Allgemeine Zeitung. Nr. 138. Augsburg, 17. Mai 1840.Uebersicht schwerlich zu Ende gelesen haben. Und doch gibt es kaum ein anregenderes Gedankenspiel, als sich in die historischen Anfänge unseres Volks zu versetzen, wo es sich im Verkehr mit dem mächtigen Volke zu seiner weltgeschichtlichen Rolle einübte; sich im Raum mitten auf den Schauplatz so großer, für das Schicksal der Welt so entscheidender Bewegungen, und in der Zeit so unendlich fern davon zu fühlen. Auch hier, in dieser Vorbucht des Reichs, wie überall längs der beiden großen Ströme, ging der Germane bei dem Römer Jahrhunderte lang in die Schule der Kriegs- und Friedenskünste, und der Römer ahnte lange nicht, daß er, indem er sich ein brauchbares Werkzeug zu ziehen meinte, der ewigen Stadt die entsetzliche Ruthe band. Aber es scheint allerdings, daß man in der Jugend mit diesem Volk in seinen Schriftwerken gelebt haben muß, um bei Nachrichten von dem Treiben desselben auf unserem eigenen Boden mehr zu denken, als bei den tausend Notizen aus allen Fächern des Wissens, die in unserer encyklopädischen Zeit an dem sich schnell Belehrenden und eben so schnell Vergessenden gleich den Bildern einer Zauberlaterne vorübergehen. Man muß mit den Römern ihre Lager und Schlachten geschlagen, man muß mit ihnen triumphirt und Colonien hinausgeführt haben, um zu begreifen, wie einer die Hände mit zitternder Hast nach einer beschriebenen Scherbe aus Siegelerde, wie nach einem Schatz ausstrecken, wie er die Steinschiffre eines Hadrian oder Antonin mit größerer Wonne überfliegen kann, als ein Handschreiben seines Landesvaters. Schweiz. Zürich, 12 Mai. Gestern Morgen verstarb nach kurzem Krankenlager der Regierungsrath Dr. Ferdinand Meyer von hier. In engern und weitern Kreisen wird sein frühzeitiger Hingang (er war erst 41 Jahre alt) schmerzlich empfunden. Auch der Allg. Zeitung, deren regelmäßiger Correspondent er mehrere Jahre hindurch gewesen, ziemt es, seiner zu gedenken. Meyer, schon frühzeitig der politischen Laufbahn in unserer Republik zugewendet, hatte noch vor dem Jahr 1830 im Großrathe Ansehen und Einfluß erlangt. Wie er wissenschaftlich mit besonderer Vorliebe die Zeit der Reformation studirte, so ließ er sich auch praktisch von einem reformatorischen Geiste leiten. An den Verfassungsarbeiten im Jahr 1830 nahm er ernsten und warmen Antheil. Seine Voten in der Verfassungscommission waren oft die gründlichsten. Damals schon widersetzte er sich Allem, was er für revolutionär und fremdartig hielt, beförderte dagegen Alles, was ihm der naturgemäßen Entwicklung des höher strebenden Volksgeistes zuzusagen schien. Gründliche Bildung und Kenntnisse, große Pflichttreue und Gewissenhaftigkeit in seinem Berufe, Sinn für äußere Ordnung, warme Liebe zum Vaterlande, und ein vorzügliches Talent zu gesetzgeberischen Redactionsarbeiten zeichneten ihn aus von vielen andern. So lebte und wirkte er auch im Regierungsrathe, dessen Mitglied er in den ersten Jahren nach der Revolution von 1830 war. Aber als die politischen Leidenschaften zunahmen, in schweizerischen und zürcherischen Dingen der Radicalismus sich stärker geltend machte, und durch Stiftung eines politischen Vereins die damals gemäßigte Majorität des Regierungsrathes gebrochen werden sollte, da zog auch er sich ganz von den Staatsgeschäften zurück. Er gehörte eher zu den zarten als zu den kräftigen Naturen, war im öffentlichen Auftreten eher etwas schüchtern als kühn. Die Seele voll Liebe und seinem Sinn für alles Edlere und Höhere fühlte sich von den rauhen Stürmen der Außenwelt widrig berührt und verschloß sich. Damals suchte und fand er einen neuen stilleren Wirkungskreis in dem Lehrerberufe, und nur die Liebe zum Erziehungswesen knüpfte ihn noch an die öffentlichen Geschäfte. Als Erziehungsrath hielt er aus in allen Kämpfen, und verblieb eines der thätigsten und einflußreichsten Mitglieder. Ihm hat insbesondere das höhere Unterrichtswesen äußerst viel zu verdanken. Die Arbeiten für Gründung und Entwicklung der Hochschule, des Gymnasiums und der Industrieschule lagen vornehmlich auf ihm. Auch in dem abgetretenen Erziehungsrathe war er Präsident der ersten (wissenschaftlichen) Section. Die neueste Zeit führte ihn ins politische Leben zurück. An der Bewegung des letzten Jahres nahm er von Anfang großen Antheil. Ueberzeugt, daß nur von dem religiösen Leben aus das politische Leben wahrhaft reformirt und gehoben werden könne, freute er sich des religiösen Sinnes, welcher sich in dem Volke kund gab. Mit ganzer Seele war er dieser Geistesrichtung ergeben, und auf das Wesentliche achtend, beurtheilte er milde, was sich durch den Verlauf und Ausbruch des Kampfes Unordentliches beigemischt hatte. Gerne und freudig folgte er 1839 dem Rufe des neuen Großrathes, in die Regierung zu treten; nicht ohne ernste Betrachtungen, aber mit dem festen Entschluß, sich diesem Wirkungskreise ganz hinzugeben, trat er an die Spitze des Erziehungsrathes. Er hat sich hingeopfert. Die Arbeiten im neuen Erziehungsrathe nahmen ihn ganz in Anspruch, über seine Kräfte; der Widerstand, den er gerade hier außerhalb des Erziehungsrathes oft erfuhr, bald von Leuten, welche den Werth der Geistescultur nicht kennen und nicht schätzen, bald und mehr noch von manchen Lehrern, welche - die Liebe mißkennend, die er zu ihrem Stande und ihrem Berufe im Herzen trug, und dem Erziehungsrathe mißtrauend, dessen ganzes Streben nur dahin ging, die Schule auf christlicher Basis neu zu erheben - Schwierigkeiten und Hemmnisse aller Art bereiteten, verwundete sein zartes Wesen. Erholung gönnte er sich nur im Schooße einer liebenden und würdigen Familie, selten unter Freunden, selten im Freien. Durch mehrere Krankheiten geschwächt, erlag er einem hitzigen Fieber, welches ihn ergriff und nach wenigen Tagen dahin raffte. Schweden. Stockholm, 5 Mai. Heute ist ein königliches Schreiben, welches die Verlängerung des Reichstags bis zum 7 Junius gestattet, an die Reichsstände gelangt. Vorigen Sonnabend und heute sind die Stände versammelt gewesen, und haben über das vom Finanzausschuß entworfene Ausgabenbudget heftige Debatten geführt. Der Adel hat den Entwurf zur Civilliste zurückverwiesen, weil er die Erhöhung derselben in gewissen Punkten für nöthig hält. Frhr. Sprengtporten, welcher nach dem Tode seines Sohnes verreist war und welchen man nicht so bald zurückerwartete, hatte sich wieder eingefunden und an den Discussionen Theil genommen. Im Bürgerstande wurde der Vorschlag des Finanzausschusses in Bezug auf die Gehalte der neuen Minister und der Expeditionschefs heute debattirt und nach mehreren Abstimmungen genehmigt. In den andern Ständen ist die Gehaltsfrage noch nicht wieder aufgenommen worden. Der Bauernstand aber hat eine Frage in Erwägung gebracht, die vom Finanzausschuß nicht berührt war, nämlich wegen Verminderung der Civilliste um volle 100,000 Rbthlr. in Folge einer im Anfang des Reichstags durch den Grafen Anckarswärd eingebrachten Motion, welche zwar vom Adelstande verworfen, aber hernach von dem Bauer Zweigbergk wieder aufgenommen wurde. Diese Reduction wollen nun die Bauern durchsetzen, und haben deßhalb den Entwurf des Ausschusses hinsichtlich dieses Punktes zurückverwiesen. Der Vice-Admiral Klint, Schwedens ältester Marine-Officier, Uebersicht schwerlich zu Ende gelesen haben. Und doch gibt es kaum ein anregenderes Gedankenspiel, als sich in die historischen Anfänge unseres Volks zu versetzen, wo es sich im Verkehr mit dem mächtigen Volke zu seiner weltgeschichtlichen Rolle einübte; sich im Raum mitten auf den Schauplatz so großer, für das Schicksal der Welt so entscheidender Bewegungen, und in der Zeit so unendlich fern davon zu fühlen. Auch hier, in dieser Vorbucht des Reichs, wie überall längs der beiden großen Ströme, ging der Germane bei dem Römer Jahrhunderte lang in die Schule der Kriegs- und Friedenskünste, und der Römer ahnte lange nicht, daß er, indem er sich ein brauchbares Werkzeug zu ziehen meinte, der ewigen Stadt die entsetzliche Ruthe band. Aber es scheint allerdings, daß man in der Jugend mit diesem Volk in seinen Schriftwerken gelebt haben muß, um bei Nachrichten von dem Treiben desselben auf unserem eigenen Boden mehr zu denken, als bei den tausend Notizen aus allen Fächern des Wissens, die in unserer encyklopädischen Zeit an dem sich schnell Belehrenden und eben so schnell Vergessenden gleich den Bildern einer Zauberlaterne vorübergehen. Man muß mit den Römern ihre Lager und Schlachten geschlagen, man muß mit ihnen triumphirt und Colonien hinausgeführt haben, um zu begreifen, wie einer die Hände mit zitternder Hast nach einer beschriebenen Scherbe aus Siegelerde, wie nach einem Schatz ausstrecken, wie er die Steinschiffre eines Hadrian oder Antonin mit größerer Wonne überfliegen kann, als ein Handschreiben seines Landesvaters. Schweiz. Zürich, 12 Mai. Gestern Morgen verstarb nach kurzem Krankenlager der Regierungsrath Dr. Ferdinand Meyer von hier. In engern und weitern Kreisen wird sein frühzeitiger Hingang (er war erst 41 Jahre alt) schmerzlich empfunden. Auch der Allg. Zeitung, deren regelmäßiger Correspondent er mehrere Jahre hindurch gewesen, ziemt es, seiner zu gedenken. Meyer, schon frühzeitig der politischen Laufbahn in unserer Republik zugewendet, hatte noch vor dem Jahr 1830 im Großrathe Ansehen und Einfluß erlangt. Wie er wissenschaftlich mit besonderer Vorliebe die Zeit der Reformation studirte, so ließ er sich auch praktisch von einem reformatorischen Geiste leiten. An den Verfassungsarbeiten im Jahr 1830 nahm er ernsten und warmen Antheil. Seine Voten in der Verfassungscommission waren oft die gründlichsten. Damals schon widersetzte er sich Allem, was er für revolutionär und fremdartig hielt, beförderte dagegen Alles, was ihm der naturgemäßen Entwicklung des höher strebenden Volksgeistes zuzusagen schien. Gründliche Bildung und Kenntnisse, große Pflichttreue und Gewissenhaftigkeit in seinem Berufe, Sinn für äußere Ordnung, warme Liebe zum Vaterlande, und ein vorzügliches Talent zu gesetzgeberischen Redactionsarbeiten zeichneten ihn aus von vielen andern. So lebte und wirkte er auch im Regierungsrathe, dessen Mitglied er in den ersten Jahren nach der Revolution von 1830 war. Aber als die politischen Leidenschaften zunahmen, in schweizerischen und zürcherischen Dingen der Radicalismus sich stärker geltend machte, und durch Stiftung eines politischen Vereins die damals gemäßigte Majorität des Regierungsrathes gebrochen werden sollte, da zog auch er sich ganz von den Staatsgeschäften zurück. Er gehörte eher zu den zarten als zu den kräftigen Naturen, war im öffentlichen Auftreten eher etwas schüchtern als kühn. Die Seele voll Liebe und seinem Sinn für alles Edlere und Höhere fühlte sich von den rauhen Stürmen der Außenwelt widrig berührt und verschloß sich. Damals suchte und fand er einen neuen stilleren Wirkungskreis in dem Lehrerberufe, und nur die Liebe zum Erziehungswesen knüpfte ihn noch an die öffentlichen Geschäfte. Als Erziehungsrath hielt er aus in allen Kämpfen, und verblieb eines der thätigsten und einflußreichsten Mitglieder. Ihm hat insbesondere das höhere Unterrichtswesen äußerst viel zu verdanken. Die Arbeiten für Gründung und Entwicklung der Hochschule, des Gymnasiums und der Industrieschule lagen vornehmlich auf ihm. Auch in dem abgetretenen Erziehungsrathe war er Präsident der ersten (wissenschaftlichen) Section. Die neueste Zeit führte ihn ins politische Leben zurück. An der Bewegung des letzten Jahres nahm er von Anfang großen Antheil. Ueberzeugt, daß nur von dem religiösen Leben aus das politische Leben wahrhaft reformirt und gehoben werden könne, freute er sich des religiösen Sinnes, welcher sich in dem Volke kund gab. Mit ganzer Seele war er dieser Geistesrichtung ergeben, und auf das Wesentliche achtend, beurtheilte er milde, was sich durch den Verlauf und Ausbruch des Kampfes Unordentliches beigemischt hatte. Gerne und freudig folgte er 1839 dem Rufe des neuen Großrathes, in die Regierung zu treten; nicht ohne ernste Betrachtungen, aber mit dem festen Entschluß, sich diesem Wirkungskreise ganz hinzugeben, trat er an die Spitze des Erziehungsrathes. Er hat sich hingeopfert. Die Arbeiten im neuen Erziehungsrathe nahmen ihn ganz in Anspruch, über seine Kräfte; der Widerstand, den er gerade hier außerhalb des Erziehungsrathes oft erfuhr, bald von Leuten, welche den Werth der Geistescultur nicht kennen und nicht schätzen, bald und mehr noch von manchen Lehrern, welche – die Liebe mißkennend, die er zu ihrem Stande und ihrem Berufe im Herzen trug, und dem Erziehungsrathe mißtrauend, dessen ganzes Streben nur dahin ging, die Schule auf christlicher Basis neu zu erheben – Schwierigkeiten und Hemmnisse aller Art bereiteten, verwundete sein zartes Wesen. Erholung gönnte er sich nur im Schooße einer liebenden und würdigen Familie, selten unter Freunden, selten im Freien. Durch mehrere Krankheiten geschwächt, erlag er einem hitzigen Fieber, welches ihn ergriff und nach wenigen Tagen dahin raffte. Schweden. Stockholm, 5 Mai. Heute ist ein königliches Schreiben, welches die Verlängerung des Reichstags bis zum 7 Junius gestattet, an die Reichsstände gelangt. Vorigen Sonnabend und heute sind die Stände versammelt gewesen, und haben über das vom Finanzausschuß entworfene Ausgabenbudget heftige Debatten geführt. Der Adel hat den Entwurf zur Civilliste zurückverwiesen, weil er die Erhöhung derselben in gewissen Punkten für nöthig hält. Frhr. Sprengtporten, welcher nach dem Tode seines Sohnes verreist war und welchen man nicht so bald zurückerwartete, hatte sich wieder eingefunden und an den Discussionen Theil genommen. Im Bürgerstande wurde der Vorschlag des Finanzausschusses in Bezug auf die Gehalte der neuen Minister und der Expeditionschefs heute debattirt und nach mehreren Abstimmungen genehmigt. In den andern Ständen ist die Gehaltsfrage noch nicht wieder aufgenommen worden. Der Bauernstand aber hat eine Frage in Erwägung gebracht, die vom Finanzausschuß nicht berührt war, nämlich wegen Verminderung der Civilliste um volle 100,000 Rbthlr. in Folge einer im Anfang des Reichstags durch den Grafen Anckarswärd eingebrachten Motion, welche zwar vom Adelstande verworfen, aber hernach von dem Bauer Zweigbergk wieder aufgenommen wurde. Diese Reduction wollen nun die Bauern durchsetzen, und haben deßhalb den Entwurf des Ausschusses hinsichtlich dieses Punktes zurückverwiesen. Der Vice-Admiral Klint, Schwedens ältester Marine-Officier, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0012" n="1100"/> Uebersicht schwerlich zu Ende gelesen haben. 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Aber es scheint allerdings, daß man in der Jugend mit diesem Volk in seinen Schriftwerken gelebt haben muß, um bei Nachrichten von dem Treiben desselben auf unserem eigenen Boden mehr zu denken, als bei den tausend Notizen aus allen Fächern des Wissens, die in unserer encyklopädischen Zeit an dem sich schnell Belehrenden und eben so schnell Vergessenden gleich den Bildern einer Zauberlaterne vorübergehen. Man muß mit den Römern ihre Lager und Schlachten geschlagen, man muß mit ihnen triumphirt und Colonien hinausgeführt haben, um zu begreifen, wie einer die Hände mit zitternder Hast nach einer beschriebenen Scherbe aus Siegelerde, wie nach einem Schatz ausstrecken, wie er die Steinschiffre eines Hadrian oder Antonin mit größerer Wonne überfliegen kann, als ein Handschreiben seines Landesvaters.</p><lb/> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Schweiz.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Zürich,</hi> 12 Mai.</dateline> <p> Gestern Morgen verstarb nach kurzem Krankenlager der Regierungsrath Dr. Ferdinand Meyer von hier. In engern und weitern Kreisen wird sein frühzeitiger Hingang (er war erst 41 Jahre alt) schmerzlich empfunden. Auch der Allg. Zeitung, deren regelmäßiger Correspondent er mehrere Jahre hindurch gewesen, ziemt es, seiner zu gedenken. Meyer, schon frühzeitig der politischen Laufbahn in unserer Republik zugewendet, hatte noch vor dem Jahr 1830 im Großrathe Ansehen und Einfluß erlangt. Wie er wissenschaftlich mit besonderer Vorliebe die Zeit der Reformation studirte, so ließ er sich auch praktisch von einem reformatorischen Geiste leiten. An den Verfassungsarbeiten im Jahr 1830 nahm er ernsten und warmen Antheil. Seine Voten in der Verfassungscommission waren oft die gründlichsten. Damals schon widersetzte er sich Allem, was er für revolutionär und fremdartig hielt, beförderte dagegen Alles, was ihm der naturgemäßen Entwicklung des höher strebenden Volksgeistes zuzusagen schien. Gründliche Bildung und Kenntnisse, große Pflichttreue und Gewissenhaftigkeit in seinem Berufe, Sinn für äußere Ordnung, warme Liebe zum Vaterlande, und ein vorzügliches Talent zu gesetzgeberischen Redactionsarbeiten zeichneten ihn aus von vielen andern. So lebte und wirkte er auch im Regierungsrathe, dessen Mitglied er in den ersten Jahren nach der Revolution von 1830 war. Aber als die politischen Leidenschaften zunahmen, in schweizerischen und zürcherischen Dingen der Radicalismus sich stärker geltend machte, und durch Stiftung eines politischen Vereins die damals gemäßigte Majorität des Regierungsrathes gebrochen werden sollte, da zog auch er sich ganz von den Staatsgeschäften zurück. Er gehörte eher zu den zarten als zu den kräftigen Naturen, war im öffentlichen Auftreten eher etwas schüchtern als kühn. Die Seele voll Liebe und seinem Sinn für alles Edlere und Höhere fühlte sich von den rauhen Stürmen der Außenwelt widrig berührt und verschloß sich. Damals suchte und fand er einen neuen stilleren Wirkungskreis in dem Lehrerberufe, und nur die Liebe zum Erziehungswesen knüpfte ihn noch an die öffentlichen Geschäfte. Als Erziehungsrath hielt er aus in allen Kämpfen, und verblieb eines der thätigsten und einflußreichsten Mitglieder. Ihm hat insbesondere das höhere Unterrichtswesen äußerst viel zu verdanken. Die Arbeiten für Gründung und Entwicklung der Hochschule, des Gymnasiums und der Industrieschule lagen vornehmlich auf ihm. Auch in dem abgetretenen Erziehungsrathe war er Präsident der ersten (wissenschaftlichen) Section. Die neueste Zeit führte ihn ins politische Leben zurück. An der Bewegung des letzten Jahres nahm er von Anfang großen Antheil. Ueberzeugt, daß nur von dem religiösen Leben aus das politische Leben wahrhaft reformirt und gehoben werden könne, freute er sich des religiösen Sinnes, welcher sich in dem Volke kund gab. Mit ganzer Seele war er dieser Geistesrichtung ergeben, und auf das Wesentliche achtend, beurtheilte er milde, was sich durch den Verlauf und Ausbruch des Kampfes Unordentliches beigemischt hatte. Gerne und freudig folgte er 1839 dem Rufe des neuen Großrathes, in die Regierung zu treten; nicht ohne ernste Betrachtungen, aber mit dem festen Entschluß, sich diesem Wirkungskreise ganz hinzugeben, trat er an die Spitze des Erziehungsrathes. Er hat sich hingeopfert. Die Arbeiten im neuen Erziehungsrathe nahmen ihn ganz in Anspruch, über seine Kräfte; der Widerstand, den er gerade hier außerhalb des Erziehungsrathes oft erfuhr, bald von Leuten, welche den Werth der Geistescultur nicht kennen und nicht schätzen, bald und mehr noch von manchen Lehrern, welche – die Liebe mißkennend, die er zu ihrem Stande und ihrem Berufe im Herzen trug, und dem Erziehungsrathe mißtrauend, dessen ganzes Streben nur dahin ging, die Schule auf christlicher Basis neu zu erheben – Schwierigkeiten und Hemmnisse aller Art bereiteten, verwundete sein zartes Wesen. Erholung gönnte er sich nur im Schooße einer liebenden und würdigen Familie, selten unter Freunden, selten im Freien. 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Im Bürgerstande wurde der Vorschlag des Finanzausschusses in Bezug auf die Gehalte der neuen Minister und der Expeditionschefs heute debattirt und nach mehreren Abstimmungen genehmigt. In den andern Ständen ist die Gehaltsfrage noch nicht wieder aufgenommen worden. Der Bauernstand aber hat eine Frage in Erwägung gebracht, die vom Finanzausschuß nicht berührt war, nämlich wegen Verminderung der Civilliste um volle 100,000 Rbthlr. in Folge einer im Anfang des Reichstags durch den Grafen Anckarswärd eingebrachten Motion, welche zwar vom Adelstande verworfen, aber hernach von dem Bauer Zweigbergk wieder aufgenommen wurde. Diese Reduction wollen nun die Bauern durchsetzen, und haben deßhalb den Entwurf des Ausschusses hinsichtlich dieses Punktes zurückverwiesen.</p><lb/> <p>Der Vice-Admiral Klint, Schwedens ältester Marine-Officier,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1100/0012]
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Schweiz.
_ Zürich, 12 Mai. Gestern Morgen verstarb nach kurzem Krankenlager der Regierungsrath Dr. Ferdinand Meyer von hier. In engern und weitern Kreisen wird sein frühzeitiger Hingang (er war erst 41 Jahre alt) schmerzlich empfunden. Auch der Allg. Zeitung, deren regelmäßiger Correspondent er mehrere Jahre hindurch gewesen, ziemt es, seiner zu gedenken. Meyer, schon frühzeitig der politischen Laufbahn in unserer Republik zugewendet, hatte noch vor dem Jahr 1830 im Großrathe Ansehen und Einfluß erlangt. Wie er wissenschaftlich mit besonderer Vorliebe die Zeit der Reformation studirte, so ließ er sich auch praktisch von einem reformatorischen Geiste leiten. An den Verfassungsarbeiten im Jahr 1830 nahm er ernsten und warmen Antheil. Seine Voten in der Verfassungscommission waren oft die gründlichsten. Damals schon widersetzte er sich Allem, was er für revolutionär und fremdartig hielt, beförderte dagegen Alles, was ihm der naturgemäßen Entwicklung des höher strebenden Volksgeistes zuzusagen schien. Gründliche Bildung und Kenntnisse, große Pflichttreue und Gewissenhaftigkeit in seinem Berufe, Sinn für äußere Ordnung, warme Liebe zum Vaterlande, und ein vorzügliches Talent zu gesetzgeberischen Redactionsarbeiten zeichneten ihn aus von vielen andern. So lebte und wirkte er auch im Regierungsrathe, dessen Mitglied er in den ersten Jahren nach der Revolution von 1830 war. Aber als die politischen Leidenschaften zunahmen, in schweizerischen und zürcherischen Dingen der Radicalismus sich stärker geltend machte, und durch Stiftung eines politischen Vereins die damals gemäßigte Majorität des Regierungsrathes gebrochen werden sollte, da zog auch er sich ganz von den Staatsgeschäften zurück. Er gehörte eher zu den zarten als zu den kräftigen Naturen, war im öffentlichen Auftreten eher etwas schüchtern als kühn. Die Seele voll Liebe und seinem Sinn für alles Edlere und Höhere fühlte sich von den rauhen Stürmen der Außenwelt widrig berührt und verschloß sich. Damals suchte und fand er einen neuen stilleren Wirkungskreis in dem Lehrerberufe, und nur die Liebe zum Erziehungswesen knüpfte ihn noch an die öffentlichen Geschäfte. Als Erziehungsrath hielt er aus in allen Kämpfen, und verblieb eines der thätigsten und einflußreichsten Mitglieder. Ihm hat insbesondere das höhere Unterrichtswesen äußerst viel zu verdanken. Die Arbeiten für Gründung und Entwicklung der Hochschule, des Gymnasiums und der Industrieschule lagen vornehmlich auf ihm. Auch in dem abgetretenen Erziehungsrathe war er Präsident der ersten (wissenschaftlichen) Section. Die neueste Zeit führte ihn ins politische Leben zurück. An der Bewegung des letzten Jahres nahm er von Anfang großen Antheil. Ueberzeugt, daß nur von dem religiösen Leben aus das politische Leben wahrhaft reformirt und gehoben werden könne, freute er sich des religiösen Sinnes, welcher sich in dem Volke kund gab. Mit ganzer Seele war er dieser Geistesrichtung ergeben, und auf das Wesentliche achtend, beurtheilte er milde, was sich durch den Verlauf und Ausbruch des Kampfes Unordentliches beigemischt hatte. Gerne und freudig folgte er 1839 dem Rufe des neuen Großrathes, in die Regierung zu treten; nicht ohne ernste Betrachtungen, aber mit dem festen Entschluß, sich diesem Wirkungskreise ganz hinzugeben, trat er an die Spitze des Erziehungsrathes. Er hat sich hingeopfert. Die Arbeiten im neuen Erziehungsrathe nahmen ihn ganz in Anspruch, über seine Kräfte; der Widerstand, den er gerade hier außerhalb des Erziehungsrathes oft erfuhr, bald von Leuten, welche den Werth der Geistescultur nicht kennen und nicht schätzen, bald und mehr noch von manchen Lehrern, welche – die Liebe mißkennend, die er zu ihrem Stande und ihrem Berufe im Herzen trug, und dem Erziehungsrathe mißtrauend, dessen ganzes Streben nur dahin ging, die Schule auf christlicher Basis neu zu erheben – Schwierigkeiten und Hemmnisse aller Art bereiteten, verwundete sein zartes Wesen. Erholung gönnte er sich nur im Schooße einer liebenden und würdigen Familie, selten unter Freunden, selten im Freien. Durch mehrere Krankheiten geschwächt, erlag er einem hitzigen Fieber, welches ihn ergriff und nach wenigen Tagen dahin raffte.
Schweden.
_ Stockholm, 5 Mai. Heute ist ein königliches Schreiben, welches die Verlängerung des Reichstags bis zum 7 Junius gestattet, an die Reichsstände gelangt. Vorigen Sonnabend und heute sind die Stände versammelt gewesen, und haben über das vom Finanzausschuß entworfene Ausgabenbudget heftige Debatten geführt. Der Adel hat den Entwurf zur Civilliste zurückverwiesen, weil er die Erhöhung derselben in gewissen Punkten für nöthig hält. Frhr. Sprengtporten, welcher nach dem Tode seines Sohnes verreist war und welchen man nicht so bald zurückerwartete, hatte sich wieder eingefunden und an den Discussionen Theil genommen. Im Bürgerstande wurde der Vorschlag des Finanzausschusses in Bezug auf die Gehalte der neuen Minister und der Expeditionschefs heute debattirt und nach mehreren Abstimmungen genehmigt. In den andern Ständen ist die Gehaltsfrage noch nicht wieder aufgenommen worden. Der Bauernstand aber hat eine Frage in Erwägung gebracht, die vom Finanzausschuß nicht berührt war, nämlich wegen Verminderung der Civilliste um volle 100,000 Rbthlr. in Folge einer im Anfang des Reichstags durch den Grafen Anckarswärd eingebrachten Motion, welche zwar vom Adelstande verworfen, aber hernach von dem Bauer Zweigbergk wieder aufgenommen wurde. Diese Reduction wollen nun die Bauern durchsetzen, und haben deßhalb den Entwurf des Ausschusses hinsichtlich dieses Punktes zurückverwiesen.
Der Vice-Admiral Klint, Schwedens ältester Marine-Officier,
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