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Allgemeine Zeitung. Nr. 52. Augsburg, 21. Februar 1840.

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Eisenbahnen in Frankreich, Belgien und Preußen.

Die Eisenbahncommission hält fortwährend Sitzungen; man glaubt aber allgemein, auch in diesem Jahr werde der Berg wiederum eine Maus gebären. Fast scheint es, als sey im Rath der Götter beschlossen, daß diese Regierung keine schaffende, sondern nur eine conservative seyn soll. Geräth auch etwas ohne ihr Bestreben, wie zum Beispiel die inländische Zuckerfabrication, so hält sie sich für berufen, dergleichen ungewöhnlichen Fortschritten auf Kosten des Budgets Einhalt zu thun. Bisher hat man geglaubt, die Eisenbahncommission werde fest darauf antragen, daß ein Minimum garantirt werde; die Kammer werde in diesen Vorschlag mit Beifall einstimmen, und im nächsten Frühjahr werde man nach allen Richtungen hin Hand ans Werk legen. Jetzt soll es sich wiederum hauptsächlich nur um die Herstellung der Linie von Paris nach Belgien handeln, und diesen Bau will man auf gute Art der Brücken- und Wegbaudirection zuwenden, die nun einmal ihren Kopf darauf gesetzt hat, die großen Eisenbahnen in Frankreich zu bauen. Der Operationsplan, um die Kammer nach und nach zur Einwilligung zu vermögen, ist der, daß man erst nur Autorisation verlangt, an beiden Enden der Linie (von Paris nach Creil und von Lille nach Valenciennes nach der Gränze) den Bau herzustellen, daß man alsdann diese fertigen Strecken derjenigen Compagnie, welche das große Mittelstück herzustellen sich offerirt, umsonst hingeben, und nur in dem Fall auf Kosten des Staats weiter bauen will, wenn sich kein Privatunternehmer finden sollte. Mit diesem Plan ist es wohl so gemeint, daß man glaubt und hofft (was auch unsere Ansicht ist), es werde sich für ein Unternehmen, das 100 Millionen Franken Capital erfordert, nicht sobald eine Privatcompagnie finden, und der Bau werde daher der Brücken- und Wegbaudirection verbleiben. Es ist zu bezweifeln, ob bei der Animosität, die in der Kammer gegen jene Direction herrscht, dieser Vorschlag durchgehen wird. Andern größeren Unternehmungen soll man ein Minimum zu garantiren geneigt seyn, nur nicht den bereits im Bau befindlichen Eisenbahnen von Paris nach Orleans und von Straßburg nach Basel, weil diesen bereits durch Privatsubscription die erforderlichen Mittel gesichert seyen. Wenn die Kammer dieser Ansicht beitritt, so wird bei den Unternehmern und Actionnären der letztern Bahn Heulen und Zähneklappern seyn, denn in der Aussicht auf diese Garantie sind in den verflossenen drei Wochen die Actien derselben, die schon um 200 unter pari gesunken waren, wieder um 60 gestiegen. Auch hat die Opposition dieser Compagnie, welche bereits Versammlungen gehalten und eine Broschüre hatte drucken lassen, um die Finanzstratageme der HH. Köchlin u. Comp. klagbar vor Gericht zu bringen, mit den Beklagten gleichsam einen Waffenstillstand geschlossen, in der Hoffnung, die Garantie des Minimums werde allen ihren Beschwerden abhelfen. Bestätigt nun aber die Kammer die Ansicht der Commission, so wird der intendirte Proceß Fortgang haben, so werden jene Actien tiefer als je fallen, und man wird dann sehen, was es mit der "einzigen gut dirigirten Eisenbahn in Frankreich" für eine Bewandtniß hat. Wie man überhaupt allen Glauben an ein Fortschreiten und Besserwerden in Frankreich verloren hat, so glaubt auch Niemand, daß die bevorstehenden Verhandlungen über das französische Eisenbahnsystem irgend ein Resultat haben werden. Möchte Deutschland aus diesen Verhältnissen Nutzen ziehen! Möchten die deutschen Regierungen sich jetzt die zu Herstellung eines deutschen Eisenbahnsystems erforderlichen Mittel sichern! Hier ist eine herrliche Gelegenheit für Deutschland, mehr Energie und Einsicht an den Tag zu legen als Frankreich, und die Ueberlegenheit der deutschen Nation factisch darzuthun. Wartet man in Deutschland zu, bis man in Frankreich ernstlich Hand ans Werk legt, so würde ein großer Theil der deutschen Capitalien, die jetzt den deutschen Regierungen für ein deutsches Eisenbahnsystem zur Disposition stehen, nach Frankreich herüberwandern, um das französische Eisenbahnsystem herstellen zu helfen. Dieß könnte doch wohl nicht zu Ehre und Frommen der deutschen Nation gereichen.

Die Regierung hat der Kammer der Repräsentanten kürzlich einen Gesetzesentwurf vorgelegt, welcher bezweckt, die Convention, die sie mit der rheinischen Eisenbahngesellschaft für den Ankauf von 4000 Actien abgeschlossen, zu ratificiren. Diese Convention wurde vom Finanzminister, unter Vorbehalt der Zustimmung der Kammern vor dem 20 März, unterzeichnet. Vor dem Abschluß jener Convention hatte das Brüsseler Cabinet die Gewißheit erlangt, daß es der preußischen Regierung nicht mißfällig sey, wenn die belgische Regierung einer der stärksten Actionnäre jener Eisenbahn würde; von den 18,000 Actien, jede zu 250 Thaler, übernimmt Belgien 4000 Stück, also mehr als ein Fünftel. Folgende Motive haben zur Unterhandlung der rheinischen Eisenbahngesellschaft mit Belgien Anlaß gegeben. Seit dem Ende des Jahres 1837 sah diese Gesellschaft ein, daß das ursprüngliche Capital von 3 Millionen nicht zureichend sey. Sie wurde bevollmächtigt, dasselbe zu vermehren entweder durch Anleihen oder durch Emission von 6000 neuen Actien. Letztere Maaßregel wurde vorgezogen; drei Bankiers von Köln übernahmen jene 6000 Actien. Aber die Krisis trat ein, die Bankiers konnten die Actien weder verkaufen, noch die letzte Einlage, zu der sie sich verbindlich gemacht hatten, leisten. Die Administration der rheinischen Gesellschaft nahm ihnen daher die 6000 Actien wieder ab, und verkaufte davon 4000 Stück al pari an Belgien, wobei sie ihm die Interessen und Dividenden, welche Belgien dafür bis zum 30 Junius 1843 zu erhalten hat, escomptirt. Auf diese Art hat die belgische Regierung nur 837 Fr. 50 Cent. für jede Actie zu bezahlen, statt 937 Fr. 50 C.; im Ganzen eine Summe von 3,349,600 Fr. in vier Terminen bis zum 1 Januar 1842. Mittelst dieser Summe wird die rheinische Gesellschaft im Stande seyn, ihre Arbeiten bis zur belgischen Gränze fortzusetzen und dieselben bis gegen die Mitte des Jahres 1842 zu vollenden; bis dahin hoffen wir gleichfalls mit unserer Bahn bis zur deutschen Gränze vorgerückt zu seyn.

Die Direction der rheinischen Eisenbahngesellschaft macht sich auch verbindlich, von belgischen Fabriken das zum Bau der Bahn nöthige Material, insofern ihre Interessen dieß erlauben, von belgischen Fabriken zu beziehen. Aus einem zu Ende Decembers 1839 abgefaßten Bericht geht hervor, daß zwischen Köln und Aachen, deren Entfernung von einander 69,930 Metres beträgt, eine Bahnstrecke von 43,690 Metres bereits vollendet war; ebenso waren von 108 Brücken 77 bereits beendigt und 12 im Bau begriffen, so daß nur noch 19 zu bauen übrig bleiben, welche Ende 1840vollendet seyn müssen. - Ich zweifle keinen Augenblick an der Annahme jener Convention durch die Kammern. Es handelt sich hier wirklich nur von der vollständigen Ausführung des Gedankens, der gleich

Eisenbahnen in Frankreich, Belgien und Preußen.

Die Eisenbahncommission hält fortwährend Sitzungen; man glaubt aber allgemein, auch in diesem Jahr werde der Berg wiederum eine Maus gebären. Fast scheint es, als sey im Rath der Götter beschlossen, daß diese Regierung keine schaffende, sondern nur eine conservative seyn soll. Geräth auch etwas ohne ihr Bestreben, wie zum Beispiel die inländische Zuckerfabrication, so hält sie sich für berufen, dergleichen ungewöhnlichen Fortschritten auf Kosten des Budgets Einhalt zu thun. Bisher hat man geglaubt, die Eisenbahncommission werde fest darauf antragen, daß ein Minimum garantirt werde; die Kammer werde in diesen Vorschlag mit Beifall einstimmen, und im nächsten Frühjahr werde man nach allen Richtungen hin Hand ans Werk legen. Jetzt soll es sich wiederum hauptsächlich nur um die Herstellung der Linie von Paris nach Belgien handeln, und diesen Bau will man auf gute Art der Brücken- und Wegbaudirection zuwenden, die nun einmal ihren Kopf darauf gesetzt hat, die großen Eisenbahnen in Frankreich zu bauen. Der Operationsplan, um die Kammer nach und nach zur Einwilligung zu vermögen, ist der, daß man erst nur Autorisation verlangt, an beiden Enden der Linie (von Paris nach Creil und von Lille nach Valenciennes nach der Gränze) den Bau herzustellen, daß man alsdann diese fertigen Strecken derjenigen Compagnie, welche das große Mittelstück herzustellen sich offerirt, umsonst hingeben, und nur in dem Fall auf Kosten des Staats weiter bauen will, wenn sich kein Privatunternehmer finden sollte. Mit diesem Plan ist es wohl so gemeint, daß man glaubt und hofft (was auch unsere Ansicht ist), es werde sich für ein Unternehmen, das 100 Millionen Franken Capital erfordert, nicht sobald eine Privatcompagnie finden, und der Bau werde daher der Brücken- und Wegbaudirection verbleiben. Es ist zu bezweifeln, ob bei der Animosität, die in der Kammer gegen jene Direction herrscht, dieser Vorschlag durchgehen wird. Andern größeren Unternehmungen soll man ein Minimum zu garantiren geneigt seyn, nur nicht den bereits im Bau befindlichen Eisenbahnen von Paris nach Orleans und von Straßburg nach Basel, weil diesen bereits durch Privatsubscription die erforderlichen Mittel gesichert seyen. Wenn die Kammer dieser Ansicht beitritt, so wird bei den Unternehmern und Actionnären der letztern Bahn Heulen und Zähneklappern seyn, denn in der Aussicht auf diese Garantie sind in den verflossenen drei Wochen die Actien derselben, die schon um 200 unter pari gesunken waren, wieder um 60 gestiegen. Auch hat die Opposition dieser Compagnie, welche bereits Versammlungen gehalten und eine Broschüre hatte drucken lassen, um die Finanzstratageme der HH. Köchlin u. Comp. klagbar vor Gericht zu bringen, mit den Beklagten gleichsam einen Waffenstillstand geschlossen, in der Hoffnung, die Garantie des Minimums werde allen ihren Beschwerden abhelfen. Bestätigt nun aber die Kammer die Ansicht der Commission, so wird der intendirte Proceß Fortgang haben, so werden jene Actien tiefer als je fallen, und man wird dann sehen, was es mit der „einzigen gut dirigirten Eisenbahn in Frankreich“ für eine Bewandtniß hat. Wie man überhaupt allen Glauben an ein Fortschreiten und Besserwerden in Frankreich verloren hat, so glaubt auch Niemand, daß die bevorstehenden Verhandlungen über das französische Eisenbahnsystem irgend ein Resultat haben werden. Möchte Deutschland aus diesen Verhältnissen Nutzen ziehen! Möchten die deutschen Regierungen sich jetzt die zu Herstellung eines deutschen Eisenbahnsystems erforderlichen Mittel sichern! Hier ist eine herrliche Gelegenheit für Deutschland, mehr Energie und Einsicht an den Tag zu legen als Frankreich, und die Ueberlegenheit der deutschen Nation factisch darzuthun. Wartet man in Deutschland zu, bis man in Frankreich ernstlich Hand ans Werk legt, so würde ein großer Theil der deutschen Capitalien, die jetzt den deutschen Regierungen für ein deutsches Eisenbahnsystem zur Disposition stehen, nach Frankreich herüberwandern, um das französische Eisenbahnsystem herstellen zu helfen. Dieß könnte doch wohl nicht zu Ehre und Frommen der deutschen Nation gereichen.

Die Regierung hat der Kammer der Repräsentanten kürzlich einen Gesetzesentwurf vorgelegt, welcher bezweckt, die Convention, die sie mit der rheinischen Eisenbahngesellschaft für den Ankauf von 4000 Actien abgeschlossen, zu ratificiren. Diese Convention wurde vom Finanzminister, unter Vorbehalt der Zustimmung der Kammern vor dem 20 März, unterzeichnet. Vor dem Abschluß jener Convention hatte das Brüsseler Cabinet die Gewißheit erlangt, daß es der preußischen Regierung nicht mißfällig sey, wenn die belgische Regierung einer der stärksten Actionnäre jener Eisenbahn würde; von den 18,000 Actien, jede zu 250 Thaler, übernimmt Belgien 4000 Stück, also mehr als ein Fünftel. Folgende Motive haben zur Unterhandlung der rheinischen Eisenbahngesellschaft mit Belgien Anlaß gegeben. Seit dem Ende des Jahres 1837 sah diese Gesellschaft ein, daß das ursprüngliche Capital von 3 Millionen nicht zureichend sey. Sie wurde bevollmächtigt, dasselbe zu vermehren entweder durch Anleihen oder durch Emission von 6000 neuen Actien. Letztere Maaßregel wurde vorgezogen; drei Bankiers von Köln übernahmen jene 6000 Actien. Aber die Krisis trat ein, die Bankiers konnten die Actien weder verkaufen, noch die letzte Einlage, zu der sie sich verbindlich gemacht hatten, leisten. Die Administration der rheinischen Gesellschaft nahm ihnen daher die 6000 Actien wieder ab, und verkaufte davon 4000 Stück al pari an Belgien, wobei sie ihm die Interessen und Dividenden, welche Belgien dafür bis zum 30 Junius 1843 zu erhalten hat, escomptirt. Auf diese Art hat die belgische Regierung nur 837 Fr. 50 Cent. für jede Actie zu bezahlen, statt 937 Fr. 50 C.; im Ganzen eine Summe von 3,349,600 Fr. in vier Terminen bis zum 1 Januar 1842. Mittelst dieser Summe wird die rheinische Gesellschaft im Stande seyn, ihre Arbeiten bis zur belgischen Gränze fortzusetzen und dieselben bis gegen die Mitte des Jahres 1842 zu vollenden; bis dahin hoffen wir gleichfalls mit unserer Bahn bis zur deutschen Gränze vorgerückt zu seyn.

Die Direction der rheinischen Eisenbahngesellschaft macht sich auch verbindlich, von belgischen Fabriken das zum Bau der Bahn nöthige Material, insofern ihre Interessen dieß erlauben, von belgischen Fabriken zu beziehen. Aus einem zu Ende Decembers 1839 abgefaßten Bericht geht hervor, daß zwischen Köln und Aachen, deren Entfernung von einander 69,930 Mètres beträgt, eine Bahnstrecke von 43,690 Mètres bereits vollendet war; ebenso waren von 108 Brücken 77 bereits beendigt und 12 im Bau begriffen, so daß nur noch 19 zu bauen übrig bleiben, welche Ende 1840vollendet seyn müssen. – Ich zweifle keinen Augenblick an der Annahme jener Convention durch die Kammern. Es handelt sich hier wirklich nur von der vollständigen Ausführung des Gedankens, der gleich

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[0409/0009] Eisenbahnen in Frankreich, Belgien und Preußen. _ Paris, 14 Febr. Die Eisenbahncommission hält fortwährend Sitzungen; man glaubt aber allgemein, auch in diesem Jahr werde der Berg wiederum eine Maus gebären. Fast scheint es, als sey im Rath der Götter beschlossen, daß diese Regierung keine schaffende, sondern nur eine conservative seyn soll. Geräth auch etwas ohne ihr Bestreben, wie zum Beispiel die inländische Zuckerfabrication, so hält sie sich für berufen, dergleichen ungewöhnlichen Fortschritten auf Kosten des Budgets Einhalt zu thun. Bisher hat man geglaubt, die Eisenbahncommission werde fest darauf antragen, daß ein Minimum garantirt werde; die Kammer werde in diesen Vorschlag mit Beifall einstimmen, und im nächsten Frühjahr werde man nach allen Richtungen hin Hand ans Werk legen. Jetzt soll es sich wiederum hauptsächlich nur um die Herstellung der Linie von Paris nach Belgien handeln, und diesen Bau will man auf gute Art der Brücken- und Wegbaudirection zuwenden, die nun einmal ihren Kopf darauf gesetzt hat, die großen Eisenbahnen in Frankreich zu bauen. Der Operationsplan, um die Kammer nach und nach zur Einwilligung zu vermögen, ist der, daß man erst nur Autorisation verlangt, an beiden Enden der Linie (von Paris nach Creil und von Lille nach Valenciennes nach der Gränze) den Bau herzustellen, daß man alsdann diese fertigen Strecken derjenigen Compagnie, welche das große Mittelstück herzustellen sich offerirt, umsonst hingeben, und nur in dem Fall auf Kosten des Staats weiter bauen will, wenn sich kein Privatunternehmer finden sollte. Mit diesem Plan ist es wohl so gemeint, daß man glaubt und hofft (was auch unsere Ansicht ist), es werde sich für ein Unternehmen, das 100 Millionen Franken Capital erfordert, nicht sobald eine Privatcompagnie finden, und der Bau werde daher der Brücken- und Wegbaudirection verbleiben. Es ist zu bezweifeln, ob bei der Animosität, die in der Kammer gegen jene Direction herrscht, dieser Vorschlag durchgehen wird. Andern größeren Unternehmungen soll man ein Minimum zu garantiren geneigt seyn, nur nicht den bereits im Bau befindlichen Eisenbahnen von Paris nach Orleans und von Straßburg nach Basel, weil diesen bereits durch Privatsubscription die erforderlichen Mittel gesichert seyen. Wenn die Kammer dieser Ansicht beitritt, so wird bei den Unternehmern und Actionnären der letztern Bahn Heulen und Zähneklappern seyn, denn in der Aussicht auf diese Garantie sind in den verflossenen drei Wochen die Actien derselben, die schon um 200 unter pari gesunken waren, wieder um 60 gestiegen. Auch hat die Opposition dieser Compagnie, welche bereits Versammlungen gehalten und eine Broschüre hatte drucken lassen, um die Finanzstratageme der HH. Köchlin u. Comp. klagbar vor Gericht zu bringen, mit den Beklagten gleichsam einen Waffenstillstand geschlossen, in der Hoffnung, die Garantie des Minimums werde allen ihren Beschwerden abhelfen. Bestätigt nun aber die Kammer die Ansicht der Commission, so wird der intendirte Proceß Fortgang haben, so werden jene Actien tiefer als je fallen, und man wird dann sehen, was es mit der „einzigen gut dirigirten Eisenbahn in Frankreich“ für eine Bewandtniß hat. Wie man überhaupt allen Glauben an ein Fortschreiten und Besserwerden in Frankreich verloren hat, so glaubt auch Niemand, daß die bevorstehenden Verhandlungen über das französische Eisenbahnsystem irgend ein Resultat haben werden. Möchte Deutschland aus diesen Verhältnissen Nutzen ziehen! 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Diese Convention wurde vom Finanzminister, unter Vorbehalt der Zustimmung der Kammern vor dem 20 März, unterzeichnet. Vor dem Abschluß jener Convention hatte das Brüsseler Cabinet die Gewißheit erlangt, daß es der preußischen Regierung nicht mißfällig sey, wenn die belgische Regierung einer der stärksten Actionnäre jener Eisenbahn würde; von den 18,000 Actien, jede zu 250 Thaler, übernimmt Belgien 4000 Stück, also mehr als ein Fünftel. Folgende Motive haben zur Unterhandlung der rheinischen Eisenbahngesellschaft mit Belgien Anlaß gegeben. Seit dem Ende des Jahres 1837 sah diese Gesellschaft ein, daß das ursprüngliche Capital von 3 Millionen nicht zureichend sey. Sie wurde bevollmächtigt, dasselbe zu vermehren entweder durch Anleihen oder durch Emission von 6000 neuen Actien. Letztere Maaßregel wurde vorgezogen; drei Bankiers von Köln übernahmen jene 6000 Actien. Aber die Krisis trat ein, die Bankiers konnten die Actien weder verkaufen, noch die letzte Einlage, zu der sie sich verbindlich gemacht hatten, leisten. Die Administration der rheinischen Gesellschaft nahm ihnen daher die 6000 Actien wieder ab, und verkaufte davon 4000 Stück al pari an Belgien, wobei sie ihm die Interessen und Dividenden, welche Belgien dafür bis zum 30 Junius 1843 zu erhalten hat, escomptirt. Auf diese Art hat die belgische Regierung nur 837 Fr. 50 Cent. für jede Actie zu bezahlen, statt 937 Fr. 50 C.; im Ganzen eine Summe von 3,349,600 Fr. in vier Terminen bis zum 1 Januar 1842. Mittelst dieser Summe wird die rheinische Gesellschaft im Stande seyn, ihre Arbeiten bis zur belgischen Gränze fortzusetzen und dieselben bis gegen die Mitte des Jahres 1842 zu vollenden; bis dahin hoffen wir gleichfalls mit unserer Bahn bis zur deutschen Gränze vorgerückt zu seyn. Die Direction der rheinischen Eisenbahngesellschaft macht sich auch verbindlich, von belgischen Fabriken das zum Bau der Bahn nöthige Material, insofern ihre Interessen dieß erlauben, von belgischen Fabriken zu beziehen. Aus einem zu Ende Decembers 1839 abgefaßten Bericht geht hervor, daß zwischen Köln und Aachen, deren Entfernung von einander 69,930 Mètres beträgt, eine Bahnstrecke von 43,690 Mètres bereits vollendet war; ebenso waren von 108 Brücken 77 bereits beendigt und 12 im Bau begriffen, so daß nur noch 19 zu bauen übrig bleiben, welche Ende 1840vollendet seyn müssen. – Ich zweifle keinen Augenblick an der Annahme jener Convention durch die Kammern. Es handelt sich hier wirklich nur von der vollständigen Ausführung des Gedankens, der gleich

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 52. Augsburg, 21. Februar 1840, S. 0409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_052_18400221/9>, abgerufen am 18.04.2024.