Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 56. Augsburg, 25. Februar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Marschall Maison.

Die französische Armee hat neuerdings einen ihrer ruhmvollen Veteranen verloren: der Marschall Maison ist an einer Brustentzündung, die sich besonders durch ihr Zusammentreffen mit einer vor langen Jahren erhaltenen Wunde in der Lunge verschlimmert hatte, gestern dahier, in Paris, gestorben. Nicolas Joseph Maison war Pair und Marschall von Frankreich. Sein Geburtsort ist Epinay, wo er im Jahr 1770 zur Welt kam. Im Jahr 1792 nahm er als Officier activen Dienst in der Armee und zeichnete sich in derselben während der Kriege der Republik und des Kaiserthums in einer großen Zahl von Gefechten als muthiger und einsichtsvoller Officier aus. Das Jahr 1793 hatte ihm, ohne Untersuchung, seine Stelle geraubt, aber bereits im darauf folgenden wieder in seinen Posten eingesetzt, machte er den Feldzug des Nordheeres an der Seite des Generals Mireur. Im Jahr 1796 ernannte ihn Jourdan zum Bataillonschef; im Jahr 1799 bemerkte ihn Bernadotte und sandte ihn zur Rheinarmee, nach dem Frieden von Amiens, 1802, ward er zum Befehlshaber des Departements Tanaro ernannt. Hannover erinnert sich seiner vom Jahr 1805, wo er dieses Land mit Bernadotte besetzte. Austerlitz, der preusche Feldzug 1806, Jena und Blücher sind Namen, die eben so viel Erinnerungen von Muth und Auszeichnung des verstorbenen Kriegers erwecken. Nachdem er erst Gouverneur der Stadt Lübeck gewesen, sodann 1807 zum Chef des Generalstabs seines Armeecorps ernannt worden war, focht er im Jahr 1808 in Spanien, und nahm einen glänzenden Antheil an dem Siege bei Espinosa de los Monteros; erhielt darauf vom Kaiser selbst den Auftrag die Umgegend von Madrid zu säubern und zu besetzen, und mußte nach der Einnahme von Madrid, wo er verwundet ward, nach Frankreich zurückkehren. Das Jahr 1809 führte ihn wider zu Bernadotte zurück und mit ihm nach Holland. In dem großen und blutigen Drama des russischen Feldzuges wurde ihm nach mehreren bewunderten Waffenthaten, besonders bei Zakabowo, Oboyarzowa und Potolsk die Auszeichnung, daß ihn der Kaiser zum Divisionsgeneral und bei dem Rückzuge über die Beresina zum Baron ernannte. Von jetzt bis zur Abdankung Napoleons ist Maisons Thätigkeit reich an glänzenden Kriegshandlungen, die ihn in der Achtung seines Kaisers immer mehr befestigten. Da Oudinot verwundet war, übernahm Maison an dessen Stelle das Commando des Armeecorps, deckte den Rückzug über die Weichsel, nahm Leipzig an dem Tage, wo die Schlacht von Lützen geschlagen wurde, focht bei Bautzen und war mit Murat, als dieser nach der blutigen Begegnung an der Katzbach nach Leipzig zurückeilte. Am 28 October 1813 ernannte ihn Napoleon zum Großofficier der Ehrenlegion, zum Grafen, und am 22 December zum Oberbefehlshaber des Nordheeres, wo er zur besondern Aufgabe hatte, den Fluß gegen die feindliche Uebermacht zu schützen. Er führte diesen gefährlichen Auftrag, bei welchem er mit 14,000 Mann gegen 80,000 Feinde zu stehen hatte, nach besten Kräften und mit Talent aus. Als er aber den Entschluß gefaßt hatte, sich in Eilmärschen nach Paris zu begeben und auch bereits unterwegs war, kam ihm die Abdankung des Kaisers zu. Er schloß im April 1814 einen Waffenstillstand mit den ihm gegenüber stehenden feindlichen Generalen, namentlich dem Herzog von Sachsen-Weimar, unterwarf sich der Regierung der Bourbonen, und ging Ludwig XVIII nach Calais entgegen, beides ein wenig schleunig, sagen manche Beurtheiler seines Lebens. Im Jahr L815 ward Maison zum Gouverneur von Paris ernannt, begleitete den flüchtigen König nach Belgien und kehrte mit der zweiten Restauration nach Paris zurück. Im Jahr 1816 verfiel er in eine ehrenvolle Ungnade, die aber nicht lange dauerte. Im Jahr 1828 führte er die französische Expedition nach der Morea und rettete Griechenland vor dem Loose, eine Dependenz Mehemed Ali's zu werden. So lang die Restauration währte, war Maison beständig auf Seite der liberalen Opposition. Im Jahr 1830 war er einer der drei Commissäre, die Karl X nach Cherbourg führten. Seit der Juliusrevolution begleitete er während längerer Zeit die Gesandtschaftsposten in Wien und St. Petersburg und war kurze Zeit Minister. Ein hiesiges Blatt macht Anspielung auf einen gehässigen Zug in dem Leben Maisons, wahrscheinlich auf seine Mitwirkung bei der Verurtheilung Ney's; indessen ist bekannt, daß Maison gerade zu denen gehörte, welche sich in dem Kriegsrath, der über ihn erkennen sollte, für incompetent erklärten.

Die Leichenfeier des Marschalls Maison war denkwürdig in mehr als einer Beziehung. Wer die Todtenmesse im Invalidendom mit ansah, und das immer mehr zusammenschmelzende Häuflein der grauen Streiter der neuen Iliade musterte, der konnte sich überzeugen, daß hier wahre, aufrichtige Thränen geweint wurden, und daß in dem Geiste und dem Herzen dieser gebeugten Helden Gefühle, Erinnerungen und Gedanken wechselten, die der geschichtlichen Aufbewahrung würdig wären. Dieser Charakter der Feier schien sich selbst dem äußern Gepränge auf dem langen Zuge von den Invaliden über die Boulevards nach dem Gottesacker des Pere Chaise mitzutheilen und ihn mit einer religiösen Weihe zu umgeben. Und in der That, was könnte dem Geiste, dem Streben dieser jungen, rüstigen Armee, was könnte den Vertretern des heutigen politischen Frankreichs, Größeres, Schöneres, Beneidenswertheres vorschweben, als dieser alte Streiter, der, wie die leuchtendsten seiner Cameraden, aus dem Volke hervorgegangen und durch sein eigenes und alleiniges Verdienst bis zu der höchsten militärischen Würde im Staate aufgestiegen ist, nachdem er auf hundert Schlachtfeldern seinen Muth, seinen Patriotismus und seine Talente bewährt hatte, der zuletzt zur Befreiung eines alten Heldenvolkes mitgewirkt und das neue Frankreich der Juliusrevolution als gewandter Diplomatiker an den ersten Höfen Europa's vertreten hat. Diese mächtig wirkende Todtenfeier ward durch die Rede von Thiers würdig geschlossen. Sie wollen wissen, was diesem Manne, denn man mit so viel ästhetischem Geschmack den "kleinen" Thiers nennt, eine so unwiderstehliche Gewalt auf den französischen Nationalsinne gibt! Lesen Sie aufmerksam seine Grabrede, und sie haben eine bessere Antwort als Ihnen der beredteste Commentar liefern kann. Es ist der gebildete Sohn des Volkes, der im Ministergewande und unter dem Stern sich seiner plebejischen Herkunft mit all der nationalen Wärme erinnert, die seine Sprache den Weg zum Herzen des Volkes finden läßt, mit all der Feinheit die erforderlich ist, um ihm seinen politischen und diplomatischen Rang nicht zu verderben, seine Ebenbürtigkeit mit seinen jetzigen Pairs nicht zu verkümmern. Mit Einem Worte, die Tuilerien und die Opposition, das Journal des Debats, die Gazette de France und der National müssen seine Sprache in gleichem Maße bewundern: Ist das nicht ein Meisterstück von Dialektik, und zwar einer Dialektik, bemerken Sie wohl, der Niemand das Verdienst des Wahrheit absprechen kann!

Marschall Maison.

Die französische Armee hat neuerdings einen ihrer ruhmvollen Veteranen verloren: der Marschall Maison ist an einer Brustentzündung, die sich besonders durch ihr Zusammentreffen mit einer vor langen Jahren erhaltenen Wunde in der Lunge verschlimmert hatte, gestern dahier, in Paris, gestorben. Nicolas Joseph Maison war Pair und Marschall von Frankreich. Sein Geburtsort ist Epinay, wo er im Jahr 1770 zur Welt kam. Im Jahr 1792 nahm er als Officier activen Dienst in der Armee und zeichnete sich in derselben während der Kriege der Republik und des Kaiserthums in einer großen Zahl von Gefechten als muthiger und einsichtsvoller Officier aus. Das Jahr 1793 hatte ihm, ohne Untersuchung, seine Stelle geraubt, aber bereits im darauf folgenden wieder in seinen Posten eingesetzt, machte er den Feldzug des Nordheeres an der Seite des Generals Mireur. Im Jahr 1796 ernannte ihn Jourdan zum Bataillonschef; im Jahr 1799 bemerkte ihn Bernadotte und sandte ihn zur Rheinarmee, nach dem Frieden von Amiens, 1802, ward er zum Befehlshaber des Departements Tanaro ernannt. Hannover erinnert sich seiner vom Jahr 1805, wo er dieses Land mit Bernadotte besetzte. Austerlitz, der preusche Feldzug 1806, Jena und Blücher sind Namen, die eben so viel Erinnerungen von Muth und Auszeichnung des verstorbenen Kriegers erwecken. Nachdem er erst Gouverneur der Stadt Lübeck gewesen, sodann 1807 zum Chef des Generalstabs seines Armeecorps ernannt worden war, focht er im Jahr 1808 in Spanien, und nahm einen glänzenden Antheil an dem Siege bei Espinosa de los Monteros; erhielt darauf vom Kaiser selbst den Auftrag die Umgegend von Madrid zu säubern und zu besetzen, und mußte nach der Einnahme von Madrid, wo er verwundet ward, nach Frankreich zurückkehren. Das Jahr 1809 führte ihn wider zu Bernadotte zurück und mit ihm nach Holland. In dem großen und blutigen Drama des russischen Feldzuges wurde ihm nach mehreren bewunderten Waffenthaten, besonders bei Zakabowo, Oboyarzowa und Potolsk die Auszeichnung, daß ihn der Kaiser zum Divisionsgeneral und bei dem Rückzuge über die Beresina zum Baron ernannte. Von jetzt bis zur Abdankung Napoleons ist Maisons Thätigkeit reich an glänzenden Kriegshandlungen, die ihn in der Achtung seines Kaisers immer mehr befestigten. Da Oudinot verwundet war, übernahm Maison an dessen Stelle das Commando des Armeecorps, deckte den Rückzug über die Weichsel, nahm Leipzig an dem Tage, wo die Schlacht von Lützen geschlagen wurde, focht bei Bautzen und war mit Murat, als dieser nach der blutigen Begegnung an der Katzbach nach Leipzig zurückeilte. Am 28 October 1813 ernannte ihn Napoleon zum Großofficier der Ehrenlegion, zum Grafen, und am 22 December zum Oberbefehlshaber des Nordheeres, wo er zur besondern Aufgabe hatte, den Fluß gegen die feindliche Uebermacht zu schützen. Er führte diesen gefährlichen Auftrag, bei welchem er mit 14,000 Mann gegen 80,000 Feinde zu stehen hatte, nach besten Kräften und mit Talent aus. Als er aber den Entschluß gefaßt hatte, sich in Eilmärschen nach Paris zu begeben und auch bereits unterwegs war, kam ihm die Abdankung des Kaisers zu. Er schloß im April 1814 einen Waffenstillstand mit den ihm gegenüber stehenden feindlichen Generalen, namentlich dem Herzog von Sachsen-Weimar, unterwarf sich der Regierung der Bourbonen, und ging Ludwig XVIII nach Calais entgegen, beides ein wenig schleunig, sagen manche Beurtheiler seines Lebens. Im Jahr L815 ward Maison zum Gouverneur von Paris ernannt, begleitete den flüchtigen König nach Belgien und kehrte mit der zweiten Restauration nach Paris zurück. Im Jahr 1816 verfiel er in eine ehrenvolle Ungnade, die aber nicht lange dauerte. Im Jahr 1828 führte er die französische Expedition nach der Morea und rettete Griechenland vor dem Loose, eine Dependenz Mehemed Ali's zu werden. So lang die Restauration währte, war Maison beständig auf Seite der liberalen Opposition. Im Jahr 1830 war er einer der drei Commissäre, die Karl X nach Cherbourg führten. Seit der Juliusrevolution begleitete er während längerer Zeit die Gesandtschaftsposten in Wien und St. Petersburg und war kurze Zeit Minister. Ein hiesiges Blatt macht Anspielung auf einen gehässigen Zug in dem Leben Maisons, wahrscheinlich auf seine Mitwirkung bei der Verurtheilung Ney's; indessen ist bekannt, daß Maison gerade zu denen gehörte, welche sich in dem Kriegsrath, der über ihn erkennen sollte, für incompetent erklärten.

Die Leichenfeier des Marschalls Maison war denkwürdig in mehr als einer Beziehung. Wer die Todtenmesse im Invalidendom mit ansah, und das immer mehr zusammenschmelzende Häuflein der grauen Streiter der neuen Iliade musterte, der konnte sich überzeugen, daß hier wahre, aufrichtige Thränen geweint wurden, und daß in dem Geiste und dem Herzen dieser gebeugten Helden Gefühle, Erinnerungen und Gedanken wechselten, die der geschichtlichen Aufbewahrung würdig wären. Dieser Charakter der Feier schien sich selbst dem äußern Gepränge auf dem langen Zuge von den Invaliden über die Boulevards nach dem Gottesacker des Père Chaise mitzutheilen und ihn mit einer religiösen Weihe zu umgeben. Und in der That, was könnte dem Geiste, dem Streben dieser jungen, rüstigen Armee, was könnte den Vertretern des heutigen politischen Frankreichs, Größeres, Schöneres, Beneidenswertheres vorschweben, als dieser alte Streiter, der, wie die leuchtendsten seiner Cameraden, aus dem Volke hervorgegangen und durch sein eigenes und alleiniges Verdienst bis zu der höchsten militärischen Würde im Staate aufgestiegen ist, nachdem er auf hundert Schlachtfeldern seinen Muth, seinen Patriotismus und seine Talente bewährt hatte, der zuletzt zur Befreiung eines alten Heldenvolkes mitgewirkt und das neue Frankreich der Juliusrevolution als gewandter Diplomatiker an den ersten Höfen Europa's vertreten hat. Diese mächtig wirkende Todtenfeier ward durch die Rede von Thiers würdig geschlossen. Sie wollen wissen, was diesem Manne, denn man mit so viel ästhetischem Geschmack den „kleinen“ Thiers nennt, eine so unwiderstehliche Gewalt auf den französischen Nationalsinne gibt! Lesen Sie aufmerksam seine Grabrede, und sie haben eine bessere Antwort als Ihnen der beredteste Commentar liefern kann. Es ist der gebildete Sohn des Volkes, der im Ministergewande und unter dem Stern sich seiner plebejischen Herkunft mit all der nationalen Wärme erinnert, die seine Sprache den Weg zum Herzen des Volkes finden läßt, mit all der Feinheit die erforderlich ist, um ihm seinen politischen und diplomatischen Rang nicht zu verderben, seine Ebenbürtigkeit mit seinen jetzigen Pairs nicht zu verkümmern. Mit Einem Worte, die Tuilerien und die Opposition, das Journal des Débats, die Gazette de France und der National müssen seine Sprache in gleichem Maße bewundern: Ist das nicht ein Meisterstück von Dialektik, und zwar einer Dialektik, bemerken Sie wohl, der Niemand das Verdienst des Wahrheit absprechen kann!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0009" n="0441"/>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Marschall Maison</hi>.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 14 Febr.</dateline>
          <p> Die französische Armee hat neuerdings einen ihrer ruhmvollen Veteranen verloren: der Marschall Maison ist an einer Brustentzündung, die sich besonders durch ihr Zusammentreffen mit einer vor langen Jahren erhaltenen Wunde in der Lunge verschlimmert hatte, gestern dahier, in Paris, gestorben. Nicolas Joseph Maison war Pair und Marschall von Frankreich. Sein Geburtsort ist Epinay, wo er im Jahr 1770 zur Welt kam. Im Jahr 1792 nahm er als Officier activen Dienst in der Armee und zeichnete sich in derselben während der Kriege der Republik und des Kaiserthums in einer großen Zahl von Gefechten als muthiger und einsichtsvoller Officier aus. Das Jahr 1793 hatte ihm, ohne Untersuchung, seine Stelle geraubt, aber bereits im darauf folgenden wieder in seinen Posten eingesetzt, machte er den Feldzug des Nordheeres an der Seite des Generals Mireur. Im Jahr 1796 ernannte ihn Jourdan zum Bataillonschef; im Jahr 1799 bemerkte ihn Bernadotte und sandte ihn zur Rheinarmee, nach dem Frieden von Amiens, 1802, ward er zum Befehlshaber des Departements Tanaro ernannt. Hannover erinnert sich seiner vom Jahr 1805, wo er dieses Land mit Bernadotte besetzte. Austerlitz, der preusche Feldzug 1806, Jena und Blücher sind Namen, die eben so viel Erinnerungen von Muth und Auszeichnung des verstorbenen Kriegers erwecken. Nachdem er erst Gouverneur der Stadt Lübeck gewesen, sodann 1807 zum Chef des Generalstabs seines Armeecorps ernannt worden war, focht er im Jahr 1808 in Spanien, und nahm einen glänzenden Antheil an dem Siege bei Espinosa de los Monteros; erhielt darauf vom Kaiser selbst den Auftrag die Umgegend von Madrid zu säubern und zu besetzen, und mußte nach der Einnahme von Madrid, wo er verwundet ward, nach Frankreich zurückkehren. Das Jahr 1809 führte ihn wider zu Bernadotte zurück und mit ihm nach Holland. In dem großen und blutigen Drama des russischen Feldzuges wurde ihm nach mehreren bewunderten Waffenthaten, besonders bei Zakabowo, Oboyarzowa und Potolsk die Auszeichnung, daß ihn der Kaiser zum Divisionsgeneral und bei dem Rückzuge über die Beresina zum Baron ernannte. Von jetzt bis zur Abdankung Napoleons ist Maisons Thätigkeit reich an glänzenden Kriegshandlungen, die ihn in der Achtung seines Kaisers immer mehr befestigten. Da Oudinot verwundet war, übernahm Maison an dessen Stelle das Commando des Armeecorps, deckte den Rückzug über die Weichsel, nahm Leipzig an dem Tage, wo die Schlacht von Lützen geschlagen wurde, focht bei Bautzen und war mit Murat, als dieser nach der blutigen Begegnung an der Katzbach nach Leipzig zurückeilte. Am 28 October 1813 ernannte ihn Napoleon zum Großofficier der Ehrenlegion, zum Grafen, und am 22 December zum Oberbefehlshaber des Nordheeres, wo er zur besondern Aufgabe hatte, den Fluß gegen die feindliche Uebermacht zu schützen. Er führte diesen gefährlichen Auftrag, bei welchem er mit 14,000 Mann gegen 80,000 Feinde zu stehen hatte, nach besten Kräften und mit Talent aus. Als er aber den Entschluß gefaßt hatte, sich in Eilmärschen nach Paris zu begeben und auch bereits unterwegs war, kam ihm die Abdankung des Kaisers zu. Er schloß im April 1814 einen Waffenstillstand mit den ihm gegenüber stehenden feindlichen Generalen, namentlich dem Herzog von Sachsen-Weimar, unterwarf sich der Regierung der Bourbonen, und ging Ludwig XVIII nach Calais entgegen, beides ein wenig schleunig, sagen manche Beurtheiler seines Lebens. Im Jahr L815 ward Maison zum Gouverneur von Paris ernannt, begleitete den flüchtigen König nach Belgien und kehrte mit der zweiten Restauration nach Paris zurück. Im Jahr 1816 verfiel er in eine ehrenvolle Ungnade, die aber nicht lange dauerte. Im Jahr 1828 führte er die französische Expedition nach der Morea und rettete Griechenland vor dem Loose, eine Dependenz Mehemed Ali's zu werden. So lang die Restauration währte, war Maison beständig auf Seite der liberalen Opposition. Im Jahr 1830 war er einer der drei Commissäre, die Karl X nach Cherbourg führten. Seit der Juliusrevolution begleitete er während längerer Zeit die Gesandtschaftsposten in Wien und St. Petersburg und war kurze Zeit Minister. Ein hiesiges Blatt macht Anspielung auf einen gehässigen Zug in dem Leben Maisons, wahrscheinlich auf seine Mitwirkung bei der Verurtheilung Ney's; indessen ist bekannt, daß Maison gerade zu denen gehörte, welche sich in dem Kriegsrath, der über ihn erkennen sollte, für incompetent erklärten.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 19 Febr.</dateline>
          <p> Die Leichenfeier des Marschalls Maison war denkwürdig in mehr als einer Beziehung. Wer die Todtenmesse im Invalidendom mit ansah, und das immer mehr zusammenschmelzende Häuflein der grauen Streiter der neuen Iliade musterte, der konnte sich überzeugen, daß hier wahre, aufrichtige Thränen geweint wurden, und daß in dem Geiste und dem Herzen dieser gebeugten Helden Gefühle, Erinnerungen und Gedanken wechselten, die der geschichtlichen Aufbewahrung würdig wären. Dieser Charakter der Feier schien sich selbst dem äußern Gepränge auf dem langen Zuge von den Invaliden über die Boulevards nach dem Gottesacker des Père Chaise mitzutheilen und ihn mit einer religiösen Weihe zu umgeben. Und in der That, was könnte dem Geiste, dem Streben dieser jungen, rüstigen Armee, was könnte den Vertretern des heutigen politischen Frankreichs, Größeres, Schöneres, Beneidenswertheres vorschweben, als dieser alte Streiter, der, wie die leuchtendsten seiner Cameraden, aus dem Volke hervorgegangen und durch sein eigenes und alleiniges Verdienst bis zu der höchsten militärischen Würde im Staate aufgestiegen ist, nachdem er auf hundert Schlachtfeldern seinen Muth, seinen Patriotismus und seine Talente bewährt hatte, der zuletzt zur Befreiung eines alten Heldenvolkes mitgewirkt und das neue Frankreich der Juliusrevolution als gewandter Diplomatiker an den ersten Höfen Europa's vertreten hat. Diese mächtig wirkende Todtenfeier ward durch die Rede von Thiers würdig geschlossen. Sie wollen wissen, was diesem Manne, denn man mit so viel ästhetischem Geschmack den &#x201E;kleinen&#x201C; Thiers nennt, eine so unwiderstehliche Gewalt auf den französischen Nationalsinne gibt! Lesen Sie aufmerksam seine Grabrede, und sie haben eine bessere Antwort als Ihnen der beredteste Commentar liefern kann. Es ist der gebildete Sohn des Volkes, der im Ministergewande und unter dem Stern sich seiner plebejischen Herkunft mit all der nationalen Wärme erinnert, die seine Sprache den Weg zum Herzen des Volkes finden läßt, mit all der Feinheit die erforderlich ist, um ihm seinen politischen und diplomatischen Rang nicht zu verderben, seine Ebenbürtigkeit mit seinen jetzigen Pairs nicht zu verkümmern. Mit Einem Worte, die Tuilerien und die Opposition, das Journal des Débats, die Gazette de France und der National müssen seine Sprache in gleichem Maße bewundern: Ist das nicht ein Meisterstück von Dialektik, und zwar einer Dialektik, bemerken Sie wohl, der Niemand das Verdienst des Wahrheit absprechen kann!</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0441/0009] Marschall Maison. _ Paris, 14 Febr. Die französische Armee hat neuerdings einen ihrer ruhmvollen Veteranen verloren: der Marschall Maison ist an einer Brustentzündung, die sich besonders durch ihr Zusammentreffen mit einer vor langen Jahren erhaltenen Wunde in der Lunge verschlimmert hatte, gestern dahier, in Paris, gestorben. Nicolas Joseph Maison war Pair und Marschall von Frankreich. Sein Geburtsort ist Epinay, wo er im Jahr 1770 zur Welt kam. Im Jahr 1792 nahm er als Officier activen Dienst in der Armee und zeichnete sich in derselben während der Kriege der Republik und des Kaiserthums in einer großen Zahl von Gefechten als muthiger und einsichtsvoller Officier aus. Das Jahr 1793 hatte ihm, ohne Untersuchung, seine Stelle geraubt, aber bereits im darauf folgenden wieder in seinen Posten eingesetzt, machte er den Feldzug des Nordheeres an der Seite des Generals Mireur. Im Jahr 1796 ernannte ihn Jourdan zum Bataillonschef; im Jahr 1799 bemerkte ihn Bernadotte und sandte ihn zur Rheinarmee, nach dem Frieden von Amiens, 1802, ward er zum Befehlshaber des Departements Tanaro ernannt. Hannover erinnert sich seiner vom Jahr 1805, wo er dieses Land mit Bernadotte besetzte. Austerlitz, der preusche Feldzug 1806, Jena und Blücher sind Namen, die eben so viel Erinnerungen von Muth und Auszeichnung des verstorbenen Kriegers erwecken. Nachdem er erst Gouverneur der Stadt Lübeck gewesen, sodann 1807 zum Chef des Generalstabs seines Armeecorps ernannt worden war, focht er im Jahr 1808 in Spanien, und nahm einen glänzenden Antheil an dem Siege bei Espinosa de los Monteros; erhielt darauf vom Kaiser selbst den Auftrag die Umgegend von Madrid zu säubern und zu besetzen, und mußte nach der Einnahme von Madrid, wo er verwundet ward, nach Frankreich zurückkehren. Das Jahr 1809 führte ihn wider zu Bernadotte zurück und mit ihm nach Holland. In dem großen und blutigen Drama des russischen Feldzuges wurde ihm nach mehreren bewunderten Waffenthaten, besonders bei Zakabowo, Oboyarzowa und Potolsk die Auszeichnung, daß ihn der Kaiser zum Divisionsgeneral und bei dem Rückzuge über die Beresina zum Baron ernannte. Von jetzt bis zur Abdankung Napoleons ist Maisons Thätigkeit reich an glänzenden Kriegshandlungen, die ihn in der Achtung seines Kaisers immer mehr befestigten. Da Oudinot verwundet war, übernahm Maison an dessen Stelle das Commando des Armeecorps, deckte den Rückzug über die Weichsel, nahm Leipzig an dem Tage, wo die Schlacht von Lützen geschlagen wurde, focht bei Bautzen und war mit Murat, als dieser nach der blutigen Begegnung an der Katzbach nach Leipzig zurückeilte. Am 28 October 1813 ernannte ihn Napoleon zum Großofficier der Ehrenlegion, zum Grafen, und am 22 December zum Oberbefehlshaber des Nordheeres, wo er zur besondern Aufgabe hatte, den Fluß gegen die feindliche Uebermacht zu schützen. Er führte diesen gefährlichen Auftrag, bei welchem er mit 14,000 Mann gegen 80,000 Feinde zu stehen hatte, nach besten Kräften und mit Talent aus. Als er aber den Entschluß gefaßt hatte, sich in Eilmärschen nach Paris zu begeben und auch bereits unterwegs war, kam ihm die Abdankung des Kaisers zu. Er schloß im April 1814 einen Waffenstillstand mit den ihm gegenüber stehenden feindlichen Generalen, namentlich dem Herzog von Sachsen-Weimar, unterwarf sich der Regierung der Bourbonen, und ging Ludwig XVIII nach Calais entgegen, beides ein wenig schleunig, sagen manche Beurtheiler seines Lebens. Im Jahr L815 ward Maison zum Gouverneur von Paris ernannt, begleitete den flüchtigen König nach Belgien und kehrte mit der zweiten Restauration nach Paris zurück. Im Jahr 1816 verfiel er in eine ehrenvolle Ungnade, die aber nicht lange dauerte. Im Jahr 1828 führte er die französische Expedition nach der Morea und rettete Griechenland vor dem Loose, eine Dependenz Mehemed Ali's zu werden. So lang die Restauration währte, war Maison beständig auf Seite der liberalen Opposition. Im Jahr 1830 war er einer der drei Commissäre, die Karl X nach Cherbourg führten. Seit der Juliusrevolution begleitete er während längerer Zeit die Gesandtschaftsposten in Wien und St. Petersburg und war kurze Zeit Minister. Ein hiesiges Blatt macht Anspielung auf einen gehässigen Zug in dem Leben Maisons, wahrscheinlich auf seine Mitwirkung bei der Verurtheilung Ney's; indessen ist bekannt, daß Maison gerade zu denen gehörte, welche sich in dem Kriegsrath, der über ihn erkennen sollte, für incompetent erklärten. _ Paris, 19 Febr. Die Leichenfeier des Marschalls Maison war denkwürdig in mehr als einer Beziehung. Wer die Todtenmesse im Invalidendom mit ansah, und das immer mehr zusammenschmelzende Häuflein der grauen Streiter der neuen Iliade musterte, der konnte sich überzeugen, daß hier wahre, aufrichtige Thränen geweint wurden, und daß in dem Geiste und dem Herzen dieser gebeugten Helden Gefühle, Erinnerungen und Gedanken wechselten, die der geschichtlichen Aufbewahrung würdig wären. Dieser Charakter der Feier schien sich selbst dem äußern Gepränge auf dem langen Zuge von den Invaliden über die Boulevards nach dem Gottesacker des Père Chaise mitzutheilen und ihn mit einer religiösen Weihe zu umgeben. Und in der That, was könnte dem Geiste, dem Streben dieser jungen, rüstigen Armee, was könnte den Vertretern des heutigen politischen Frankreichs, Größeres, Schöneres, Beneidenswertheres vorschweben, als dieser alte Streiter, der, wie die leuchtendsten seiner Cameraden, aus dem Volke hervorgegangen und durch sein eigenes und alleiniges Verdienst bis zu der höchsten militärischen Würde im Staate aufgestiegen ist, nachdem er auf hundert Schlachtfeldern seinen Muth, seinen Patriotismus und seine Talente bewährt hatte, der zuletzt zur Befreiung eines alten Heldenvolkes mitgewirkt und das neue Frankreich der Juliusrevolution als gewandter Diplomatiker an den ersten Höfen Europa's vertreten hat. Diese mächtig wirkende Todtenfeier ward durch die Rede von Thiers würdig geschlossen. Sie wollen wissen, was diesem Manne, denn man mit so viel ästhetischem Geschmack den „kleinen“ Thiers nennt, eine so unwiderstehliche Gewalt auf den französischen Nationalsinne gibt! Lesen Sie aufmerksam seine Grabrede, und sie haben eine bessere Antwort als Ihnen der beredteste Commentar liefern kann. Es ist der gebildete Sohn des Volkes, der im Ministergewande und unter dem Stern sich seiner plebejischen Herkunft mit all der nationalen Wärme erinnert, die seine Sprache den Weg zum Herzen des Volkes finden läßt, mit all der Feinheit die erforderlich ist, um ihm seinen politischen und diplomatischen Rang nicht zu verderben, seine Ebenbürtigkeit mit seinen jetzigen Pairs nicht zu verkümmern. Mit Einem Worte, die Tuilerien und die Opposition, das Journal des Débats, die Gazette de France und der National müssen seine Sprache in gleichem Maße bewundern: Ist das nicht ein Meisterstück von Dialektik, und zwar einer Dialektik, bemerken Sie wohl, der Niemand das Verdienst des Wahrheit absprechen kann!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_056_18400225
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_056_18400225/9
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 56. Augsburg, 25. Februar 1840, S. 0441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_056_18400225/9>, abgerufen am 24.11.2024.