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Allgemeine Zeitung. Nr. 2. Augsburg, 2. Januar 1840.

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Die meisten Toryorgane der Hauptstadt, und vor allen die Times, wehren sich aus Leibeskräften gegen die von den Whig-Journalen so beharrlich wiederholte Behauptung, daß Peel seine ministerielle Laufbahn nicht anders als mit dem Vorschlage eines Widerrufs der Emancipation der Katholiken antreten könnte. Sie fürchten, wie die Times sagt, es könnte Leute geben, welche dumm genug wären, von den Tories einen so wahnsinnigen Versuch zu fürchten, während doch jeder denkende Conservative überzeugt seyn müsse, daß wenn die Sache auch wünschenswerth wäre, sie sich doch unmöglich ausführen ließe. Es sey hinterlistig, solchen Männern, ohne allen Beweis, eine Absicht zuzuschreiben, die nur hier und da ein unpraktischer rappelköpfiger Mensch auf dem Lande als den Wunsch seiner Seele aussprechen möge. Die katholische Kirche möge sich abmühen, die Auflösung der Union zu bewirken; die protestantische bedürfe und wolle keine politische Zurücksetzung Andersgläubiger. Was sie und die Freunde der Verfassung wünschten und suchten, sey (wenn sich für Papisten ja etwas Bindendes finden ließe) erstens ein Mittel die katholischen Parlamentsmitglieder in den Schranken ihres Eides zu halten, daß sie nichts gegen die protestantische Kirche unternehmen könnten, während dieser Eid bis jetzt von fast allen gebrochen worden; und zweitens eine Verhinderung, daß Leute aus dem gemeinen Volk ohne Befugniß das Wahlrecht erhalten und solches unter der Dictatur ihrer Priester mißbrauchen. Dieser gemäßigte Ton ist besonders darum erfreulich, weil man daraus abnehmen muß, daß die Häupter der Partei zu klug sind, den wilden Lärm einiger Eiferer für die Stimme ihres ganzen Anhangs zu halten, oder zu redlich, um sich zu einem Verfahren zu entschließen, welches zu einem Bürgerkriege führen müßte. Was aber gedenken jene Herren bei einer andern Frage zu thun, welche früher oder später die Nation noch viel heftiger zu bewegen droht, als die Frage über die Rechte der Papisten - nämlich die Getreidegesetze? Nach allen Symptomen hat die Volksmasse endlich Feuer gefangen? Das Brod ist theuer, und würde noch viel theurer seyn, wenn der allgemeine Geldmangel und der hohe Zinsfuß nicht die meisten Pächter sowohl als Getreidehändler nöthigte ihre Vorräthe auf die Märkte zu bringen. Aber eben dieser Umstand bringt auch die meisten Fabriken und Gewerke ins Stocken, und entzieht vielen Tausenden die Beschäftigung, welche sie mit Brod versorgen soll. Auch ist bei dem fortdauernden Regen, bei welchem an kein Säen zu denken ist, oder der bereits eingestreute Samen verfaulen muß, nichts Anderes zu erwarten als allgemeiner Mangel, wobei immer mehr Geld ins Ausland gehen, und somit die Beschäftigung der Arbeiter immer mehr in Abnahme gerathen muß. Selbst die Times hat über "die Brodsteuer" trotz ihren aristokratischen Lesern ein populäres Knurren vernehmen lassen, wornach sie sich jeden Tag an die Spitze der verzweifelnden Consumenten stellen könnte. Werden die Tories sich alsdann vielleicht durch die Erlassung oder Ermäßigung der Getreideinfuhrzölle beliebt machen wollen? Möglich. Die Aristokratie würde, wie bei der Emancipation der Katholiken, einen Minister von der Torypartei thun lassen, was sie einem Whig immer und ewig verweigern wird. Auf der andern Seite aber steht auch zu erwarten, daß die Masse der Nation eine so erzwungene Nachgiebigkeit mit eben so wenig wahrer Dankbarkeit anerkennen würde, als die Katholiken ihre Emancipation hingenommen haben. Inzwischen, während die Politiker in ungewissem Schwanken und thatenlos dem Lauf der Dinge entgegen harren, ist die Kirche thätig. Die Regierung hat zwar Schulinspectoren ernannt, und ist bereit allen Volksschulen, welche die sonstigen Bedingungen erfüllen und diese Inspectoren zulassen wollen, mit Geld zu unterstützen; aber die Widersetzlichkeit von Seite der Clerisei, welche unter der letztern Bedingung die Unterstützung verwirft, greift immer weiter um sich. Mittlerweile nehmen die Schulen unter der Aufsicht des kirchlichen Nationalvereins täglich mehr zu, und die Geistlichen wissen in den meisten Fällen die wohlhabenden Laien zu bereden, daß sie die fehlenden Gelder aus ihren eigenen Mitteln ersetzen. Eben so eifrig ist die Kirche mit dem Bauen neuer Gotteshäuser und der damit verknüpften Vermehrung geistlicher Aemter, was dann auch gleich wieder zur Anlegung eben so vieler Schulen führt. So z. B. soll das hiesige Kirchspiel Spitalfields, welches bei 74,000 Einwohnern, meistentheils Armen, nur eine Kirche hat (obgleich ohne Zweifel viele Gotteshäuser unter den Nonconformisten vorhanden sind), in zehn Bezirke eingetheilt und in jedem eine neue Kirche erbaut und ein Prediger angestellt werden; von den hierzu verlangten 70,000 Pf. St. sind binnen Jahresfrist bereits über 31,000 Pf. St. subscribirt worden. Unter andern schenkten ein Geistlicher und seine Schwester ungenannterweise jedes 3000 Pf. St. zu diesem frommen Werke. Bei all diesem trotz aller Frömmigkeit doch unverkennbar auch politischem Eifer, zeigen sich doch auch da, wo das geistliche Element allein und ungemischt hervortritt, täglich Spuren von einem tiefen Riß im Innern der Kirche, in Folge dessen dieselbe schon längst unheilbar auseinander gefallen seyn würde, wenn nicht eben der politische Druck von außen, dem jenes eifrige Streben entgegen arbeiten soll, sie noch zusammenhielte. Selbst unter den Hochkirchlichen, welche insgesammt alle Nonconformisten mit Unwillen und Verachtung von sich weisen, und selbst bei guten Werken nichts mit denselben gemein haben wollen, haben die Uebertreibungen der Puseyisten ernstliche Scrupel und Besorgnisse erregt. Die sogenannte evangelische Partei aber, welche beinahe die Hälfte der Bischöfe in ihrer Reihe zählt, blickt auf die Puseyisten mit einem heiligen Entsetzen, welches nicht viel geringer ist, als das, womit sie die Papisten selbst betrachtet. Als z. B. vor kurzem ein gewisser W. Dodsworth, von einer Dame für die Verwendung von 60,000 Pf. St. zum Bau neuer Kirchen zum Hauptvollstrecker ihres Testaments ernannt, all diese Kirchen in die Hände von Puseyisten zu spielen suchte, wurde derselbe, mit einem Kanzleiprocesse bedroht, genöthigt seinen Auftrag in evangelische Hände zu übertragen.

Frankreich.

(Moniteur.) Der König, das Vaterland und die Marine insbesondere haben eine jener kriegerischen und politischen Illustrationen verloren, die drei Viertheile des Jahrhunderts hindurch Frankreich zur Ehre gereichten. Der Graf Truguet, Admiral und Pair von Frankreich, ist am 26 Dec., in einem Alter von 88 Jahren, gestorben. Wir bemerken heute bloß, daß sein Andenken in der Marine, der er die schönsten Erinnerungen und die edelsten Beispiele hinterlassen hat, in Ehren bleiben wird.

Die mit der Redaction der Adresse der Pairskammer beschäftigte Commission hat sich schon mehrmals versammelt. Sie hat Hrn. Roy zu ihrem Präsidenten und Hrn. Portalis zu ihrem Berichterstatter ernannt. Sie wird heute (27) den Conseilpräsidenten vernehmen.

* In der Sitzung der Deputirtenkammer am 28 Dec. verabschiedete sich der Alterspräsident, Hr. Nogaret, in einer Rede, worin er des in der Zwischenzeit verstorbenen Hrn. Merlin (von Aveyron) mit Lob gedachte. Hr. Sauzet nahm hierauf den Präsidentenstuhl ein, und hielt eine Rede, worin er zuerst für die ihm neuerdings erwiesene Ehre dankte, und dann


Die meisten Toryorgane der Hauptstadt, und vor allen die Times, wehren sich aus Leibeskräften gegen die von den Whig-Journalen so beharrlich wiederholte Behauptung, daß Peel seine ministerielle Laufbahn nicht anders als mit dem Vorschlage eines Widerrufs der Emancipation der Katholiken antreten könnte. Sie fürchten, wie die Times sagt, es könnte Leute geben, welche dumm genug wären, von den Tories einen so wahnsinnigen Versuch zu fürchten, während doch jeder denkende Conservative überzeugt seyn müsse, daß wenn die Sache auch wünschenswerth wäre, sie sich doch unmöglich ausführen ließe. Es sey hinterlistig, solchen Männern, ohne allen Beweis, eine Absicht zuzuschreiben, die nur hier und da ein unpraktischer rappelköpfiger Mensch auf dem Lande als den Wunsch seiner Seele aussprechen möge. Die katholische Kirche möge sich abmühen, die Auflösung der Union zu bewirken; die protestantische bedürfe und wolle keine politische Zurücksetzung Andersgläubiger. Was sie und die Freunde der Verfassung wünschten und suchten, sey (wenn sich für Papisten ja etwas Bindendes finden ließe) erstens ein Mittel die katholischen Parlamentsmitglieder in den Schranken ihres Eides zu halten, daß sie nichts gegen die protestantische Kirche unternehmen könnten, während dieser Eid bis jetzt von fast allen gebrochen worden; und zweitens eine Verhinderung, daß Leute aus dem gemeinen Volk ohne Befugniß das Wahlrecht erhalten und solches unter der Dictatur ihrer Priester mißbrauchen. Dieser gemäßigte Ton ist besonders darum erfreulich, weil man daraus abnehmen muß, daß die Häupter der Partei zu klug sind, den wilden Lärm einiger Eiferer für die Stimme ihres ganzen Anhangs zu halten, oder zu redlich, um sich zu einem Verfahren zu entschließen, welches zu einem Bürgerkriege führen müßte. Was aber gedenken jene Herren bei einer andern Frage zu thun, welche früher oder später die Nation noch viel heftiger zu bewegen droht, als die Frage über die Rechte der Papisten – nämlich die Getreidegesetze? Nach allen Symptomen hat die Volksmasse endlich Feuer gefangen? Das Brod ist theuer, und würde noch viel theurer seyn, wenn der allgemeine Geldmangel und der hohe Zinsfuß nicht die meisten Pächter sowohl als Getreidehändler nöthigte ihre Vorräthe auf die Märkte zu bringen. Aber eben dieser Umstand bringt auch die meisten Fabriken und Gewerke ins Stocken, und entzieht vielen Tausenden die Beschäftigung, welche sie mit Brod versorgen soll. Auch ist bei dem fortdauernden Regen, bei welchem an kein Säen zu denken ist, oder der bereits eingestreute Samen verfaulen muß, nichts Anderes zu erwarten als allgemeiner Mangel, wobei immer mehr Geld ins Ausland gehen, und somit die Beschäftigung der Arbeiter immer mehr in Abnahme gerathen muß. Selbst die Times hat über “die Brodsteuer” trotz ihren aristokratischen Lesern ein populäres Knurren vernehmen lassen, wornach sie sich jeden Tag an die Spitze der verzweifelnden Consumenten stellen könnte. Werden die Tories sich alsdann vielleicht durch die Erlassung oder Ermäßigung der Getreideinfuhrzölle beliebt machen wollen? Möglich. Die Aristokratie würde, wie bei der Emancipation der Katholiken, einen Minister von der Torypartei thun lassen, was sie einem Whig immer und ewig verweigern wird. Auf der andern Seite aber steht auch zu erwarten, daß die Masse der Nation eine so erzwungene Nachgiebigkeit mit eben so wenig wahrer Dankbarkeit anerkennen würde, als die Katholiken ihre Emancipation hingenommen haben. Inzwischen, während die Politiker in ungewissem Schwanken und thatenlos dem Lauf der Dinge entgegen harren, ist die Kirche thätig. Die Regierung hat zwar Schulinspectoren ernannt, und ist bereit allen Volksschulen, welche die sonstigen Bedingungen erfüllen und diese Inspectoren zulassen wollen, mit Geld zu unterstützen; aber die Widersetzlichkeit von Seite der Clerisei, welche unter der letztern Bedingung die Unterstützung verwirft, greift immer weiter um sich. Mittlerweile nehmen die Schulen unter der Aufsicht des kirchlichen Nationalvereins täglich mehr zu, und die Geistlichen wissen in den meisten Fällen die wohlhabenden Laien zu bereden, daß sie die fehlenden Gelder aus ihren eigenen Mitteln ersetzen. Eben so eifrig ist die Kirche mit dem Bauen neuer Gotteshäuser und der damit verknüpften Vermehrung geistlicher Aemter, was dann auch gleich wieder zur Anlegung eben so vieler Schulen führt. So z. B. soll das hiesige Kirchspiel Spitalfields, welches bei 74,000 Einwohnern, meistentheils Armen, nur eine Kirche hat (obgleich ohne Zweifel viele Gotteshäuser unter den Nonconformisten vorhanden sind), in zehn Bezirke eingetheilt und in jedem eine neue Kirche erbaut und ein Prediger angestellt werden; von den hierzu verlangten 70,000 Pf. St. sind binnen Jahresfrist bereits über 31,000 Pf. St. subscribirt worden. Unter andern schenkten ein Geistlicher und seine Schwester ungenannterweise jedes 3000 Pf. St. zu diesem frommen Werke. Bei all diesem trotz aller Frömmigkeit doch unverkennbar auch politischem Eifer, zeigen sich doch auch da, wo das geistliche Element allein und ungemischt hervortritt, täglich Spuren von einem tiefen Riß im Innern der Kirche, in Folge dessen dieselbe schon längst unheilbar auseinander gefallen seyn würde, wenn nicht eben der politische Druck von außen, dem jenes eifrige Streben entgegen arbeiten soll, sie noch zusammenhielte. Selbst unter den Hochkirchlichen, welche insgesammt alle Nonconformisten mit Unwillen und Verachtung von sich weisen, und selbst bei guten Werken nichts mit denselben gemein haben wollen, haben die Uebertreibungen der Puseyisten ernstliche Scrupel und Besorgnisse erregt. Die sogenannte evangelische Partei aber, welche beinahe die Hälfte der Bischöfe in ihrer Reihe zählt, blickt auf die Puseyisten mit einem heiligen Entsetzen, welches nicht viel geringer ist, als das, womit sie die Papisten selbst betrachtet. Als z. B. vor kurzem ein gewisser W. Dodsworth, von einer Dame für die Verwendung von 60,000 Pf. St. zum Bau neuer Kirchen zum Hauptvollstrecker ihres Testaments ernannt, all diese Kirchen in die Hände von Puseyisten zu spielen suchte, wurde derselbe, mit einem Kanzleiprocesse bedroht, genöthigt seinen Auftrag in evangelische Hände zu übertragen.

Frankreich.

(Moniteur.) Der König, das Vaterland und die Marine insbesondere haben eine jener kriegerischen und politischen Illustrationen verloren, die drei Viertheile des Jahrhunderts hindurch Frankreich zur Ehre gereichten. Der Graf Truguet, Admiral und Pair von Frankreich, ist am 26 Dec., in einem Alter von 88 Jahren, gestorben. Wir bemerken heute bloß, daß sein Andenken in der Marine, der er die schönsten Erinnerungen und die edelsten Beispiele hinterlassen hat, in Ehren bleiben wird.

Die mit der Redaction der Adresse der Pairskammer beschäftigte Commission hat sich schon mehrmals versammelt. Sie hat Hrn. Roy zu ihrem Präsidenten und Hrn. Portalis zu ihrem Berichterstatter ernannt. Sie wird heute (27) den Conseilpräsidenten vernehmen.

* In der Sitzung der Deputirtenkammer am 28 Dec. verabschiedete sich der Alterspräsident, Hr. Nogaret, in einer Rede, worin er des in der Zwischenzeit verstorbenen Hrn. Merlin (von Aveyron) mit Lob gedachte. Hr. Sauzet nahm hierauf den Präsidentenstuhl ein, und hielt eine Rede, worin er zuerst für die ihm neuerdings erwiesene Ehre dankte, und dann

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Was sie und die Freunde der Verfassung wünschten und suchten, sey (wenn sich für Papisten ja etwas Bindendes finden ließe) erstens ein Mittel die katholischen Parlamentsmitglieder in den Schranken ihres Eides zu halten, daß sie nichts gegen die protestantische Kirche unternehmen könnten, während dieser Eid bis jetzt von fast allen gebrochen worden; und zweitens eine Verhinderung, daß Leute aus dem gemeinen Volk ohne Befugniß das Wahlrecht erhalten und solches unter der Dictatur ihrer Priester mißbrauchen. Dieser gemäßigte Ton ist besonders darum erfreulich, weil man daraus abnehmen muß, daß die Häupter der Partei zu klug sind, den wilden Lärm einiger Eiferer für die Stimme ihres ganzen Anhangs zu halten, oder zu redlich, um sich zu einem Verfahren zu entschließen, welches zu einem Bürgerkriege führen müßte. 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Die Regierung hat zwar Schulinspectoren ernannt, und ist bereit allen Volksschulen, welche die sonstigen Bedingungen erfüllen und diese Inspectoren zulassen wollen, mit Geld zu unterstützen; aber die Widersetzlichkeit von Seite der Clerisei, welche unter der letztern Bedingung die Unterstützung verwirft, greift immer weiter um sich. Mittlerweile nehmen die Schulen unter der Aufsicht des kirchlichen Nationalvereins täglich mehr zu, und die Geistlichen wissen in den meisten Fällen die wohlhabenden Laien zu bereden, daß sie die fehlenden Gelder aus ihren eigenen Mitteln ersetzen. Eben so eifrig ist die Kirche mit dem Bauen neuer Gotteshäuser und der damit verknüpften Vermehrung geistlicher Aemter, was dann auch gleich wieder zur Anlegung eben so vieler Schulen führt. So z. 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Selbst unter den Hochkirchlichen, welche insgesammt alle Nonconformisten mit Unwillen und Verachtung von sich weisen, und selbst bei guten Werken nichts mit denselben gemein haben wollen, haben die Uebertreibungen der Puseyisten ernstliche Scrupel und Besorgnisse erregt. Die sogenannte evangelische Partei aber, welche beinahe die Hälfte der Bischöfe in ihrer Reihe zählt, blickt auf die Puseyisten mit einem heiligen Entsetzen, welches nicht viel geringer ist, als das, womit sie die Papisten selbst betrachtet. Als z. B. vor kurzem ein gewisser W. Dodsworth, von einer Dame für die Verwendung von 60,000 Pf. St. zum Bau neuer Kirchen zum Hauptvollstrecker ihres Testaments ernannt, all diese Kirchen in die Hände von Puseyisten zu spielen suchte, wurde derselbe, mit einem Kanzleiprocesse bedroht, genöthigt seinen Auftrag in evangelische Hände zu übertragen.</p>
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[0011/0003] * London, 25 Dec. Die meisten Toryorgane der Hauptstadt, und vor allen die Times, wehren sich aus Leibeskräften gegen die von den Whig-Journalen so beharrlich wiederholte Behauptung, daß Peel seine ministerielle Laufbahn nicht anders als mit dem Vorschlage eines Widerrufs der Emancipation der Katholiken antreten könnte. Sie fürchten, wie die Times sagt, es könnte Leute geben, welche dumm genug wären, von den Tories einen so wahnsinnigen Versuch zu fürchten, während doch jeder denkende Conservative überzeugt seyn müsse, daß wenn die Sache auch wünschenswerth wäre, sie sich doch unmöglich ausführen ließe. Es sey hinterlistig, solchen Männern, ohne allen Beweis, eine Absicht zuzuschreiben, die nur hier und da ein unpraktischer rappelköpfiger Mensch auf dem Lande als den Wunsch seiner Seele aussprechen möge. Die katholische Kirche möge sich abmühen, die Auflösung der Union zu bewirken; die protestantische bedürfe und wolle keine politische Zurücksetzung Andersgläubiger. Was sie und die Freunde der Verfassung wünschten und suchten, sey (wenn sich für Papisten ja etwas Bindendes finden ließe) erstens ein Mittel die katholischen Parlamentsmitglieder in den Schranken ihres Eides zu halten, daß sie nichts gegen die protestantische Kirche unternehmen könnten, während dieser Eid bis jetzt von fast allen gebrochen worden; und zweitens eine Verhinderung, daß Leute aus dem gemeinen Volk ohne Befugniß das Wahlrecht erhalten und solches unter der Dictatur ihrer Priester mißbrauchen. Dieser gemäßigte Ton ist besonders darum erfreulich, weil man daraus abnehmen muß, daß die Häupter der Partei zu klug sind, den wilden Lärm einiger Eiferer für die Stimme ihres ganzen Anhangs zu halten, oder zu redlich, um sich zu einem Verfahren zu entschließen, welches zu einem Bürgerkriege führen müßte. Was aber gedenken jene Herren bei einer andern Frage zu thun, welche früher oder später die Nation noch viel heftiger zu bewegen droht, als die Frage über die Rechte der Papisten – nämlich die Getreidegesetze? Nach allen Symptomen hat die Volksmasse endlich Feuer gefangen? Das Brod ist theuer, und würde noch viel theurer seyn, wenn der allgemeine Geldmangel und der hohe Zinsfuß nicht die meisten Pächter sowohl als Getreidehändler nöthigte ihre Vorräthe auf die Märkte zu bringen. Aber eben dieser Umstand bringt auch die meisten Fabriken und Gewerke ins Stocken, und entzieht vielen Tausenden die Beschäftigung, welche sie mit Brod versorgen soll. Auch ist bei dem fortdauernden Regen, bei welchem an kein Säen zu denken ist, oder der bereits eingestreute Samen verfaulen muß, nichts Anderes zu erwarten als allgemeiner Mangel, wobei immer mehr Geld ins Ausland gehen, und somit die Beschäftigung der Arbeiter immer mehr in Abnahme gerathen muß. Selbst die Times hat über “die Brodsteuer” trotz ihren aristokratischen Lesern ein populäres Knurren vernehmen lassen, wornach sie sich jeden Tag an die Spitze der verzweifelnden Consumenten stellen könnte. Werden die Tories sich alsdann vielleicht durch die Erlassung oder Ermäßigung der Getreideinfuhrzölle beliebt machen wollen? Möglich. Die Aristokratie würde, wie bei der Emancipation der Katholiken, einen Minister von der Torypartei thun lassen, was sie einem Whig immer und ewig verweigern wird. Auf der andern Seite aber steht auch zu erwarten, daß die Masse der Nation eine so erzwungene Nachgiebigkeit mit eben so wenig wahrer Dankbarkeit anerkennen würde, als die Katholiken ihre Emancipation hingenommen haben. Inzwischen, während die Politiker in ungewissem Schwanken und thatenlos dem Lauf der Dinge entgegen harren, ist die Kirche thätig. 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Der König, das Vaterland und die Marine insbesondere haben eine jener kriegerischen und politischen Illustrationen verloren, die drei Viertheile des Jahrhunderts hindurch Frankreich zur Ehre gereichten. Der Graf Truguet, Admiral und Pair von Frankreich, ist am 26 Dec., in einem Alter von 88 Jahren, gestorben. Wir bemerken heute bloß, daß sein Andenken in der Marine, der er die schönsten Erinnerungen und die edelsten Beispiele hinterlassen hat, in Ehren bleiben wird. Die mit der Redaction der Adresse der Pairskammer beschäftigte Commission hat sich schon mehrmals versammelt. Sie hat Hrn. Roy zu ihrem Präsidenten und Hrn. Portalis zu ihrem Berichterstatter ernannt. Sie wird heute (27) den Conseilpräsidenten vernehmen. * In der Sitzung der Deputirtenkammer am 28 Dec. verabschiedete sich der Alterspräsident, Hr. Nogaret, in einer Rede, worin er des in der Zwischenzeit verstorbenen Hrn. Merlin (von Aveyron) mit Lob gedachte. Hr. Sauzet nahm hierauf den Präsidentenstuhl ein, und hielt eine Rede, worin er zuerst für die ihm neuerdings erwiesene Ehre dankte, und dann

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 2. Augsburg, 2. Januar 1840, S. 0011. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_002_18400102/3>, abgerufen am 28.04.2024.