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Allgemeine Zeitung. Nr. 131. Augsburg, 10. Mai 1840.

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Aufschub zu begehren. Da auch dieser erfolglos verstrichen, übersendete Hr. Temple seine Note dem Fürsten Cassaro, und in Folge davon fand am 16 März eine Versammlung des Staatsraths statt, um über die an Großbritannien zu erlassende Antwort einen Beschluß zu fassen. Der König selbst eröffnete die Berathung mit der Erklärung, er werde nie in die Forderungen Großbritanniens willigen, und das Monopol sey keine Verletzung des Vertrags von 1816. Alle Minister, mit Ausnahme des Fürsten Cassaro, des Marchese Pietracatella und, wie einige behaupten, des Marchese Delcarretto zollten dem hochherzigen Entschlusse des Souveräns ihren Beifall. Die beiden ersten Minister stellten unterthänig vor, der König könne das dem brittischen Geschäftsträger officiell gegebene Wort, man wolle das Schwefelmonopol aufheben, nicht zurückziehen, ohne seine Ehre und Würde bloßzustellen. Die Mehrzahl trug über den weisen Rath den Sieg davon. Der König dictirte ein Schreiben, welches vom Fürsten Cassaro unterzeichnet und dem brittischen Gesandten zugeschickt werden sollte. Aber der Fürst erklärte, er werde jedes Opfer bringen, nur nicht das seiner Ehre, die durch die Note vom 26 Febr., welche er auf Befehl des Königs Hrn. Kennedy geschrieben, bloßgestellt erscheine, indem er keine andere dem Inhalt jener gänzlich widersprechende unterzeichnen könne, und da seine Dienste nicht länger von Nutzen seyen, den König bitten müsse, seine Entlassung anzunehmen. Zwei Tage später übersendete er seine Dimission dem Könige schriftlich. Der letztere drang in ihn, zuvor die Note zu zeichnen und zu siegeln, was der Fürst ehrerbietig, doch fest verweigerte, und in Folge dessen beschloß der erzürnte Monarch die Entlassung seines treuen Dieners, der seinem Großvater, seinem Vater und ihm selbst durch dreißig Jahre treu gedient. Er wurde unter dem Vorwurf, die Interessen Englands vertheidigt, ihnen Vorschub geleistet und einen Vertrag mit Hrn. M'Gregor zu alleinigen Gunsten des brittischen Handels unterzeichnet zu haben, in die Verbannung geschickt.

Unsere gestrige Regierungs-Zeitung enthält folgenden officiellen Artikel: "Die Streitigkeiten, welche zwischen dem Hofe Sr. Maj. unsers Königs und dem Ihrer brittischen Maj. bestehen, sind bereits zur öffentlichen Kenntniß gekommen (es ist dieß nämlich das erstemal, daß die Regierung über diese Angelegenheit spricht), eben so ist bekannt, daß eine lebhafte und ernste Correspondenz unterhalten wurde, um das Recht Sr. Maj. in Bezug auf den Schwefelcontract mit der Compagnie Taix zu Tage zu fördern. Das aufgeklärte und würdevolle Benehmen der k. Regierung, unterstützt durch das kräftige Mitwirken der k. Agenten an den auswärtigen Höfen, sicherte eine baldige und genugthuende Beendigung dieser angeknüpften Unterhandlungen. Während solche nun im besten Gange waren, hat Se. Maj. unser Herr und König von seinem Oheim dem König der Franzosen das freiwillige und freundschaftliche Anerbieten einer einfachen Vermittelung (semplice mediazione) bei der englischen Regierung erhalten, um die definitive Entscheidung der in Rede stehenden Streitfrage zu beschleunigen, und da diese Vermittlung von dem Cabinet in St. James angenommen wurde, so hat Se. Maj. der König, stets bereit, den Weg der Versöhnung, insofern er mit seiner königlichen Würde und dem Wohl seiner geliebten Unterthanen vereinbar ist, einzuschlagen, keinen Augenblick gezögert, die besagte Vermittelung Sr. Maj. des Königs der Franzosen anzunehmen und zugleich nebst den andern Bedingungen zu erlauben, daß die Unterhandlungen in Paris stattfinden. Nachdem die darauf Bezug habenden Mittheilungen am 26 d. M. durch die Vermittelung des französischen Geschäftsträgers, Hrn. Vicomte d'Haussonville, zwischen der neapolitanischen Regierung und dem englischen Gesandten Hrn. Temple gewechselt worden, freut es uns, heute öffentlich bekannt machen zu können, daß vermittelst einer vorläufigen und mit beiderseitiger Uebereinstimmung getroffenen Convention alle ergriffenen außerordentlichen Repressalien-Maaßregeln sowohl von hiesiger als von englischer Seite seit dem 26 April eingestellt wurden, und die neapolitanischen Schiffe, welche bis zu besagtem Tage nicht nach Malta gebracht waren, freigegeben werden, mit dem gleichzeitigen Versprechen, auch die übrigen neapolitanischen Schiffe, welche vor besagter Epoche von den englischen Kriegsschiffen dahin transportirt worden sind, zurückzu eben." - Gestern Abend um 24 Uhr (Sonnen-Untergang) sind zwei französische Linienschiffe vor hiesiger Stadt angekommen; zwei andere werden heute erwartet.

Deutschland.

(Ueber die Handelspolitik des deutschen Zollvereins in Beziehung auf Seehandel.) Die Theorie ist grau, und die Praxis führt das Scepter des Jahrhunderts. Viele ausgezeichnete Schriftsteller haben sich erschöpft in Lehren über allgemeine Freiheit des Handels und Verkehrs, und doch zeigt die Wirklichkeit, daß selbst da, wo man bemüht gewesen ist, dieselben in Anwendung zu bringen, dieses nur unter bedeutenden Modificationen möglich war. Es hat sich ebenfalls ergeben, daß die Selbstsucht jedes einzelnen Staats Verhältnisse schuf, geeignet den eigenen Vortheil auf Kosten der Nachbarn zu befördern, wogegen diese sich genöthigt sahen, als Nothwehr gegen dergleichen Uebergriffe Schutzmaaßregeln zu nehmen, und Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Auf solche Weise ist die Theorie der Handelsfreiheit in ihrer Anwendung so ziemlich zu Grabe getragen, und wenn schon sich in neueren Zeiten mehr Neigung aufgethan hat, sich jener Theorie etwas zu nähern, so beruhen die Schritte, welche dieserhalb geschehen sind, doch im Wesentlichen nur auf untergeordneten Maaßregeln oder geringen Ermäßigungen der Zölle das Meiste aber läuft auf prunkvolle Reden in Volksversammlungen und Flugschriften hinaus ohne sonderliche Resultate. Nur dem deutschen Zollverein gebührt der Ruhm, ehrlich nach möglichster Freiheit des Handels und Verkehrs zu streben, und in der That, in seinem Schooße ruht sowohl die Fähigkeit als auch die Kraft, die thunlichste Freiheit des Welthandels zu erkämpfen. Denn den Zollverein hindert an solcher Bestrebung kein zu schonendes Interesse, keine Colonie, keine Schuldenlast, welche durch übertriebene Abgaben zu decken wäre, keine Kriegsmarine, deren Bemannung durch eigene Colonialschifffahrt herangebildet werden muß. Das Nichtvorhandenseyn dieser Hindernisse begründet die Fähigkeit des Vereins zu rücksichtlosem Einschreiten. Die Kraft und der Nachdruck dazu aber ergeben sich in dem ungeheuren Verbrauche aller Colonialerzeugnisse in Deutschland, deren Uebermaaß nur in diesem Lande verwerthbar ist, weßhalb denn dieses Land auch die Bedingungen vorzuschreiben im Stande ist, unter welchen es eine solche Verwerthung geschehen lassen will. Der veraltete theoretische Grundsatz: "wer die wohlfeilste und preiswürdigste Waare anbiete, von dem müsse man kaufen," mag unter vielen Umständen anwendbar seyn, unbedingt aber huldigen demselben die in commercieller Hinsicht gewandtesten Völker schon lange nicht mehr, vielmehr haben dieselben seit geraumer Zeit durch ihre Zollgesetzgebungen und Handelsverträge sich angelegen seyn lassen, den Handel in solche Richtungen zu bringen, daß der Verkäufer der Colonialerzeugnisse gleichzeitig der Käufer ihrer Erzeugnisse würde, demnach eine Art Tauschverkehr entstände. Nur der deutsche Zollverein, oder eigentlich Deutschland überhaupt,

Aufschub zu begehren. Da auch dieser erfolglos verstrichen, übersendete Hr. Temple seine Note dem Fürsten Cassaro, und in Folge davon fand am 16 März eine Versammlung des Staatsraths statt, um über die an Großbritannien zu erlassende Antwort einen Beschluß zu fassen. Der König selbst eröffnete die Berathung mit der Erklärung, er werde nie in die Forderungen Großbritanniens willigen, und das Monopol sey keine Verletzung des Vertrags von 1816. Alle Minister, mit Ausnahme des Fürsten Cassaro, des Marchese Pietracatella und, wie einige behaupten, des Marchese Delcarretto zollten dem hochherzigen Entschlusse des Souveräns ihren Beifall. Die beiden ersten Minister stellten unterthänig vor, der König könne das dem brittischen Geschäftsträger officiell gegebene Wort, man wolle das Schwefelmonopol aufheben, nicht zurückziehen, ohne seine Ehre und Würde bloßzustellen. Die Mehrzahl trug über den weisen Rath den Sieg davon. Der König dictirte ein Schreiben, welches vom Fürsten Cassaro unterzeichnet und dem brittischen Gesandten zugeschickt werden sollte. Aber der Fürst erklärte, er werde jedes Opfer bringen, nur nicht das seiner Ehre, die durch die Note vom 26 Febr., welche er auf Befehl des Königs Hrn. Kennedy geschrieben, bloßgestellt erscheine, indem er keine andere dem Inhalt jener gänzlich widersprechende unterzeichnen könne, und da seine Dienste nicht länger von Nutzen seyen, den König bitten müsse, seine Entlassung anzunehmen. Zwei Tage später übersendete er seine Dimission dem Könige schriftlich. Der letztere drang in ihn, zuvor die Note zu zeichnen und zu siegeln, was der Fürst ehrerbietig, doch fest verweigerte, und in Folge dessen beschloß der erzürnte Monarch die Entlassung seines treuen Dieners, der seinem Großvater, seinem Vater und ihm selbst durch dreißig Jahre treu gedient. Er wurde unter dem Vorwurf, die Interessen Englands vertheidigt, ihnen Vorschub geleistet und einen Vertrag mit Hrn. M'Gregor zu alleinigen Gunsten des brittischen Handels unterzeichnet zu haben, in die Verbannung geschickt.

Unsere gestrige Regierungs-Zeitung enthält folgenden officiellen Artikel: „Die Streitigkeiten, welche zwischen dem Hofe Sr. Maj. unsers Königs und dem Ihrer brittischen Maj. bestehen, sind bereits zur öffentlichen Kenntniß gekommen (es ist dieß nämlich das erstemal, daß die Regierung über diese Angelegenheit spricht), eben so ist bekannt, daß eine lebhafte und ernste Correspondenz unterhalten wurde, um das Recht Sr. Maj. in Bezug auf den Schwefelcontract mit der Compagnie Taix zu Tage zu fördern. Das aufgeklärte und würdevolle Benehmen der k. Regierung, unterstützt durch das kräftige Mitwirken der k. Agenten an den auswärtigen Höfen, sicherte eine baldige und genugthuende Beendigung dieser angeknüpften Unterhandlungen. Während solche nun im besten Gange waren, hat Se. Maj. unser Herr und König von seinem Oheim dem König der Franzosen das freiwillige und freundschaftliche Anerbieten einer einfachen Vermittelung (semplice mediazione) bei der englischen Regierung erhalten, um die definitive Entscheidung der in Rede stehenden Streitfrage zu beschleunigen, und da diese Vermittlung von dem Cabinet in St. James angenommen wurde, so hat Se. Maj. der König, stets bereit, den Weg der Versöhnung, insofern er mit seiner königlichen Würde und dem Wohl seiner geliebten Unterthanen vereinbar ist, einzuschlagen, keinen Augenblick gezögert, die besagte Vermittelung Sr. Maj. des Königs der Franzosen anzunehmen und zugleich nebst den andern Bedingungen zu erlauben, daß die Unterhandlungen in Paris stattfinden. Nachdem die darauf Bezug habenden Mittheilungen am 26 d. M. durch die Vermittelung des französischen Geschäftsträgers, Hrn. Vicomte d'Haussonville, zwischen der neapolitanischen Regierung und dem englischen Gesandten Hrn. Temple gewechselt worden, freut es uns, heute öffentlich bekannt machen zu können, daß vermittelst einer vorläufigen und mit beiderseitiger Uebereinstimmung getroffenen Convention alle ergriffenen außerordentlichen Repressalien-Maaßregeln sowohl von hiesiger als von englischer Seite seit dem 26 April eingestellt wurden, und die neapolitanischen Schiffe, welche bis zu besagtem Tage nicht nach Malta gebracht waren, freigegeben werden, mit dem gleichzeitigen Versprechen, auch die übrigen neapolitanischen Schiffe, welche vor besagter Epoche von den englischen Kriegsschiffen dahin transportirt worden sind, zurückzu eben.“ – Gestern Abend um 24 Uhr (Sonnen-Untergang) sind zwei französische Linienschiffe vor hiesiger Stadt angekommen; zwei andere werden heute erwartet.

Deutschland.

(Ueber die Handelspolitik des deutschen Zollvereins in Beziehung auf Seehandel.) Die Theorie ist grau, und die Praxis führt das Scepter des Jahrhunderts. Viele ausgezeichnete Schriftsteller haben sich erschöpft in Lehren über allgemeine Freiheit des Handels und Verkehrs, und doch zeigt die Wirklichkeit, daß selbst da, wo man bemüht gewesen ist, dieselben in Anwendung zu bringen, dieses nur unter bedeutenden Modificationen möglich war. Es hat sich ebenfalls ergeben, daß die Selbstsucht jedes einzelnen Staats Verhältnisse schuf, geeignet den eigenen Vortheil auf Kosten der Nachbarn zu befördern, wogegen diese sich genöthigt sahen, als Nothwehr gegen dergleichen Uebergriffe Schutzmaaßregeln zu nehmen, und Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Auf solche Weise ist die Theorie der Handelsfreiheit in ihrer Anwendung so ziemlich zu Grabe getragen, und wenn schon sich in neueren Zeiten mehr Neigung aufgethan hat, sich jener Theorie etwas zu nähern, so beruhen die Schritte, welche dieserhalb geschehen sind, doch im Wesentlichen nur auf untergeordneten Maaßregeln oder geringen Ermäßigungen der Zölle das Meiste aber läuft auf prunkvolle Reden in Volksversammlungen und Flugschriften hinaus ohne sonderliche Resultate. Nur dem deutschen Zollverein gebührt der Ruhm, ehrlich nach möglichster Freiheit des Handels und Verkehrs zu streben, und in der That, in seinem Schooße ruht sowohl die Fähigkeit als auch die Kraft, die thunlichste Freiheit des Welthandels zu erkämpfen. Denn den Zollverein hindert an solcher Bestrebung kein zu schonendes Interesse, keine Colonie, keine Schuldenlast, welche durch übertriebene Abgaben zu decken wäre, keine Kriegsmarine, deren Bemannung durch eigene Colonialschifffahrt herangebildet werden muß. Das Nichtvorhandenseyn dieser Hindernisse begründet die Fähigkeit des Vereins zu rücksichtlosem Einschreiten. Die Kraft und der Nachdruck dazu aber ergeben sich in dem ungeheuren Verbrauche aller Colonialerzeugnisse in Deutschland, deren Uebermaaß nur in diesem Lande verwerthbar ist, weßhalb denn dieses Land auch die Bedingungen vorzuschreiben im Stande ist, unter welchen es eine solche Verwerthung geschehen lassen will. Der veraltete theoretische Grundsatz: „wer die wohlfeilste und preiswürdigste Waare anbiete, von dem müsse man kaufen,“ mag unter vielen Umständen anwendbar seyn, unbedingt aber huldigen demselben die in commercieller Hinsicht gewandtesten Völker schon lange nicht mehr, vielmehr haben dieselben seit geraumer Zeit durch ihre Zollgesetzgebungen und Handelsverträge sich angelegen seyn lassen, den Handel in solche Richtungen zu bringen, daß der Verkäufer der Colonialerzeugnisse gleichzeitig der Käufer ihrer Erzeugnisse würde, demnach eine Art Tauschverkehr entstände. Nur der deutsche Zollverein, oder eigentlich Deutschland überhaupt,

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[1044/0004] Aufschub zu begehren. Da auch dieser erfolglos verstrichen, übersendete Hr. Temple seine Note dem Fürsten Cassaro, und in Folge davon fand am 16 März eine Versammlung des Staatsraths statt, um über die an Großbritannien zu erlassende Antwort einen Beschluß zu fassen. Der König selbst eröffnete die Berathung mit der Erklärung, er werde nie in die Forderungen Großbritanniens willigen, und das Monopol sey keine Verletzung des Vertrags von 1816. Alle Minister, mit Ausnahme des Fürsten Cassaro, des Marchese Pietracatella und, wie einige behaupten, des Marchese Delcarretto zollten dem hochherzigen Entschlusse des Souveräns ihren Beifall. Die beiden ersten Minister stellten unterthänig vor, der König könne das dem brittischen Geschäftsträger officiell gegebene Wort, man wolle das Schwefelmonopol aufheben, nicht zurückziehen, ohne seine Ehre und Würde bloßzustellen. Die Mehrzahl trug über den weisen Rath den Sieg davon. Der König dictirte ein Schreiben, welches vom Fürsten Cassaro unterzeichnet und dem brittischen Gesandten zugeschickt werden sollte. Aber der Fürst erklärte, er werde jedes Opfer bringen, nur nicht das seiner Ehre, die durch die Note vom 26 Febr., welche er auf Befehl des Königs Hrn. Kennedy geschrieben, bloßgestellt erscheine, indem er keine andere dem Inhalt jener gänzlich widersprechende unterzeichnen könne, und da seine Dienste nicht länger von Nutzen seyen, den König bitten müsse, seine Entlassung anzunehmen. Zwei Tage später übersendete er seine Dimission dem Könige schriftlich. Der letztere drang in ihn, zuvor die Note zu zeichnen und zu siegeln, was der Fürst ehrerbietig, doch fest verweigerte, und in Folge dessen beschloß der erzürnte Monarch die Entlassung seines treuen Dieners, der seinem Großvater, seinem Vater und ihm selbst durch dreißig Jahre treu gedient. Er wurde unter dem Vorwurf, die Interessen Englands vertheidigt, ihnen Vorschub geleistet und einen Vertrag mit Hrn. M'Gregor zu alleinigen Gunsten des brittischen Handels unterzeichnet zu haben, in die Verbannung geschickt. _ Neapel, 30 April. Unsere gestrige Regierungs-Zeitung enthält folgenden officiellen Artikel: „Die Streitigkeiten, welche zwischen dem Hofe Sr. Maj. unsers Königs und dem Ihrer brittischen Maj. bestehen, sind bereits zur öffentlichen Kenntniß gekommen (es ist dieß nämlich das erstemal, daß die Regierung über diese Angelegenheit spricht), eben so ist bekannt, daß eine lebhafte und ernste Correspondenz unterhalten wurde, um das Recht Sr. Maj. in Bezug auf den Schwefelcontract mit der Compagnie Taix zu Tage zu fördern. Das aufgeklärte und würdevolle Benehmen der k. Regierung, unterstützt durch das kräftige Mitwirken der k. Agenten an den auswärtigen Höfen, sicherte eine baldige und genugthuende Beendigung dieser angeknüpften Unterhandlungen. 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Vicomte d'Haussonville, zwischen der neapolitanischen Regierung und dem englischen Gesandten Hrn. Temple gewechselt worden, freut es uns, heute öffentlich bekannt machen zu können, daß vermittelst einer vorläufigen und mit beiderseitiger Uebereinstimmung getroffenen Convention alle ergriffenen außerordentlichen Repressalien-Maaßregeln sowohl von hiesiger als von englischer Seite seit dem 26 April eingestellt wurden, und die neapolitanischen Schiffe, welche bis zu besagtem Tage nicht nach Malta gebracht waren, freigegeben werden, mit dem gleichzeitigen Versprechen, auch die übrigen neapolitanischen Schiffe, welche vor besagter Epoche von den englischen Kriegsschiffen dahin transportirt worden sind, zurückzu eben.“ – Gestern Abend um 24 Uhr (Sonnen-Untergang) sind zwei französische Linienschiffe vor hiesiger Stadt angekommen; zwei andere werden heute erwartet. Deutschland. _ Vom Main. (Ueber die Handelspolitik des deutschen Zollvereins in Beziehung auf Seehandel.) Die Theorie ist grau, und die Praxis führt das Scepter des Jahrhunderts. Viele ausgezeichnete Schriftsteller haben sich erschöpft in Lehren über allgemeine Freiheit des Handels und Verkehrs, und doch zeigt die Wirklichkeit, daß selbst da, wo man bemüht gewesen ist, dieselben in Anwendung zu bringen, dieses nur unter bedeutenden Modificationen möglich war. Es hat sich ebenfalls ergeben, daß die Selbstsucht jedes einzelnen Staats Verhältnisse schuf, geeignet den eigenen Vortheil auf Kosten der Nachbarn zu befördern, wogegen diese sich genöthigt sahen, als Nothwehr gegen dergleichen Uebergriffe Schutzmaaßregeln zu nehmen, und Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Auf solche Weise ist die Theorie der Handelsfreiheit in ihrer Anwendung so ziemlich zu Grabe getragen, und wenn schon sich in neueren Zeiten mehr Neigung aufgethan hat, sich jener Theorie etwas zu nähern, so beruhen die Schritte, welche dieserhalb geschehen sind, doch im Wesentlichen nur auf untergeordneten Maaßregeln oder geringen Ermäßigungen der Zölle das Meiste aber läuft auf prunkvolle Reden in Volksversammlungen und Flugschriften hinaus ohne sonderliche Resultate. Nur dem deutschen Zollverein gebührt der Ruhm, ehrlich nach möglichster Freiheit des Handels und Verkehrs zu streben, und in der That, in seinem Schooße ruht sowohl die Fähigkeit als auch die Kraft, die thunlichste Freiheit des Welthandels zu erkämpfen. Denn den Zollverein hindert an solcher Bestrebung kein zu schonendes Interesse, keine Colonie, keine Schuldenlast, welche durch übertriebene Abgaben zu decken wäre, keine Kriegsmarine, deren Bemannung durch eigene Colonialschifffahrt herangebildet werden muß. Das Nichtvorhandenseyn dieser Hindernisse begründet die Fähigkeit des Vereins zu rücksichtlosem Einschreiten. Die Kraft und der Nachdruck dazu aber ergeben sich in dem ungeheuren Verbrauche aller Colonialerzeugnisse in Deutschland, deren Uebermaaß nur in diesem Lande verwerthbar ist, weßhalb denn dieses Land auch die Bedingungen vorzuschreiben im Stande ist, unter welchen es eine solche Verwerthung geschehen lassen will. Der veraltete theoretische Grundsatz: „wer die wohlfeilste und preiswürdigste Waare anbiete, von dem müsse man kaufen,“ mag unter vielen Umständen anwendbar seyn, unbedingt aber huldigen demselben die in commercieller Hinsicht gewandtesten Völker schon lange nicht mehr, vielmehr haben dieselben seit geraumer Zeit durch ihre Zollgesetzgebungen und Handelsverträge sich angelegen seyn lassen, den Handel in solche Richtungen zu bringen, daß der Verkäufer der Colonialerzeugnisse gleichzeitig der Käufer ihrer Erzeugnisse würde, demnach eine Art Tauschverkehr entstände. Nur der deutsche Zollverein, oder eigentlich Deutschland überhaupt,

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 131. Augsburg, 10. Mai 1840, S. 1044. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_131_18400510/4>, abgerufen am 02.05.2024.