Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 95. Augsburg, 4. April 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

aufzehren und wogegen kaum die Restitution des ganzen Syriens Ersatz bietet. Es ist ein recht leidender, beklagenswerther Zustand, in dem man sich hier befindet. Er muß bald enden, soll nicht Aergeres daraus erwachsen, Aergeres durch innere Aufregungen unter den dem Sultan noch ergebenen Provinzen, womit die ganze Herrlichkeit seiner Macht aufhören würde. Wo ist aber Gewißheit vorhanden, daß dieß abgewendet wird? Wie die Sachen stehen, kann Niemand sagen, was die Zukunft und zwar die nahe Zukunft bringt. Mehemed Ali, der von Allem Nutzen zieht, und der sehr wohl weiß, wo die Pforte der Schuh drückt, sucht sich ihr zu nähern und gibt sich alle Mühe ihr zu beweisen, daß es klüger und einfacher wäre, wenn sie sich mit ihm abfände, statt durch das Dazuthun Anderer nur das zu erreichen, was er auf gütlichem Wege zugestehen wolle. Erst vor einigen Tagen hat er wieder einen Versuch gemacht, es zu einem Arrangement zu bringen; allein so gern die Pforte vielleicht auch darauf eingehen möchte, so hat sie sich doch selbst die Thür verstopft und wagt nichts zu thun, was sie um die Gunst der Mächte bringen könnte. Die Insinuationen Mehemed Ali's lauten dießmal sehr verführerisch, woraus geschlossen wird, daß auch er sich sehr unbehaglich fühlen muß, was ihm auch auf Anrathen Lord Ponsonby's von der Pforte sehr deutlich zu verstehen gegeben ward. Er hatte aber Alles vorgesehen, und da ihm bekannt ist, daß die Pforte nie bei sich selbst Rath erhält, so hatte er seinen Mittelsmann auf alle ihm werdenden Einwendungen vorbereitet und so zu sagen die Antwort schon in den Mund gelegt. Dieser verhehlte denn auch nicht, daß der Pascha sehnlichst wünsche, aus allen Verwickelungen herauszukommen, daß er ja auch deßhalb sich so versöhnlich zeige und keinen Schritt verschmähe, der ihn hoffen ließe, seinen Wunsch erfüllt zu sehen, daß aber diejenigen sich täuschen, die da glauben, sein Schiff sey dem Sinken nahe; man werde sich vielmehr am Tage der Entscheidung überzeugen, wie ungegründet dieß sey; wäre trotz dem sein Untergang unvermeidlich, so würde er nicht allein sinken, sondern andere gewiß mit ihm. Er sey bereit sich zu verständigen, aber auch bereit Alles zu wagen und dem Beispiele des großen Washington zu folgen, dessen bürgerliche Tugenden er stets bewundert habe und sich auch anzueignen bemühen werde, denn er wolle nur für sein Volk leben oder mit demselben sterben. - Die Anspielung auf Washington war allerdings bei den Haaren herbeigezogen, Mehemed Ali scheint aber geflissentlich vorgeschrieben zu haben, sie herauszuheben, um Lord Ponsonby, der, wie er weiß, die Pforte am meisten bevormundet und sein größter Widersacher ist, an eine Epoche zu erinnern, die mit der gegenwärtigen einige Aehnlichkeit hat, und ihn zu mahnen, daß sie im äußersten Falle gleiche Resultate haben, eben so folgenreich seyn könnte als der Unabhängigkeitskampf Nordamerika's hatte, nämlich die völlige Unabhängigkeit Mehemed Ali's und die Entstehung eines vereinigten arabischen Reichs. Gleichwohl ward auf solche Hinweisungen nicht geachtet und der Vicekönig wird nächstens unterrichtet werden, daß er sich hier vergeblich abmüht. Er muß von der Zeit abwarten, was sie bringt, oder muß ihr vorzugreifen den Muth fassen.

aufzehren und wogegen kaum die Restitution des ganzen Syriens Ersatz bietet. Es ist ein recht leidender, beklagenswerther Zustand, in dem man sich hier befindet. Er muß bald enden, soll nicht Aergeres daraus erwachsen, Aergeres durch innere Aufregungen unter den dem Sultan noch ergebenen Provinzen, womit die ganze Herrlichkeit seiner Macht aufhören würde. Wo ist aber Gewißheit vorhanden, daß dieß abgewendet wird? Wie die Sachen stehen, kann Niemand sagen, was die Zukunft und zwar die nahe Zukunft bringt. Mehemed Ali, der von Allem Nutzen zieht, und der sehr wohl weiß, wo die Pforte der Schuh drückt, sucht sich ihr zu nähern und gibt sich alle Mühe ihr zu beweisen, daß es klüger und einfacher wäre, wenn sie sich mit ihm abfände, statt durch das Dazuthun Anderer nur das zu erreichen, was er auf gütlichem Wege zugestehen wolle. Erst vor einigen Tagen hat er wieder einen Versuch gemacht, es zu einem Arrangement zu bringen; allein so gern die Pforte vielleicht auch darauf eingehen möchte, so hat sie sich doch selbst die Thür verstopft und wagt nichts zu thun, was sie um die Gunst der Mächte bringen könnte. Die Insinuationen Mehemed Ali's lauten dießmal sehr verführerisch, woraus geschlossen wird, daß auch er sich sehr unbehaglich fühlen muß, was ihm auch auf Anrathen Lord Ponsonby's von der Pforte sehr deutlich zu verstehen gegeben ward. Er hatte aber Alles vorgesehen, und da ihm bekannt ist, daß die Pforte nie bei sich selbst Rath erhält, so hatte er seinen Mittelsmann auf alle ihm werdenden Einwendungen vorbereitet und so zu sagen die Antwort schon in den Mund gelegt. Dieser verhehlte denn auch nicht, daß der Pascha sehnlichst wünsche, aus allen Verwickelungen herauszukommen, daß er ja auch deßhalb sich so versöhnlich zeige und keinen Schritt verschmähe, der ihn hoffen ließe, seinen Wunsch erfüllt zu sehen, daß aber diejenigen sich täuschen, die da glauben, sein Schiff sey dem Sinken nahe; man werde sich vielmehr am Tage der Entscheidung überzeugen, wie ungegründet dieß sey; wäre trotz dem sein Untergang unvermeidlich, so würde er nicht allein sinken, sondern andere gewiß mit ihm. Er sey bereit sich zu verständigen, aber auch bereit Alles zu wagen und dem Beispiele des großen Washington zu folgen, dessen bürgerliche Tugenden er stets bewundert habe und sich auch anzueignen bemühen werde, denn er wolle nur für sein Volk leben oder mit demselben sterben. – Die Anspielung auf Washington war allerdings bei den Haaren herbeigezogen, Mehemed Ali scheint aber geflissentlich vorgeschrieben zu haben, sie herauszuheben, um Lord Ponsonby, der, wie er weiß, die Pforte am meisten bevormundet und sein größter Widersacher ist, an eine Epoche zu erinnern, die mit der gegenwärtigen einige Aehnlichkeit hat, und ihn zu mahnen, daß sie im äußersten Falle gleiche Resultate haben, eben so folgenreich seyn könnte als der Unabhängigkeitskampf Nordamerika's hatte, nämlich die völlige Unabhängigkeit Mehemed Ali's und die Entstehung eines vereinigten arabischen Reichs. Gleichwohl ward auf solche Hinweisungen nicht geachtet und der Vicekönig wird nächstens unterrichtet werden, daß er sich hier vergeblich abmüht. Er muß von der Zeit abwarten, was sie bringt, oder muß ihr vorzugreifen den Muth fassen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0008" n="0760"/>
aufzehren und wogegen kaum die Restitution des ganzen Syriens Ersatz bietet. Es ist ein recht leidender, beklagenswerther Zustand, in dem man sich hier befindet. Er muß bald enden, soll nicht Aergeres daraus erwachsen, Aergeres durch innere Aufregungen unter den dem Sultan noch ergebenen Provinzen, womit die ganze Herrlichkeit seiner Macht aufhören würde. Wo ist aber Gewißheit vorhanden, daß dieß abgewendet wird? Wie die Sachen stehen, kann Niemand sagen, was die Zukunft und zwar die nahe Zukunft bringt. Mehemed Ali, der von Allem Nutzen zieht, und der sehr wohl weiß, wo die Pforte der Schuh drückt, sucht sich ihr zu nähern und gibt sich alle Mühe ihr zu beweisen, daß es klüger und einfacher wäre, wenn sie sich mit ihm abfände, statt durch das Dazuthun Anderer nur das zu erreichen, was er auf gütlichem Wege zugestehen wolle. Erst vor einigen Tagen hat er wieder einen Versuch gemacht, es zu einem Arrangement zu bringen; allein so gern die Pforte vielleicht auch darauf eingehen möchte, so hat sie sich doch selbst die Thür verstopft und wagt nichts zu thun, was sie um die Gunst der Mächte bringen könnte. Die Insinuationen Mehemed Ali's lauten dießmal sehr verführerisch, woraus geschlossen wird, daß auch er sich sehr unbehaglich fühlen muß, was ihm auch auf Anrathen Lord Ponsonby's von der Pforte sehr deutlich zu verstehen gegeben ward. Er hatte aber Alles vorgesehen, und da ihm bekannt ist, daß die Pforte nie bei sich selbst Rath erhält, so hatte er seinen Mittelsmann auf alle ihm werdenden Einwendungen vorbereitet und so zu sagen die Antwort schon in den Mund gelegt. Dieser verhehlte denn auch nicht, daß der Pascha sehnlichst wünsche, aus allen Verwickelungen herauszukommen, daß er ja auch deßhalb sich so versöhnlich zeige und keinen Schritt verschmähe, der ihn hoffen ließe, seinen Wunsch erfüllt zu sehen, daß aber diejenigen sich täuschen, die da glauben, sein Schiff sey dem Sinken nahe; man werde sich vielmehr am Tage der Entscheidung überzeugen, wie ungegründet dieß sey; wäre trotz dem sein Untergang unvermeidlich, so würde er nicht allein sinken, sondern andere gewiß mit ihm. Er sey bereit sich zu verständigen, aber auch bereit Alles zu wagen und dem Beispiele des großen Washington zu folgen, dessen bürgerliche Tugenden er stets bewundert habe und sich auch anzueignen bemühen werde, denn er wolle nur für sein Volk leben oder mit demselben sterben. &#x2013; Die Anspielung auf Washington war allerdings bei den Haaren herbeigezogen, Mehemed Ali scheint aber geflissentlich vorgeschrieben zu haben, sie herauszuheben, um Lord Ponsonby, der, wie er weiß, die Pforte am meisten bevormundet und sein größter Widersacher ist, an eine Epoche zu erinnern, die mit der gegenwärtigen einige Aehnlichkeit hat, und ihn zu mahnen, daß sie im äußersten Falle gleiche Resultate haben, eben so folgenreich seyn könnte als der Unabhängigkeitskampf Nordamerika's hatte, nämlich die völlige Unabhängigkeit Mehemed Ali's und die Entstehung eines vereinigten arabischen Reichs. Gleichwohl ward auf solche Hinweisungen nicht geachtet und der Vicekönig wird nächstens unterrichtet werden, daß er sich hier vergeblich abmüht. Er muß von der Zeit abwarten, was sie bringt, oder muß ihr vorzugreifen den Muth fassen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0760/0008] aufzehren und wogegen kaum die Restitution des ganzen Syriens Ersatz bietet. Es ist ein recht leidender, beklagenswerther Zustand, in dem man sich hier befindet. Er muß bald enden, soll nicht Aergeres daraus erwachsen, Aergeres durch innere Aufregungen unter den dem Sultan noch ergebenen Provinzen, womit die ganze Herrlichkeit seiner Macht aufhören würde. Wo ist aber Gewißheit vorhanden, daß dieß abgewendet wird? Wie die Sachen stehen, kann Niemand sagen, was die Zukunft und zwar die nahe Zukunft bringt. Mehemed Ali, der von Allem Nutzen zieht, und der sehr wohl weiß, wo die Pforte der Schuh drückt, sucht sich ihr zu nähern und gibt sich alle Mühe ihr zu beweisen, daß es klüger und einfacher wäre, wenn sie sich mit ihm abfände, statt durch das Dazuthun Anderer nur das zu erreichen, was er auf gütlichem Wege zugestehen wolle. Erst vor einigen Tagen hat er wieder einen Versuch gemacht, es zu einem Arrangement zu bringen; allein so gern die Pforte vielleicht auch darauf eingehen möchte, so hat sie sich doch selbst die Thür verstopft und wagt nichts zu thun, was sie um die Gunst der Mächte bringen könnte. Die Insinuationen Mehemed Ali's lauten dießmal sehr verführerisch, woraus geschlossen wird, daß auch er sich sehr unbehaglich fühlen muß, was ihm auch auf Anrathen Lord Ponsonby's von der Pforte sehr deutlich zu verstehen gegeben ward. Er hatte aber Alles vorgesehen, und da ihm bekannt ist, daß die Pforte nie bei sich selbst Rath erhält, so hatte er seinen Mittelsmann auf alle ihm werdenden Einwendungen vorbereitet und so zu sagen die Antwort schon in den Mund gelegt. Dieser verhehlte denn auch nicht, daß der Pascha sehnlichst wünsche, aus allen Verwickelungen herauszukommen, daß er ja auch deßhalb sich so versöhnlich zeige und keinen Schritt verschmähe, der ihn hoffen ließe, seinen Wunsch erfüllt zu sehen, daß aber diejenigen sich täuschen, die da glauben, sein Schiff sey dem Sinken nahe; man werde sich vielmehr am Tage der Entscheidung überzeugen, wie ungegründet dieß sey; wäre trotz dem sein Untergang unvermeidlich, so würde er nicht allein sinken, sondern andere gewiß mit ihm. Er sey bereit sich zu verständigen, aber auch bereit Alles zu wagen und dem Beispiele des großen Washington zu folgen, dessen bürgerliche Tugenden er stets bewundert habe und sich auch anzueignen bemühen werde, denn er wolle nur für sein Volk leben oder mit demselben sterben. – Die Anspielung auf Washington war allerdings bei den Haaren herbeigezogen, Mehemed Ali scheint aber geflissentlich vorgeschrieben zu haben, sie herauszuheben, um Lord Ponsonby, der, wie er weiß, die Pforte am meisten bevormundet und sein größter Widersacher ist, an eine Epoche zu erinnern, die mit der gegenwärtigen einige Aehnlichkeit hat, und ihn zu mahnen, daß sie im äußersten Falle gleiche Resultate haben, eben so folgenreich seyn könnte als der Unabhängigkeitskampf Nordamerika's hatte, nämlich die völlige Unabhängigkeit Mehemed Ali's und die Entstehung eines vereinigten arabischen Reichs. Gleichwohl ward auf solche Hinweisungen nicht geachtet und der Vicekönig wird nächstens unterrichtet werden, daß er sich hier vergeblich abmüht. Er muß von der Zeit abwarten, was sie bringt, oder muß ihr vorzugreifen den Muth fassen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_095_18400404
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_095_18400404/8
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 95. Augsburg, 4. April 1840, S. 0760. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_095_18400404/8>, abgerufen am 05.05.2024.