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Allgemeine Zeitung. Nr. 107. Augsburg, 16. April 1840.

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Hofrath Dr. Bayer legte über die Principienfrage seine Ansicht im Wesentlichen in Folgendem dar: man habe die Aufforderung vernommen, man dürfe ein Standschaftsrecht nicht aufgeben; allein er frage: haben die Stände auch gewiß und unbezweifelt das fragliche Recht? Bis jetzt habe er keinen festen Untergrund zur Bejahung der Frage finden können. Der Eingang der Verfassungsurkunde, worauf man sich berufen habe, spreche bloß von den Rechten überhaupt, nicht aber von den Fällen, in welchen jedes einzelne Recht zur Anwendung kommen soll. Auch durch die eben so allgemeine, nur zu allgemeine Bestimmung des §. 1 des IIIten Tit. über die Unveräußerlichkeit des Staatsguts sey nichts bewiesen. Lediglich der §. 4 des VIIten Tit. habe in ihm Bedenken erregt, welcher in seinem Schlusse dahin gehe, daß die Stände das vorgelegte Budget durch den Ausschuß prüfen, und sodann über die zu erhebenden Steuern in Berathung treten. Daraus habe man folgende Consequenzen gezogen: das Budget werde den Ständen vorgelegt, diese lassen es durch den Ausschuß prüfen; sie haben also das Prüfungsrecht. Die Stände haben über die zu erhebenden Steuern zu berathen, also stehe ihnen auch das Recht der Beschlußfassung zu. Mit diesen Sätzen könne er sich allerdings einverstanden erklären. Allein man gehe noch weiter, und behaupte, man müsse über die einzelnen Positionen berathen, ob sie annehmbar seyen oder nicht, zu hoch oder zu nieder. Allerdings! Nicht so stehe es aber mit der Beschlußfassung. Erst wenn alle Positionen durchberathen seyen, entstehe die Gesammtfrage: können und müssen die Stände die postulirten Steuern nach dem Resultat der erfolgten Berathung bewilligen oder nicht? Gesetzt, es finde sich,. daß im Ansatz eine Ausgabe zu viel, oder eine Ausgabe nicht zweckmäßig sey, und zwar in solchem Maaße, daß man z. B. etwa um ein Simplum weniger zu votiren veranlaßt sey. Sey das alsdann nicht auch ein praktisches Resultat, wenn die Kammer ein Simplum weniger votire? Die einzelnen Positionen eignen sich daher in die Reihe der Entscheidungsgründe. Werden aber Entscheidungsgründe rechtskräftig? Nein! Nur das Urtheil, und das Urtheil sey das Steuervotum. Hienach brauche nicht deducirt zu werden, wohin es führen würde, wenn man entgegengesetzter Ansicht huldigte. Nur ein Beispiel sey hier angeführt. Die Regierung habe für den Staatsrath 72,000 fl. postulirt; man habe nun gesagt, wenn die Stände diese Summe mindern, binde diese verminderte Summe die Regierung, weil hierin eine Convention im Minus liege. Man habe nun im Jahr 1837 um 1000 fl. für den Staatsrath weniger bewilligt; allein man hätte statt 72,000 fl. auch bloß 1000 fl. bewilligen können. Hieße das nicht den Staatsrath auflösen? Wer würde also bei consequenter Durchführung dieser Theorie regieren? Möge man daher sich nicht ein Recht bewahren wollen, welches nicht existire! Eine Verwahrung sey hier am unrechten Orte. Dergleichen Verwahrungen seyen eine traurige Kruste, unter welcher im trüben Schlamme die Schlange des Mißtrauens fortschleiche, welche die bessern Wurzeln, aus denen der Keim des Zutrauens entsprossen könnte, am Ende noch ganz abfresse. Würde es nicht mehr nützen, wenn die Stände Wünsche an Se. Maj. den König bringen, um über Punkte, worüber zweifelhafte Ansichten bestehen, beruhigende Aeußerungen an sie gelangen zu lassen - würde es nicht mehr nützen, als die Formalitäten der hohlen Verwahrungen, welche nur Mißtrauen erzeugen, und, wo dieses bestehe, es noch steigern?

Nun recapitulirte der Berichterstatter Frhr. v. Rotenhan die Discussion, auf den Anträgen beharrend.

Hierauf trat der k. Minister des Innern, Hr. v. Abel, auf, und sprach im Wesentlichen: Meine Herren! die Frage, deren Lösung Sie beschäftigt, sie kann nur auf dem Boden des Rechts eine Lösung finden. Es handelt sich hier um klare Entwicklung der verfassungsmäßigen Grundsätze, und diese Entwicklung wird uns zu verschiedenen Fragen führen, vor allem zu der Untersuchung, was verfassungsmäßig zu Recht besteht. Was dem Recht angemessen ist, das wollen wir Alle. Meine Herren! wir Alle wollen das Recht, und eben weil es eine Rechtsfrage ist, um die es sich handelt, so kann sie keine Schleichpflanze seyn, die an der starken Eiche nagt. Jede Rechtsfrage hat seinen Richter, und hat der Richter gesprochen, so ist die Rechtsfrage gelöst, und eben weil wir auf dem Boden des Rechts stehen, schrecken mich alle Andeutungen nicht, mit denen etwa durch den nächsten Landtag gedroht werden will. Die Principienfrage ist nicht durch die Regierung hervorgerufen worden. Niemand mehr als die Regierung hat zu beklagen, daß der Landtag vom Jahr 1837 ein so unseliges Legat zurückgelassen hat. Wir stehen nun vor dieser Frage, und ich trete nicht zurück vor Darlegung der Gründe, auf denen der Landtagsabschied vom Jahr 1837 beruht. Um zu einer klaren staatsrechtlich begründeten Beantwortung dieser Frage zu gelangen, glaube ich, müssen wir zuerst einverstanden seyn über die nächsten Verhältnisse der königlichen und der ständischen Rechte. Der König vereinigt, das ist der klare Ausspruch des Tit. II der Verfassungsurkunde, alle Rechte der Staatsgewalt in sich; er theilt sie mit Niemanden; kein Theil der Staatsgewalt ist an Jemand andern übertragen. Der König bedarf, um sich eines Regierungsrechtes zu bedienen, nicht eines besondern Nachweises: seine Rechte sind älter, als die Verfassung; auch läßt sich nirgends nachweisen, daß der König sich eines bestimmten Regierungsrechts durch die Verfassung begeben habe, denn in der ganzen Verfassung ist nicht Ein Act der Entäußerung der allgemeinen königlichen Rechte enthalten - ein Act, durch welchen der König ein Recht in die Hände des Volks zurückgegeben und unter gewissen Bedingungen wieder zurückgenommen hätte. Die königlichen Rechte stehen den ständischen Rechten gegenüber. Die Stände haben ihr Recht aus den Händen des Königs empfangen, und jedes Recht der Stände bedarf der Nachweisung und bestimmter Vorschriften der Verfassung. Das Daseyn der Stände stammt aus der Verfassung, alle Rechte der Standschaft stammen aus der Verfassung, und nur aus der Verfassung können sie beurtheilt werden. Wenn jede Erweiterung ständischer Rechte eine Abänderung der Verfassungsurkunde enthält, so ist dadurch von selbst auch über den Werth des sogenannten Usus, insofern er auf ständische Rechte geltend gemacht werden will, das Urtheil gesprochen. Ich will nur im Allgemeinen darauf aufmerksam machen, daß schon zu einem gewöhnlichen Usus, um den es sich bei verfassungsmäßigen Rechten nicht handelt, ein Zeitverlauf von dreißig Jahren erforderlich ist. Die Verfassungsurkunde besteht heute noch nicht dreißig Jahre. Wohl aber beklage ich die Hereinführung dieser Theorie eines Usus als Quelle ständischer Rechte als eine der unseligsten, die je ersonnen worden. Sie ist es, welche die freundlichen Verhältnisse zwischen Ständen und Regierung fort und fort gefährdet, welche die Regierung zwingt, bei jedem Schritt, den sie den Ständen gegenüber macht, Rechtsverwahrung einzulegen, weil aus jedem freundlichen Entgegenkommen auf der andern Seite ein Recht geltend gemacht werden will. Hat die Regierung zwei- oder dreimal einen Schritt gemacht zum freundlichen Verhältniß zu den Ständen, hat sie dieses freiwillig aus solcher Absicht gethan - er ist zum Recht erwachsen. Das ist die Theorie jenes Usus. Diese Theorie ist der Apfel der Eris. Die erste Frage, die Sie beschäftigt, betrifft das ständische Mitwirkungsrecht bei Feststellung des Budgets. Steht den Ständen des Reichs das Recht zu, bei Festsetzung der einzelnen Ausgabepositionen unmittelbar zu wirken oder nicht? Steht denselben ein Willigungsrecht zu in Ansehung der Bewilligung directer Steuern, so wie in Ansehung der einzelnen Ausgabepositionen? Die Verfassungsurkunde scheint mir diese Frage ganz einfach zu lösen, so daß weder auf der einen Seite das unläugbare ständische Steuerbewilligungsrecht in ein einfaches Einregistrirungsrecht, noch auf der andern Seite der Landtag in einen Postulaten-Landtag für die Regierung umgewandelt wird. Nach Tit. VII §. 4 der Verfassungsurkunde soll den Ständen die genaue Uebersicht des Staatsbedürfnisses, so wie der gesammten Staatseinnahmen vorgelegt werden, welche dieselbe durch einen Ausschuß prüfen, und sodann über die zu erhebenden Steuern in Berathung treten. Prüfung, das ist das Recht, welches die Verfassungsurkunde den Ständen gibt, und wenn auch in der angeführten Stelle nur von einer Prüfung durch den Ausschuß die Rede ist, so folgt nach den Bestimmungen des Xten Edicts keineswegs daraus, daß die Prüfung sich nur auf den Ausschuß zu beschränken hat, sondern daß diese Prüfung ein Kammerrecht sey, und daß der Ausschuß über seine Arbeiten Vortrag in der Kammer zu erstatten habe. Von einem Willigungsrecht bezüglich der Ausgaben aber weiß die Verfassungsurkunde keine Sylbe. Mit vollem Recht hat ein Redner bemerkt, daß die Feststellung der Ausgaben das positive Regierungsrecht sey, und daß derjenige, dem die Feststellung der Ausgaben zusteht, die Staatsgewalt übe. Wenn es aber richtig wäre, daß die Feststellung der Ausgaben - Budget - auf einem Uebereinkommen beruhen müsse, und daß keine Ausgabsposition als eine zu Recht bestehende anzuerkennen sey, zu welcher nicht die Stände

Hofrath Dr. Bayer legte über die Principienfrage seine Ansicht im Wesentlichen in Folgendem dar: man habe die Aufforderung vernommen, man dürfe ein Standschaftsrecht nicht aufgeben; allein er frage: haben die Stände auch gewiß und unbezweifelt das fragliche Recht? Bis jetzt habe er keinen festen Untergrund zur Bejahung der Frage finden können. Der Eingang der Verfassungsurkunde, worauf man sich berufen habe, spreche bloß von den Rechten überhaupt, nicht aber von den Fällen, in welchen jedes einzelne Recht zur Anwendung kommen soll. Auch durch die eben so allgemeine, nur zu allgemeine Bestimmung des §. 1 des IIIten Tit. über die Unveräußerlichkeit des Staatsguts sey nichts bewiesen. Lediglich der §. 4 des VIIten Tit. habe in ihm Bedenken erregt, welcher in seinem Schlusse dahin gehe, daß die Stände das vorgelegte Budget durch den Ausschuß prüfen, und sodann über die zu erhebenden Steuern in Berathung treten. Daraus habe man folgende Consequenzen gezogen: das Budget werde den Ständen vorgelegt, diese lassen es durch den Ausschuß prüfen; sie haben also das Prüfungsrecht. Die Stände haben über die zu erhebenden Steuern zu berathen, also stehe ihnen auch das Recht der Beschlußfassung zu. Mit diesen Sätzen könne er sich allerdings einverstanden erklären. Allein man gehe noch weiter, und behaupte, man müsse über die einzelnen Positionen berathen, ob sie annehmbar seyen oder nicht, zu hoch oder zu nieder. Allerdings! Nicht so stehe es aber mit der Beschlußfassung. Erst wenn alle Positionen durchberathen seyen, entstehe die Gesammtfrage: können und müssen die Stände die postulirten Steuern nach dem Resultat der erfolgten Berathung bewilligen oder nicht? Gesetzt, es finde sich,. daß im Ansatz eine Ausgabe zu viel, oder eine Ausgabe nicht zweckmäßig sey, und zwar in solchem Maaße, daß man z. B. etwa um ein Simplum weniger zu votiren veranlaßt sey. Sey das alsdann nicht auch ein praktisches Resultat, wenn die Kammer ein Simplum weniger votire? Die einzelnen Positionen eignen sich daher in die Reihe der Entscheidungsgründe. Werden aber Entscheidungsgründe rechtskräftig? Nein! Nur das Urtheil, und das Urtheil sey das Steuervotum. Hienach brauche nicht deducirt zu werden, wohin es führen würde, wenn man entgegengesetzter Ansicht huldigte. Nur ein Beispiel sey hier angeführt. Die Regierung habe für den Staatsrath 72,000 fl. postulirt; man habe nun gesagt, wenn die Stände diese Summe mindern, binde diese verminderte Summe die Regierung, weil hierin eine Convention im Minus liege. Man habe nun im Jahr 1837 um 1000 fl. für den Staatsrath weniger bewilligt; allein man hätte statt 72,000 fl. auch bloß 1000 fl. bewilligen können. Hieße das nicht den Staatsrath auflösen? Wer würde also bei consequenter Durchführung dieser Theorie regieren? Möge man daher sich nicht ein Recht bewahren wollen, welches nicht existire! Eine Verwahrung sey hier am unrechten Orte. Dergleichen Verwahrungen seyen eine traurige Kruste, unter welcher im trüben Schlamme die Schlange des Mißtrauens fortschleiche, welche die bessern Wurzeln, aus denen der Keim des Zutrauens entsprossen könnte, am Ende noch ganz abfresse. Würde es nicht mehr nützen, wenn die Stände Wünsche an Se. Maj. den König bringen, um über Punkte, worüber zweifelhafte Ansichten bestehen, beruhigende Aeußerungen an sie gelangen zu lassen – würde es nicht mehr nützen, als die Formalitäten der hohlen Verwahrungen, welche nur Mißtrauen erzeugen, und, wo dieses bestehe, es noch steigern?

Nun recapitulirte der Berichterstatter Frhr. v. Rotenhan die Discussion, auf den Anträgen beharrend.

Hierauf trat der k. Minister des Innern, Hr. v. Abel, auf, und sprach im Wesentlichen: Meine Herren! die Frage, deren Lösung Sie beschäftigt, sie kann nur auf dem Boden des Rechts eine Lösung finden. Es handelt sich hier um klare Entwicklung der verfassungsmäßigen Grundsätze, und diese Entwicklung wird uns zu verschiedenen Fragen führen, vor allem zu der Untersuchung, was verfassungsmäßig zu Recht besteht. Was dem Recht angemessen ist, das wollen wir Alle. Meine Herren! wir Alle wollen das Recht, und eben weil es eine Rechtsfrage ist, um die es sich handelt, so kann sie keine Schleichpflanze seyn, die an der starken Eiche nagt. Jede Rechtsfrage hat seinen Richter, und hat der Richter gesprochen, so ist die Rechtsfrage gelöst, und eben weil wir auf dem Boden des Rechts stehen, schrecken mich alle Andeutungen nicht, mit denen etwa durch den nächsten Landtag gedroht werden will. Die Principienfrage ist nicht durch die Regierung hervorgerufen worden. Niemand mehr als die Regierung hat zu beklagen, daß der Landtag vom Jahr 1837 ein so unseliges Legat zurückgelassen hat. Wir stehen nun vor dieser Frage, und ich trete nicht zurück vor Darlegung der Gründe, auf denen der Landtagsabschied vom Jahr 1837 beruht. Um zu einer klaren staatsrechtlich begründeten Beantwortung dieser Frage zu gelangen, glaube ich, müssen wir zuerst einverstanden seyn über die nächsten Verhältnisse der königlichen und der ständischen Rechte. Der König vereinigt, das ist der klare Ausspruch des Tit. II der Verfassungsurkunde, alle Rechte der Staatsgewalt in sich; er theilt sie mit Niemanden; kein Theil der Staatsgewalt ist an Jemand andern übertragen. Der König bedarf, um sich eines Regierungsrechtes zu bedienen, nicht eines besondern Nachweises: seine Rechte sind älter, als die Verfassung; auch läßt sich nirgends nachweisen, daß der König sich eines bestimmten Regierungsrechts durch die Verfassung begeben habe, denn in der ganzen Verfassung ist nicht Ein Act der Entäußerung der allgemeinen königlichen Rechte enthalten – ein Act, durch welchen der König ein Recht in die Hände des Volks zurückgegeben und unter gewissen Bedingungen wieder zurückgenommen hätte. Die königlichen Rechte stehen den ständischen Rechten gegenüber. Die Stände haben ihr Recht aus den Händen des Königs empfangen, und jedes Recht der Stände bedarf der Nachweisung und bestimmter Vorschriften der Verfassung. Das Daseyn der Stände stammt aus der Verfassung, alle Rechte der Standschaft stammen aus der Verfassung, und nur aus der Verfassung können sie beurtheilt werden. Wenn jede Erweiterung ständischer Rechte eine Abänderung der Verfassungsurkunde enthält, so ist dadurch von selbst auch über den Werth des sogenannten Usus, insofern er auf ständische Rechte geltend gemacht werden will, das Urtheil gesprochen. Ich will nur im Allgemeinen darauf aufmerksam machen, daß schon zu einem gewöhnlichen Usus, um den es sich bei verfassungsmäßigen Rechten nicht handelt, ein Zeitverlauf von dreißig Jahren erforderlich ist. Die Verfassungsurkunde besteht heute noch nicht dreißig Jahre. Wohl aber beklage ich die Hereinführung dieser Theorie eines Usus als Quelle ständischer Rechte als eine der unseligsten, die je ersonnen worden. Sie ist es, welche die freundlichen Verhältnisse zwischen Ständen und Regierung fort und fort gefährdet, welche die Regierung zwingt, bei jedem Schritt, den sie den Ständen gegenüber macht, Rechtsverwahrung einzulegen, weil aus jedem freundlichen Entgegenkommen auf der andern Seite ein Recht geltend gemacht werden will. Hat die Regierung zwei- oder dreimal einen Schritt gemacht zum freundlichen Verhältniß zu den Ständen, hat sie dieses freiwillig aus solcher Absicht gethan – er ist zum Recht erwachsen. Das ist die Theorie jenes Usus. Diese Theorie ist der Apfel der Eris. Die erste Frage, die Sie beschäftigt, betrifft das ständische Mitwirkungsrecht bei Feststellung des Budgets. Steht den Ständen des Reichs das Recht zu, bei Festsetzung der einzelnen Ausgabepositionen unmittelbar zu wirken oder nicht? Steht denselben ein Willigungsrecht zu in Ansehung der Bewilligung directer Steuern, so wie in Ansehung der einzelnen Ausgabepositionen? Die Verfassungsurkunde scheint mir diese Frage ganz einfach zu lösen, so daß weder auf der einen Seite das unläugbare ständische Steuerbewilligungsrecht in ein einfaches Einregistrirungsrecht, noch auf der andern Seite der Landtag in einen Postulaten-Landtag für die Regierung umgewandelt wird. Nach Tit. VII §. 4 der Verfassungsurkunde soll den Ständen die genaue Uebersicht des Staatsbedürfnisses, so wie der gesammten Staatseinnahmen vorgelegt werden, welche dieselbe durch einen Ausschuß prüfen, und sodann über die zu erhebenden Steuern in Berathung treten. Prüfung, das ist das Recht, welches die Verfassungsurkunde den Ständen gibt, und wenn auch in der angeführten Stelle nur von einer Prüfung durch den Ausschuß die Rede ist, so folgt nach den Bestimmungen des Xten Edicts keineswegs daraus, daß die Prüfung sich nur auf den Ausschuß zu beschränken hat, sondern daß diese Prüfung ein Kammerrecht sey, und daß der Ausschuß über seine Arbeiten Vortrag in der Kammer zu erstatten habe. Von einem Willigungsrecht bezüglich der Ausgaben aber weiß die Verfassungsurkunde keine Sylbe. Mit vollem Recht hat ein Redner bemerkt, daß die Feststellung der Ausgaben das positive Regierungsrecht sey, und daß derjenige, dem die Feststellung der Ausgaben zusteht, die Staatsgewalt übe. Wenn es aber richtig wäre, daß die Feststellung der Ausgaben – Budget – auf einem Uebereinkommen beruhen müsse, und daß keine Ausgabsposition als eine zu Recht bestehende anzuerkennen sey, zu welcher nicht die Stände

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Niemand mehr als die Regierung hat zu beklagen, daß der Landtag vom Jahr 1837 ein so unseliges Legat zurückgelassen hat. Wir stehen nun vor dieser Frage, und ich trete nicht zurück vor Darlegung der Gründe, auf denen der Landtagsabschied vom Jahr 1837 beruht. Um zu einer klaren staatsrechtlich begründeten Beantwortung dieser Frage zu gelangen, glaube ich, müssen wir zuerst einverstanden seyn über die nächsten Verhältnisse der königlichen und der ständischen Rechte. Der König vereinigt, das ist der klare Ausspruch des Tit. II der Verfassungsurkunde, alle Rechte der Staatsgewalt in sich; er theilt sie mit Niemanden; kein Theil der Staatsgewalt ist an Jemand andern übertragen. Der König bedarf, um sich eines Regierungsrechtes zu bedienen, nicht eines besondern Nachweises: seine Rechte sind älter, als die Verfassung; auch läßt sich nirgends nachweisen, daß der König sich eines bestimmten Regierungsrechts durch die Verfassung begeben habe, denn in der ganzen Verfassung ist nicht Ein Act der Entäußerung der allgemeinen königlichen Rechte enthalten &#x2013; ein Act, durch welchen der König ein Recht in die Hände des Volks zurückgegeben und unter gewissen Bedingungen wieder zurückgenommen hätte. Die königlichen Rechte stehen den ständischen Rechten gegenüber. Die Stände haben ihr Recht aus den Händen des Königs empfangen, und jedes Recht der Stände bedarf der Nachweisung und bestimmter Vorschriften der Verfassung. Das Daseyn der Stände stammt aus der Verfassung, alle Rechte der Standschaft stammen aus der Verfassung, und nur aus der Verfassung können sie beurtheilt werden. Wenn jede Erweiterung ständischer Rechte eine Abänderung der Verfassungsurkunde enthält, so ist dadurch von selbst auch über den Werth des sogenannten Usus, insofern er auf ständische Rechte geltend gemacht werden will, das Urtheil gesprochen. Ich will nur im Allgemeinen darauf aufmerksam machen, daß schon zu einem gewöhnlichen Usus, um den es sich bei verfassungsmäßigen Rechten nicht handelt, ein Zeitverlauf von dreißig Jahren erforderlich ist. Die Verfassungsurkunde besteht heute noch nicht dreißig Jahre. Wohl aber beklage ich die Hereinführung dieser Theorie eines Usus als Quelle ständischer Rechte als eine der unseligsten, die je ersonnen worden. Sie ist es, welche die freundlichen Verhältnisse zwischen Ständen und Regierung fort und fort gefährdet, welche die Regierung zwingt, bei jedem Schritt, den sie den Ständen gegenüber macht, Rechtsverwahrung einzulegen, weil aus jedem freundlichen Entgegenkommen auf der andern Seite ein Recht geltend gemacht werden will. Hat die Regierung zwei- oder dreimal einen Schritt gemacht zum freundlichen Verhältniß zu den Ständen, hat sie dieses freiwillig aus solcher Absicht gethan &#x2013; er ist zum Recht erwachsen. Das ist die Theorie jenes Usus. Diese Theorie ist der Apfel der Eris. Die erste Frage, die Sie beschäftigt, betrifft das ständische Mitwirkungsrecht bei Feststellung des Budgets. Steht den Ständen des Reichs das Recht zu, bei Festsetzung der einzelnen Ausgabepositionen unmittelbar zu wirken oder nicht? Steht denselben ein Willigungsrecht zu in Ansehung der Bewilligung directer Steuern, so wie in Ansehung der einzelnen Ausgabepositionen? Die Verfassungsurkunde scheint mir diese Frage ganz einfach zu lösen, so daß weder auf der einen Seite das unläugbare ständische Steuerbewilligungsrecht in ein einfaches Einregistrirungsrecht, noch auf der andern Seite der Landtag in einen Postulaten-Landtag für die Regierung umgewandelt wird. Nach Tit. VII §. 4 der Verfassungsurkunde soll den Ständen die genaue Uebersicht des Staatsbedürfnisses, so wie der gesammten Staatseinnahmen vorgelegt werden, welche dieselbe durch einen Ausschuß prüfen, und sodann über die zu erhebenden Steuern in Berathung treten. Prüfung, das ist das Recht, welches die Verfassungsurkunde den Ständen gibt, und wenn auch in der angeführten Stelle nur von einer Prüfung durch den Ausschuß die Rede ist, so folgt nach den Bestimmungen des Xten Edicts keineswegs daraus, daß die Prüfung sich nur auf den Ausschuß zu beschränken hat, sondern daß diese Prüfung ein Kammerrecht sey, und daß der Ausschuß über seine Arbeiten Vortrag in der Kammer zu erstatten habe. Von einem Willigungsrecht bezüglich der Ausgaben aber weiß die Verfassungsurkunde keine Sylbe. Mit vollem Recht hat ein Redner bemerkt, daß die Feststellung der Ausgaben das positive Regierungsrecht sey, und daß derjenige, dem die Feststellung der Ausgaben zusteht, die Staatsgewalt übe. 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[0852/0012] Hofrath Dr. Bayer legte über die Principienfrage seine Ansicht im Wesentlichen in Folgendem dar: man habe die Aufforderung vernommen, man dürfe ein Standschaftsrecht nicht aufgeben; allein er frage: haben die Stände auch gewiß und unbezweifelt das fragliche Recht? Bis jetzt habe er keinen festen Untergrund zur Bejahung der Frage finden können. Der Eingang der Verfassungsurkunde, worauf man sich berufen habe, spreche bloß von den Rechten überhaupt, nicht aber von den Fällen, in welchen jedes einzelne Recht zur Anwendung kommen soll. Auch durch die eben so allgemeine, nur zu allgemeine Bestimmung des §. 1 des IIIten Tit. über die Unveräußerlichkeit des Staatsguts sey nichts bewiesen. Lediglich der §. 4 des VIIten Tit. habe in ihm Bedenken erregt, welcher in seinem Schlusse dahin gehe, daß die Stände das vorgelegte Budget durch den Ausschuß prüfen, und sodann über die zu erhebenden Steuern in Berathung treten. Daraus habe man folgende Consequenzen gezogen: das Budget werde den Ständen vorgelegt, diese lassen es durch den Ausschuß prüfen; sie haben also das Prüfungsrecht. Die Stände haben über die zu erhebenden Steuern zu berathen, also stehe ihnen auch das Recht der Beschlußfassung zu. Mit diesen Sätzen könne er sich allerdings einverstanden erklären. Allein man gehe noch weiter, und behaupte, man müsse über die einzelnen Positionen berathen, ob sie annehmbar seyen oder nicht, zu hoch oder zu nieder. Allerdings! Nicht so stehe es aber mit der Beschlußfassung. Erst wenn alle Positionen durchberathen seyen, entstehe die Gesammtfrage: können und müssen die Stände die postulirten Steuern nach dem Resultat der erfolgten Berathung bewilligen oder nicht? Gesetzt, es finde sich,. daß im Ansatz eine Ausgabe zu viel, oder eine Ausgabe nicht zweckmäßig sey, und zwar in solchem Maaße, daß man z. B. etwa um ein Simplum weniger zu votiren veranlaßt sey. Sey das alsdann nicht auch ein praktisches Resultat, wenn die Kammer ein Simplum weniger votire? Die einzelnen Positionen eignen sich daher in die Reihe der Entscheidungsgründe. Werden aber Entscheidungsgründe rechtskräftig? Nein! Nur das Urtheil, und das Urtheil sey das Steuervotum. Hienach brauche nicht deducirt zu werden, wohin es führen würde, wenn man entgegengesetzter Ansicht huldigte. Nur ein Beispiel sey hier angeführt. Die Regierung habe für den Staatsrath 72,000 fl. postulirt; man habe nun gesagt, wenn die Stände diese Summe mindern, binde diese verminderte Summe die Regierung, weil hierin eine Convention im Minus liege. Man habe nun im Jahr 1837 um 1000 fl. für den Staatsrath weniger bewilligt; allein man hätte statt 72,000 fl. auch bloß 1000 fl. bewilligen können. Hieße das nicht den Staatsrath auflösen? Wer würde also bei consequenter Durchführung dieser Theorie regieren? Möge man daher sich nicht ein Recht bewahren wollen, welches nicht existire! Eine Verwahrung sey hier am unrechten Orte. Dergleichen Verwahrungen seyen eine traurige Kruste, unter welcher im trüben Schlamme die Schlange des Mißtrauens fortschleiche, welche die bessern Wurzeln, aus denen der Keim des Zutrauens entsprossen könnte, am Ende noch ganz abfresse. Würde es nicht mehr nützen, wenn die Stände Wünsche an Se. Maj. den König bringen, um über Punkte, worüber zweifelhafte Ansichten bestehen, beruhigende Aeußerungen an sie gelangen zu lassen – würde es nicht mehr nützen, als die Formalitäten der hohlen Verwahrungen, welche nur Mißtrauen erzeugen, und, wo dieses bestehe, es noch steigern? Nun recapitulirte der Berichterstatter Frhr. v. Rotenhan die Discussion, auf den Anträgen beharrend. Hierauf trat der k. Minister des Innern, Hr. v. Abel, auf, und sprach im Wesentlichen: Meine Herren! die Frage, deren Lösung Sie beschäftigt, sie kann nur auf dem Boden des Rechts eine Lösung finden. Es handelt sich hier um klare Entwicklung der verfassungsmäßigen Grundsätze, und diese Entwicklung wird uns zu verschiedenen Fragen führen, vor allem zu der Untersuchung, was verfassungsmäßig zu Recht besteht. Was dem Recht angemessen ist, das wollen wir Alle. Meine Herren! wir Alle wollen das Recht, und eben weil es eine Rechtsfrage ist, um die es sich handelt, so kann sie keine Schleichpflanze seyn, die an der starken Eiche nagt. Jede Rechtsfrage hat seinen Richter, und hat der Richter gesprochen, so ist die Rechtsfrage gelöst, und eben weil wir auf dem Boden des Rechts stehen, schrecken mich alle Andeutungen nicht, mit denen etwa durch den nächsten Landtag gedroht werden will. Die Principienfrage ist nicht durch die Regierung hervorgerufen worden. Niemand mehr als die Regierung hat zu beklagen, daß der Landtag vom Jahr 1837 ein so unseliges Legat zurückgelassen hat. Wir stehen nun vor dieser Frage, und ich trete nicht zurück vor Darlegung der Gründe, auf denen der Landtagsabschied vom Jahr 1837 beruht. Um zu einer klaren staatsrechtlich begründeten Beantwortung dieser Frage zu gelangen, glaube ich, müssen wir zuerst einverstanden seyn über die nächsten Verhältnisse der königlichen und der ständischen Rechte. Der König vereinigt, das ist der klare Ausspruch des Tit. II der Verfassungsurkunde, alle Rechte der Staatsgewalt in sich; er theilt sie mit Niemanden; kein Theil der Staatsgewalt ist an Jemand andern übertragen. Der König bedarf, um sich eines Regierungsrechtes zu bedienen, nicht eines besondern Nachweises: seine Rechte sind älter, als die Verfassung; auch läßt sich nirgends nachweisen, daß der König sich eines bestimmten Regierungsrechts durch die Verfassung begeben habe, denn in der ganzen Verfassung ist nicht Ein Act der Entäußerung der allgemeinen königlichen Rechte enthalten – ein Act, durch welchen der König ein Recht in die Hände des Volks zurückgegeben und unter gewissen Bedingungen wieder zurückgenommen hätte. Die königlichen Rechte stehen den ständischen Rechten gegenüber. Die Stände haben ihr Recht aus den Händen des Königs empfangen, und jedes Recht der Stände bedarf der Nachweisung und bestimmter Vorschriften der Verfassung. Das Daseyn der Stände stammt aus der Verfassung, alle Rechte der Standschaft stammen aus der Verfassung, und nur aus der Verfassung können sie beurtheilt werden. Wenn jede Erweiterung ständischer Rechte eine Abänderung der Verfassungsurkunde enthält, so ist dadurch von selbst auch über den Werth des sogenannten Usus, insofern er auf ständische Rechte geltend gemacht werden will, das Urtheil gesprochen. Ich will nur im Allgemeinen darauf aufmerksam machen, daß schon zu einem gewöhnlichen Usus, um den es sich bei verfassungsmäßigen Rechten nicht handelt, ein Zeitverlauf von dreißig Jahren erforderlich ist. Die Verfassungsurkunde besteht heute noch nicht dreißig Jahre. Wohl aber beklage ich die Hereinführung dieser Theorie eines Usus als Quelle ständischer Rechte als eine der unseligsten, die je ersonnen worden. Sie ist es, welche die freundlichen Verhältnisse zwischen Ständen und Regierung fort und fort gefährdet, welche die Regierung zwingt, bei jedem Schritt, den sie den Ständen gegenüber macht, Rechtsverwahrung einzulegen, weil aus jedem freundlichen Entgegenkommen auf der andern Seite ein Recht geltend gemacht werden will. Hat die Regierung zwei- oder dreimal einen Schritt gemacht zum freundlichen Verhältniß zu den Ständen, hat sie dieses freiwillig aus solcher Absicht gethan – er ist zum Recht erwachsen. Das ist die Theorie jenes Usus. Diese Theorie ist der Apfel der Eris. Die erste Frage, die Sie beschäftigt, betrifft das ständische Mitwirkungsrecht bei Feststellung des Budgets. Steht den Ständen des Reichs das Recht zu, bei Festsetzung der einzelnen Ausgabepositionen unmittelbar zu wirken oder nicht? Steht denselben ein Willigungsrecht zu in Ansehung der Bewilligung directer Steuern, so wie in Ansehung der einzelnen Ausgabepositionen? Die Verfassungsurkunde scheint mir diese Frage ganz einfach zu lösen, so daß weder auf der einen Seite das unläugbare ständische Steuerbewilligungsrecht in ein einfaches Einregistrirungsrecht, noch auf der andern Seite der Landtag in einen Postulaten-Landtag für die Regierung umgewandelt wird. Nach Tit. VII §. 4 der Verfassungsurkunde soll den Ständen die genaue Uebersicht des Staatsbedürfnisses, so wie der gesammten Staatseinnahmen vorgelegt werden, welche dieselbe durch einen Ausschuß prüfen, und sodann über die zu erhebenden Steuern in Berathung treten. Prüfung, das ist das Recht, welches die Verfassungsurkunde den Ständen gibt, und wenn auch in der angeführten Stelle nur von einer Prüfung durch den Ausschuß die Rede ist, so folgt nach den Bestimmungen des Xten Edicts keineswegs daraus, daß die Prüfung sich nur auf den Ausschuß zu beschränken hat, sondern daß diese Prüfung ein Kammerrecht sey, und daß der Ausschuß über seine Arbeiten Vortrag in der Kammer zu erstatten habe. Von einem Willigungsrecht bezüglich der Ausgaben aber weiß die Verfassungsurkunde keine Sylbe. Mit vollem Recht hat ein Redner bemerkt, daß die Feststellung der Ausgaben das positive Regierungsrecht sey, und daß derjenige, dem die Feststellung der Ausgaben zusteht, die Staatsgewalt übe. Wenn es aber richtig wäre, daß die Feststellung der Ausgaben – Budget – auf einem Uebereinkommen beruhen müsse, und daß keine Ausgabsposition als eine zu Recht bestehende anzuerkennen sey, zu welcher nicht die Stände

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 107. Augsburg, 16. April 1840, S. 0852. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_107_18400416/12>, abgerufen am 23.04.2024.