchen Stellen gefährlich ist, oben auch fast immer ein eiskalter Wind herrscht, der heute zu einem förmlichen Sturm angewachsen war. Dessen ungeachtet zählte ich unter meinen Vorgängern zwei berühmte Namen, die mit dieser Expedition militärische Zwecke verbanden. Der erste ist kein Geringerer als Ibrahim Pascha, der den Berg von der Maina aus bestieg, um einen genauen Ueberblick der ganzen Gegend zu gewinnen; der zweite ist der griechische Generallieutenant Church, oder Stratikos Georgio, wie ihn die Griechen nennen.</p><lb/>
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[1201/0009] Erinnerungen aus Griechenland und den jonischen Inseln. I. Ersteigung des Taygetos. (Beschluß.) _ Festes Schloß Gurzúna, 22 Jun. 1836. Man weckte uns schon um 1 Uhr, den weiten Weg vor dem Aufgang der Sonne, der vom Gipfel aus betrachtet werden sollte, bis dahin noch zurücklegen zu können. Nur Wenige haben diesen Gipfel bestiegen, und Viele sind vor dem Ziel zurückgekehrt, da die Erklimmung desselben im höchsten Grade beschwerlich und an manchen Stellen gefährlich ist, oben auch fast immer ein eiskalter Wind herrscht, der heute zu einem förmlichen Sturm angewachsen war. Dessen ungeachtet zählte ich unter meinen Vorgängern zwei berühmte Namen, die mit dieser Expedition militärische Zwecke verbanden. Der erste ist kein Geringerer als Ibrahim Pascha, der den Berg von der Maina aus bestieg, um einen genauen Ueberblick der ganzen Gegend zu gewinnen; der zweite ist der griechische Generallieutenant Church, oder Stratikos Georgio, wie ihn die Griechen nennen. Man pflegt von Puli-Vrisi an, oder wenigstens in kurzer Entfernung davon, zu Fuß weiter zu steigen, da aber unsere Maulthiere sehr gut waren, wollte ich versuchen, mich noch so weit als möglich ihrer zu bedienen, obgleich die Art dieses Reitens hier nicht die angenehmste ist. Man sitzt hoch über dem Thiere auf einem mit Teppichen belegten Packsattel, der durch nichts als einen Strick um den Leib des Maulesels befestigt wird; andere zwei Stricke dienen als Bügel, und die ganze Vorrichtung ist so schwankend, daß man sich mit der größten Vorsicht in der Balance erhalten muß, um nicht mit umgedrehtem Sattel herabzufallen. Das Thier hat keinen Zaum, sondern wird an einer um die Nase gebundenen Leine von einem Führer geleitet, während ein anderer, um es anzutreiben, hinterher geht. Es war noch völlig dunkel, als wir aufbrachen, und blieb fast eine Stunde so, in der ich, aller Ermahnungen und Weigerungen der Führer ungeachtet, meinen luftigen Sitz nicht verließ, bis an einer gerade aufsteigenden Felsenwand alle Möglichkeit des Reitens aufhörte. Ich muß aufrichtig bekennen, daß die Dunkelheit viel zu diesem Wagstück beitrug, denn als wir bei Tage wieder auf demselben Wege zu Fuß hinabstiegen, traute ich kaum meinen eigenen Augen, und würde, wenn ich es nicht selbst erlebt, die Ausführung eines solchen Rittes für eine Fabel gehalten haben, auch hatte man Noth genug, die Thiere nachher nur leer hinabzubringen. Seit Afrika des anhaltenden Fußgehens fast ganz entwöhnt, ward mir das Klimmen in der ersten halben Stunde äußerst peinlich, doch nach und nach kam ich wieder in den alten Gang. Wir gelangten jetzt an ein fast senkrecht absteigendes, hart gefrornes Schneefeld, in das die Führer Fußstapfen schlugen, in welche sorgfältig tretend wir Uebrigen hinüber gehen sollten. Hr. Emil, der bei dem wahrhaft halsbrechend zu nennenden Ritt mir herzhaft gefolgt war, wurde hier vom Schwindel übermannt, glitschte beim ersten Fußtritt aus, und hatte von Glück zu sagen, daß er, an einen Stein sich anklammernd, auf Händen und Füßen das eben verlassene feste Ufer wieder zu gewinnen im Stande war. Doch mußte er den zweiten Versuch aufgeben, und blieb, Bergblumen sammelnd, auf dem Plateau zurück, wobei er übrigens gewiß den besten Theil erwählte, denn ich und die Führer waren genöthigt, noch über eine Stunde im Schweiße unsers Angesichts, den selbst der eisige Wind nur momentan dämpfte, fortzuklettern. Bewunderungswürdig war die Unermüdlichkeit der Gendarmen und Milizsoldaten, die mit dem Anstand Tanzender die schwierigsten Klippen hinansprangen, und obgleich von Schweiß triefend, doch nie die mindeste Müdigkeit dabei verriethen. Ich selbst brauchte oft die Stütze ihrer Hände, ehe ich dem heiligen Elias – dem Erben und Nachfolger des Helios – auf seinem Steinthrone meine Devotion bezeigen konnte, wo ich mir, vor Kälte schauernd, jetzt sehnlich etwas von der feurigen Wolke wünschte, auf welcher der Prophet einst gen Himmel fuhr. Die Bergkuppe läuft in eine regelmäßige konische Spitze aus, auf der man einen viereckigen, losen Wall von dem umherliegenden Felsgerölle aufgeführt hat. Während ich mich hier, doch in etwas vor dem unleidlichen Wintersturme geschützt, in zwei Mäntel gewickelt niedersetzte und mein Perspectiv befestigen ließ, vergnügten sich meine militärischen Begleiter damit, zuerst ihre Flinten abzufeuern, dann Schneekugeln in der Hand zu formen, von denen Jeder drei bis vier, gleich so viel Bechern Gefrornes, zu sich nahm und das Eis mit den Zähnen knirschend zerbiß, wie manche Leute mit Zucker zu thun pflegen; endlich legten sie sich selbst, zu noch besserer Abkühlung, sämmtlich auf den Schnee hin, und luden dort von neuem ihre Gewehre. Man sieht, die Natur gewöhnt sich an Alles, aber so abgehärtete Soldaten scheinen mir unbezahlbar. Obgleich kaum eine einzige Wolke sich am Himmel zeigte, war die Witterung doch nicht günstig, denn ein dicker bläulicher Dunst umhüllte alle fernen Gegenstände. Von der ungeheuern Aussicht, die sich hier in klaren Tagen (welche jedoch zu den höchsten Seltenheiten gehören) über einen ganzen Theil der Erde, bis in die Gegenden von Smyrna und selbst Konstantinopel, bis Malta, Sicilien und die jonischen Inseln ausbreiten soll, sah ich nur wenig. Kaum konnte ich, wie einen undeutlichen Nebel, Candia erkennen; von den jonischen Inseln zeigte sich, außer dem nahen Cerigo, keine Spur, die Berge Rumeliens selbst waren nur schwach sichtbar, und vom Archipelagus entdeckte ich allein, über die Landzunge hinweg, Poros und ein Stück von Aegina, weil auf diese gerade der Sonne Strahlen trafen. Dagegen gewahrte man allerdings den größten Theil des Peloponnes, besonders die Maina, Lakonien und Messenien mit den Festungen von Koron und Modon, gleich einer sauber gezeichneten Landkarte unter sich, zur willkommensten und vollständigsten Orientirung. Immer noch war diese Aussicht von hohem Interesse, doch lange nicht das, was sie seyn konnte, wenn Elias gewollt hätte! Die beste Zeit zur Ersteigung des Taygetos mag vielleicht Ende Octobers oder Anfang Novembers, kurz vor oder nach Regenwetter seyn, wo die gewaltige Sonne nicht mehr so viel Dünste aus den Thälern emporzieht. Ich bezweifle, daß im Sommer je der Ueberblick allumfassend sey. Nach der französischen Messung ist der Gipfel des heiligen Elias 2390 Meter, also etwas über 7000 Fuß hoch, 50 Fuß höher als der Kyllene am Styx im Gebirge Khelmós, nach dem heil. Elias der höchste Berg in der Morea, wie man auch von hier deutlich gewahr ward. Wir hatten zur Ersteigung des Agios Elias von der Ebene aus vier Stunden zu Pferde, eine zu Maulesel und anderthalb zu Fuß gebraucht; der Rückmarsch bis Puli Vrisi zu Fuß erforderte etwas über zwei Stunden, und ich glaube, daß ich nie in meinem Leben ermüdeter gewesen bin, als bei meiner Ankunft daselbst. Man sollte meinen, Athen habe als Capua auf mich gewirkt, denn als ich durch den Genuß einiger Kübel Milch nur den unauslöschlichen Durst in etwas

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 151. Augsburg, 30. Mai 1840, S. 1201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_151_18400530/9>, abgerufen am 22.11.2024.