Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 80. Augsburg, 20. März 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Aufhellung der letzten Katastrophe des spanischen Bürgerkriegs.

Auszug aus später erscheinenden Memoiren eines Augenzeugen und Genossen des Kampfs.

Das Ausland, in dem letzten Kriege wenig mit den innern Verhältnissen Spaniens und dem wahren Thatbestand der Ereignisse bekannt, irrte beinahe immer in der Würdigung der Zustände und verkannte oft die Lage der Dinge. So kam es, daß gerade durch das legitimistische Ausland der königlichen Sache der erste und bedenklichste Stoß gegeben wurde. Erstaunt sah Europa den Vertrag von Bergara, und schrieb ihn dem Verrathe eines einzelnen Mannes zu, während er, von allen, ja den besten Carlisten vorbereitet und herbeigeführt, das Werk der Carlisten aller Parteien des In- und Auslandes ist. Alle beschworen den Geist herauf, und als er sich zeigte, da sank ihnen der Muth, und durch einen Doppelverrath suchten sie der Erscheinung zu entfliehen. So verlor man mehr oder weniger das Resultat, ohne aufgehört zu haben, im strengern Sinn des Wortes und der That, Verräther zu seyn.

Die königliche Expedition im Jahr 1837, hauptsächlich durch fremden Einfluß veranlaßt, trug das Verderben in ihrem Schooß, und war das Grab der königlichen Würde. Man glaubte ohne Schwertschlag in Madrid einzurücken, man glaubte das Prästigium Karls V so groß, daß wenn er in den übrigen Provinzen sich zeigte, das ganze spanische Volk sich zu seinen Gunsten in Masse erheben werde.

Die Expedition, gegen den Willen der Generale und Chefs unternommen, welche, in richtiger Würdigung des Charakters des Kampfes, ein langsames aber sicheres Vorgehen wünschten, mußte mißlingen und mißlang, und der Verlust, den wir dadurch erlitten, war unermeßlich. Rein militärisch genommen, war er noch zu ersetzen, aber unrettbar verloren war der Glaube an die Allgewalt des Namens und der Rechte des Königs. Es war ein schöner Glaube, der das Lebensprincip der Carlisten in sich schloß; unter seiner Aegide hatte sich der Krieg in den Provinzen entfaltet, und war kräftig geworden; mit seinem Verschwinden hatte der König den Krieg moralisch verloren. Man mußte fest an diesem Glauben halten, man mußte ihn pflegen und stärken, aber man durfte ihn nie tollkühn in die Wagschale legen, wie man in der Expedition es that, wo nothwendig das königliche Ideal unter dem Drang der Umstände erbleichen mußte. Die Politik verschmähte und verkannte hier ihre Schwester, die Kriegskunst; sie wollte allein die Palme erringen, und erlag auf der weiten Bahn zum Ziele.

Als die Reste des königlichen Heeres zurückkehrten, war es nur Ein Gedanke, der ganz Spanien beschäftigte: man hatte den König ganz Spanien durchziehen sehen, und die Masse seiner Anhänger war ruhig und passiv geblieben! Und dennoch war dieser Glaube, der an des Königs Namen sich knüpfte, zein bloßes Phantom; er existirte wirklich und hatte tiefe Wurzeln geschlagen, und die Masse seiner Anhänger war die Mehrzahl des Volkes, aber man zerstörte, wie gesagt, dieses große Lebensprincip freiwillig, als man es unklug den Wechseln eines abenteuerlichen Zuges anvertraute. So erzeugte sich jene Denkungsweise im Volk, die zwar noch immer bereit war Karls V Ansprüche, im Fall er siegte, anzuerkennen, die aber, weit entfernt sich enthusiastisch für die Sache ferner aufzuopfern, die Christinische Regierung und den Schutz, den sie ihm gewährte, dem offenen Kriegszustande vorzog, in den das Volk versetzt worden wäre, wenn es unter so zweifelhaften Umständen sich bewaffnet gegen Isabelle erhob.

Während dieser wichtigen Krisis bot das Hauptquartier des Königs ein eigenes Schauspiel dar. Der Hof fühlte, daß ein entscheidendes Ereigniß eingetreten, Jedermann sah, daß der Sache ein tödlicher Stoß versetzt war; aber Niemand wagte die Lage der Dinge klar aufzufassen und darzustellen, alle Parteien waren für einen Moment betäubt, und getrauten sich nicht den Blick zu erheben. Dieser dumpfe gährende Zustand dauerte, bis der König die baskischen Provinzen wieder betrat. In Amurrio angelangt, erließ der Monarch auf Anrathen Arias Teixeiro's, Fray Domingo's, des Bischofs von Leon, des Padre Larraga und des Cura Echevarria jenes Edict, worin er erklärte, "daß er nur nach den Provinzen zurückgekehrt sey, um die Verräther, die an dem Mißlingen der Expedition Schuld seyen, zu bestrafen." - Das unglückliche Wort war ausgesprochen - man mußte ihm Folge geben, und glaubte die Provinzen zu beschwichtigen, wenn man auf die reine Stirne verdienstvoller Männer das schwarze Siegel des Verraths drückte.

Der König, dem man den wahren Zustand der Dinge verheimlichte, dem man die eigentlichen Ursachen verschwieg, und dem man nur den Erfolg in seinem unheilvollen Lichte sehen ließ, willigte irre geleitet in alle Schreckensmaaßregeln, die das neue Ministerium Teixeiros vorschlug. Der Infant Don Sebastian fiel in Ungnade, General Moreno wurde seines Obercommando's entsetzt und in Verbannung geschickt; die Generale Villarreal, Cabannas, Eguia, Simon de la Torre, Arjona schickte man ins Exil; Elio, Zariategui zog man gefänglich ein und befahl Untersuchung gegen sie; den großen Generalstab löste man auf, und verbannte die Officiere, die ihm angehörten; gleiches Schicksal traf einen großen Theil der Chefs der Bataillone - so war das Vertrauen zwischen Heer und König zerstört und der Samen gesäet, der, als er aufging, den Vertrag von Bergara gebar.

Der General Guergue bekommt das Commando des verwaisten Heeres. Die Wahl war würdig eines Arias Teixeiro, dem es nicht darauf ankam, einen tüchtigen Heerführer, wohl aber ein willenloses Instrument für seine Plane an der Spitze der Truppen zu haben. Guergue, den das Heer haßte, dessen militärische Laufbahn durch die schmutzigsten Laster befleckt, der in ganz Spanien bekannt war durch seine Talentlosigkeit, seinen Geiz und wüsten Sinn, entsprach vollkommen den Wünschen des nun allmächtigen Ministers. Dieser General hatte Muth genug, dem König in seiner ersten Audienz zu sagen: "nosotros los brutos hemos de Ilevar a V. M. a Madrid, los demas son traidores." (Wir die Dummköpfe, Finsterlinge, haben Ew. Majestät nach Madrid zu führen, und wer nicht in diese Classe gehört, ist Verräther.) Mit diesen gemeinen trivialen Worten, die aber ganz Spanien hörte, erklärte Guergue naiv die Tendenz seines Meisters, Arias Teixeiro. Vertilgungskampf gegen den intellectuellen Theil des Heeres und Volkes, gegen alles, was einen guten klangvollen Namen führte, war also die Devise - von dem König alle Männer von Geist und Herz zu entfernen, und ihn mit Fanatikern zu umringen, die große Aufgabe, die der Meister sich setzte. Der Bischof von Leon, der Cura Echevarria, Padre Larraga und Fray Domingo verbanden sich aufs innigste mit ihm, und machten es von nun an unmöglich, bis zum König durchzudringen.

Zur Aufhellung der letzten Katastrophe des spanischen Bürgerkriegs.

Auszug aus später erscheinenden Memoiren eines Augenzeugen und Genossen des Kampfs.

Das Ausland, in dem letzten Kriege wenig mit den innern Verhältnissen Spaniens und dem wahren Thatbestand der Ereignisse bekannt, irrte beinahe immer in der Würdigung der Zustände und verkannte oft die Lage der Dinge. So kam es, daß gerade durch das legitimistische Ausland der königlichen Sache der erste und bedenklichste Stoß gegeben wurde. Erstaunt sah Europa den Vertrag von Bergara, und schrieb ihn dem Verrathe eines einzelnen Mannes zu, während er, von allen, ja den besten Carlisten vorbereitet und herbeigeführt, das Werk der Carlisten aller Parteien des In- und Auslandes ist. Alle beschworen den Geist herauf, und als er sich zeigte, da sank ihnen der Muth, und durch einen Doppelverrath suchten sie der Erscheinung zu entfliehen. So verlor man mehr oder weniger das Resultat, ohne aufgehört zu haben, im strengern Sinn des Wortes und der That, Verräther zu seyn.

Die königliche Expedition im Jahr 1837, hauptsächlich durch fremden Einfluß veranlaßt, trug das Verderben in ihrem Schooß, und war das Grab der königlichen Würde. Man glaubte ohne Schwertschlag in Madrid einzurücken, man glaubte das Prästigium Karls V so groß, daß wenn er in den übrigen Provinzen sich zeigte, das ganze spanische Volk sich zu seinen Gunsten in Masse erheben werde.

Die Expedition, gegen den Willen der Generale und Chefs unternommen, welche, in richtiger Würdigung des Charakters des Kampfes, ein langsames aber sicheres Vorgehen wünschten, mußte mißlingen und mißlang, und der Verlust, den wir dadurch erlitten, war unermeßlich. Rein militärisch genommen, war er noch zu ersetzen, aber unrettbar verloren war der Glaube an die Allgewalt des Namens und der Rechte des Königs. Es war ein schöner Glaube, der das Lebensprincip der Carlisten in sich schloß; unter seiner Aegide hatte sich der Krieg in den Provinzen entfaltet, und war kräftig geworden; mit seinem Verschwinden hatte der König den Krieg moralisch verloren. Man mußte fest an diesem Glauben halten, man mußte ihn pflegen und stärken, aber man durfte ihn nie tollkühn in die Wagschale legen, wie man in der Expedition es that, wo nothwendig das königliche Ideal unter dem Drang der Umstände erbleichen mußte. Die Politik verschmähte und verkannte hier ihre Schwester, die Kriegskunst; sie wollte allein die Palme erringen, und erlag auf der weiten Bahn zum Ziele.

Als die Reste des königlichen Heeres zurückkehrten, war es nur Ein Gedanke, der ganz Spanien beschäftigte: man hatte den König ganz Spanien durchziehen sehen, und die Masse seiner Anhänger war ruhig und passiv geblieben! Und dennoch war dieser Glaube, der an des Königs Namen sich knüpfte, zein bloßes Phantom; er existirte wirklich und hatte tiefe Wurzeln geschlagen, und die Masse seiner Anhänger war die Mehrzahl des Volkes, aber man zerstörte, wie gesagt, dieses große Lebensprincip freiwillig, als man es unklug den Wechseln eines abenteuerlichen Zuges anvertraute. So erzeugte sich jene Denkungsweise im Volk, die zwar noch immer bereit war Karls V Ansprüche, im Fall er siegte, anzuerkennen, die aber, weit entfernt sich enthusiastisch für die Sache ferner aufzuopfern, die Christinische Regierung und den Schutz, den sie ihm gewährte, dem offenen Kriegszustande vorzog, in den das Volk versetzt worden wäre, wenn es unter so zweifelhaften Umständen sich bewaffnet gegen Isabelle erhob.

Während dieser wichtigen Krisis bot das Hauptquartier des Königs ein eigenes Schauspiel dar. Der Hof fühlte, daß ein entscheidendes Ereigniß eingetreten, Jedermann sah, daß der Sache ein tödlicher Stoß versetzt war; aber Niemand wagte die Lage der Dinge klar aufzufassen und darzustellen, alle Parteien waren für einen Moment betäubt, und getrauten sich nicht den Blick zu erheben. Dieser dumpfe gährende Zustand dauerte, bis der König die baskischen Provinzen wieder betrat. In Amurrio angelangt, erließ der Monarch auf Anrathen Arias Teixeiro's, Fray Domingo's, des Bischofs von Leon, des Padre Larraga und des Cura Echevarria jenes Edict, worin er erklärte, „daß er nur nach den Provinzen zurückgekehrt sey, um die Verräther, die an dem Mißlingen der Expedition Schuld seyen, zu bestrafen.“ – Das unglückliche Wort war ausgesprochen – man mußte ihm Folge geben, und glaubte die Provinzen zu beschwichtigen, wenn man auf die reine Stirne verdienstvoller Männer das schwarze Siegel des Verraths drückte.

Der König, dem man den wahren Zustand der Dinge verheimlichte, dem man die eigentlichen Ursachen verschwieg, und dem man nur den Erfolg in seinem unheilvollen Lichte sehen ließ, willigte irre geleitet in alle Schreckensmaaßregeln, die das neue Ministerium Teixeiros vorschlug. Der Infant Don Sebastian fiel in Ungnade, General Moreno wurde seines Obercommando's entsetzt und in Verbannung geschickt; die Generale Villarreal, Cabañas, Eguia, Simon de la Torre, Arjona schickte man ins Exil; Elio, Zariategui zog man gefänglich ein und befahl Untersuchung gegen sie; den großen Generalstab löste man auf, und verbannte die Officiere, die ihm angehörten; gleiches Schicksal traf einen großen Theil der Chefs der Bataillone – so war das Vertrauen zwischen Heer und König zerstört und der Samen gesäet, der, als er aufging, den Vertrag von Bergara gebar.

Der General Guergué bekommt das Commando des verwaisten Heeres. Die Wahl war würdig eines Arias Teixeiro, dem es nicht darauf ankam, einen tüchtigen Heerführer, wohl aber ein willenloses Instrument für seine Plane an der Spitze der Truppen zu haben. Guergué, den das Heer haßte, dessen militärische Laufbahn durch die schmutzigsten Laster befleckt, der in ganz Spanien bekannt war durch seine Talentlosigkeit, seinen Geiz und wüsten Sinn, entsprach vollkommen den Wünschen des nun allmächtigen Ministers. Dieser General hatte Muth genug, dem König in seiner ersten Audienz zu sagen: „nosotros los brutos hemos de Ilevar à V. M. à Madrid, los demas son traidores.“ (Wir die Dummköpfe, Finsterlinge, haben Ew. Majestät nach Madrid zu führen, und wer nicht in diese Classe gehört, ist Verräther.) Mit diesen gemeinen trivialen Worten, die aber ganz Spanien hörte, erklärte Guergué naiv die Tendenz seines Meisters, Arias Teixeiro. Vertilgungskampf gegen den intellectuellen Theil des Heeres und Volkes, gegen alles, was einen guten klangvollen Namen führte, war also die Devise – von dem König alle Männer von Geist und Herz zu entfernen, und ihn mit Fanatikern zu umringen, die große Aufgabe, die der Meister sich setzte. Der Bischof von Leon, der Cura Echevarria, Padre Larraga und Fray Domingo verbanden sich aufs innigste mit ihm, und machten es von nun an unmöglich, bis zum König durchzudringen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0009" n="0633"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Zur Aufhellung der letzten Katastrophe des spanischen Bürgerkriegs</hi>.</hi> </head><lb/>
        <p>Auszug aus später erscheinenden Memoiren eines Augenzeugen und Genossen des Kampfs.</p><lb/>
        <p>Das Ausland, in dem letzten Kriege wenig mit den innern Verhältnissen Spaniens und dem wahren Thatbestand der Ereignisse bekannt, irrte beinahe immer in der Würdigung der Zustände und verkannte oft die Lage der Dinge. So kam es, daß gerade durch das legitimistische Ausland der königlichen Sache der erste und bedenklichste Stoß gegeben wurde. Erstaunt sah Europa den Vertrag von Bergara, und schrieb ihn dem Verrathe eines einzelnen Mannes zu, während er, von allen, ja den besten Carlisten vorbereitet und herbeigeführt, das Werk der Carlisten aller Parteien des In- und Auslandes ist. Alle beschworen den Geist herauf, und als er sich zeigte, da sank ihnen der Muth, und durch einen Doppelverrath suchten sie der Erscheinung zu entfliehen. So verlor man mehr oder weniger das Resultat, ohne aufgehört zu haben, im strengern Sinn des Wortes und der That, Verräther zu seyn.</p><lb/>
        <p>Die königliche Expedition im Jahr 1837, hauptsächlich durch fremden Einfluß veranlaßt, trug das Verderben in ihrem Schooß, und war das Grab der königlichen Würde. Man glaubte ohne Schwertschlag in Madrid einzurücken, man glaubte das Prästigium Karls V so groß, daß wenn er in den übrigen Provinzen sich zeigte, das ganze spanische Volk sich zu seinen Gunsten in Masse erheben werde.</p><lb/>
        <p>Die Expedition, gegen den Willen der Generale und Chefs unternommen, welche, in richtiger Würdigung des Charakters des Kampfes, ein langsames aber sicheres Vorgehen wünschten, mußte mißlingen und mißlang, und der Verlust, den wir dadurch erlitten, war unermeßlich. Rein militärisch genommen, war er noch zu ersetzen, aber unrettbar verloren war der Glaube an die Allgewalt des Namens und der Rechte des Königs. Es war ein schöner Glaube, der das Lebensprincip der Carlisten in sich schloß; unter seiner Aegide hatte sich der Krieg in den Provinzen entfaltet, und war kräftig geworden; mit seinem Verschwinden hatte der König den Krieg moralisch verloren. Man mußte fest an diesem Glauben halten, man mußte ihn pflegen und stärken, aber man durfte ihn nie tollkühn in die Wagschale legen, wie man in der Expedition es that, wo nothwendig das königliche Ideal unter dem Drang der Umstände erbleichen mußte. Die Politik verschmähte und verkannte hier ihre Schwester, die Kriegskunst; sie wollte allein die Palme erringen, und erlag auf der weiten Bahn zum Ziele.</p><lb/>
        <p>Als die Reste des königlichen Heeres zurückkehrten, war es nur Ein Gedanke, der ganz Spanien beschäftigte: man hatte den König ganz Spanien durchziehen sehen, und die Masse seiner Anhänger war ruhig und passiv geblieben! Und dennoch war dieser Glaube, der an des Königs Namen sich knüpfte, zein bloßes Phantom; er existirte wirklich und hatte tiefe Wurzeln geschlagen, und die Masse seiner Anhänger war die Mehrzahl des Volkes, aber man zerstörte, wie gesagt, dieses große Lebensprincip freiwillig, als man es unklug den Wechseln eines abenteuerlichen Zuges anvertraute. So erzeugte sich jene Denkungsweise im Volk, die zwar noch immer bereit war Karls V Ansprüche, im Fall er siegte, anzuerkennen, die aber, weit entfernt sich enthusiastisch für die Sache ferner aufzuopfern, die Christinische Regierung und den Schutz, den sie ihm gewährte, dem offenen Kriegszustande vorzog, in den das Volk versetzt worden wäre, wenn es unter so zweifelhaften Umständen sich bewaffnet gegen Isabelle erhob.</p><lb/>
        <p>Während dieser wichtigen Krisis bot das Hauptquartier des Königs ein eigenes Schauspiel dar. Der Hof fühlte, daß ein entscheidendes Ereigniß eingetreten, Jedermann sah, daß der Sache ein tödlicher Stoß versetzt war; aber Niemand wagte die Lage der Dinge klar aufzufassen und darzustellen, alle Parteien waren für einen Moment betäubt, und getrauten sich nicht den Blick zu erheben. Dieser dumpfe gährende Zustand dauerte, bis der König die baskischen Provinzen wieder betrat. In Amurrio angelangt, erließ der Monarch auf Anrathen Arias Teixeiro's, Fray Domingo's, des Bischofs von Leon, des Padre Larraga und des Cura Echevarria jenes Edict, worin er erklärte, &#x201E;daß er nur nach den Provinzen zurückgekehrt sey, um die Verräther, die an dem Mißlingen der Expedition Schuld seyen, zu bestrafen.&#x201C; &#x2013; Das unglückliche Wort war ausgesprochen &#x2013; man mußte ihm Folge geben, und glaubte die Provinzen zu beschwichtigen, wenn man auf die reine Stirne verdienstvoller Männer das schwarze Siegel des Verraths drückte.</p><lb/>
        <p>Der König, dem man den wahren Zustand der Dinge verheimlichte, dem man die eigentlichen Ursachen verschwieg, und dem man nur den Erfolg in seinem unheilvollen Lichte sehen ließ, willigte irre geleitet in alle Schreckensmaaßregeln, die das neue Ministerium Teixeiros vorschlug. Der Infant Don Sebastian fiel in Ungnade, General Moreno wurde seines Obercommando's entsetzt und in Verbannung geschickt; die Generale Villarreal, Cabañas, Eguia, Simon de la Torre, Arjona schickte man ins Exil; Elio, Zariategui zog man gefänglich ein und befahl Untersuchung gegen sie; den großen Generalstab löste man auf, und verbannte die Officiere, die ihm angehörten; gleiches Schicksal traf einen großen Theil der Chefs der Bataillone &#x2013; so war das Vertrauen zwischen Heer und König zerstört und der Samen gesäet, der, als er aufging, den Vertrag von Bergara gebar.</p><lb/>
        <p>Der General Guergué bekommt das Commando des verwaisten Heeres. Die Wahl war würdig eines Arias Teixeiro, dem es nicht darauf ankam, einen tüchtigen Heerführer, wohl aber ein willenloses Instrument für seine Plane an der Spitze der Truppen zu haben. Guergué, den das Heer haßte, dessen militärische Laufbahn durch die schmutzigsten Laster befleckt, der in ganz Spanien bekannt war durch seine Talentlosigkeit, seinen Geiz und wüsten Sinn, entsprach vollkommen den Wünschen des nun allmächtigen Ministers. Dieser General hatte Muth genug, dem König in seiner ersten Audienz zu sagen: &#x201E;nosotros los brutos hemos de Ilevar à V. M. à Madrid, los demas son traidores.&#x201C; (Wir die Dummköpfe, Finsterlinge, haben Ew. Majestät nach Madrid zu führen, und wer nicht in diese Classe gehört, ist Verräther.) Mit diesen gemeinen trivialen Worten, die aber ganz Spanien hörte, erklärte Guergué naiv die Tendenz seines Meisters, Arias Teixeiro. Vertilgungskampf gegen den intellectuellen Theil des Heeres und Volkes, gegen alles, was einen guten klangvollen Namen führte, war also die Devise &#x2013; von dem König alle Männer von Geist und Herz zu entfernen, und ihn mit Fanatikern zu umringen, die große Aufgabe, die der Meister sich setzte. Der Bischof von Leon, der Cura Echevarria, Padre Larraga und Fray Domingo verbanden sich aufs innigste mit ihm, und machten es von nun an unmöglich, bis zum König durchzudringen.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0633/0009] Zur Aufhellung der letzten Katastrophe des spanischen Bürgerkriegs. Auszug aus später erscheinenden Memoiren eines Augenzeugen und Genossen des Kampfs. Das Ausland, in dem letzten Kriege wenig mit den innern Verhältnissen Spaniens und dem wahren Thatbestand der Ereignisse bekannt, irrte beinahe immer in der Würdigung der Zustände und verkannte oft die Lage der Dinge. So kam es, daß gerade durch das legitimistische Ausland der königlichen Sache der erste und bedenklichste Stoß gegeben wurde. Erstaunt sah Europa den Vertrag von Bergara, und schrieb ihn dem Verrathe eines einzelnen Mannes zu, während er, von allen, ja den besten Carlisten vorbereitet und herbeigeführt, das Werk der Carlisten aller Parteien des In- und Auslandes ist. Alle beschworen den Geist herauf, und als er sich zeigte, da sank ihnen der Muth, und durch einen Doppelverrath suchten sie der Erscheinung zu entfliehen. So verlor man mehr oder weniger das Resultat, ohne aufgehört zu haben, im strengern Sinn des Wortes und der That, Verräther zu seyn. Die königliche Expedition im Jahr 1837, hauptsächlich durch fremden Einfluß veranlaßt, trug das Verderben in ihrem Schooß, und war das Grab der königlichen Würde. Man glaubte ohne Schwertschlag in Madrid einzurücken, man glaubte das Prästigium Karls V so groß, daß wenn er in den übrigen Provinzen sich zeigte, das ganze spanische Volk sich zu seinen Gunsten in Masse erheben werde. Die Expedition, gegen den Willen der Generale und Chefs unternommen, welche, in richtiger Würdigung des Charakters des Kampfes, ein langsames aber sicheres Vorgehen wünschten, mußte mißlingen und mißlang, und der Verlust, den wir dadurch erlitten, war unermeßlich. Rein militärisch genommen, war er noch zu ersetzen, aber unrettbar verloren war der Glaube an die Allgewalt des Namens und der Rechte des Königs. Es war ein schöner Glaube, der das Lebensprincip der Carlisten in sich schloß; unter seiner Aegide hatte sich der Krieg in den Provinzen entfaltet, und war kräftig geworden; mit seinem Verschwinden hatte der König den Krieg moralisch verloren. Man mußte fest an diesem Glauben halten, man mußte ihn pflegen und stärken, aber man durfte ihn nie tollkühn in die Wagschale legen, wie man in der Expedition es that, wo nothwendig das königliche Ideal unter dem Drang der Umstände erbleichen mußte. Die Politik verschmähte und verkannte hier ihre Schwester, die Kriegskunst; sie wollte allein die Palme erringen, und erlag auf der weiten Bahn zum Ziele. Als die Reste des königlichen Heeres zurückkehrten, war es nur Ein Gedanke, der ganz Spanien beschäftigte: man hatte den König ganz Spanien durchziehen sehen, und die Masse seiner Anhänger war ruhig und passiv geblieben! Und dennoch war dieser Glaube, der an des Königs Namen sich knüpfte, zein bloßes Phantom; er existirte wirklich und hatte tiefe Wurzeln geschlagen, und die Masse seiner Anhänger war die Mehrzahl des Volkes, aber man zerstörte, wie gesagt, dieses große Lebensprincip freiwillig, als man es unklug den Wechseln eines abenteuerlichen Zuges anvertraute. So erzeugte sich jene Denkungsweise im Volk, die zwar noch immer bereit war Karls V Ansprüche, im Fall er siegte, anzuerkennen, die aber, weit entfernt sich enthusiastisch für die Sache ferner aufzuopfern, die Christinische Regierung und den Schutz, den sie ihm gewährte, dem offenen Kriegszustande vorzog, in den das Volk versetzt worden wäre, wenn es unter so zweifelhaften Umständen sich bewaffnet gegen Isabelle erhob. Während dieser wichtigen Krisis bot das Hauptquartier des Königs ein eigenes Schauspiel dar. Der Hof fühlte, daß ein entscheidendes Ereigniß eingetreten, Jedermann sah, daß der Sache ein tödlicher Stoß versetzt war; aber Niemand wagte die Lage der Dinge klar aufzufassen und darzustellen, alle Parteien waren für einen Moment betäubt, und getrauten sich nicht den Blick zu erheben. Dieser dumpfe gährende Zustand dauerte, bis der König die baskischen Provinzen wieder betrat. In Amurrio angelangt, erließ der Monarch auf Anrathen Arias Teixeiro's, Fray Domingo's, des Bischofs von Leon, des Padre Larraga und des Cura Echevarria jenes Edict, worin er erklärte, „daß er nur nach den Provinzen zurückgekehrt sey, um die Verräther, die an dem Mißlingen der Expedition Schuld seyen, zu bestrafen.“ – Das unglückliche Wort war ausgesprochen – man mußte ihm Folge geben, und glaubte die Provinzen zu beschwichtigen, wenn man auf die reine Stirne verdienstvoller Männer das schwarze Siegel des Verraths drückte. Der König, dem man den wahren Zustand der Dinge verheimlichte, dem man die eigentlichen Ursachen verschwieg, und dem man nur den Erfolg in seinem unheilvollen Lichte sehen ließ, willigte irre geleitet in alle Schreckensmaaßregeln, die das neue Ministerium Teixeiros vorschlug. Der Infant Don Sebastian fiel in Ungnade, General Moreno wurde seines Obercommando's entsetzt und in Verbannung geschickt; die Generale Villarreal, Cabañas, Eguia, Simon de la Torre, Arjona schickte man ins Exil; Elio, Zariategui zog man gefänglich ein und befahl Untersuchung gegen sie; den großen Generalstab löste man auf, und verbannte die Officiere, die ihm angehörten; gleiches Schicksal traf einen großen Theil der Chefs der Bataillone – so war das Vertrauen zwischen Heer und König zerstört und der Samen gesäet, der, als er aufging, den Vertrag von Bergara gebar. Der General Guergué bekommt das Commando des verwaisten Heeres. Die Wahl war würdig eines Arias Teixeiro, dem es nicht darauf ankam, einen tüchtigen Heerführer, wohl aber ein willenloses Instrument für seine Plane an der Spitze der Truppen zu haben. Guergué, den das Heer haßte, dessen militärische Laufbahn durch die schmutzigsten Laster befleckt, der in ganz Spanien bekannt war durch seine Talentlosigkeit, seinen Geiz und wüsten Sinn, entsprach vollkommen den Wünschen des nun allmächtigen Ministers. Dieser General hatte Muth genug, dem König in seiner ersten Audienz zu sagen: „nosotros los brutos hemos de Ilevar à V. M. à Madrid, los demas son traidores.“ (Wir die Dummköpfe, Finsterlinge, haben Ew. Majestät nach Madrid zu führen, und wer nicht in diese Classe gehört, ist Verräther.) Mit diesen gemeinen trivialen Worten, die aber ganz Spanien hörte, erklärte Guergué naiv die Tendenz seines Meisters, Arias Teixeiro. Vertilgungskampf gegen den intellectuellen Theil des Heeres und Volkes, gegen alles, was einen guten klangvollen Namen führte, war also die Devise – von dem König alle Männer von Geist und Herz zu entfernen, und ihn mit Fanatikern zu umringen, die große Aufgabe, die der Meister sich setzte. Der Bischof von Leon, der Cura Echevarria, Padre Larraga und Fray Domingo verbanden sich aufs innigste mit ihm, und machten es von nun an unmöglich, bis zum König durchzudringen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_080_18400320
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_080_18400320/9
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 80. Augsburg, 20. März 1840, S. 0633. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_080_18400320/9>, abgerufen am 29.03.2024.