Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 112. Augsburg, 21. April 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

daß viele Gebirge sich keineswegs in ihrer Totalität zu einer und derselben Zeit erhoben haben können; sie sind vielmehr bestimmt in derselben Streichungslinie zu wiederholtenmalen in verschiedenen Graden stoßweise aufgehoben worden. So muß Beaumont selbst, nach vorliegenden Thatsachen, in den Pyrenäen vier verschiedene Hebungsperioden annehmen, und auch bei der Alpenkette kann von absoluter Gleichzeitigkeit des Ganzen keine Rede seyn. Ist daher der Rapport zwischen den Richtungen der Bergketten und ihrem relativen Alter keine schimmernde Chimäre, dergleichen die Wissenschaften schon so manche erlebt, verbirgt sich wirklich etwas Gesetzliches in der wirren Vertheilung der Gebirge und dem Chaos der Hebungen, so wird es erst im langen Fortgang auf einer Bahn der Forschung zu fassen seyn, in der wir erst wenige Schritte zurückgelegt haben.

Jedenfalls aber bleiben die Ansichten Beaumonts vom relativen Alter der Gebirge in der Hauptsache fest stehen, und so jung diese Betrachtungsweise ist, so hat sie doch schon zu einem äußerst merkwürdigen Resultat geführt. Beaumont sah sich im Verlauf seiner Untersuchungen genöthigt, die ursprünglich von Leop. v. Buch nach den Streichungsverhältnissen aufgestellten vier Gebirgssysteme auf zwölf, ja am Ende auf fünfzehn zu vermehren. Verglich man nun die Höhe und ganze Mächtigkeit der verschiedenen Gebirge mit dem gefundenen Alter derselben, so zeigte sich aufs überraschendste ein Verhältniß, das den traditionellen Vorstellungen, nach welchen die Aeußerungen der Naturkräfte von der Urzeit zum jetzigen Weltalter herab stetig an Energie und Großartigkeit abgenommen haben sollten, geradezu widersprach. - Zur allerältesten bekannten Hebung gehört unter andern der Hundsrück, die Eifel und der Taunus; in diesen unbedeutenden Gebirgen sind schon die neuern Glieder des sogenannten Uebergangsgebirges, Kohlensandstein und alter rother Sandstein, nicht mehr gehoben. Den Systemen mittlern Alters sind beizuzählen: die Vogesen und der Schwarzwald - beide aus älterem Flötzgebirge bestehend, während das jüngere zwischen beiden hingestreckt liegt; ferner der Böhmer- und Thüringerwald - sie haben die jüngern Flötzglieder bis zur Juraformation gestört. In den Pyrenäen und Apenninen, die im Allgemeinen für gleich alt gelten, zeigen sich die ältern und die neuern Schichten der Kreide, des letzten der secundären Gebilde, bis zu den hohen Gebirgskämmen aufgehoben, dagegen lagern sich die tertiären Bildungen horizontal zu ihren Füßen. In den Alpen endlich sind vielfältig sogar die tertiären Conglomerate, Molasse und Nagelflue, weit emporgerissen, und in allen ihren Thälern liegen sehr neue Geschiebebänke horizontal auf steilen oder überstürzten Schichten. - So hätte also die hebende plutonische Kraft in der Zeit, statt abzunehmen, vielmehr in stetiger Progression zugenommen, und der gewaltige Stock der Alpen ist nicht der Urahn unserer Gebirge, sondern der jüngste Sohn des Hauses. So hat ja auch in der Geschichte der Menschheit häufig ein Volk das andere, eine Dynastie die andere überthürmt. Uralte Hügel liegen tief unter den Gipfeln stolzer jugendlicher Berge, und die Ahnen dieses und jenes deutschen Bundesfürsten waren Lehensträger seiner jetzigen Vasallen; der Gotthart ist jünger als der Blocksberg, und Haus Hannover ist älter als Haus Habsburg.

Der Himalaya und der Centralkaukasus zeigen dieselbe Streichungslinie wie die Alpen, und einzelne Beobachtungen unterstützen bis jetzt wirklich die Annahme, daß diese Gebirge mit den Alpen gleichzeitig sind. Ueberhaupt aber scheint das, was für die europäischen Gebirge außer Zweifel gesetzt ist, für die ganze Erde zu gelten: die Gebirge thürmen sich immer höher auf, je jünger sie sind. Zum Theil ließe sich dieß allerdings anders erklären als durch die Annahme, daß die Paroxysmen der Erhebung fortwährend an Gewaltsamkeit zugenommen haben. Je älter ein Gebirge ist, desto mehr muß es in Zeiträumen, die, wenn wir sie kennten, unsere Einbildungskraft gerade so erschreckten, wie die Distanzen der Weltkörper, erniedrigt worden seyn, und zwar durch die Gesammtwirkung jener Naturkräfte, welche von allem über das Wasser gehobenen Land Material zu neuen neptunischen Bildungen abreißen, vorzüglich aber durch Verwitterung. Der Hauptgrund der zunehmenden Mächtigkeit der Gebirge liegt aber gewiß darin, daß im Laufe der Erdbildung die aus Wasser erzeugte und von erstarrten plutonischen Ergüssen durchsetzte und verkittete Erdrinde immer dicker wurde und den unterirdischen Kräften immer mehr Widerstand entgegensetzte. - Unser Geschlecht ist so jung auf Erden, oder sein Gedächtniß so kurz, daß es von der Erhebung einer Bergkette, groß oder klein, nichts zu sagen weiß, und dem nicht wissenschaftlich geschärften Auge erscheinen alle Runzeln im durchfurchten Antlitz der Erde gleich alt. Beaumont will aber die Erhebung der Cordilleren und damit der Hauptcontinentalmasse der neuen Welt mit der "Sündfluth" in Verbindung bringen. Allerdings geben sich die Cordilleren, durch alle ihre geognostischen Verhältnisse, durch die Zahl und Wirksamkeit ihrer noch thätigen Vulcane, durch ihre steilen, starren, durch Abwitterung noch wenig gemilderten Profile, als die jüngste aller großen Gebirgsbildungen zu erkennen. In ihrem Aufsteigen erblicken manche mit Beaumont die Ursache der letzten bedeutenden Katastrophe und die Quelle der Sagen so vieler Völker von einer großen Fluth. Man muß sich aber hüten, dieß für mehr zu nehmen, als es ist, nämlich eine Vermuthung. Der ganze Charakter jener Sagen widerspricht nicht selten der Voraussetzung. Ueberhaupt aber ziemt der heutigen Wissenschaft desto mehr Vorsicht, je zuverlässiger ihr Standpunkt ist, und sie thut wohl, wenn sie wenigstens die ernstliche Discussion über ein historisches Problem, an dem die früheren Theorien kläglich gescheitert, vorläufig vertagt.

(Beschluß folgt.)

Südaustralien.

Aussichten der Colonie.

(Beschluß.) Der Fortschritt der Colonie von Südaustralien ist trotz der Theuerung der Lebensmittel und der Arbeit, und trotz der Speculationswuth, welche große Capitalien absorbirt, sehr groß. Die Stadt Adelaide besteht aus einem Flächenraum von 1000 Morgen, welche ursprünglich im Ganzen 600 Pf. kosteten; seit dieser Zeit ist der Preis des Bauplatzes in der Stadt so gestiegen, daß Hunderte von Morgen um 1000 bis 2000 Pf. verkauft worden sind. Um nur ein Beispiel zu geben, wie schnell der Werth des Besitzes zunimmt: vor einem Jahr wollte Jemand einen Morgen Bauplatz verkaufen, er verlangte 400 Pf. St., einer seiner Freunde bot ihm 300, sie wurden aber nicht einig; seit dieser Zeit hat man daran gedacht, diesen Platz zu einem Markt zu machen, und derselbe Besitzer verlangt jetzt 3000 Pf., während derselbe Freund ihm 2000 anbietet. Dieß ist nun freilich bloßes Spiel auf die Chance künftiger Zustände, aber es gibt bessere Zeichen wirklichen und substantiellen Gedeihens der Colonie. Die Stadt Adelaide, welche vor drei Jahren eine Wüste war, enthält jetzt 1167 Häuser, ein schönes Gouvernementshaus, Clubhäuser, Kanzleien, Schulhäuser, Kirchen, und soll nächstens ein Gymnasium erhalten, für das 3700 Pf. St. subscribirt sind. Die Schafschur im Jahr 1838 hat 400 Säcke Wolle geliefert, und wird im Jahr 1839 nicht unter 1000 geliefert haben; die Zahl der Schafe belief

daß viele Gebirge sich keineswegs in ihrer Totalität zu einer und derselben Zeit erhoben haben können; sie sind vielmehr bestimmt in derselben Streichungslinie zu wiederholtenmalen in verschiedenen Graden stoßweise aufgehoben worden. So muß Beaumont selbst, nach vorliegenden Thatsachen, in den Pyrenäen vier verschiedene Hebungsperioden annehmen, und auch bei der Alpenkette kann von absoluter Gleichzeitigkeit des Ganzen keine Rede seyn. Ist daher der Rapport zwischen den Richtungen der Bergketten und ihrem relativen Alter keine schimmernde Chimäre, dergleichen die Wissenschaften schon so manche erlebt, verbirgt sich wirklich etwas Gesetzliches in der wirren Vertheilung der Gebirge und dem Chaos der Hebungen, so wird es erst im langen Fortgang auf einer Bahn der Forschung zu fassen seyn, in der wir erst wenige Schritte zurückgelegt haben.

Jedenfalls aber bleiben die Ansichten Beaumonts vom relativen Alter der Gebirge in der Hauptsache fest stehen, und so jung diese Betrachtungsweise ist, so hat sie doch schon zu einem äußerst merkwürdigen Resultat geführt. Beaumont sah sich im Verlauf seiner Untersuchungen genöthigt, die ursprünglich von Leop. v. Buch nach den Streichungsverhältnissen aufgestellten vier Gebirgssysteme auf zwölf, ja am Ende auf fünfzehn zu vermehren. Verglich man nun die Höhe und ganze Mächtigkeit der verschiedenen Gebirge mit dem gefundenen Alter derselben, so zeigte sich aufs überraschendste ein Verhältniß, das den traditionellen Vorstellungen, nach welchen die Aeußerungen der Naturkräfte von der Urzeit zum jetzigen Weltalter herab stetig an Energie und Großartigkeit abgenommen haben sollten, geradezu widersprach. – Zur allerältesten bekannten Hebung gehört unter andern der Hundsrück, die Eifel und der Taunus; in diesen unbedeutenden Gebirgen sind schon die neuern Glieder des sogenannten Uebergangsgebirges, Kohlensandstein und alter rother Sandstein, nicht mehr gehoben. Den Systemen mittlern Alters sind beizuzählen: die Vogesen und der Schwarzwald – beide aus älterem Flötzgebirge bestehend, während das jüngere zwischen beiden hingestreckt liegt; ferner der Böhmer- und Thüringerwald – sie haben die jüngern Flötzglieder bis zur Juraformation gestört. In den Pyrenäen und Apenninen, die im Allgemeinen für gleich alt gelten, zeigen sich die ältern und die neuern Schichten der Kreide, des letzten der secundären Gebilde, bis zu den hohen Gebirgskämmen aufgehoben, dagegen lagern sich die tertiären Bildungen horizontal zu ihren Füßen. In den Alpen endlich sind vielfältig sogar die tertiären Conglomerate, Molasse und Nagelflue, weit emporgerissen, und in allen ihren Thälern liegen sehr neue Geschiebebänke horizontal auf steilen oder überstürzten Schichten. – So hätte also die hebende plutonische Kraft in der Zeit, statt abzunehmen, vielmehr in stetiger Progression zugenommen, und der gewaltige Stock der Alpen ist nicht der Urahn unserer Gebirge, sondern der jüngste Sohn des Hauses. So hat ja auch in der Geschichte der Menschheit häufig ein Volk das andere, eine Dynastie die andere überthürmt. Uralte Hügel liegen tief unter den Gipfeln stolzer jugendlicher Berge, und die Ahnen dieses und jenes deutschen Bundesfürsten waren Lehensträger seiner jetzigen Vasallen; der Gotthart ist jünger als der Blocksberg, und Haus Hannover ist älter als Haus Habsburg.

Der Himalaya und der Centralkaukasus zeigen dieselbe Streichungslinie wie die Alpen, und einzelne Beobachtungen unterstützen bis jetzt wirklich die Annahme, daß diese Gebirge mit den Alpen gleichzeitig sind. Ueberhaupt aber scheint das, was für die europäischen Gebirge außer Zweifel gesetzt ist, für die ganze Erde zu gelten: die Gebirge thürmen sich immer höher auf, je jünger sie sind. Zum Theil ließe sich dieß allerdings anders erklären als durch die Annahme, daß die Paroxysmen der Erhebung fortwährend an Gewaltsamkeit zugenommen haben. Je älter ein Gebirge ist, desto mehr muß es in Zeiträumen, die, wenn wir sie kennten, unsere Einbildungskraft gerade so erschreckten, wie die Distanzen der Weltkörper, erniedrigt worden seyn, und zwar durch die Gesammtwirkung jener Naturkräfte, welche von allem über das Wasser gehobenen Land Material zu neuen neptunischen Bildungen abreißen, vorzüglich aber durch Verwitterung. Der Hauptgrund der zunehmenden Mächtigkeit der Gebirge liegt aber gewiß darin, daß im Laufe der Erdbildung die aus Wasser erzeugte und von erstarrten plutonischen Ergüssen durchsetzte und verkittete Erdrinde immer dicker wurde und den unterirdischen Kräften immer mehr Widerstand entgegensetzte. – Unser Geschlecht ist so jung auf Erden, oder sein Gedächtniß so kurz, daß es von der Erhebung einer Bergkette, groß oder klein, nichts zu sagen weiß, und dem nicht wissenschaftlich geschärften Auge erscheinen alle Runzeln im durchfurchten Antlitz der Erde gleich alt. Beaumont will aber die Erhebung der Cordilleren und damit der Hauptcontinentalmasse der neuen Welt mit der „Sündfluth“ in Verbindung bringen. Allerdings geben sich die Cordilleren, durch alle ihre geognostischen Verhältnisse, durch die Zahl und Wirksamkeit ihrer noch thätigen Vulcane, durch ihre steilen, starren, durch Abwitterung noch wenig gemilderten Profile, als die jüngste aller großen Gebirgsbildungen zu erkennen. In ihrem Aufsteigen erblicken manche mit Beaumont die Ursache der letzten bedeutenden Katastrophe und die Quelle der Sagen so vieler Völker von einer großen Fluth. Man muß sich aber hüten, dieß für mehr zu nehmen, als es ist, nämlich eine Vermuthung. Der ganze Charakter jener Sagen widerspricht nicht selten der Voraussetzung. Ueberhaupt aber ziemt der heutigen Wissenschaft desto mehr Vorsicht, je zuverlässiger ihr Standpunkt ist, und sie thut wohl, wenn sie wenigstens die ernstliche Discussion über ein historisches Problem, an dem die früheren Theorien kläglich gescheitert, vorläufig vertagt.

(Beschluß folgt.)

Südaustralien.

Aussichten der Colonie.

(Beschluß.) Der Fortschritt der Colonie von Südaustralien ist trotz der Theuerung der Lebensmittel und der Arbeit, und trotz der Speculationswuth, welche große Capitalien absorbirt, sehr groß. Die Stadt Adelaide besteht aus einem Flächenraum von 1000 Morgen, welche ursprünglich im Ganzen 600 Pf. kosteten; seit dieser Zeit ist der Preis des Bauplatzes in der Stadt so gestiegen, daß Hunderte von Morgen um 1000 bis 2000 Pf. verkauft worden sind. Um nur ein Beispiel zu geben, wie schnell der Werth des Besitzes zunimmt: vor einem Jahr wollte Jemand einen Morgen Bauplatz verkaufen, er verlangte 400 Pf. St., einer seiner Freunde bot ihm 300, sie wurden aber nicht einig; seit dieser Zeit hat man daran gedacht, diesen Platz zu einem Markt zu machen, und derselbe Besitzer verlangt jetzt 3000 Pf., während derselbe Freund ihm 2000 anbietet. Dieß ist nun freilich bloßes Spiel auf die Chance künftiger Zustände, aber es gibt bessere Zeichen wirklichen und substantiellen Gedeihens der Colonie. Die Stadt Adelaide, welche vor drei Jahren eine Wüste war, enthält jetzt 1167 Häuser, ein schönes Gouvernementshaus, Clubhäuser, Kanzleien, Schulhäuser, Kirchen, und soll nächstens ein Gymnasium erhalten, für das 3700 Pf. St. subscribirt sind. Die Schafschur im Jahr 1838 hat 400 Säcke Wolle geliefert, und wird im Jahr 1839 nicht unter 1000 geliefert haben; die Zahl der Schafe belief

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0010" n="0890"/>
daß viele Gebirge sich keineswegs in ihrer Totalität zu einer und derselben Zeit erhoben haben können; sie sind vielmehr bestimmt in derselben Streichungslinie zu wiederholtenmalen in verschiedenen Graden stoßweise aufgehoben worden. So muß Beaumont selbst, nach vorliegenden Thatsachen, in den Pyrenäen vier verschiedene Hebungsperioden annehmen, und auch bei der Alpenkette kann von absoluter Gleichzeitigkeit des Ganzen keine Rede seyn. Ist daher der Rapport zwischen den Richtungen der Bergketten und ihrem relativen Alter keine schimmernde Chimäre, dergleichen die Wissenschaften schon so manche erlebt, verbirgt sich wirklich etwas Gesetzliches in der wirren Vertheilung der Gebirge und dem Chaos der Hebungen, so wird es erst im langen Fortgang auf einer Bahn der Forschung zu fassen seyn, in der wir erst wenige Schritte zurückgelegt haben.</p><lb/>
        <p>Jedenfalls aber bleiben die Ansichten Beaumonts vom relativen Alter der Gebirge in der Hauptsache fest stehen, und so jung diese Betrachtungsweise ist, so hat sie doch schon zu einem äußerst merkwürdigen Resultat geführt. Beaumont sah sich im Verlauf seiner Untersuchungen genöthigt, die ursprünglich von Leop. v. Buch nach den Streichungsverhältnissen aufgestellten vier Gebirgssysteme auf zwölf, ja am Ende auf fünfzehn zu vermehren. Verglich man nun die Höhe und ganze Mächtigkeit der verschiedenen Gebirge mit dem gefundenen Alter derselben, so zeigte sich aufs überraschendste ein Verhältniß, das den traditionellen Vorstellungen, nach welchen die Aeußerungen der Naturkräfte von der Urzeit zum jetzigen Weltalter herab stetig an Energie und Großartigkeit <hi rendition="#g">abgenommen</hi> haben sollten, geradezu widersprach. &#x2013; Zur allerältesten bekannten Hebung gehört unter andern der Hundsrück, die Eifel und der Taunus; in diesen unbedeutenden Gebirgen sind schon die neuern Glieder des sogenannten Uebergangsgebirges, Kohlensandstein und alter rother Sandstein, nicht mehr gehoben. Den Systemen mittlern Alters sind beizuzählen: die Vogesen und der Schwarzwald &#x2013; beide aus älterem Flötzgebirge bestehend, während das jüngere zwischen beiden hingestreckt liegt; ferner der Böhmer- und Thüringerwald &#x2013; sie haben die jüngern Flötzglieder bis zur Juraformation gestört. In den Pyrenäen und Apenninen, die im Allgemeinen für gleich alt gelten, zeigen sich die ältern und die neuern Schichten der Kreide, des letzten der secundären Gebilde, bis zu den hohen Gebirgskämmen aufgehoben, dagegen lagern sich die tertiären Bildungen horizontal zu ihren Füßen. In den Alpen endlich sind vielfältig sogar die tertiären Conglomerate, Molasse und Nagelflue, weit emporgerissen, und in allen ihren Thälern liegen sehr neue Geschiebebänke horizontal auf steilen oder überstürzten Schichten. &#x2013; So hätte also die hebende plutonische Kraft in der Zeit, statt abzunehmen, vielmehr in stetiger Progression <hi rendition="#g">zugenommen</hi>, und der gewaltige Stock der Alpen ist nicht der Urahn unserer Gebirge, sondern der jüngste Sohn des Hauses. So hat ja auch in der Geschichte der Menschheit häufig ein Volk das andere, eine Dynastie die andere überthürmt. Uralte Hügel liegen tief unter den Gipfeln stolzer jugendlicher Berge, und die Ahnen dieses und jenes deutschen Bundesfürsten waren Lehensträger seiner jetzigen Vasallen; der Gotthart ist jünger als der Blocksberg, und Haus Hannover ist älter als Haus Habsburg.</p><lb/>
        <p>Der Himalaya und der Centralkaukasus zeigen dieselbe Streichungslinie wie die Alpen, und einzelne Beobachtungen unterstützen bis jetzt wirklich die Annahme, daß diese Gebirge mit den Alpen gleichzeitig sind. Ueberhaupt aber scheint das, was für die europäischen Gebirge außer Zweifel gesetzt ist, für die ganze Erde zu gelten: die Gebirge thürmen sich immer höher auf, je jünger sie sind. Zum Theil ließe sich dieß allerdings anders erklären als durch die Annahme, daß die Paroxysmen der Erhebung fortwährend an Gewaltsamkeit zugenommen haben. Je älter ein Gebirge ist, desto mehr muß es in Zeiträumen, die, wenn wir sie kennten, unsere Einbildungskraft gerade so erschreckten, wie die Distanzen der Weltkörper, erniedrigt worden seyn, und zwar durch die Gesammtwirkung jener Naturkräfte, welche von allem über das Wasser gehobenen Land Material zu neuen neptunischen Bildungen abreißen, vorzüglich aber durch Verwitterung. Der Hauptgrund der zunehmenden Mächtigkeit der Gebirge liegt aber gewiß darin, daß im Laufe der Erdbildung die aus Wasser erzeugte und von erstarrten plutonischen Ergüssen durchsetzte und verkittete Erdrinde immer dicker wurde und den unterirdischen Kräften immer mehr Widerstand entgegensetzte. &#x2013; Unser Geschlecht ist so jung auf Erden, oder sein Gedächtniß so kurz, daß es von der Erhebung einer Bergkette, groß oder klein, nichts zu sagen weiß, und dem nicht wissenschaftlich geschärften Auge erscheinen alle Runzeln im durchfurchten Antlitz der Erde gleich alt. Beaumont will aber die Erhebung der Cordilleren und damit der Hauptcontinentalmasse der neuen Welt mit der &#x201E;Sündfluth&#x201C; in Verbindung bringen. Allerdings geben sich die Cordilleren, durch alle ihre geognostischen Verhältnisse, durch die Zahl und Wirksamkeit ihrer noch thätigen Vulcane, durch ihre steilen, starren, durch Abwitterung noch wenig gemilderten Profile, als die jüngste aller großen Gebirgsbildungen zu erkennen. In ihrem Aufsteigen erblicken manche mit Beaumont die Ursache der letzten bedeutenden Katastrophe und die Quelle der Sagen so vieler Völker von einer großen Fluth. Man muß sich aber hüten, dieß für mehr zu nehmen, als es ist, nämlich eine Vermuthung. Der ganze Charakter jener Sagen widerspricht nicht selten der Voraussetzung. Ueberhaupt aber ziemt der heutigen Wissenschaft desto mehr Vorsicht, je zuverlässiger ihr Standpunkt ist, und sie thut wohl, wenn sie wenigstens die ernstliche Discussion über ein historisches Problem, an dem die früheren Theorien kläglich gescheitert, vorläufig vertagt.</p><lb/>
        <p>(Beschluß folgt.)</p><lb/>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Südaustralien.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Aussichten der Colonie</hi>.</p><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 11 April.</dateline>
          <p> (Beschluß.) Der Fortschritt der Colonie von Südaustralien ist trotz der Theuerung der Lebensmittel und der Arbeit, und trotz der Speculationswuth, welche große Capitalien absorbirt, sehr groß. Die Stadt Adelaide besteht aus einem Flächenraum von 1000 Morgen, welche ursprünglich im Ganzen 600 Pf. kosteten; seit dieser Zeit ist der Preis des Bauplatzes in der Stadt so gestiegen, daß Hunderte von Morgen um 1000 bis 2000 Pf. verkauft worden sind. Um nur ein Beispiel zu geben, wie schnell der Werth des Besitzes zunimmt: vor einem Jahr wollte Jemand einen Morgen Bauplatz verkaufen, er verlangte 400 Pf. St., einer seiner Freunde bot ihm 300, sie wurden aber nicht einig; seit dieser Zeit hat man daran gedacht, diesen Platz zu einem Markt zu machen, und derselbe Besitzer verlangt jetzt 3000 Pf., während derselbe Freund ihm 2000 anbietet. Dieß ist nun freilich bloßes Spiel auf die Chance künftiger Zustände, aber es gibt bessere Zeichen wirklichen und substantiellen Gedeihens der Colonie. Die Stadt Adelaide, welche vor drei Jahren eine Wüste war, enthält jetzt 1167 Häuser, ein schönes Gouvernementshaus, Clubhäuser, Kanzleien, Schulhäuser, Kirchen, und soll nächstens ein Gymnasium erhalten, für das 3700 Pf. St. subscribirt sind. Die Schafschur im Jahr 1838 hat 400 Säcke Wolle geliefert, und wird im Jahr 1839 nicht unter 1000 geliefert haben; die Zahl der Schafe belief<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0890/0010] daß viele Gebirge sich keineswegs in ihrer Totalität zu einer und derselben Zeit erhoben haben können; sie sind vielmehr bestimmt in derselben Streichungslinie zu wiederholtenmalen in verschiedenen Graden stoßweise aufgehoben worden. So muß Beaumont selbst, nach vorliegenden Thatsachen, in den Pyrenäen vier verschiedene Hebungsperioden annehmen, und auch bei der Alpenkette kann von absoluter Gleichzeitigkeit des Ganzen keine Rede seyn. Ist daher der Rapport zwischen den Richtungen der Bergketten und ihrem relativen Alter keine schimmernde Chimäre, dergleichen die Wissenschaften schon so manche erlebt, verbirgt sich wirklich etwas Gesetzliches in der wirren Vertheilung der Gebirge und dem Chaos der Hebungen, so wird es erst im langen Fortgang auf einer Bahn der Forschung zu fassen seyn, in der wir erst wenige Schritte zurückgelegt haben. Jedenfalls aber bleiben die Ansichten Beaumonts vom relativen Alter der Gebirge in der Hauptsache fest stehen, und so jung diese Betrachtungsweise ist, so hat sie doch schon zu einem äußerst merkwürdigen Resultat geführt. Beaumont sah sich im Verlauf seiner Untersuchungen genöthigt, die ursprünglich von Leop. v. Buch nach den Streichungsverhältnissen aufgestellten vier Gebirgssysteme auf zwölf, ja am Ende auf fünfzehn zu vermehren. Verglich man nun die Höhe und ganze Mächtigkeit der verschiedenen Gebirge mit dem gefundenen Alter derselben, so zeigte sich aufs überraschendste ein Verhältniß, das den traditionellen Vorstellungen, nach welchen die Aeußerungen der Naturkräfte von der Urzeit zum jetzigen Weltalter herab stetig an Energie und Großartigkeit abgenommen haben sollten, geradezu widersprach. – Zur allerältesten bekannten Hebung gehört unter andern der Hundsrück, die Eifel und der Taunus; in diesen unbedeutenden Gebirgen sind schon die neuern Glieder des sogenannten Uebergangsgebirges, Kohlensandstein und alter rother Sandstein, nicht mehr gehoben. Den Systemen mittlern Alters sind beizuzählen: die Vogesen und der Schwarzwald – beide aus älterem Flötzgebirge bestehend, während das jüngere zwischen beiden hingestreckt liegt; ferner der Böhmer- und Thüringerwald – sie haben die jüngern Flötzglieder bis zur Juraformation gestört. In den Pyrenäen und Apenninen, die im Allgemeinen für gleich alt gelten, zeigen sich die ältern und die neuern Schichten der Kreide, des letzten der secundären Gebilde, bis zu den hohen Gebirgskämmen aufgehoben, dagegen lagern sich die tertiären Bildungen horizontal zu ihren Füßen. In den Alpen endlich sind vielfältig sogar die tertiären Conglomerate, Molasse und Nagelflue, weit emporgerissen, und in allen ihren Thälern liegen sehr neue Geschiebebänke horizontal auf steilen oder überstürzten Schichten. – So hätte also die hebende plutonische Kraft in der Zeit, statt abzunehmen, vielmehr in stetiger Progression zugenommen, und der gewaltige Stock der Alpen ist nicht der Urahn unserer Gebirge, sondern der jüngste Sohn des Hauses. So hat ja auch in der Geschichte der Menschheit häufig ein Volk das andere, eine Dynastie die andere überthürmt. Uralte Hügel liegen tief unter den Gipfeln stolzer jugendlicher Berge, und die Ahnen dieses und jenes deutschen Bundesfürsten waren Lehensträger seiner jetzigen Vasallen; der Gotthart ist jünger als der Blocksberg, und Haus Hannover ist älter als Haus Habsburg. Der Himalaya und der Centralkaukasus zeigen dieselbe Streichungslinie wie die Alpen, und einzelne Beobachtungen unterstützen bis jetzt wirklich die Annahme, daß diese Gebirge mit den Alpen gleichzeitig sind. Ueberhaupt aber scheint das, was für die europäischen Gebirge außer Zweifel gesetzt ist, für die ganze Erde zu gelten: die Gebirge thürmen sich immer höher auf, je jünger sie sind. Zum Theil ließe sich dieß allerdings anders erklären als durch die Annahme, daß die Paroxysmen der Erhebung fortwährend an Gewaltsamkeit zugenommen haben. Je älter ein Gebirge ist, desto mehr muß es in Zeiträumen, die, wenn wir sie kennten, unsere Einbildungskraft gerade so erschreckten, wie die Distanzen der Weltkörper, erniedrigt worden seyn, und zwar durch die Gesammtwirkung jener Naturkräfte, welche von allem über das Wasser gehobenen Land Material zu neuen neptunischen Bildungen abreißen, vorzüglich aber durch Verwitterung. Der Hauptgrund der zunehmenden Mächtigkeit der Gebirge liegt aber gewiß darin, daß im Laufe der Erdbildung die aus Wasser erzeugte und von erstarrten plutonischen Ergüssen durchsetzte und verkittete Erdrinde immer dicker wurde und den unterirdischen Kräften immer mehr Widerstand entgegensetzte. – Unser Geschlecht ist so jung auf Erden, oder sein Gedächtniß so kurz, daß es von der Erhebung einer Bergkette, groß oder klein, nichts zu sagen weiß, und dem nicht wissenschaftlich geschärften Auge erscheinen alle Runzeln im durchfurchten Antlitz der Erde gleich alt. Beaumont will aber die Erhebung der Cordilleren und damit der Hauptcontinentalmasse der neuen Welt mit der „Sündfluth“ in Verbindung bringen. Allerdings geben sich die Cordilleren, durch alle ihre geognostischen Verhältnisse, durch die Zahl und Wirksamkeit ihrer noch thätigen Vulcane, durch ihre steilen, starren, durch Abwitterung noch wenig gemilderten Profile, als die jüngste aller großen Gebirgsbildungen zu erkennen. In ihrem Aufsteigen erblicken manche mit Beaumont die Ursache der letzten bedeutenden Katastrophe und die Quelle der Sagen so vieler Völker von einer großen Fluth. Man muß sich aber hüten, dieß für mehr zu nehmen, als es ist, nämlich eine Vermuthung. Der ganze Charakter jener Sagen widerspricht nicht selten der Voraussetzung. Ueberhaupt aber ziemt der heutigen Wissenschaft desto mehr Vorsicht, je zuverlässiger ihr Standpunkt ist, und sie thut wohl, wenn sie wenigstens die ernstliche Discussion über ein historisches Problem, an dem die früheren Theorien kläglich gescheitert, vorläufig vertagt. (Beschluß folgt.) Südaustralien. Aussichten der Colonie. _ London, 11 April. (Beschluß.) Der Fortschritt der Colonie von Südaustralien ist trotz der Theuerung der Lebensmittel und der Arbeit, und trotz der Speculationswuth, welche große Capitalien absorbirt, sehr groß. Die Stadt Adelaide besteht aus einem Flächenraum von 1000 Morgen, welche ursprünglich im Ganzen 600 Pf. kosteten; seit dieser Zeit ist der Preis des Bauplatzes in der Stadt so gestiegen, daß Hunderte von Morgen um 1000 bis 2000 Pf. verkauft worden sind. Um nur ein Beispiel zu geben, wie schnell der Werth des Besitzes zunimmt: vor einem Jahr wollte Jemand einen Morgen Bauplatz verkaufen, er verlangte 400 Pf. St., einer seiner Freunde bot ihm 300, sie wurden aber nicht einig; seit dieser Zeit hat man daran gedacht, diesen Platz zu einem Markt zu machen, und derselbe Besitzer verlangt jetzt 3000 Pf., während derselbe Freund ihm 2000 anbietet. Dieß ist nun freilich bloßes Spiel auf die Chance künftiger Zustände, aber es gibt bessere Zeichen wirklichen und substantiellen Gedeihens der Colonie. Die Stadt Adelaide, welche vor drei Jahren eine Wüste war, enthält jetzt 1167 Häuser, ein schönes Gouvernementshaus, Clubhäuser, Kanzleien, Schulhäuser, Kirchen, und soll nächstens ein Gymnasium erhalten, für das 3700 Pf. St. subscribirt sind. Die Schafschur im Jahr 1838 hat 400 Säcke Wolle geliefert, und wird im Jahr 1839 nicht unter 1000 geliefert haben; die Zahl der Schafe belief

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_112_18400421
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_112_18400421/10
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 112. Augsburg, 21. April 1840, S. 0890. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_112_18400421/10>, abgerufen am 28.04.2024.