Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 131. Augsburg, 10. Mai 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

wenn man erwägt, daß die Nachrichten von Bewegungen der Perser gegen Bagdad, wie unbegreiflich diese auch erscheinen, sich wieder erneuern, und somit nicht aller Consistenz zu entbehren scheinen. Eben so spricht man wiederholt davon, daß ein Hülfscorps für den General Perowski den Kaspisee überschiffen und in der Bucht von Kuli-Derieh landen soll, von wo aus der Landmarsch keine Schwierigkeiten mehr darbieten würde. - Wenn der Correspondent der Schlesischen Zeitung meldet, daß von Truppenbewegungen im südlichen Rußland gar nichts wahrgenommen würde, so hat er insofern Recht, als die Regimenter schon seit längerer Zeit in ihren vorläufigen Bestimmungsorten concentrirt liegen, und auf weitere Ordre warten. Uebrigens hat derselbe Correspondent die Truppenmärsche in Südrußland von vornherein immer geläugnet, und doch ist es wohl Niemanden ein Geheimniß mehr, daß für den Augenblick eine beträchtliche Armee am schwarzen Meere stationirt. Am haltlosesten ist sein Argument, "daß die Truppen, welche 15 Jahre gedient hätten, entlassen würden;" als ob die in Rußland geltenden Militärgesetze dieß nicht unter allen Umständen geböten! Auch hat Rußland ohne diese Veteranen der Soldaten genug, da die Zahl der Militärpflichtigen groß, und die Dienstzeit lang ist. Ueberdieß liegt die sogenannte orientalische Angelegenheit in diesem Augenblick noch keineswegs so, daß Kaiser Nikolaus sein Observationscorps vermindern sollte, wodurch er den Flotten der Westmächte das Terrain preisgeben würde. - Ihre Maj. die Kaiserin erwartet man zu Pfingsten in Deutschland. Der Kaiser wird, wie es heißt, Petersburg schon früher verlassen, um auf einem Umwege über Moskwa, Tula und Orel, wo Truppeninspectionen statthaben sollen, mit seiner Gemahlin in Deutschland zusammen zu treffen. - In Polen entledigt man sich aller Bettler jetzt auf eine wirksame Weise, indem alle Arbeitsfähigen sofort zu den Festungsbauten verwandt, die Kinder aber in die Militärerziehungsanstalten geschickt werden. - Von einem Ukas, der, wie manche französische und deutsche Zeitungen berichten, allen außerhalb des russischen Kaiserstaats Wohnenden den Besitz von Gütern in Polen untersagt, weiß man hier an der Gränze bis jetzt durchaus nichts; auch macht schon der Ausdruck "Ukas" die Sache verdächtig, da nach dem organischen Statut die Ordonnanzen im Königreich Polen nicht mittelst Ukases erlassen werden können.

Nachdem die Tscherkessen im Anfang März ein russisches Fort mit Sturm genommen hatten, sollen sie Anfangs April noch drei andere Forts erstürmt haben. (Wir geben diese Notiz nur, weil sie die weite Verbreitung der uns schon seit einiger Zeit aus Galacz, Odessa etc. zugekommenen Gerüchte zeigt.)

Türkei.

Die Spannung zwischen den Mitgliedern des Divans hat noch nicht aufgehört. Wechselseitige Verdächtigungen und Anfeindungen sind an der Tagesordnung, Halil Pascha, erster Schwager des Sultans, Seriasker und Oberbefehlshaber der kaiserlichen Garde, nebst Chosrew und Reschid Pascha ein Mitglied des türkischen Triumvirats, das von Mahmud auf seinem Todbette dem jetzt regierenden Padischah auf das wärmste anempfohlen wurde, mußte von seinem Posten entfernt werden. An seine Stelle ward der Obersthofmeister Sr. Hoh., Risa Bey Effendi, nunmehr Risa Pascha, ernannt, ein Mann von ausgezeichneten Eigenschaften, redlich, thätig, einsichtsvoll, aber duraus kein Soldat. Und doch wird er bestimmt, den ersten Militärposten des Reichs einzunehmen, eine lächerliche Sitte der türkischen Machthaber, die ohne alle Rücksicht auf individuellen Beruf, auf Specialität der Vorbildung die Männer, die gerade am Brett sind, von einer Stelle zur andern versetzt, den Soldaten plötzlich zum Politiker, diesen zum Justizmann, dann wieder zum Großadmiral, Polizeiminister, Finanzminister umzustempeln weiß, als ob die Ernennung zu einem Posten zugleich die Einsicht in die Geschäfte des zugewiesenen Departements mit sich brächte. Der Gouverneur von Nicomedien, Akif Pascha, ward nach einer strengen Untersuchung seines pflichtwidrigen Benehmens in der Verwaltung seines Paschaliks ebenfalls abgesetzt. Er war der Defraudation und Erpressungen gegen die Unterthanen angeklagt. Seine Verurtheilung ist insofern merkwürdig, als es die erste ist, die nach dem im vorigen Jahre kundgemachten Strafgesetze für die türkischen Beamten verhängt wurde. Dieses Beispiel heilsamer Strenge wird nicht ohne gute Folgen seyn, da man wenigstens erwarten darf, daß die Unverschämtheit, mit der jeder türkische Beamte seine Stelle als eine Fundgrube zu eigener Bereicherung betrachtet und behandelt, in gewisse Schranken zurückgewiesen werde. Das Uebel ist allgemein und es dürfte nur Wenige geben, auf die das neue Strafgesetz nicht längst seine volle Anwendung fände. Auch der Luxus an zahlreicher Bedienung und an wohlbestellten Harems macht enorme Auslagen nöthig, die mit der gewöhnlichen Besoldung allein nicht zu erschwingen sind. Man beschränke die Zahl der Diener, die Zahl der Weiber, welche von Männern, die öffentliche Aemter bekleiden, gehalten zu werden pflegen, und man wird eine fruchtbare Quelle von Prävaricationen verstopft haben. Die Strafen allein reichen nicht hin; man muß das Uebel an seiner Wurzel fassen. - Aus Adrianopel ist die beunruhigende Nachricht eingegangen, daß die dortige muselmännische und griechische Bevölkerung in eine Collision gerathen sind, welche ernsthafte Unruhen befürchten läßt. Man bewaffnete und verschanzte sich von beiden Seiten in den Häusern, und die heute und gestern von dort eingegangenen Briefe ließen den Ausbruch bedenklicher Auftritte besorgen. Bis zu diesem Augenblick scheint es jedoch nicht zu Thätlichkeiten gekommen zu seyn. - Der Prinz Heinrich der Niederlande ist hier angekommen; Se. königl. Hoh. scheint Willens zu seyn, einen längern Aufenthalt in Konstantinopel zu nehmen.

Syrien und Aegypten.

Die Pestfälle, die im Palaste des Pascha's stattgefunden, haben ihn veranlaßt, sich auf einige Tage nach dem Landsitze Moharrem Bey's am Canale gelegen zu begeben. Wir haben noch immer 10 bis 12 Fälle per Tag. - Man spricht von neuen Truppenaushebungen zur Bildung von zwei Regimentern. Die Erklärungen, welche Palmerston und Lord J. Russel, von Hume veranlaßt, im englischen Unterhause abgaben, haben den Pascha nicht sehr erbaut.

Die Nachrichten aus Syrien betreffen vorzugsweise noch immer die Ermordung des Paters Thomas. Der unermüdeten Thätigkeit des in Damaskus residirenden französischen Consuls schreiben die, welche an den Mord glauben, die Enthüllung desselben hauptsächlich zu. In Folge des von 13 der reichsten Juden gemachten Geständnisses hat Scherif-Pascha sämtliche Juden aus Damaskus verwiesen, und sie in einem dicht an der Stadt gelegenen Ort unter strengste Aufsicht gestellt. Mehrere Juden haben sich schon zu Muselmännern convertirt, und einer derselben, mit Namen Achmed-Effendi, hat ausgesagt, daß ein die jüdische Religion betreffendes Mysterium ausdrücklich erkläre, wie Menschenblut der Gottheit angenehm sey, vor Allem, wenn es von Christen herrühre; es sey deßhalb den in die tiefern Geheimnisse des orientalischen

wenn man erwägt, daß die Nachrichten von Bewegungen der Perser gegen Bagdad, wie unbegreiflich diese auch erscheinen, sich wieder erneuern, und somit nicht aller Consistenz zu entbehren scheinen. Eben so spricht man wiederholt davon, daß ein Hülfscorps für den General Perowski den Kaspisee überschiffen und in der Bucht von Kuli-Derieh landen soll, von wo aus der Landmarsch keine Schwierigkeiten mehr darbieten würde. – Wenn der Correspondent der Schlesischen Zeitung meldet, daß von Truppenbewegungen im südlichen Rußland gar nichts wahrgenommen würde, so hat er insofern Recht, als die Regimenter schon seit längerer Zeit in ihren vorläufigen Bestimmungsorten concentrirt liegen, und auf weitere Ordre warten. Uebrigens hat derselbe Correspondent die Truppenmärsche in Südrußland von vornherein immer geläugnet, und doch ist es wohl Niemanden ein Geheimniß mehr, daß für den Augenblick eine beträchtliche Armee am schwarzen Meere stationirt. Am haltlosesten ist sein Argument, „daß die Truppen, welche 15 Jahre gedient hätten, entlassen würden;“ als ob die in Rußland geltenden Militärgesetze dieß nicht unter allen Umständen geböten! Auch hat Rußland ohne diese Veteranen der Soldaten genug, da die Zahl der Militärpflichtigen groß, und die Dienstzeit lang ist. Ueberdieß liegt die sogenannte orientalische Angelegenheit in diesem Augenblick noch keineswegs so, daß Kaiser Nikolaus sein Observationscorps vermindern sollte, wodurch er den Flotten der Westmächte das Terrain preisgeben würde. – Ihre Maj. die Kaiserin erwartet man zu Pfingsten in Deutschland. Der Kaiser wird, wie es heißt, Petersburg schon früher verlassen, um auf einem Umwege über Moskwa, Tula und Orel, wo Truppeninspectionen statthaben sollen, mit seiner Gemahlin in Deutschland zusammen zu treffen. – In Polen entledigt man sich aller Bettler jetzt auf eine wirksame Weise, indem alle Arbeitsfähigen sofort zu den Festungsbauten verwandt, die Kinder aber in die Militärerziehungsanstalten geschickt werden. – Von einem Ukas, der, wie manche französische und deutsche Zeitungen berichten, allen außerhalb des russischen Kaiserstaats Wohnenden den Besitz von Gütern in Polen untersagt, weiß man hier an der Gränze bis jetzt durchaus nichts; auch macht schon der Ausdruck „Ukas“ die Sache verdächtig, da nach dem organischen Statut die Ordonnanzen im Königreich Polen nicht mittelst Ukases erlassen werden können.

Nachdem die Tscherkessen im Anfang März ein russisches Fort mit Sturm genommen hatten, sollen sie Anfangs April noch drei andere Forts erstürmt haben. (Wir geben diese Notiz nur, weil sie die weite Verbreitung der uns schon seit einiger Zeit aus Galacz, Odessa etc. zugekommenen Gerüchte zeigt.)

Türkei.

Die Spannung zwischen den Mitgliedern des Divans hat noch nicht aufgehört. Wechselseitige Verdächtigungen und Anfeindungen sind an der Tagesordnung, Halil Pascha, erster Schwager des Sultans, Seriasker und Oberbefehlshaber der kaiserlichen Garde, nebst Chosrew und Reschid Pascha ein Mitglied des türkischen Triumvirats, das von Mahmud auf seinem Todbette dem jetzt regierenden Padischah auf das wärmste anempfohlen wurde, mußte von seinem Posten entfernt werden. An seine Stelle ward der Obersthofmeister Sr. Hoh., Risa Bey Effendi, nunmehr Risa Pascha, ernannt, ein Mann von ausgezeichneten Eigenschaften, redlich, thätig, einsichtsvoll, aber duraus kein Soldat. Und doch wird er bestimmt, den ersten Militärposten des Reichs einzunehmen, eine lächerliche Sitte der türkischen Machthaber, die ohne alle Rücksicht auf individuellen Beruf, auf Specialität der Vorbildung die Männer, die gerade am Brett sind, von einer Stelle zur andern versetzt, den Soldaten plötzlich zum Politiker, diesen zum Justizmann, dann wieder zum Großadmiral, Polizeiminister, Finanzminister umzustempeln weiß, als ob die Ernennung zu einem Posten zugleich die Einsicht in die Geschäfte des zugewiesenen Departements mit sich brächte. Der Gouverneur von Nicomedien, Akif Pascha, ward nach einer strengen Untersuchung seines pflichtwidrigen Benehmens in der Verwaltung seines Paschaliks ebenfalls abgesetzt. Er war der Defraudation und Erpressungen gegen die Unterthanen angeklagt. Seine Verurtheilung ist insofern merkwürdig, als es die erste ist, die nach dem im vorigen Jahre kundgemachten Strafgesetze für die türkischen Beamten verhängt wurde. Dieses Beispiel heilsamer Strenge wird nicht ohne gute Folgen seyn, da man wenigstens erwarten darf, daß die Unverschämtheit, mit der jeder türkische Beamte seine Stelle als eine Fundgrube zu eigener Bereicherung betrachtet und behandelt, in gewisse Schranken zurückgewiesen werde. Das Uebel ist allgemein und es dürfte nur Wenige geben, auf die das neue Strafgesetz nicht längst seine volle Anwendung fände. Auch der Luxus an zahlreicher Bedienung und an wohlbestellten Harems macht enorme Auslagen nöthig, die mit der gewöhnlichen Besoldung allein nicht zu erschwingen sind. Man beschränke die Zahl der Diener, die Zahl der Weiber, welche von Männern, die öffentliche Aemter bekleiden, gehalten zu werden pflegen, und man wird eine fruchtbare Quelle von Prävaricationen verstopft haben. Die Strafen allein reichen nicht hin; man muß das Uebel an seiner Wurzel fassen. – Aus Adrianopel ist die beunruhigende Nachricht eingegangen, daß die dortige muselmännische und griechische Bevölkerung in eine Collision gerathen sind, welche ernsthafte Unruhen befürchten läßt. Man bewaffnete und verschanzte sich von beiden Seiten in den Häusern, und die heute und gestern von dort eingegangenen Briefe ließen den Ausbruch bedenklicher Auftritte besorgen. Bis zu diesem Augenblick scheint es jedoch nicht zu Thätlichkeiten gekommen zu seyn. – Der Prinz Heinrich der Niederlande ist hier angekommen; Se. königl. Hoh. scheint Willens zu seyn, einen längern Aufenthalt in Konstantinopel zu nehmen.

Syrien und Aegypten.

Die Pestfälle, die im Palaste des Pascha's stattgefunden, haben ihn veranlaßt, sich auf einige Tage nach dem Landsitze Moharrem Bey's am Canale gelegen zu begeben. Wir haben noch immer 10 bis 12 Fälle per Tag. – Man spricht von neuen Truppenaushebungen zur Bildung von zwei Regimentern. Die Erklärungen, welche Palmerston und Lord J. Russel, von Hume veranlaßt, im englischen Unterhause abgaben, haben den Pascha nicht sehr erbaut.

Die Nachrichten aus Syrien betreffen vorzugsweise noch immer die Ermordung des Paters Thomas. Der unermüdeten Thätigkeit des in Damaskus residirenden französischen Consuls schreiben die, welche an den Mord glauben, die Enthüllung desselben hauptsächlich zu. In Folge des von 13 der reichsten Juden gemachten Geständnisses hat Scherif-Pascha sämtliche Juden aus Damaskus verwiesen, und sie in einem dicht an der Stadt gelegenen Ort unter strengste Aufsicht gestellt. Mehrere Juden haben sich schon zu Muselmännern convertirt, und einer derselben, mit Namen Achmed-Effendi, hat ausgesagt, daß ein die jüdische Religion betreffendes Mysterium ausdrücklich erkläre, wie Menschenblut der Gottheit angenehm sey, vor Allem, wenn es von Christen herrühre; es sey deßhalb den in die tiefern Geheimnisse des orientalischen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0007" n="1047"/>
wenn man erwägt, daß die Nachrichten von Bewegungen der Perser gegen Bagdad, wie unbegreiflich diese auch erscheinen, sich wieder erneuern, und somit nicht aller Consistenz zu entbehren scheinen. Eben so spricht man wiederholt davon, daß ein Hülfscorps für den General Perowski den Kaspisee überschiffen und in der Bucht von Kuli-Derieh landen soll, von wo aus der Landmarsch keine Schwierigkeiten mehr darbieten würde. &#x2013; Wenn der Correspondent der Schlesischen Zeitung meldet, daß von Truppenbewegungen im südlichen Rußland gar nichts wahrgenommen würde, so hat er insofern Recht, als die Regimenter schon seit längerer Zeit in ihren vorläufigen Bestimmungsorten concentrirt liegen, und auf weitere Ordre warten. Uebrigens hat derselbe Correspondent die Truppenmärsche in Südrußland von vornherein immer geläugnet, und doch ist es wohl Niemanden ein Geheimniß mehr, daß für den Augenblick eine beträchtliche Armee am schwarzen Meere stationirt. Am haltlosesten ist sein Argument, &#x201E;daß die Truppen, welche 15 Jahre gedient hätten, entlassen würden;&#x201C; als ob die in Rußland geltenden Militärgesetze dieß nicht unter allen Umständen geböten! Auch hat Rußland ohne diese Veteranen der Soldaten genug, da die Zahl der Militärpflichtigen groß, und die Dienstzeit lang ist. Ueberdieß liegt die sogenannte orientalische Angelegenheit in diesem Augenblick noch keineswegs so, daß Kaiser Nikolaus sein Observationscorps vermindern sollte, wodurch er den Flotten der Westmächte das Terrain preisgeben würde. &#x2013; Ihre Maj. die Kaiserin erwartet man zu Pfingsten in Deutschland. Der Kaiser wird, wie es heißt, Petersburg schon früher verlassen, um auf einem Umwege über Moskwa, Tula und Orel, wo Truppeninspectionen statthaben sollen, mit seiner Gemahlin in Deutschland zusammen zu treffen. &#x2013; In Polen entledigt man sich aller Bettler jetzt auf eine wirksame Weise, indem alle Arbeitsfähigen sofort zu den Festungsbauten verwandt, die Kinder aber in die Militärerziehungsanstalten geschickt werden. &#x2013; Von einem Ukas, der, wie manche französische und deutsche Zeitungen berichten, allen außerhalb des russischen Kaiserstaats Wohnenden den Besitz von Gütern in Polen untersagt, weiß man hier an der Gränze bis jetzt durchaus nichts; auch macht schon der Ausdruck &#x201E;Ukas&#x201C; die Sache verdächtig, da nach dem organischen Statut die Ordonnanzen im Königreich Polen nicht mittelst Ukases erlassen werden können.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Konstantinopel,</hi> 22 April.</dateline>
          <p> Nachdem die Tscherkessen im Anfang März ein russisches Fort mit Sturm genommen hatten, sollen sie Anfangs April noch drei andere Forts erstürmt haben. (Wir geben diese Notiz nur, weil sie die weite Verbreitung der uns schon seit einiger Zeit aus Galacz, Odessa etc. zugekommenen Gerüchte zeigt.)</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Türkei.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Konstantinopel,</hi> 22 April.</dateline>
          <p> Die Spannung zwischen den Mitgliedern des Divans hat noch nicht aufgehört. Wechselseitige Verdächtigungen und Anfeindungen sind an der Tagesordnung, Halil Pascha, erster Schwager des Sultans, Seriasker und Oberbefehlshaber der kaiserlichen Garde, nebst Chosrew und Reschid Pascha ein Mitglied des türkischen Triumvirats, das von Mahmud auf seinem Todbette dem jetzt regierenden Padischah auf das wärmste anempfohlen wurde, mußte von seinem Posten entfernt werden. An seine Stelle ward der Obersthofmeister Sr. Hoh., Risa Bey Effendi, nunmehr Risa Pascha, ernannt, ein Mann von ausgezeichneten Eigenschaften, redlich, thätig, einsichtsvoll, aber duraus kein Soldat. Und doch wird er bestimmt, den ersten Militärposten des Reichs einzunehmen, eine lächerliche Sitte der türkischen Machthaber, die ohne alle Rücksicht auf individuellen Beruf, auf Specialität der Vorbildung die Männer, die gerade am Brett sind, von einer Stelle zur andern versetzt, den Soldaten plötzlich zum Politiker, diesen zum Justizmann, dann wieder zum Großadmiral, Polizeiminister, Finanzminister umzustempeln weiß, als ob die Ernennung zu einem Posten zugleich die Einsicht in die Geschäfte des zugewiesenen Departements mit sich brächte. Der Gouverneur von Nicomedien, Akif Pascha, ward nach einer strengen Untersuchung seines pflichtwidrigen Benehmens in der Verwaltung seines Paschaliks ebenfalls abgesetzt. Er war der Defraudation und Erpressungen gegen die Unterthanen angeklagt. Seine Verurtheilung ist insofern merkwürdig, als es die erste ist, die nach dem im vorigen Jahre kundgemachten Strafgesetze für die türkischen Beamten verhängt wurde. Dieses Beispiel heilsamer Strenge wird nicht ohne gute Folgen seyn, da man wenigstens erwarten darf, daß die Unverschämtheit, mit der jeder türkische Beamte seine Stelle als eine Fundgrube zu eigener Bereicherung betrachtet und behandelt, in gewisse Schranken zurückgewiesen werde. Das Uebel ist allgemein und es dürfte nur Wenige geben, auf die das neue Strafgesetz nicht längst seine volle Anwendung fände. Auch der Luxus an zahlreicher Bedienung und an wohlbestellten Harems macht enorme Auslagen nöthig, die mit der gewöhnlichen Besoldung allein nicht zu erschwingen sind. Man beschränke die Zahl der Diener, die Zahl der Weiber, welche von Männern, die öffentliche Aemter bekleiden, gehalten zu werden pflegen, und man wird eine fruchtbare Quelle von Prävaricationen verstopft haben. Die Strafen allein reichen nicht hin; man muß das Uebel an seiner Wurzel fassen. &#x2013; Aus <hi rendition="#g">Adrianopel</hi> ist die beunruhigende Nachricht eingegangen, daß die dortige muselmännische und griechische Bevölkerung in eine Collision gerathen sind, welche ernsthafte Unruhen befürchten läßt. Man bewaffnete und verschanzte sich von beiden Seiten in den Häusern, und die heute und gestern von dort eingegangenen Briefe ließen den Ausbruch bedenklicher Auftritte besorgen. Bis zu diesem Augenblick scheint es jedoch nicht zu Thätlichkeiten gekommen zu seyn. &#x2013; Der Prinz Heinrich der Niederlande ist hier angekommen; Se. königl. Hoh. scheint Willens zu seyn, einen längern Aufenthalt in Konstantinopel zu nehmen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Syrien und Aegypten.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Alexandria,</hi> 21 April.</dateline>
          <p> Die Pestfälle, die im Palaste des Pascha's stattgefunden, haben ihn veranlaßt, sich auf einige Tage nach dem Landsitze Moharrem Bey's am Canale gelegen zu begeben. Wir haben noch immer 10 bis 12 Fälle per Tag. &#x2013; Man spricht von neuen Truppenaushebungen zur Bildung von zwei Regimentern. Die Erklärungen, welche Palmerston und Lord J. Russel, von Hume veranlaßt, im englischen Unterhause abgaben, haben den Pascha nicht sehr erbaut.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Alexandria</hi>, 6 April.</dateline>
          <p> Die Nachrichten aus Syrien betreffen vorzugsweise noch immer die Ermordung des Paters Thomas. Der unermüdeten Thätigkeit des in Damaskus residirenden französischen Consuls schreiben die, welche an den Mord glauben, die Enthüllung desselben hauptsächlich zu. In Folge des von 13 der reichsten Juden gemachten Geständnisses hat Scherif-Pascha sämtliche Juden aus Damaskus verwiesen, und sie in einem dicht an der Stadt gelegenen Ort unter strengste Aufsicht gestellt. Mehrere Juden haben sich schon zu Muselmännern convertirt, und einer derselben, mit Namen Achmed-Effendi, hat ausgesagt, daß ein die jüdische Religion betreffendes Mysterium ausdrücklich erkläre, wie Menschenblut der Gottheit angenehm sey, vor Allem, wenn es von Christen herrühre; es sey deßhalb den in die tiefern Geheimnisse des orientalischen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1047/0007] wenn man erwägt, daß die Nachrichten von Bewegungen der Perser gegen Bagdad, wie unbegreiflich diese auch erscheinen, sich wieder erneuern, und somit nicht aller Consistenz zu entbehren scheinen. Eben so spricht man wiederholt davon, daß ein Hülfscorps für den General Perowski den Kaspisee überschiffen und in der Bucht von Kuli-Derieh landen soll, von wo aus der Landmarsch keine Schwierigkeiten mehr darbieten würde. – Wenn der Correspondent der Schlesischen Zeitung meldet, daß von Truppenbewegungen im südlichen Rußland gar nichts wahrgenommen würde, so hat er insofern Recht, als die Regimenter schon seit längerer Zeit in ihren vorläufigen Bestimmungsorten concentrirt liegen, und auf weitere Ordre warten. Uebrigens hat derselbe Correspondent die Truppenmärsche in Südrußland von vornherein immer geläugnet, und doch ist es wohl Niemanden ein Geheimniß mehr, daß für den Augenblick eine beträchtliche Armee am schwarzen Meere stationirt. Am haltlosesten ist sein Argument, „daß die Truppen, welche 15 Jahre gedient hätten, entlassen würden;“ als ob die in Rußland geltenden Militärgesetze dieß nicht unter allen Umständen geböten! Auch hat Rußland ohne diese Veteranen der Soldaten genug, da die Zahl der Militärpflichtigen groß, und die Dienstzeit lang ist. Ueberdieß liegt die sogenannte orientalische Angelegenheit in diesem Augenblick noch keineswegs so, daß Kaiser Nikolaus sein Observationscorps vermindern sollte, wodurch er den Flotten der Westmächte das Terrain preisgeben würde. – Ihre Maj. die Kaiserin erwartet man zu Pfingsten in Deutschland. Der Kaiser wird, wie es heißt, Petersburg schon früher verlassen, um auf einem Umwege über Moskwa, Tula und Orel, wo Truppeninspectionen statthaben sollen, mit seiner Gemahlin in Deutschland zusammen zu treffen. – In Polen entledigt man sich aller Bettler jetzt auf eine wirksame Weise, indem alle Arbeitsfähigen sofort zu den Festungsbauten verwandt, die Kinder aber in die Militärerziehungsanstalten geschickt werden. – Von einem Ukas, der, wie manche französische und deutsche Zeitungen berichten, allen außerhalb des russischen Kaiserstaats Wohnenden den Besitz von Gütern in Polen untersagt, weiß man hier an der Gränze bis jetzt durchaus nichts; auch macht schon der Ausdruck „Ukas“ die Sache verdächtig, da nach dem organischen Statut die Ordonnanzen im Königreich Polen nicht mittelst Ukases erlassen werden können. _ Konstantinopel, 22 April. Nachdem die Tscherkessen im Anfang März ein russisches Fort mit Sturm genommen hatten, sollen sie Anfangs April noch drei andere Forts erstürmt haben. (Wir geben diese Notiz nur, weil sie die weite Verbreitung der uns schon seit einiger Zeit aus Galacz, Odessa etc. zugekommenen Gerüchte zeigt.) Türkei. _ Konstantinopel, 22 April. Die Spannung zwischen den Mitgliedern des Divans hat noch nicht aufgehört. Wechselseitige Verdächtigungen und Anfeindungen sind an der Tagesordnung, Halil Pascha, erster Schwager des Sultans, Seriasker und Oberbefehlshaber der kaiserlichen Garde, nebst Chosrew und Reschid Pascha ein Mitglied des türkischen Triumvirats, das von Mahmud auf seinem Todbette dem jetzt regierenden Padischah auf das wärmste anempfohlen wurde, mußte von seinem Posten entfernt werden. An seine Stelle ward der Obersthofmeister Sr. Hoh., Risa Bey Effendi, nunmehr Risa Pascha, ernannt, ein Mann von ausgezeichneten Eigenschaften, redlich, thätig, einsichtsvoll, aber duraus kein Soldat. Und doch wird er bestimmt, den ersten Militärposten des Reichs einzunehmen, eine lächerliche Sitte der türkischen Machthaber, die ohne alle Rücksicht auf individuellen Beruf, auf Specialität der Vorbildung die Männer, die gerade am Brett sind, von einer Stelle zur andern versetzt, den Soldaten plötzlich zum Politiker, diesen zum Justizmann, dann wieder zum Großadmiral, Polizeiminister, Finanzminister umzustempeln weiß, als ob die Ernennung zu einem Posten zugleich die Einsicht in die Geschäfte des zugewiesenen Departements mit sich brächte. Der Gouverneur von Nicomedien, Akif Pascha, ward nach einer strengen Untersuchung seines pflichtwidrigen Benehmens in der Verwaltung seines Paschaliks ebenfalls abgesetzt. Er war der Defraudation und Erpressungen gegen die Unterthanen angeklagt. Seine Verurtheilung ist insofern merkwürdig, als es die erste ist, die nach dem im vorigen Jahre kundgemachten Strafgesetze für die türkischen Beamten verhängt wurde. Dieses Beispiel heilsamer Strenge wird nicht ohne gute Folgen seyn, da man wenigstens erwarten darf, daß die Unverschämtheit, mit der jeder türkische Beamte seine Stelle als eine Fundgrube zu eigener Bereicherung betrachtet und behandelt, in gewisse Schranken zurückgewiesen werde. Das Uebel ist allgemein und es dürfte nur Wenige geben, auf die das neue Strafgesetz nicht längst seine volle Anwendung fände. Auch der Luxus an zahlreicher Bedienung und an wohlbestellten Harems macht enorme Auslagen nöthig, die mit der gewöhnlichen Besoldung allein nicht zu erschwingen sind. Man beschränke die Zahl der Diener, die Zahl der Weiber, welche von Männern, die öffentliche Aemter bekleiden, gehalten zu werden pflegen, und man wird eine fruchtbare Quelle von Prävaricationen verstopft haben. Die Strafen allein reichen nicht hin; man muß das Uebel an seiner Wurzel fassen. – Aus Adrianopel ist die beunruhigende Nachricht eingegangen, daß die dortige muselmännische und griechische Bevölkerung in eine Collision gerathen sind, welche ernsthafte Unruhen befürchten läßt. Man bewaffnete und verschanzte sich von beiden Seiten in den Häusern, und die heute und gestern von dort eingegangenen Briefe ließen den Ausbruch bedenklicher Auftritte besorgen. Bis zu diesem Augenblick scheint es jedoch nicht zu Thätlichkeiten gekommen zu seyn. – Der Prinz Heinrich der Niederlande ist hier angekommen; Se. königl. Hoh. scheint Willens zu seyn, einen längern Aufenthalt in Konstantinopel zu nehmen. Syrien und Aegypten. _ Alexandria, 21 April. Die Pestfälle, die im Palaste des Pascha's stattgefunden, haben ihn veranlaßt, sich auf einige Tage nach dem Landsitze Moharrem Bey's am Canale gelegen zu begeben. Wir haben noch immer 10 bis 12 Fälle per Tag. – Man spricht von neuen Truppenaushebungen zur Bildung von zwei Regimentern. Die Erklärungen, welche Palmerston und Lord J. Russel, von Hume veranlaßt, im englischen Unterhause abgaben, haben den Pascha nicht sehr erbaut. _ Alexandria, 6 April. Die Nachrichten aus Syrien betreffen vorzugsweise noch immer die Ermordung des Paters Thomas. Der unermüdeten Thätigkeit des in Damaskus residirenden französischen Consuls schreiben die, welche an den Mord glauben, die Enthüllung desselben hauptsächlich zu. In Folge des von 13 der reichsten Juden gemachten Geständnisses hat Scherif-Pascha sämtliche Juden aus Damaskus verwiesen, und sie in einem dicht an der Stadt gelegenen Ort unter strengste Aufsicht gestellt. Mehrere Juden haben sich schon zu Muselmännern convertirt, und einer derselben, mit Namen Achmed-Effendi, hat ausgesagt, daß ein die jüdische Religion betreffendes Mysterium ausdrücklich erkläre, wie Menschenblut der Gottheit angenehm sey, vor Allem, wenn es von Christen herrühre; es sey deßhalb den in die tiefern Geheimnisse des orientalischen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_131_18400510
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_131_18400510/7
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 131. Augsburg, 10. Mai 1840, S. 1047. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_131_18400510/7>, abgerufen am 03.05.2024.