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Allgemeine Zeitung. Nr. 131. Augsburg, 10. Mai 1840.

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würde sich eine solche planmäßige Zerstörung seiner Industrie durch Fremde gefallen lassen? England belegt die Producte seiner ostindischen Colonien mit höhern Eingangszöllen als diejenigen seiner westindischen Besitzungen, weil es sonst sofort um die letztern geschehen wäre. Was steht im Wege, daß Deutschland bei Ablauf bestehender Tractate ein Gleiches thue? - Wer da glauben möchte, es läge eine Beschwerung der Freiheit des Handels in einem Zollaufschlage von 2 bis 3 Rthlr. pr. Ctnr. auf ostindische Zucker, Kaffee, Reiß u. dgl., der würde einen großen Fehlschluß machen, denn eben durch einen solchen Zollaufschlag würde nur die jetzt stattfindende Ungleichheit aufgehoben, und die Vernichtung des deutschen westindisch-amerikanischen Handels verhindert, eines Handels, der so unendlich viel zur Belebung deutscher Industrie beiträgt. Wenn man ferner alle indirecten Importen mit gleichem Zollaufschlag belegte, und selbst so lange, bis nach England und Holland zu völliger ehrlicher Gegenseitigkeit sich verständen, einen fernern Extra-Aufschlag eintreten ließe, so würde man darin keineswegs einen Angriff auf die Freiheit des Handels erkennen können, vielmehr gerade im Gegentheil einen Angriff auf dessen bisherige Unfreiheit und Bevormundung. In den Händen des Zollvereins liegt daher vollkommen das gewaltige Mittel, die Colonialstaaten zur Annahme des Princips des freien Handels und der Gegenseitigkeit zu zwingen; warum wollte man es nicht anwenden? Der Weg der Geduld und Nachgiebigkeit ist lange genug betreten worden; es mag daher wohl die Zeit da seyn, daß Deutschland sich emancipire von der Herrschaft und Beeinträchtigung fremder Handelsmonopole. Der deutsche Zollverein hat zwar noch keine eignen Seehäfen mit Weltmärkten und großer Schiffsrhederei, um die Erfolge kräftiger Schritte durch directen Handel und deutsche Niederlassungen zu sichern; es sind aber unsere deutschen Hansestädte vorhanden, ausgerüstet mit allen Mitteln zur kräftigen Führung eines gewaltigen Colonialhandels, und diese dürften unschwer an den Verein durch einen Tractat zu ketten seyn, der, ohne Verwickelungen herbeizuführen, doch der That nach genügte. Will daher Deutschland der bisherigen Ausbeutung der Engländer und Holländer sich entziehen, will es einen eigenen wahren Nationalseehandel haben, will es das Princip der Freiheit des Handels und der Gegenseitigkeit fremden Staaten aufnöthigen, so muß es keck und fest die Kraft ausüben, die es besitzt, und durch seine Zollgesetzgebung die Colonialstaaten zwingen, ihre Colonien mit völlig gleichen Rechten dem eigenen deutschen Handel zu öffnen, die Beschränkungen deutscher Schifffahrt aufzuheben, und den Producenten Westindiens und Amerika's den Absatz ihrer Erzeugnisse zu sichern, damit sie Deutschlands Abnehmer bleiben können. Wollte man in solchen Schritten eine Härte gegen England und Holland finden, so möchten wir fragen, ob denn für Deutschland nicht eine noch größere Härte darin liege, von jenen ausgeplündert zu werden, und seine eigene Industrie allmählich indirect durch jene ruiniren zu lassen?

Schweden.

Obschon die Reichstände noch nichts beschlossen haben in Betreff der den neuen Departements und Expeditionschefs zuzuerkennenden Gehalte, haben doch diejenigen, welche im Conseil die liberale Partei repräsentiren, darauf angetragen, daß der König dem Beschluß hinsichtlich der veränderten Organisation des Staatsraths seine definitive Bestätigung geben möchte. Bisher scheint aber der König in diesem Punkte nicht nachgegeben zu haben. Die heutige Minerva enthält darüber Folgendes: "Wenn man dem Dagligt Allehanda einigen Glauben beimessen darf, so ist die Ergänzung des neuen Ministeriums auf gewisse Schwierigkeiten gestoßen. Das war zu erwarten, und es kann nicht anders kommen, da die liberalen Häupter sich in den Kopf gesetzt haben, sie wollen Männer von speciellen Capacitäten und gemäßigter Denkart mit sich verbinden, um nöthigenfalls sich auf die Fähigkeiten derselben zu stützen. Es wäre in der That für den König und das Vaterland gleich unheilbringend, wenn solche Talente bei dieser ersten, auf so schwankendem Boden stehenden Ministercombination aufgezehrt, und so ihre Wirksamkeit bessern Verhältnissen in einer nächstens zu erwartenden Zukunft entzogen würde. Indessen hat man gerade um eine solche Verstärkung geworben, und ist bis jetzt gescheitert. Wäre es der sieghaften Partei um nichts Anderes zu thun, als ihre Helfer unter ihren eigenen Gliedern zu suchen, so wäre das Werk der Ergänzung unfehlbar innerhalb vierundzwanzig Stunden zu vollenden. Wir wollen uns näher erklären. Die Umwälzung in dem Rathe des Königs ist, ihrem Ursprunge nach, ein parlamentarisches Ereigniß. Es ist eine im Schooße der Repräsentation obsiegende Theorie, welche auf dem Wege ist, sich im Cabinette geltend zu machen. Was für eine politische Farbe aber wird durch den scheinbaren Stifter des neuen Cabinets, den Grafen Posse, repräsentirt? Hat er sich während dieses Reichtstags auf dem Ritterhause als der weißen oder der schwarzen Farbe angehörend beglaubigt? Keines von beiden. Wen repräsentirt er denn eigentlich? Die Grauen, jene Männer neutrius generis unter dem Ritterstande, die sich über keine Vitalfrage ausgesprochen haben, obgleich man bei den Wahlen zu Ausschußmitgliedern und zur Opinionsnämnd ihre Spuren zu wittern vermeint hat. Nun hat es mit der grauen Farbe die Bewandtniß, daß sie nimmermehr ganz weiß werden kann, wenn man auch noch so viel englisches Bleiweiß hinzusetzen möchte, wogegen sie eine ausgemachte Wahlverwandtschaft hat zu allen denjenigen Nuancen, worin mehr oder weniger Schwarzes enthalten ist. Nichts wäre demnach natürlicher, als daß der Graf Posse in der jetzigen Drangsal sich den Schwarzen in und außerhalb des Ritterhauses zukehrte. Unter ihnen gibt es Ministersubjecte, wie der Sand am Meere; ja, unter diesen Leuten findet sich vielleicht kein einziger, welcher sich nicht bewußt wäre, der Last eines jeden beliebigen Portefeuille's gewachsen zu seyn, zumal man Kanzleidiener hat, um dieselben die Schloßtreppen hinauf zu tragen, und Expeditionschefs, um in jede Acte ein kleines Memorandum zu legen, welches den Inhalt der Actenstücke und eine unmaßgebliche Meinung über die betreffenden Abfassungen mit unterschiebt. Auf diese Weise könnte das Cabinet gleichartig, wie aus Einem Stücke gegossen werden."

Rußland.

Den neuesten Nachrichten aus dem Innern des Reichs zufolge - die indessen wohl noch der Bestätigung bedürfen - soll der Befehl zur sofertigen Einschiffung eines Theils des am schwarzen Meere zusammengezogenen Armeecorps nunmehr ergangen seyn, in Folge dessen die Transportflotte binnen kurzem aus dem Hafen von Sebastopol auslaufen dürfte. Angeblich sollen die Truppen nach der kaukasischen Küste übergesetzt werden, um die Bergvölker zu bekämpfen, und namentlich die Tscherkessen für die bei der Ueberrumpelung des Forts Sudschah verübten Gräuel zu züchtigen; indessen dürfte die Truppenabtheilung für diesen Zweck zu stark seyn, und die Vermuthung, daß andere Tendenzen dabei im Hintergrunde liegen, läßt sich kaum zurückweisen, insbesondere

würde sich eine solche planmäßige Zerstörung seiner Industrie durch Fremde gefallen lassen? England belegt die Producte seiner ostindischen Colonien mit höhern Eingangszöllen als diejenigen seiner westindischen Besitzungen, weil es sonst sofort um die letztern geschehen wäre. Was steht im Wege, daß Deutschland bei Ablauf bestehender Tractate ein Gleiches thue? – Wer da glauben möchte, es läge eine Beschwerung der Freiheit des Handels in einem Zollaufschlage von 2 bis 3 Rthlr. pr. Ctnr. auf ostindische Zucker, Kaffee, Reiß u. dgl., der würde einen großen Fehlschluß machen, denn eben durch einen solchen Zollaufschlag würde nur die jetzt stattfindende Ungleichheit aufgehoben, und die Vernichtung des deutschen westindisch-amerikanischen Handels verhindert, eines Handels, der so unendlich viel zur Belebung deutscher Industrie beiträgt. Wenn man ferner alle indirecten Importen mit gleichem Zollaufschlag belegte, und selbst so lange, bis nach England und Holland zu völliger ehrlicher Gegenseitigkeit sich verständen, einen fernern Extra-Aufschlag eintreten ließe, so würde man darin keineswegs einen Angriff auf die Freiheit des Handels erkennen können, vielmehr gerade im Gegentheil einen Angriff auf dessen bisherige Unfreiheit und Bevormundung. In den Händen des Zollvereins liegt daher vollkommen das gewaltige Mittel, die Colonialstaaten zur Annahme des Princips des freien Handels und der Gegenseitigkeit zu zwingen; warum wollte man es nicht anwenden? Der Weg der Geduld und Nachgiebigkeit ist lange genug betreten worden; es mag daher wohl die Zeit da seyn, daß Deutschland sich emancipire von der Herrschaft und Beeinträchtigung fremder Handelsmonopole. Der deutsche Zollverein hat zwar noch keine eignen Seehäfen mit Weltmärkten und großer Schiffsrhederei, um die Erfolge kräftiger Schritte durch directen Handel und deutsche Niederlassungen zu sichern; es sind aber unsere deutschen Hansestädte vorhanden, ausgerüstet mit allen Mitteln zur kräftigen Führung eines gewaltigen Colonialhandels, und diese dürften unschwer an den Verein durch einen Tractat zu ketten seyn, der, ohne Verwickelungen herbeizuführen, doch der That nach genügte. Will daher Deutschland der bisherigen Ausbeutung der Engländer und Holländer sich entziehen, will es einen eigenen wahren Nationalseehandel haben, will es das Princip der Freiheit des Handels und der Gegenseitigkeit fremden Staaten aufnöthigen, so muß es keck und fest die Kraft ausüben, die es besitzt, und durch seine Zollgesetzgebung die Colonialstaaten zwingen, ihre Colonien mit völlig gleichen Rechten dem eigenen deutschen Handel zu öffnen, die Beschränkungen deutscher Schifffahrt aufzuheben, und den Producenten Westindiens und Amerika's den Absatz ihrer Erzeugnisse zu sichern, damit sie Deutschlands Abnehmer bleiben können. Wollte man in solchen Schritten eine Härte gegen England und Holland finden, so möchten wir fragen, ob denn für Deutschland nicht eine noch größere Härte darin liege, von jenen ausgeplündert zu werden, und seine eigene Industrie allmählich indirect durch jene ruiniren zu lassen?

Schweden.

Obschon die Reichstände noch nichts beschlossen haben in Betreff der den neuen Departements und Expeditionschefs zuzuerkennenden Gehalte, haben doch diejenigen, welche im Conseil die liberale Partei repräsentiren, darauf angetragen, daß der König dem Beschluß hinsichtlich der veränderten Organisation des Staatsraths seine definitive Bestätigung geben möchte. Bisher scheint aber der König in diesem Punkte nicht nachgegeben zu haben. Die heutige Minerva enthält darüber Folgendes: „Wenn man dem Dagligt Allehanda einigen Glauben beimessen darf, so ist die Ergänzung des neuen Ministeriums auf gewisse Schwierigkeiten gestoßen. Das war zu erwarten, und es kann nicht anders kommen, da die liberalen Häupter sich in den Kopf gesetzt haben, sie wollen Männer von speciellen Capacitäten und gemäßigter Denkart mit sich verbinden, um nöthigenfalls sich auf die Fähigkeiten derselben zu stützen. Es wäre in der That für den König und das Vaterland gleich unheilbringend, wenn solche Talente bei dieser ersten, auf so schwankendem Boden stehenden Ministercombination aufgezehrt, und so ihre Wirksamkeit bessern Verhältnissen in einer nächstens zu erwartenden Zukunft entzogen würde. Indessen hat man gerade um eine solche Verstärkung geworben, und ist bis jetzt gescheitert. Wäre es der sieghaften Partei um nichts Anderes zu thun, als ihre Helfer unter ihren eigenen Gliedern zu suchen, so wäre das Werk der Ergänzung unfehlbar innerhalb vierundzwanzig Stunden zu vollenden. Wir wollen uns näher erklären. Die Umwälzung in dem Rathe des Königs ist, ihrem Ursprunge nach, ein parlamentarisches Ereigniß. Es ist eine im Schooße der Repräsentation obsiegende Theorie, welche auf dem Wege ist, sich im Cabinette geltend zu machen. Was für eine politische Farbe aber wird durch den scheinbaren Stifter des neuen Cabinets, den Grafen Posse, repräsentirt? Hat er sich während dieses Reichtstags auf dem Ritterhause als der weißen oder der schwarzen Farbe angehörend beglaubigt? Keines von beiden. Wen repräsentirt er denn eigentlich? Die Grauen, jene Männer neutrius generis unter dem Ritterstande, die sich über keine Vitalfrage ausgesprochen haben, obgleich man bei den Wahlen zu Ausschußmitgliedern und zur Opinionsnämnd ihre Spuren zu wittern vermeint hat. Nun hat es mit der grauen Farbe die Bewandtniß, daß sie nimmermehr ganz weiß werden kann, wenn man auch noch so viel englisches Bleiweiß hinzusetzen möchte, wogegen sie eine ausgemachte Wahlverwandtschaft hat zu allen denjenigen Nuancen, worin mehr oder weniger Schwarzes enthalten ist. Nichts wäre demnach natürlicher, als daß der Graf Posse in der jetzigen Drangsal sich den Schwarzen in und außerhalb des Ritterhauses zukehrte. Unter ihnen gibt es Ministersubjecte, wie der Sand am Meere; ja, unter diesen Leuten findet sich vielleicht kein einziger, welcher sich nicht bewußt wäre, der Last eines jeden beliebigen Portefeuille's gewachsen zu seyn, zumal man Kanzleidiener hat, um dieselben die Schloßtreppen hinauf zu tragen, und Expeditionschefs, um in jede Acte ein kleines Memorandum zu legen, welches den Inhalt der Actenstücke und eine unmaßgebliche Meinung über die betreffenden Abfassungen mit unterschiebt. Auf diese Weise könnte das Cabinet gleichartig, wie aus Einem Stücke gegossen werden.“

Rußland.

Den neuesten Nachrichten aus dem Innern des Reichs zufolge – die indessen wohl noch der Bestätigung bedürfen – soll der Befehl zur sofertigen Einschiffung eines Theils des am schwarzen Meere zusammengezogenen Armeecorps nunmehr ergangen seyn, in Folge dessen die Transportflotte binnen kurzem aus dem Hafen von Sebastopol auslaufen dürfte. Angeblich sollen die Truppen nach der kaukasischen Küste übergesetzt werden, um die Bergvölker zu bekämpfen, und namentlich die Tscherkessen für die bei der Ueberrumpelung des Forts Sudschah verübten Gräuel zu züchtigen; indessen dürfte die Truppenabtheilung für diesen Zweck zu stark seyn, und die Vermuthung, daß andere Tendenzen dabei im Hintergrunde liegen, läßt sich kaum zurückweisen, insbesondere

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würde sich eine solche planmäßige Zerstörung seiner Industrie durch Fremde gefallen lassen? England belegt die Producte seiner ostindischen Colonien mit höhern Eingangszöllen als diejenigen seiner westindischen Besitzungen, weil es sonst sofort um die letztern geschehen wäre. Was steht im Wege, daß Deutschland bei Ablauf bestehender Tractate ein Gleiches thue? &#x2013; Wer da glauben möchte, es läge eine Beschwerung der Freiheit des Handels in einem Zollaufschlage von 2 bis 3 Rthlr. pr. Ctnr. auf ostindische Zucker, Kaffee, Reiß u. dgl., der würde einen großen Fehlschluß machen, denn eben durch einen solchen Zollaufschlag <hi rendition="#g">würde nur die jetzt stattfindende Ungleichheit aufgehoben</hi>, und die Vernichtung des deutschen westindisch-amerikanischen Handels verhindert, eines Handels, der so unendlich viel zur Belebung deutscher Industrie beiträgt. Wenn man ferner alle <hi rendition="#g">indirecten</hi> Importen mit gleichem Zollaufschlag belegte, und selbst so lange, bis nach England und Holland zu völliger <hi rendition="#g">ehrlicher</hi> Gegenseitigkeit sich verständen, einen fernern Extra-Aufschlag eintreten ließe, so würde man darin keineswegs einen Angriff auf die Freiheit des Handels erkennen können, vielmehr gerade im Gegentheil einen Angriff <hi rendition="#g">auf dessen bisherige Unfreiheit und Bevormundung</hi>. In den Händen des Zollvereins liegt daher vollkommen das gewaltige Mittel, <hi rendition="#g">die Colonialstaaten zur Annahme des Princips des freien Handels und der Gegenseitigkeit zu zwingen</hi>; warum wollte man es nicht anwenden? Der Weg der Geduld und Nachgiebigkeit ist lange genug betreten worden; es mag daher wohl die Zeit da seyn, daß Deutschland sich emancipire von der Herrschaft und Beeinträchtigung fremder Handelsmonopole. Der deutsche Zollverein hat zwar noch keine eignen Seehäfen mit Weltmärkten und großer Schiffsrhederei, um die Erfolge kräftiger Schritte durch directen Handel und deutsche Niederlassungen zu sichern; es sind aber unsere deutschen Hansestädte vorhanden, ausgerüstet mit allen Mitteln zur kräftigen Führung eines gewaltigen Colonialhandels, und diese dürften unschwer an den Verein durch einen Tractat zu ketten seyn, der, ohne Verwickelungen herbeizuführen, doch der That nach genügte. Will daher Deutschland der bisherigen Ausbeutung der Engländer und Holländer sich entziehen, will es einen eigenen wahren Nationalseehandel haben, will es das Princip der Freiheit des Handels und der Gegenseitigkeit fremden Staaten aufnöthigen, so muß es keck und fest die Kraft ausüben, die es besitzt, und durch seine Zollgesetzgebung die Colonialstaaten zwingen, ihre Colonien mit völlig gleichen Rechten dem <hi rendition="#g">eigenen deutschen Handel</hi> zu öffnen, die Beschränkungen deutscher Schifffahrt aufzuheben, und den Producenten Westindiens und Amerika's den Absatz ihrer Erzeugnisse zu sichern, damit sie Deutschlands Abnehmer bleiben können. Wollte man in solchen Schritten eine Härte gegen England und Holland finden, so möchten wir fragen, ob denn für Deutschland nicht eine noch größere Härte darin liege, von jenen ausgeplündert zu werden, und seine eigene Industrie allmählich indirect durch jene ruiniren zu lassen?</p><lb/>
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[1046/0006] würde sich eine solche planmäßige Zerstörung seiner Industrie durch Fremde gefallen lassen? England belegt die Producte seiner ostindischen Colonien mit höhern Eingangszöllen als diejenigen seiner westindischen Besitzungen, weil es sonst sofort um die letztern geschehen wäre. Was steht im Wege, daß Deutschland bei Ablauf bestehender Tractate ein Gleiches thue? – Wer da glauben möchte, es läge eine Beschwerung der Freiheit des Handels in einem Zollaufschlage von 2 bis 3 Rthlr. pr. Ctnr. auf ostindische Zucker, Kaffee, Reiß u. dgl., der würde einen großen Fehlschluß machen, denn eben durch einen solchen Zollaufschlag würde nur die jetzt stattfindende Ungleichheit aufgehoben, und die Vernichtung des deutschen westindisch-amerikanischen Handels verhindert, eines Handels, der so unendlich viel zur Belebung deutscher Industrie beiträgt. 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Der deutsche Zollverein hat zwar noch keine eignen Seehäfen mit Weltmärkten und großer Schiffsrhederei, um die Erfolge kräftiger Schritte durch directen Handel und deutsche Niederlassungen zu sichern; es sind aber unsere deutschen Hansestädte vorhanden, ausgerüstet mit allen Mitteln zur kräftigen Führung eines gewaltigen Colonialhandels, und diese dürften unschwer an den Verein durch einen Tractat zu ketten seyn, der, ohne Verwickelungen herbeizuführen, doch der That nach genügte. Will daher Deutschland der bisherigen Ausbeutung der Engländer und Holländer sich entziehen, will es einen eigenen wahren Nationalseehandel haben, will es das Princip der Freiheit des Handels und der Gegenseitigkeit fremden Staaten aufnöthigen, so muß es keck und fest die Kraft ausüben, die es besitzt, und durch seine Zollgesetzgebung die Colonialstaaten zwingen, ihre Colonien mit völlig gleichen Rechten dem eigenen deutschen Handel zu öffnen, die Beschränkungen deutscher Schifffahrt aufzuheben, und den Producenten Westindiens und Amerika's den Absatz ihrer Erzeugnisse zu sichern, damit sie Deutschlands Abnehmer bleiben können. Wollte man in solchen Schritten eine Härte gegen England und Holland finden, so möchten wir fragen, ob denn für Deutschland nicht eine noch größere Härte darin liege, von jenen ausgeplündert zu werden, und seine eigene Industrie allmählich indirect durch jene ruiniren zu lassen? Schweden. _ Stockholm, 21 April. Obschon die Reichstände noch nichts beschlossen haben in Betreff der den neuen Departements und Expeditionschefs zuzuerkennenden Gehalte, haben doch diejenigen, welche im Conseil die liberale Partei repräsentiren, darauf angetragen, daß der König dem Beschluß hinsichtlich der veränderten Organisation des Staatsraths seine definitive Bestätigung geben möchte. Bisher scheint aber der König in diesem Punkte nicht nachgegeben zu haben. Die heutige Minerva enthält darüber Folgendes: „Wenn man dem Dagligt Allehanda einigen Glauben beimessen darf, so ist die Ergänzung des neuen Ministeriums auf gewisse Schwierigkeiten gestoßen. Das war zu erwarten, und es kann nicht anders kommen, da die liberalen Häupter sich in den Kopf gesetzt haben, sie wollen Männer von speciellen Capacitäten und gemäßigter Denkart mit sich verbinden, um nöthigenfalls sich auf die Fähigkeiten derselben zu stützen. Es wäre in der That für den König und das Vaterland gleich unheilbringend, wenn solche Talente bei dieser ersten, auf so schwankendem Boden stehenden Ministercombination aufgezehrt, und so ihre Wirksamkeit bessern Verhältnissen in einer nächstens zu erwartenden Zukunft entzogen würde. Indessen hat man gerade um eine solche Verstärkung geworben, und ist bis jetzt gescheitert. Wäre es der sieghaften Partei um nichts Anderes zu thun, als ihre Helfer unter ihren eigenen Gliedern zu suchen, so wäre das Werk der Ergänzung unfehlbar innerhalb vierundzwanzig Stunden zu vollenden. Wir wollen uns näher erklären. Die Umwälzung in dem Rathe des Königs ist, ihrem Ursprunge nach, ein parlamentarisches Ereigniß. Es ist eine im Schooße der Repräsentation obsiegende Theorie, welche auf dem Wege ist, sich im Cabinette geltend zu machen. Was für eine politische Farbe aber wird durch den scheinbaren Stifter des neuen Cabinets, den Grafen Posse, repräsentirt? Hat er sich während dieses Reichtstags auf dem Ritterhause als der weißen oder der schwarzen Farbe angehörend beglaubigt? Keines von beiden. Wen repräsentirt er denn eigentlich? Die Grauen, jene Männer neutrius generis unter dem Ritterstande, die sich über keine Vitalfrage ausgesprochen haben, obgleich man bei den Wahlen zu Ausschußmitgliedern und zur Opinionsnämnd ihre Spuren zu wittern vermeint hat. Nun hat es mit der grauen Farbe die Bewandtniß, daß sie nimmermehr ganz weiß werden kann, wenn man auch noch so viel englisches Bleiweiß hinzusetzen möchte, wogegen sie eine ausgemachte Wahlverwandtschaft hat zu allen denjenigen Nuancen, worin mehr oder weniger Schwarzes enthalten ist. Nichts wäre demnach natürlicher, als daß der Graf Posse in der jetzigen Drangsal sich den Schwarzen in und außerhalb des Ritterhauses zukehrte. Unter ihnen gibt es Ministersubjecte, wie der Sand am Meere; ja, unter diesen Leuten findet sich vielleicht kein einziger, welcher sich nicht bewußt wäre, der Last eines jeden beliebigen Portefeuille's gewachsen zu seyn, zumal man Kanzleidiener hat, um dieselben die Schloßtreppen hinauf zu tragen, und Expeditionschefs, um in jede Acte ein kleines Memorandum zu legen, welches den Inhalt der Actenstücke und eine unmaßgebliche Meinung über die betreffenden Abfassungen mit unterschiebt. Auf diese Weise könnte das Cabinet gleichartig, wie aus Einem Stücke gegossen werden.“ Rußland. _ Von der polnischen Gränze, 3 Mai. Den neuesten Nachrichten aus dem Innern des Reichs zufolge – die indessen wohl noch der Bestätigung bedürfen – soll der Befehl zur sofertigen Einschiffung eines Theils des am schwarzen Meere zusammengezogenen Armeecorps nunmehr ergangen seyn, in Folge dessen die Transportflotte binnen kurzem aus dem Hafen von Sebastopol auslaufen dürfte. Angeblich sollen die Truppen nach der kaukasischen Küste übergesetzt werden, um die Bergvölker zu bekämpfen, und namentlich die Tscherkessen für die bei der Ueberrumpelung des Forts Sudschah verübten Gräuel zu züchtigen; indessen dürfte die Truppenabtheilung für diesen Zweck zu stark seyn, und die Vermuthung, daß andere Tendenzen dabei im Hintergrunde liegen, läßt sich kaum zurückweisen, insbesondere

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 131. Augsburg, 10. Mai 1840, S. 1046. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_131_18400510/6>, abgerufen am 02.05.2024.