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Allgemeine Zeitung. Nr. 117. Augsburg, 26. April 1840.

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ich sie in meinen Arm nahm, und selbst dann bestand ihre ganze Liebkosung in einer seelenvollen Umarmung. Verließ ich sie, so schwieg sie; lief mir aber, wenn ich von dannen ritt, oft hundert Meilen nach, und wachte ganze Nächte an meiner Seite, wenn ich erschöpft und vom Regen durchnäßt, an einen Baumstamm gelehnt, des Schlafs genoß. Nie entwischte ihr ein Laut des Vorwurfs, wenn sie sich durch eine meiner Negerinnen verdrängt sah; nie vergalt sie mir Gleiches mit Gleichem; nie sah ich sie weinen; nie hörte ich sie über Hunger, Durst, Kälte oder Nässe klagen; nie stellte sie ein Begehren an mich; nie hatte sie einen Wunsch, außer den bei mir zu seyn - kurz, sie war das, was kein weißes Mädchen hier zu Lande ist, und dabei gebaut wie eine Venus, mit Füßchen wie sie kaum eine Spanierin auf der Insel Cuba aufzuweisen, und dabei flink und gewandt wie eine Gazelle. Wenn ich oft auf meiner Pflanzung herumritt und an gar nichts dachte, stand sie wie der Blitz vor mir, ohne daß ich, selbst wenn ich still stand, ihren leisen Tritt zu vernehmen im Stande gewesen wäre. Ihr Erscheinen, mir ins Auge blicken und dann schnell umkehren oder bleiben, wie sie eben den Befehl hiezu in meinem Gesicht las, war das Werk eines Augenblicks; im Nu war sie wieder verschwunden und ihre Spur verloren, bis mir auf Einmal wieder ihr Auge hinter einem Baumstamm entgegen lachte, und dann fühlte ich plötzlich wieder ihre kleine Hand auf meiner Schulter, und wenn ich mich umwandte und sie ansah, schien ihr stummes Antlitz zu fragen, ob sie auch zärtlich seyn dürfe. "Es war ein ganz verzweifeltes Mädchen", setzte er lachend hinzu; "ich hätte mich beinahe ernstlich in sie verliebt; -wenigstens mochte ich sie eben so wohl leiden, als meine Favorit-Mulattin; aber die hatte anderes Blut in den Adern!" - "Und Sie konnten dieses Mädchen verlassen", frug ich ihn, "sie, die nur für Sie lebte, nur Ihren Willen kannte, nur Sie auf Erden liebte?" - "Ich glaube, Sie halten mich für verrückt. Sie war die fünfte, die mir auf diese Weise zugethan war; - es sind lauter Närrinnen, diese Indianerinnen, und haben dabei doch nicht halb so viel Leben als die Mulattinnen."

Ich gestehe, daß mich diese Antworten des Obristen befremdeten, denn ich hatte mir die Indianerinnen nach den Schilderungen so vieler Reisenden ganz anders vorgestellt, und dazu kamen auch die gelehrten Disquisitionen unserer Naturforscher mit diesem Bild in zu großen Widerspruch, als daß ich meinem Erzähler sogleich hätte Glauben schenken sollen. Ich machte es mir daher zur Pflicht, denselben Gegenstand mit Hrn. Nicollet und seinem Begleiter Hrn. Frimont, Lieutenant in der amerikanischen Armee, zu besprechen, und war erstaunt, von ihnen zu vernehmen, daß diese Schilderungen des Charakters der Indianerinnen nicht nur mit allen ihren Beobachtungen übereinstimmen, sondern daß sie während des ganzen Zeitraums von sieben Jahren von keinem Fall gehört, wo ein Indianer seinem Weibe die Treue gebrochen, daß überhaupt dieser Fall gar nicht denkbar sey, weil die Phantasie des Indianers mit viel zu edlen Dingen angefüllt sey, um auf Irrwege oder Laster dieser Art verfallen zu können. "Von Mädchen", sagte Hr. Nicollet, "werden wohl hie und da Schwachheiten bekannt; aber nie von Männern und noch weniger von den Weibern der Indianer."

Von der elterlichen Liebe der Indianer für ihre Kinder erzählte er mir Folgendes: "Sie können nicht glauben, wie stark dieses Gefühl bei diesen Menschen ist, und wie willig sie sich für ihre Kinder aufopfern, sobald ihnen keine Wahl zwischen ihrer eigenen Selbsterhaltung und dem Leben ihrer Kleinen übrig bleibt. Der Indianer, trotz seiner ungezähmten Freiheitsliebe, die ihm sogar verbietet, irgend ein Grundstück oder einen Wald außer in Gemeinschaft mit allen Gliedern seines Stammes zu besitzen, ist dessen ungeachtet der häuslichste Mensch der Welt. Zwar herrscht unter ihnen nicht das, was man in Frankreich Galanterie nennt, denn hiezu sind die Weiber zu edel; aber eine leidenschaftliche Zuneigung (nicht Liebe) und ein Drang des Zusammenseyns, wie wir ihn bei keinem andern Volk antreffen. Dieß ist für Reisende überaus wichtig, denn wenn man einen Indianer als Führer nimmt und ihm nicht erlaubt, sein Weib oder eines seiner Kinder mitzunehmen, ist man nie sicher, daß er nicht auf halbem Weg umkehrt und, von dem tiefstem Heimweh ergriffen, in die Arme seiner Familie zurückkehrt. Er, der sonst jede Beleidigung, die geringste Kränkung seines Ehrgefühls sogleich mit dem Tode bestraft, läßt sich ruhig mißhandeln, sobald er eines seiner Kinder als Geisel zurückgelassen, und ist wirklich rührend dankbar für die kleinste Aufmerksamkeit, die man seinem Weib oder seinen Kleinen schenkt." Hr. Nicollet erzählte mir, daß er einst nahe an der canadischen Gränze im 48sten Grad nördl. Br. und im 99sten westl. L. nahe daran war, zu verhungern, wenn er nicht die Vorsicht gebraucht hätte, seinem Führer zu erlauben, seinen ältesten Knaben mit auf die Reise zu nehmen. Zuerst war ihm jener allein gefolgt, aber schon nach den ersten dreißig Meilen wieder umgekehrt, um in der Eile nur noch einmal sein Weib und seine Kinder zu umarmen. Da auf diese Weise an kein Weiterkommen zu denken war, so nahm er endlich eines der Kinder mit, und nun war der Indianer zufrieden, besonders da er sah, daß Hr. Nicollet auf den Kleinen Acht hatte und ihn von Zeit zu Zeit mit Bonsbons fütterte. Nahe an der Gränze fing das Wetter an sich zu ändern. Man mußte Halt machen, und da der Regen nun in Strömen herabgoß, mehrere Tage lang in einem Walde bivouakiren. Hr. Nicollet hatte etwas geräuchertes Fleisch und einige Pfund Chocolade mit auf die Reise genommen, die er nun mit dem Knaben redlich theilte. Der Indianer, der nichts hatte, schnürte sich bloß den Bauch und legte sich ruhig auf den nassen Boden. Am zweiten Tage waren alle mitgebrachten Provisionen aufgezehrt - der Indianer hatte davon nur ein einziges Stückchen Fleisch gegessen - und es war bei dem fortwährenden Regenwetter an der Zeit, ernstlich für die Zukunft besorgt zu seyn. Hr. Nicollet nahm daher das letzte Stückchen Chocolade, reichte es dem Knaben und versicherte den Vater, daß dieß der letzte Bissen sey, den er seinem Sohne reichen könne, und daß er, wenn er ihn nicht Hungers sterben sehen wolle, sofort auf die Jagd gehen müsse. Was mich betrifft, setzte Hr. Nicollet hinzu, so kann ich dich versichern, daß ich länger hungern kann als du, denn ich weiß mich über das Irdische hinauszusetzen. O, ich weiß, versetzte der Indianer, daß du einen großen Geist besitzest - und machte sich sofort auf die Jagd. In wenigen Stunden kam er durchnäßt, mit zwei Fischen und einem Rebhuhn zurück, das er sogleich dem Hrn. Nicollet übergab, weil, wie er sagte, sein großer Geist gewiß zuerst für den Knaben Sorge tragen würde.

(Beschluß folgt.)

Die Kunstausstellung in Paris.

Zwei Klagen beginnen fast alle Urtheile über den Salon. Die eine bezeichnet die jährliche Wiederkehr der Ausstellung als einen verderblichen Uebelstand, die andere wendet sich strafend an die geschmacklose Strenge der Jury, die so Treffliches zurückgewiesen habe. Dem häufigen Erneuern der öffentlichen Musterungen bürdet man die Unreife vieler Werke und die nicht seltene Abwesenheit der vorzüglichsten Namen von dem Verzeichniß der Mitwirkenden auf. Sucht man aber nicht hier in etwas Zufälligem die Ursache einer Erscheinung, deren Grund tiefer liegt, und beweisen nicht die Unbedeutenheit, die sich gewöhnlich jetzt mit flinkem Schaffen paart, und der langsame

ich sie in meinen Arm nahm, und selbst dann bestand ihre ganze Liebkosung in einer seelenvollen Umarmung. Verließ ich sie, so schwieg sie; lief mir aber, wenn ich von dannen ritt, oft hundert Meilen nach, und wachte ganze Nächte an meiner Seite, wenn ich erschöpft und vom Regen durchnäßt, an einen Baumstamm gelehnt, des Schlafs genoß. Nie entwischte ihr ein Laut des Vorwurfs, wenn sie sich durch eine meiner Negerinnen verdrängt sah; nie vergalt sie mir Gleiches mit Gleichem; nie sah ich sie weinen; nie hörte ich sie über Hunger, Durst, Kälte oder Nässe klagen; nie stellte sie ein Begehren an mich; nie hatte sie einen Wunsch, außer den bei mir zu seyn – kurz, sie war das, was kein weißes Mädchen hier zu Lande ist, und dabei gebaut wie eine Venus, mit Füßchen wie sie kaum eine Spanierin auf der Insel Cuba aufzuweisen, und dabei flink und gewandt wie eine Gazelle. Wenn ich oft auf meiner Pflanzung herumritt und an gar nichts dachte, stand sie wie der Blitz vor mir, ohne daß ich, selbst wenn ich still stand, ihren leisen Tritt zu vernehmen im Stande gewesen wäre. Ihr Erscheinen, mir ins Auge blicken und dann schnell umkehren oder bleiben, wie sie eben den Befehl hiezu in meinem Gesicht las, war das Werk eines Augenblicks; im Nu war sie wieder verschwunden und ihre Spur verloren, bis mir auf Einmal wieder ihr Auge hinter einem Baumstamm entgegen lachte, und dann fühlte ich plötzlich wieder ihre kleine Hand auf meiner Schulter, und wenn ich mich umwandte und sie ansah, schien ihr stummes Antlitz zu fragen, ob sie auch zärtlich seyn dürfe. „Es war ein ganz verzweifeltes Mädchen“, setzte er lachend hinzu; „ich hätte mich beinahe ernstlich in sie verliebt; –wenigstens mochte ich sie eben so wohl leiden, als meine Favorit-Mulattin; aber die hatte anderes Blut in den Adern!“ – „Und Sie konnten dieses Mädchen verlassen“, frug ich ihn, „sie, die nur für Sie lebte, nur Ihren Willen kannte, nur Sie auf Erden liebte?“ – „Ich glaube, Sie halten mich für verrückt. Sie war die fünfte, die mir auf diese Weise zugethan war; – es sind lauter Närrinnen, diese Indianerinnen, und haben dabei doch nicht halb so viel Leben als die Mulattinnen.“

Ich gestehe, daß mich diese Antworten des Obristen befremdeten, denn ich hatte mir die Indianerinnen nach den Schilderungen so vieler Reisenden ganz anders vorgestellt, und dazu kamen auch die gelehrten Disquisitionen unserer Naturforscher mit diesem Bild in zu großen Widerspruch, als daß ich meinem Erzähler sogleich hätte Glauben schenken sollen. Ich machte es mir daher zur Pflicht, denselben Gegenstand mit Hrn. Nicollet und seinem Begleiter Hrn. Frimont, Lieutenant in der amerikanischen Armee, zu besprechen, und war erstaunt, von ihnen zu vernehmen, daß diese Schilderungen des Charakters der Indianerinnen nicht nur mit allen ihren Beobachtungen übereinstimmen, sondern daß sie während des ganzen Zeitraums von sieben Jahren von keinem Fall gehört, wo ein Indianer seinem Weibe die Treue gebrochen, daß überhaupt dieser Fall gar nicht denkbar sey, weil die Phantasie des Indianers mit viel zu edlen Dingen angefüllt sey, um auf Irrwege oder Laster dieser Art verfallen zu können. „Von Mädchen“, sagte Hr. Nicollet, „werden wohl hie und da Schwachheiten bekannt; aber nie von Männern und noch weniger von den Weibern der Indianer.“

Von der elterlichen Liebe der Indianer für ihre Kinder erzählte er mir Folgendes: „Sie können nicht glauben, wie stark dieses Gefühl bei diesen Menschen ist, und wie willig sie sich für ihre Kinder aufopfern, sobald ihnen keine Wahl zwischen ihrer eigenen Selbsterhaltung und dem Leben ihrer Kleinen übrig bleibt. Der Indianer, trotz seiner ungezähmten Freiheitsliebe, die ihm sogar verbietet, irgend ein Grundstück oder einen Wald außer in Gemeinschaft mit allen Gliedern seines Stammes zu besitzen, ist dessen ungeachtet der häuslichste Mensch der Welt. Zwar herrscht unter ihnen nicht das, was man in Frankreich Galanterie nennt, denn hiezu sind die Weiber zu edel; aber eine leidenschaftliche Zuneigung (nicht Liebe) und ein Drang des Zusammenseyns, wie wir ihn bei keinem andern Volk antreffen. Dieß ist für Reisende überaus wichtig, denn wenn man einen Indianer als Führer nimmt und ihm nicht erlaubt, sein Weib oder eines seiner Kinder mitzunehmen, ist man nie sicher, daß er nicht auf halbem Weg umkehrt und, von dem tiefstem Heimweh ergriffen, in die Arme seiner Familie zurückkehrt. Er, der sonst jede Beleidigung, die geringste Kränkung seines Ehrgefühls sogleich mit dem Tode bestraft, läßt sich ruhig mißhandeln, sobald er eines seiner Kinder als Geisel zurückgelassen, und ist wirklich rührend dankbar für die kleinste Aufmerksamkeit, die man seinem Weib oder seinen Kleinen schenkt.“ Hr. Nicollet erzählte mir, daß er einst nahe an der canadischen Gränze im 48sten Grad nördl. Br. und im 99sten westl. L. nahe daran war, zu verhungern, wenn er nicht die Vorsicht gebraucht hätte, seinem Führer zu erlauben, seinen ältesten Knaben mit auf die Reise zu nehmen. Zuerst war ihm jener allein gefolgt, aber schon nach den ersten dreißig Meilen wieder umgekehrt, um in der Eile nur noch einmal sein Weib und seine Kinder zu umarmen. Da auf diese Weise an kein Weiterkommen zu denken war, so nahm er endlich eines der Kinder mit, und nun war der Indianer zufrieden, besonders da er sah, daß Hr. Nicollet auf den Kleinen Acht hatte und ihn von Zeit zu Zeit mit Bonsbons fütterte. Nahe an der Gränze fing das Wetter an sich zu ändern. Man mußte Halt machen, und da der Regen nun in Strömen herabgoß, mehrere Tage lang in einem Walde bivouakiren. Hr. Nicollet hatte etwas geräuchertes Fleisch und einige Pfund Chocolade mit auf die Reise genommen, die er nun mit dem Knaben redlich theilte. Der Indianer, der nichts hatte, schnürte sich bloß den Bauch und legte sich ruhig auf den nassen Boden. Am zweiten Tage waren alle mitgebrachten Provisionen aufgezehrt – der Indianer hatte davon nur ein einziges Stückchen Fleisch gegessen – und es war bei dem fortwährenden Regenwetter an der Zeit, ernstlich für die Zukunft besorgt zu seyn. Hr. Nicollet nahm daher das letzte Stückchen Chocolade, reichte es dem Knaben und versicherte den Vater, daß dieß der letzte Bissen sey, den er seinem Sohne reichen könne, und daß er, wenn er ihn nicht Hungers sterben sehen wolle, sofort auf die Jagd gehen müsse. Was mich betrifft, setzte Hr. Nicollet hinzu, so kann ich dich versichern, daß ich länger hungern kann als du, denn ich weiß mich über das Irdische hinauszusetzen. O, ich weiß, versetzte der Indianer, daß du einen großen Geist besitzest – und machte sich sofort auf die Jagd. In wenigen Stunden kam er durchnäßt, mit zwei Fischen und einem Rebhuhn zurück, das er sogleich dem Hrn. Nicollet übergab, weil, wie er sagte, sein großer Geist gewiß zuerst für den Knaben Sorge tragen würde.

(Beschluß folgt.)

Die Kunstausstellung in Paris.

Zwei Klagen beginnen fast alle Urtheile über den Salon. Die eine bezeichnet die jährliche Wiederkehr der Ausstellung als einen verderblichen Uebelstand, die andere wendet sich strafend an die geschmacklose Strenge der Jury, die so Treffliches zurückgewiesen habe. Dem häufigen Erneuern der öffentlichen Musterungen bürdet man die Unreife vieler Werke und die nicht seltene Abwesenheit der vorzüglichsten Namen von dem Verzeichniß der Mitwirkenden auf. Sucht man aber nicht hier in etwas Zufälligem die Ursache einer Erscheinung, deren Grund tiefer liegt, und beweisen nicht die Unbedeutenheit, die sich gewöhnlich jetzt mit flinkem Schaffen paart, und der langsame

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[0930/0009] ich sie in meinen Arm nahm, und selbst dann bestand ihre ganze Liebkosung in einer seelenvollen Umarmung. Verließ ich sie, so schwieg sie; lief mir aber, wenn ich von dannen ritt, oft hundert Meilen nach, und wachte ganze Nächte an meiner Seite, wenn ich erschöpft und vom Regen durchnäßt, an einen Baumstamm gelehnt, des Schlafs genoß. Nie entwischte ihr ein Laut des Vorwurfs, wenn sie sich durch eine meiner Negerinnen verdrängt sah; nie vergalt sie mir Gleiches mit Gleichem; nie sah ich sie weinen; nie hörte ich sie über Hunger, Durst, Kälte oder Nässe klagen; nie stellte sie ein Begehren an mich; nie hatte sie einen Wunsch, außer den bei mir zu seyn – kurz, sie war das, was kein weißes Mädchen hier zu Lande ist, und dabei gebaut wie eine Venus, mit Füßchen wie sie kaum eine Spanierin auf der Insel Cuba aufzuweisen, und dabei flink und gewandt wie eine Gazelle. Wenn ich oft auf meiner Pflanzung herumritt und an gar nichts dachte, stand sie wie der Blitz vor mir, ohne daß ich, selbst wenn ich still stand, ihren leisen Tritt zu vernehmen im Stande gewesen wäre. Ihr Erscheinen, mir ins Auge blicken und dann schnell umkehren oder bleiben, wie sie eben den Befehl hiezu in meinem Gesicht las, war das Werk eines Augenblicks; im Nu war sie wieder verschwunden und ihre Spur verloren, bis mir auf Einmal wieder ihr Auge hinter einem Baumstamm entgegen lachte, und dann fühlte ich plötzlich wieder ihre kleine Hand auf meiner Schulter, und wenn ich mich umwandte und sie ansah, schien ihr stummes Antlitz zu fragen, ob sie auch zärtlich seyn dürfe. „Es war ein ganz verzweifeltes Mädchen“, setzte er lachend hinzu; „ich hätte mich beinahe ernstlich in sie verliebt; –wenigstens mochte ich sie eben so wohl leiden, als meine Favorit-Mulattin; aber die hatte anderes Blut in den Adern!“ – „Und Sie konnten dieses Mädchen verlassen“, frug ich ihn, „sie, die nur für Sie lebte, nur Ihren Willen kannte, nur Sie auf Erden liebte?“ – „Ich glaube, Sie halten mich für verrückt. Sie war die fünfte, die mir auf diese Weise zugethan war; – es sind lauter Närrinnen, diese Indianerinnen, und haben dabei doch nicht halb so viel Leben als die Mulattinnen.“ Ich gestehe, daß mich diese Antworten des Obristen befremdeten, denn ich hatte mir die Indianerinnen nach den Schilderungen so vieler Reisenden ganz anders vorgestellt, und dazu kamen auch die gelehrten Disquisitionen unserer Naturforscher mit diesem Bild in zu großen Widerspruch, als daß ich meinem Erzähler sogleich hätte Glauben schenken sollen. Ich machte es mir daher zur Pflicht, denselben Gegenstand mit Hrn. Nicollet und seinem Begleiter Hrn. Frimont, Lieutenant in der amerikanischen Armee, zu besprechen, und war erstaunt, von ihnen zu vernehmen, daß diese Schilderungen des Charakters der Indianerinnen nicht nur mit allen ihren Beobachtungen übereinstimmen, sondern daß sie während des ganzen Zeitraums von sieben Jahren von keinem Fall gehört, wo ein Indianer seinem Weibe die Treue gebrochen, daß überhaupt dieser Fall gar nicht denkbar sey, weil die Phantasie des Indianers mit viel zu edlen Dingen angefüllt sey, um auf Irrwege oder Laster dieser Art verfallen zu können. „Von Mädchen“, sagte Hr. Nicollet, „werden wohl hie und da Schwachheiten bekannt; aber nie von Männern und noch weniger von den Weibern der Indianer.“ Von der elterlichen Liebe der Indianer für ihre Kinder erzählte er mir Folgendes: „Sie können nicht glauben, wie stark dieses Gefühl bei diesen Menschen ist, und wie willig sie sich für ihre Kinder aufopfern, sobald ihnen keine Wahl zwischen ihrer eigenen Selbsterhaltung und dem Leben ihrer Kleinen übrig bleibt. Der Indianer, trotz seiner ungezähmten Freiheitsliebe, die ihm sogar verbietet, irgend ein Grundstück oder einen Wald außer in Gemeinschaft mit allen Gliedern seines Stammes zu besitzen, ist dessen ungeachtet der häuslichste Mensch der Welt. Zwar herrscht unter ihnen nicht das, was man in Frankreich Galanterie nennt, denn hiezu sind die Weiber zu edel; aber eine leidenschaftliche Zuneigung (nicht Liebe) und ein Drang des Zusammenseyns, wie wir ihn bei keinem andern Volk antreffen. Dieß ist für Reisende überaus wichtig, denn wenn man einen Indianer als Führer nimmt und ihm nicht erlaubt, sein Weib oder eines seiner Kinder mitzunehmen, ist man nie sicher, daß er nicht auf halbem Weg umkehrt und, von dem tiefstem Heimweh ergriffen, in die Arme seiner Familie zurückkehrt. Er, der sonst jede Beleidigung, die geringste Kränkung seines Ehrgefühls sogleich mit dem Tode bestraft, läßt sich ruhig mißhandeln, sobald er eines seiner Kinder als Geisel zurückgelassen, und ist wirklich rührend dankbar für die kleinste Aufmerksamkeit, die man seinem Weib oder seinen Kleinen schenkt.“ Hr. Nicollet erzählte mir, daß er einst nahe an der canadischen Gränze im 48sten Grad nördl. Br. und im 99sten westl. L. nahe daran war, zu verhungern, wenn er nicht die Vorsicht gebraucht hätte, seinem Führer zu erlauben, seinen ältesten Knaben mit auf die Reise zu nehmen. Zuerst war ihm jener allein gefolgt, aber schon nach den ersten dreißig Meilen wieder umgekehrt, um in der Eile nur noch einmal sein Weib und seine Kinder zu umarmen. Da auf diese Weise an kein Weiterkommen zu denken war, so nahm er endlich eines der Kinder mit, und nun war der Indianer zufrieden, besonders da er sah, daß Hr. Nicollet auf den Kleinen Acht hatte und ihn von Zeit zu Zeit mit Bonsbons fütterte. Nahe an der Gränze fing das Wetter an sich zu ändern. Man mußte Halt machen, und da der Regen nun in Strömen herabgoß, mehrere Tage lang in einem Walde bivouakiren. Hr. Nicollet hatte etwas geräuchertes Fleisch und einige Pfund Chocolade mit auf die Reise genommen, die er nun mit dem Knaben redlich theilte. Der Indianer, der nichts hatte, schnürte sich bloß den Bauch und legte sich ruhig auf den nassen Boden. Am zweiten Tage waren alle mitgebrachten Provisionen aufgezehrt – der Indianer hatte davon nur ein einziges Stückchen Fleisch gegessen – und es war bei dem fortwährenden Regenwetter an der Zeit, ernstlich für die Zukunft besorgt zu seyn. Hr. Nicollet nahm daher das letzte Stückchen Chocolade, reichte es dem Knaben und versicherte den Vater, daß dieß der letzte Bissen sey, den er seinem Sohne reichen könne, und daß er, wenn er ihn nicht Hungers sterben sehen wolle, sofort auf die Jagd gehen müsse. Was mich betrifft, setzte Hr. Nicollet hinzu, so kann ich dich versichern, daß ich länger hungern kann als du, denn ich weiß mich über das Irdische hinauszusetzen. O, ich weiß, versetzte der Indianer, daß du einen großen Geist besitzest – und machte sich sofort auf die Jagd. In wenigen Stunden kam er durchnäßt, mit zwei Fischen und einem Rebhuhn zurück, das er sogleich dem Hrn. Nicollet übergab, weil, wie er sagte, sein großer Geist gewiß zuerst für den Knaben Sorge tragen würde. (Beschluß folgt.) Die Kunstausstellung in Paris. _ Paris. Zwei Klagen beginnen fast alle Urtheile über den Salon. Die eine bezeichnet die jährliche Wiederkehr der Ausstellung als einen verderblichen Uebelstand, die andere wendet sich strafend an die geschmacklose Strenge der Jury, die so Treffliches zurückgewiesen habe. Dem häufigen Erneuern der öffentlichen Musterungen bürdet man die Unreife vieler Werke und die nicht seltene Abwesenheit der vorzüglichsten Namen von dem Verzeichniß der Mitwirkenden auf. Sucht man aber nicht hier in etwas Zufälligem die Ursache einer Erscheinung, deren Grund tiefer liegt, und beweisen nicht die Unbedeutenheit, die sich gewöhnlich jetzt mit flinkem Schaffen paart, und der langsame

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 117. Augsburg, 26. April 1840, S. 0930. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_117_18400426/9>, abgerufen am 25.11.2024.