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Allgemeine Zeitung. Nr. 95. Augsburg, 4. April 1840.

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Nubien, Sennaar und Abyssinien.

(Durch einen unserer Alexandrinischen Correspondenten mitgetheilt.) Obgleich Sie wohl schon wissen werden, was sich im vorigen Jahr hier zutrug, muß ich dennoch darauf zurückkommen, theils damit Sie besser von dem Vorgefallenen in Kenntniß gesetzt werden, theils um Ihnen den eigentlichen Grund anzuführen, warum der Gouverneur des Sennaar, Achmed Pascha, eine große Expedition nach der Halbinsel Atbara, zwischen dem Nil und dem Takkassefluß, vorbereitet.

Als die alten Könige von Sennaar noch die Ufer des weißen und blauen Flusses beherrschten, waren diese sowohl wie die Ufer des Takkasse ungemein bevölkert, kaum aber setzte sich die türkische Regierung Mehemed Ali's in Besitz dieser Länder, so verminderte sich die Bevölkerung auf eine erschreckliche Weise. Der Sohn Mehemed Ali's, Ismael Pascha, ward von dem Schech Rimmer (Tiger) von Schendi verbrannt, worauf Mehemed Ali seinen Schwiegersohn, den Defterdar Mohammed Bey nach diesem Lande schickte, um den Tod seines Sohnes zu rächen. Er entledigte sich seines Auftrags auf eine dieses Wüthrichs würdige Weise, indem er den größten Theil der Einwohner, von Berber an bis zur Spitze der Halbinsel Sennaar, wo jetzt Kartum steht, niederhauen ließ, und den übrigen Theil in die Sklaverei abführte. Als Kurschid Pascha später Gouverneur des Sennaar ward, war es ihm darum zu thun, diesen ganz verödeten Landstrich wieder zu bevölkern. Er berief deßhalb einen in der Wüste von Dongola herumziehenden Beduinenstamm, die Kaigies, dorthin, die sich auch unter dem Versprechen daselbst niederließen, ewig von Abgaben und Steuern befreit zu seyn. Sie verpflichteten sich nur zu unentgeltlichen Kriegsdiensten in den jährlichen Zügen gegen die Neger der Gebirge. Im vorigen Sommer aber erklärte Achmed Pascha, der Nachfolger Kurschids, den eingegangenen Tractat nicht länger halten zu wollen, und verlangte von ihnen die landesüblichen Contributionen. Diese Zumuthung ward aber zurückgewiesen; es ward dem Gouverneur der Gehorsam verweigert, und sämmtliche Kaigies, von ihrem Schech Mohammed angeführt, brachen auf und zogen gegen Abyssinien zu, die Halbinsel Atbara hinauf. Achmed Pascha eilte ihnen mit einem starken Truppencorps nach, er konnte sie aber nicht mehr erreichen; zwar gelang es ihm späterhin, den Schech Mohammed durch viele Versprechungen zu bewegen, zurückzukehren, allein der bei weitem größte Theil der Kaigies blieb zurück, sagend, daß den Türken auf keine Weise zu trauen sey. Somit stehen die Ufer des Nils von Berber bis Kartum wieder so verlassen und verödet da wie zu den Zeiten des Defterdar, und um sie gewaltsam wieder zu bevölkern, will Achmed Pascha Ende dieses Monats eine Expedition nach der Halbinsel unternehmen. Während das hier vorging, machte sich der Schech der Abade-Beduinen, mit Namen Waraga, auf, um einen türkischen Schatzmeister (Khasnadar) zu verfolgen, der mit 2000 Börsen (100,000 fl. C.) nach Aegypten geschickt ward. Bei einem Brunnen der Wüste traf er ihn, nahm ihm das Geld ab und ermordete ihn daselbst. Hierauf revoltirte er den ganzen Stamm der Beni-Abade, der bisher immer dem ägyptischen Gouvernement unterworfen war, lagerte sich quer in die Wüste von Berber und schrieb an Achmet Pascha: "Du hast mich im vorigen Jahr in voller Divanssitzung eine H..e genannt, jetzt hat diese H..e die Wüste geschlossen, und nun versuch's, ob du, Pascha, den Weg durch die Wüste wieder öffnen kannst." Noch bis jetzt hat Achmed Pascha nichts dagegen thun können, und Alle, die nach Aegypten reisen, müssen den weiten Weg über Dongola machen. Der Ueberbringer des Briefs hat allein die Rache des Pascha's fühlen müssen: er ward sogleich nach Durchlesung desselben aufgehängt.

Die Entdeckungsexpedition auf dem weißen Fluß ist, nachdem sie schon einmal mißglückt war, zum zweitenmal, den 10 November, von hier abgereist. Bei ihr befindet sich nur Ein Europäer, der Franzose Thibaut, von dem aber wenig zu erwarten steht, indem er eigentlich nur dasselbe Geschäft betreibt wie der Franzose Vaissiere, welcher der renommirteste Sklavenhändler im ganzen Lande ist, und dieses Geschäft, ungeachtet der Reclamationen des englischen Generalconsuls in Aegypten, nach wie vor fort betreibt. Die Schilluks, so wie viele den weißen Fluß genau kennende Araber, versichern, daß es mit den großen Barken der Expedition unmöglich sey, bis zu dessen Quelle vorzudringen, nicht nur der vielen feindlichen Völkerschaften wegen, die an den Ufern desselben wohnen, sondern auch weil sich der Fluß oberhalb des Landes der Schilluks in drei Arme theile, die nach der Ueberschwemmung so seicht sind, daß man sie überall durchwaten kann. Unmittelbar nach der Regenzeit ist es vielleicht möglich, weit vorzudringen; aber die jetzige Expedition hat sich viel zu lange in Kartum aufgehalten, als daß es möglich wäre, daß sie ihren Zweck erreiche. Soliman Kaschef befehligt die Expedition; man hat ihm eine Menge Waaren mitgegeben, damit er mit den anwohnenden Negern einen Handel eröffnen könne.

In Abyssinien ist vergangenen Sommer der Dedschasmadsch Komfu gestorben. Nach seinem Tode schlugen sich seine Söhne, wie es in diesem Lande gewöhnlich geschieht, um das Erbe, und diese Unruhen wurden so stark, daß alle Verbindung zwischen dem Sennaar und Abyssinien völlig unterbrochen ward. Endlich machte Ras Ali der Sache ein Ende: er schickte eine Armee an Ort und Stelle, ließ die Söhne des verstorbenen Komfu gefangen nach Gondar abführen und ernannte einen neuen Statthalter für die von Komfu besessenen Provinzen. Vor acht Tagen ist eine abyssinische Gesandtschaft mit Geschenken für Achmed Pascha hier angekommen, um die früheren freundschaftlichen Verbindungen wieder anzuknüpfen. Sollten wirklich die an Kalabath gränzenden abyssinischen Provinzen von den herumstreifenden Räuberbanden gesäubert werden, und es dem Ras Ali Ernst seyn, mit dem ägyptischen Gouvernement auf gutem nachbarlichen Fuß stehen zu wollen, so könnte sich zwischen dem Sennaar und Abyssinien ein lebhafter Handel etabliren, und es vielleicht auch den Weißen möglich werden, auf dieser Seite nach Abyssinien vorzudringen. Mit Ausnahme von Bruce hat noch kein Europäer den Weg von Abyssinien nach dem Sennaar gemacht.

Aus dem Fasoglu empfangen wir nichts als traurige Nachrichten. Das Klima und namentlich die mörderische Regenzeit rafft Alles dahin. Ein vor einigen Tagen aus Wadi Medina kommender französischer Arzt brachte uns die Nachricht, daß nicht nur der bei weitem größte Theil der dorthin gesandten ägyptischen Handwerker, Dolmetscher und Schreiber an Krankheiten umgekommen, sondern daß auch der daselbst commandirende General Haredin Bey und die HH. Boreani und Lefevre gestorben sind. Man beklagt die letztern, namentlich den Hrn. Lefevre sehr, der ein Mann war, der mit vielen Kenntnissen eine außerordentliche unermüdliche Activität verband. In Betreff

Nubien, Sennaar und Abyssinien.

(Durch einen unserer Alexandrinischen Correspondenten mitgetheilt.) Obgleich Sie wohl schon wissen werden, was sich im vorigen Jahr hier zutrug, muß ich dennoch darauf zurückkommen, theils damit Sie besser von dem Vorgefallenen in Kenntniß gesetzt werden, theils um Ihnen den eigentlichen Grund anzuführen, warum der Gouverneur des Sennaar, Achmed Pascha, eine große Expedition nach der Halbinsel Atbara, zwischen dem Nil und dem Takkassefluß, vorbereitet.

Als die alten Könige von Sennaar noch die Ufer des weißen und blauen Flusses beherrschten, waren diese sowohl wie die Ufer des Takkasse ungemein bevölkert, kaum aber setzte sich die türkische Regierung Mehemed Ali's in Besitz dieser Länder, so verminderte sich die Bevölkerung auf eine erschreckliche Weise. Der Sohn Mehemed Ali's, Ismael Pascha, ward von dem Schech Rimmer (Tiger) von Schendi verbrannt, worauf Mehemed Ali seinen Schwiegersohn, den Defterdar Mohammed Bey nach diesem Lande schickte, um den Tod seines Sohnes zu rächen. Er entledigte sich seines Auftrags auf eine dieses Wüthrichs würdige Weise, indem er den größten Theil der Einwohner, von Berber an bis zur Spitze der Halbinsel Sennaar, wo jetzt Kartum steht, niederhauen ließ, und den übrigen Theil in die Sklaverei abführte. Als Kurschid Pascha später Gouverneur des Sennaar ward, war es ihm darum zu thun, diesen ganz verödeten Landstrich wieder zu bevölkern. Er berief deßhalb einen in der Wüste von Dongola herumziehenden Beduinenstamm, die Kaigies, dorthin, die sich auch unter dem Versprechen daselbst niederließen, ewig von Abgaben und Steuern befreit zu seyn. Sie verpflichteten sich nur zu unentgeltlichen Kriegsdiensten in den jährlichen Zügen gegen die Neger der Gebirge. Im vorigen Sommer aber erklärte Achmed Pascha, der Nachfolger Kurschids, den eingegangenen Tractat nicht länger halten zu wollen, und verlangte von ihnen die landesüblichen Contributionen. Diese Zumuthung ward aber zurückgewiesen; es ward dem Gouverneur der Gehorsam verweigert, und sämmtliche Kaigies, von ihrem Schech Mohammed angeführt, brachen auf und zogen gegen Abyssinien zu, die Halbinsel Atbara hinauf. Achmed Pascha eilte ihnen mit einem starken Truppencorps nach, er konnte sie aber nicht mehr erreichen; zwar gelang es ihm späterhin, den Schech Mohammed durch viele Versprechungen zu bewegen, zurückzukehren, allein der bei weitem größte Theil der Kaigies blieb zurück, sagend, daß den Türken auf keine Weise zu trauen sey. Somit stehen die Ufer des Nils von Berber bis Kartum wieder so verlassen und verödet da wie zu den Zeiten des Defterdar, und um sie gewaltsam wieder zu bevölkern, will Achmed Pascha Ende dieses Monats eine Expedition nach der Halbinsel unternehmen. Während das hier vorging, machte sich der Schech der Abade-Beduinen, mit Namen Waraga, auf, um einen türkischen Schatzmeister (Khasnadar) zu verfolgen, der mit 2000 Börsen (100,000 fl. C.) nach Aegypten geschickt ward. Bei einem Brunnen der Wüste traf er ihn, nahm ihm das Geld ab und ermordete ihn daselbst. Hierauf revoltirte er den ganzen Stamm der Beni-Abade, der bisher immer dem ägyptischen Gouvernement unterworfen war, lagerte sich quer in die Wüste von Berber und schrieb an Achmet Pascha: „Du hast mich im vorigen Jahr in voller Divanssitzung eine H..e genannt, jetzt hat diese H..e die Wüste geschlossen, und nun versuch's, ob du, Pascha, den Weg durch die Wüste wieder öffnen kannst.“ Noch bis jetzt hat Achmed Pascha nichts dagegen thun können, und Alle, die nach Aegypten reisen, müssen den weiten Weg über Dongola machen. Der Ueberbringer des Briefs hat allein die Rache des Pascha's fühlen müssen: er ward sogleich nach Durchlesung desselben aufgehängt.

Die Entdeckungsexpedition auf dem weißen Fluß ist, nachdem sie schon einmal mißglückt war, zum zweitenmal, den 10 November, von hier abgereist. Bei ihr befindet sich nur Ein Europäer, der Franzose Thibaut, von dem aber wenig zu erwarten steht, indem er eigentlich nur dasselbe Geschäft betreibt wie der Franzose Vaissière, welcher der renommirteste Sklavenhändler im ganzen Lande ist, und dieses Geschäft, ungeachtet der Reclamationen des englischen Generalconsuls in Aegypten, nach wie vor fort betreibt. Die Schilluks, so wie viele den weißen Fluß genau kennende Araber, versichern, daß es mit den großen Barken der Expedition unmöglich sey, bis zu dessen Quelle vorzudringen, nicht nur der vielen feindlichen Völkerschaften wegen, die an den Ufern desselben wohnen, sondern auch weil sich der Fluß oberhalb des Landes der Schilluks in drei Arme theile, die nach der Ueberschwemmung so seicht sind, daß man sie überall durchwaten kann. Unmittelbar nach der Regenzeit ist es vielleicht möglich, weit vorzudringen; aber die jetzige Expedition hat sich viel zu lange in Kartum aufgehalten, als daß es möglich wäre, daß sie ihren Zweck erreiche. Soliman Kaschef befehligt die Expedition; man hat ihm eine Menge Waaren mitgegeben, damit er mit den anwohnenden Negern einen Handel eröffnen könne.

In Abyssinien ist vergangenen Sommer der Dedschasmadsch Komfu gestorben. Nach seinem Tode schlugen sich seine Söhne, wie es in diesem Lande gewöhnlich geschieht, um das Erbe, und diese Unruhen wurden so stark, daß alle Verbindung zwischen dem Sennaar und Abyssinien völlig unterbrochen ward. Endlich machte Ras Ali der Sache ein Ende: er schickte eine Armee an Ort und Stelle, ließ die Söhne des verstorbenen Komfu gefangen nach Gondar abführen und ernannte einen neuen Statthalter für die von Komfu besessenen Provinzen. Vor acht Tagen ist eine abyssinische Gesandtschaft mit Geschenken für Achmed Pascha hier angekommen, um die früheren freundschaftlichen Verbindungen wieder anzuknüpfen. Sollten wirklich die an Kalabath gränzenden abyssinischen Provinzen von den herumstreifenden Räuberbanden gesäubert werden, und es dem Ras Ali Ernst seyn, mit dem ägyptischen Gouvernement auf gutem nachbarlichen Fuß stehen zu wollen, so könnte sich zwischen dem Sennaar und Abyssinien ein lebhafter Handel etabliren, und es vielleicht auch den Weißen möglich werden, auf dieser Seite nach Abyssinien vorzudringen. Mit Ausnahme von Bruce hat noch kein Europäer den Weg von Abyssinien nach dem Sennaar gemacht.

Aus dem Fasoglu empfangen wir nichts als traurige Nachrichten. Das Klima und namentlich die mörderische Regenzeit rafft Alles dahin. Ein vor einigen Tagen aus Wadi Medina kommender französischer Arzt brachte uns die Nachricht, daß nicht nur der bei weitem größte Theil der dorthin gesandten ägyptischen Handwerker, Dolmetscher und Schreiber an Krankheiten umgekommen, sondern daß auch der daselbst commandirende General Haredin Bey und die HH. Boreani und Lefèvre gestorben sind. Man beklagt die letztern, namentlich den Hrn. Lefèvre sehr, der ein Mann war, der mit vielen Kenntnissen eine außerordentliche unermüdliche Activität verband. In Betreff

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          <p>(Durch einen unserer Alexandrinischen Correspondenten mitgetheilt.) Obgleich Sie wohl schon wissen werden, was sich im vorigen Jahr hier zutrug, muß ich dennoch darauf zurückkommen, theils damit Sie besser von dem Vorgefallenen in Kenntniß gesetzt werden, theils um Ihnen den eigentlichen Grund anzuführen, warum der Gouverneur des Sennaar, Achmed Pascha, eine große Expedition nach der Halbinsel Atbara, zwischen dem Nil und dem Takkassefluß, vorbereitet.</p><lb/>
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[0753/0009] Nubien, Sennaar und Abyssinien. _ Kartum (Sennaar), 12 Januar. (Durch einen unserer Alexandrinischen Correspondenten mitgetheilt.) Obgleich Sie wohl schon wissen werden, was sich im vorigen Jahr hier zutrug, muß ich dennoch darauf zurückkommen, theils damit Sie besser von dem Vorgefallenen in Kenntniß gesetzt werden, theils um Ihnen den eigentlichen Grund anzuführen, warum der Gouverneur des Sennaar, Achmed Pascha, eine große Expedition nach der Halbinsel Atbara, zwischen dem Nil und dem Takkassefluß, vorbereitet. Als die alten Könige von Sennaar noch die Ufer des weißen und blauen Flusses beherrschten, waren diese sowohl wie die Ufer des Takkasse ungemein bevölkert, kaum aber setzte sich die türkische Regierung Mehemed Ali's in Besitz dieser Länder, so verminderte sich die Bevölkerung auf eine erschreckliche Weise. Der Sohn Mehemed Ali's, Ismael Pascha, ward von dem Schech Rimmer (Tiger) von Schendi verbrannt, worauf Mehemed Ali seinen Schwiegersohn, den Defterdar Mohammed Bey nach diesem Lande schickte, um den Tod seines Sohnes zu rächen. Er entledigte sich seines Auftrags auf eine dieses Wüthrichs würdige Weise, indem er den größten Theil der Einwohner, von Berber an bis zur Spitze der Halbinsel Sennaar, wo jetzt Kartum steht, niederhauen ließ, und den übrigen Theil in die Sklaverei abführte. Als Kurschid Pascha später Gouverneur des Sennaar ward, war es ihm darum zu thun, diesen ganz verödeten Landstrich wieder zu bevölkern. Er berief deßhalb einen in der Wüste von Dongola herumziehenden Beduinenstamm, die Kaigies, dorthin, die sich auch unter dem Versprechen daselbst niederließen, ewig von Abgaben und Steuern befreit zu seyn. Sie verpflichteten sich nur zu unentgeltlichen Kriegsdiensten in den jährlichen Zügen gegen die Neger der Gebirge. Im vorigen Sommer aber erklärte Achmed Pascha, der Nachfolger Kurschids, den eingegangenen Tractat nicht länger halten zu wollen, und verlangte von ihnen die landesüblichen Contributionen. Diese Zumuthung ward aber zurückgewiesen; es ward dem Gouverneur der Gehorsam verweigert, und sämmtliche Kaigies, von ihrem Schech Mohammed angeführt, brachen auf und zogen gegen Abyssinien zu, die Halbinsel Atbara hinauf. Achmed Pascha eilte ihnen mit einem starken Truppencorps nach, er konnte sie aber nicht mehr erreichen; zwar gelang es ihm späterhin, den Schech Mohammed durch viele Versprechungen zu bewegen, zurückzukehren, allein der bei weitem größte Theil der Kaigies blieb zurück, sagend, daß den Türken auf keine Weise zu trauen sey. Somit stehen die Ufer des Nils von Berber bis Kartum wieder so verlassen und verödet da wie zu den Zeiten des Defterdar, und um sie gewaltsam wieder zu bevölkern, will Achmed Pascha Ende dieses Monats eine Expedition nach der Halbinsel unternehmen. Während das hier vorging, machte sich der Schech der Abade-Beduinen, mit Namen Waraga, auf, um einen türkischen Schatzmeister (Khasnadar) zu verfolgen, der mit 2000 Börsen (100,000 fl. C.) nach Aegypten geschickt ward. Bei einem Brunnen der Wüste traf er ihn, nahm ihm das Geld ab und ermordete ihn daselbst. Hierauf revoltirte er den ganzen Stamm der Beni-Abade, der bisher immer dem ägyptischen Gouvernement unterworfen war, lagerte sich quer in die Wüste von Berber und schrieb an Achmet Pascha: „Du hast mich im vorigen Jahr in voller Divanssitzung eine H..e genannt, jetzt hat diese H..e die Wüste geschlossen, und nun versuch's, ob du, Pascha, den Weg durch die Wüste wieder öffnen kannst.“ Noch bis jetzt hat Achmed Pascha nichts dagegen thun können, und Alle, die nach Aegypten reisen, müssen den weiten Weg über Dongola machen. Der Ueberbringer des Briefs hat allein die Rache des Pascha's fühlen müssen: er ward sogleich nach Durchlesung desselben aufgehängt. Die Entdeckungsexpedition auf dem weißen Fluß ist, nachdem sie schon einmal mißglückt war, zum zweitenmal, den 10 November, von hier abgereist. Bei ihr befindet sich nur Ein Europäer, der Franzose Thibaut, von dem aber wenig zu erwarten steht, indem er eigentlich nur dasselbe Geschäft betreibt wie der Franzose Vaissière, welcher der renommirteste Sklavenhändler im ganzen Lande ist, und dieses Geschäft, ungeachtet der Reclamationen des englischen Generalconsuls in Aegypten, nach wie vor fort betreibt. Die Schilluks, so wie viele den weißen Fluß genau kennende Araber, versichern, daß es mit den großen Barken der Expedition unmöglich sey, bis zu dessen Quelle vorzudringen, nicht nur der vielen feindlichen Völkerschaften wegen, die an den Ufern desselben wohnen, sondern auch weil sich der Fluß oberhalb des Landes der Schilluks in drei Arme theile, die nach der Ueberschwemmung so seicht sind, daß man sie überall durchwaten kann. Unmittelbar nach der Regenzeit ist es vielleicht möglich, weit vorzudringen; aber die jetzige Expedition hat sich viel zu lange in Kartum aufgehalten, als daß es möglich wäre, daß sie ihren Zweck erreiche. Soliman Kaschef befehligt die Expedition; man hat ihm eine Menge Waaren mitgegeben, damit er mit den anwohnenden Negern einen Handel eröffnen könne. In Abyssinien ist vergangenen Sommer der Dedschasmadsch Komfu gestorben. Nach seinem Tode schlugen sich seine Söhne, wie es in diesem Lande gewöhnlich geschieht, um das Erbe, und diese Unruhen wurden so stark, daß alle Verbindung zwischen dem Sennaar und Abyssinien völlig unterbrochen ward. Endlich machte Ras Ali der Sache ein Ende: er schickte eine Armee an Ort und Stelle, ließ die Söhne des verstorbenen Komfu gefangen nach Gondar abführen und ernannte einen neuen Statthalter für die von Komfu besessenen Provinzen. Vor acht Tagen ist eine abyssinische Gesandtschaft mit Geschenken für Achmed Pascha hier angekommen, um die früheren freundschaftlichen Verbindungen wieder anzuknüpfen. Sollten wirklich die an Kalabath gränzenden abyssinischen Provinzen von den herumstreifenden Räuberbanden gesäubert werden, und es dem Ras Ali Ernst seyn, mit dem ägyptischen Gouvernement auf gutem nachbarlichen Fuß stehen zu wollen, so könnte sich zwischen dem Sennaar und Abyssinien ein lebhafter Handel etabliren, und es vielleicht auch den Weißen möglich werden, auf dieser Seite nach Abyssinien vorzudringen. Mit Ausnahme von Bruce hat noch kein Europäer den Weg von Abyssinien nach dem Sennaar gemacht. Aus dem Fasoglu empfangen wir nichts als traurige Nachrichten. Das Klima und namentlich die mörderische Regenzeit rafft Alles dahin. Ein vor einigen Tagen aus Wadi Medina kommender französischer Arzt brachte uns die Nachricht, daß nicht nur der bei weitem größte Theil der dorthin gesandten ägyptischen Handwerker, Dolmetscher und Schreiber an Krankheiten umgekommen, sondern daß auch der daselbst commandirende General Haredin Bey und die HH. Boreani und Lefèvre gestorben sind. Man beklagt die letztern, namentlich den Hrn. Lefèvre sehr, der ein Mann war, der mit vielen Kenntnissen eine außerordentliche unermüdliche Activität verband. In Betreff

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 95. Augsburg, 4. April 1840, S. 0753. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_095_18400404/9>, abgerufen am 05.05.2024.