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Allgemeine Zeitung. Nr. 2. Augsburg, 2. Januar 1840.

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Pozzo di Borgo, russischen Gesandten in Paris, im Portfolio lesen, die so antiösterreichisch als immer möglich concipirt sind, und in denen Alles (namentlich Preußen und Frankreich) gegen das Wiener Cabinet aufzubieten versucht wird. Deßhalb fällt auch die Sprache russischer Publicisten in noch neuerer Zeit nicht auf. Die Denkschrift von 1834 und "die europäische Pentarchie" suchen die kleinen deutschen Bundesstaaten gegen Oesterreich zu stimmen, erinnern an Oesterreichs alte Politik gegen Bayern und lassen sich sogar herab, die Liberalen gewinnen zu wollen, indem sie das stabile Princip in Oesterreich ein "der neueren Zeit unangemessenes" nennen, als ob das russische etwa liberaler wäre. Die letztere Schrift deutet auch an, in Böhmen wünsche man die Vereinigung aller Slaven (natürlich unter Rußland), und schon vor dreißig Jahren glaubte Rußland einmal über Böhmen verfügen zu können, als es durch den Bund mit Frankreich übermächtig geworden war. ...

"Eine Allianz Oesterreichs mit Frankreich ist immer und unter allen Umständen unnatürlich und dem wahren Interesse Oesterreichs verderblich, weil sie nur auf Kosten des übrigen Deutschlands, Preußens oder der kleinen Staaten möglich ist, welches die natürlichen Alliirten und Schutz- und Trutzgenossen Oesterreichs seyn müssen. Als sich Oesterreich auf Antrieb des Fürsten Kaunitz verleiten ließ, sich mit Frankreich gegen Preußen zu verbinden, beging es einen Fehler, dessen Folgen zum Glück Friedrichs Genie abwandte. Oesterreich würde nichts dabei gewonnen haben, wenn es Preußen mit Frankreich (und Rußland) getheilt, das damalige preußische Rheinland oder ein Aequivalent an Frankreich (und Ostpreußen an Rußland) abgetreten und selber Schlesien genommen hätte. Frankreich (und Rußland) würden dadurch auf Kosten Deutschlands übermächtig und dem Cabinet von Wien bald höchst gefährlich geworden seyn.

"Der Franzose hält seine Allianz für unumgänglich. Er bietet aber wohl seine Waare zu früh und zu theuer an, ehe er weiß, ob man sie wirklich brauchen wird. Wir wollen uns noch nach einigen anderen Garantien Oesterreichs umsehen.

"Eine natürliche Allianz ist für Oesterreich die englische. Auch war England in allen großen europäischen Kriegen immer auf der österreichischen Seite, wovon nur die Reformationskämpfe und das fehlerhafte österreichisch-französische Bündniß im siebenjährigen Krieg eine Ausnahme machten. In dem Interesse, Rußland und Frankreich nicht übermächtig werden zu lassen, stimmen England und Oesterreich stets überein. Inzwischen ist England allein doch nicht im Stande, mit seinen Flotten und Landungsversuchen Oesterreich hinreichend zu unterstützen.

"Eine natürliche Allianz gegen Frankreich ist für Oesterreich die spanische; doch ist Spanien keine große Macht mehr. Eine natürliche Allianz für Oesterreich gegen Rußland ist die dänische und schwedische, doch auch diesen fehlt der Nachdruck der Macht.

"Eine natürliche Allianz ist für Oesterreich die preußische. Früher hätte man diese Behauptung für paradox halten können, jetzt ist sie es nicht mehr. ...

"Preußens Kriegsmacht, mit der österreichischen verbunden, darf keinen Feind scheuen, woher er auch käme, von Osten oder Westen, ja von beiden Seiten zugleich. Wobei man nicht übersehen darf, wie populär eine solche Allianz seyn würde, wie sie den Neigungen und Gesammtinteressen der deutschen Bevölkerung entsprechen und daraus den Enthusiasmus entlehnen würde, der in gemeinsamen Gefahren Wunder thut.

"Aus demselben Grund ist für Oesterreich auch die Allianz mit den kleinen deutschen Bundesstaaten eine natürliche. Kann es auf seine slavischen, magyarischen, italienischen Elemente unter allen Umständen in dem Grade rechnen, als auf sein deutsches Element? Muß es nicht unter allen Umständen, wie bisher, seine Kraft hauptsächlich aus seiner deutschen Wurzel schöpfen? Waren ihm die alten Reichslande nicht Jahrhunderte lang die treuesten und wichtigsten Bundesgenossen gegen Frankreich, und sogar in der traurigen Periode der Rivalität gegen Preußen? Ist es nicht seine natürliche Politik, diese Masse kleiner Staaten sich zu verbinden, und dazu beizutragen, daß sie so stark und so glücklich als möglich seyen, da sie seine Vormauern gegen Frankreich bilden? Nicht umsonst hat sich das alte Kaiserhaus so lange und mit so viel Energie und Aufopferung um die Rheingränzen gewehrt, den Schild mit dem doppelten Adler so standhaft, bis es nicht mehr konnte, über Elsaß, Lothringen, die gefährdete Pfalz und die geistlichen Kurfürstenthümer gehalten. Je größer die deutsche Staatenmasse am Rhein, desto besser für Oesterreich. Je weiter Frankreich vorgreift, desto schlimmer für Oesterreich. - Erwägt man dieß, so scheint das Votum des Hrn. v. Gentz gegen die Rückerstattung des Elsasses an Deutschland im Jahr 1814 nicht richtig berechnet gewesen zu seyn. Die Eifersucht auf Preußen konnte nicht störend einwirken, wenn das deutsche Land, das den Franzosen wieder abgenommen werden sollte, entweder an Oesterreich selbst oder an eine andere deutsche Macht kam, die mit Preußen in keiner nähern Verbindung stand. Daß Rußland sich eifrig bemühte, Frankreich am Rheine mächtig zu erhalten, um dadurch Deutschland zu schwächen, war natürlich, weil Rußland jeden Zuwachs der deutschen Macht, die ihm zunächst benachbart ist, mehr fürchten muß, als einen Zuwachs der französischen, die ihm entfernter liegt. Oesterreich aber hatte nicht das gleiche Interesse, wie Rußland; es mußte vielmehr den deutschen Bund so weit ausdehnen als möglich, weil es in allen künftigen europäischen Krisen seinen Stützpunkt und Rückhalt immer nur in der deutschen Nationalität finden wird, und weil eine solche Ausdehnung des Bundes zugleich das Gegengewicht gegen Preußen in Deutschland selbst verstärkt haben würde. Oesterreich hätte durch eine Mehrung des deutschen Bundes (die alten Kaiser hießen ja officiell Mehrer des Reichs) nichts verloren, viel gewonnen.

"Dieß ist um so gewisser, als trotz aller mercantilischen und litterarischen Mauthen und trotz so vieler feindseligen Tiraden gegen Oesterreich von der andern Seite her, gleichwohl sehr innige Sympathien zwischen den übrigen Deutschen und den österreichischen bestehen. Ja, in gewissem Sinne ist kaum ein deutscher Volksstamm bei den übrigen so populär und beliebt, als gerade der gemüthliche der Donaubewohner und Tyroler. Ein Anschluß Oesterreichs an den deutschen Zollverein würde diese Sympathien noch mächtig fördern.

"Wenn einmal eine offensive Verbindung Rußlands und Frankreichs zu Stande käme, so würde die innigste Allianz mit Preußen und den übrigen Bundesstaaten dann eine Nothwendigkeit für Oesterreich seyn, und es würde sich Glück zu wünschen haben, wenn es dieselbe schon vorbereitet, die Interessen Preußens und der Bundesstaaten gegen das Ausland unterstützt, alle deutschen Sympathien für sich gewonnen hätte."

(Fortsetzung folgt.)



Pozzo di Borgo, russischen Gesandten in Paris, im Portfolio lesen, die so antiösterreichisch als immer möglich concipirt sind, und in denen Alles (namentlich Preußen und Frankreich) gegen das Wiener Cabinet aufzubieten versucht wird. Deßhalb fällt auch die Sprache russischer Publicisten in noch neuerer Zeit nicht auf. Die Denkschrift von 1834 und „die europäische Pentarchie“ suchen die kleinen deutschen Bundesstaaten gegen Oesterreich zu stimmen, erinnern an Oesterreichs alte Politik gegen Bayern und lassen sich sogar herab, die Liberalen gewinnen zu wollen, indem sie das stabile Princip in Oesterreich ein „der neueren Zeit unangemessenes“ nennen, als ob das russische etwa liberaler wäre. Die letztere Schrift deutet auch an, in Böhmen wünsche man die Vereinigung aller Slaven (natürlich unter Rußland), und schon vor dreißig Jahren glaubte Rußland einmal über Böhmen verfügen zu können, als es durch den Bund mit Frankreich übermächtig geworden war. ...

„Eine Allianz Oesterreichs mit Frankreich ist immer und unter allen Umständen unnatürlich und dem wahren Interesse Oesterreichs verderblich, weil sie nur auf Kosten des übrigen Deutschlands, Preußens oder der kleinen Staaten möglich ist, welches die natürlichen Alliirten und Schutz- und Trutzgenossen Oesterreichs seyn müssen. Als sich Oesterreich auf Antrieb des Fürsten Kaunitz verleiten ließ, sich mit Frankreich gegen Preußen zu verbinden, beging es einen Fehler, dessen Folgen zum Glück Friedrichs Genie abwandte. Oesterreich würde nichts dabei gewonnen haben, wenn es Preußen mit Frankreich (und Rußland) getheilt, das damalige preußische Rheinland oder ein Aequivalent an Frankreich (und Ostpreußen an Rußland) abgetreten und selber Schlesien genommen hätte. Frankreich (und Rußland) würden dadurch auf Kosten Deutschlands übermächtig und dem Cabinet von Wien bald höchst gefährlich geworden seyn.

„Der Franzose hält seine Allianz für unumgänglich. Er bietet aber wohl seine Waare zu früh und zu theuer an, ehe er weiß, ob man sie wirklich brauchen wird. Wir wollen uns noch nach einigen anderen Garantien Oesterreichs umsehen.

„Eine natürliche Allianz ist für Oesterreich die englische. Auch war England in allen großen europäischen Kriegen immer auf der österreichischen Seite, wovon nur die Reformationskämpfe und das fehlerhafte österreichisch-französische Bündniß im siebenjährigen Krieg eine Ausnahme machten. In dem Interesse, Rußland und Frankreich nicht übermächtig werden zu lassen, stimmen England und Oesterreich stets überein. Inzwischen ist England allein doch nicht im Stande, mit seinen Flotten und Landungsversuchen Oesterreich hinreichend zu unterstützen.

„Eine natürliche Allianz gegen Frankreich ist für Oesterreich die spanische; doch ist Spanien keine große Macht mehr. Eine natürliche Allianz für Oesterreich gegen Rußland ist die dänische und schwedische, doch auch diesen fehlt der Nachdruck der Macht.

„Eine natürliche Allianz ist für Oesterreich die preußische. Früher hätte man diese Behauptung für paradox halten können, jetzt ist sie es nicht mehr. ...

„Preußens Kriegsmacht, mit der österreichischen verbunden, darf keinen Feind scheuen, woher er auch käme, von Osten oder Westen, ja von beiden Seiten zugleich. Wobei man nicht übersehen darf, wie populär eine solche Allianz seyn würde, wie sie den Neigungen und Gesammtinteressen der deutschen Bevölkerung entsprechen und daraus den Enthusiasmus entlehnen würde, der in gemeinsamen Gefahren Wunder thut.

„Aus demselben Grund ist für Oesterreich auch die Allianz mit den kleinen deutschen Bundesstaaten eine natürliche. Kann es auf seine slavischen, magyarischen, italienischen Elemente unter allen Umständen in dem Grade rechnen, als auf sein deutsches Element? Muß es nicht unter allen Umständen, wie bisher, seine Kraft hauptsächlich aus seiner deutschen Wurzel schöpfen? Waren ihm die alten Reichslande nicht Jahrhunderte lang die treuesten und wichtigsten Bundesgenossen gegen Frankreich, und sogar in der traurigen Periode der Rivalität gegen Preußen? Ist es nicht seine natürliche Politik, diese Masse kleiner Staaten sich zu verbinden, und dazu beizutragen, daß sie so stark und so glücklich als möglich seyen, da sie seine Vormauern gegen Frankreich bilden? Nicht umsonst hat sich das alte Kaiserhaus so lange und mit so viel Energie und Aufopferung um die Rheingränzen gewehrt, den Schild mit dem doppelten Adler so standhaft, bis es nicht mehr konnte, über Elsaß, Lothringen, die gefährdete Pfalz und die geistlichen Kurfürstenthümer gehalten. Je größer die deutsche Staatenmasse am Rhein, desto besser für Oesterreich. Je weiter Frankreich vorgreift, desto schlimmer für Oesterreich. – Erwägt man dieß, so scheint das Votum des Hrn. v. Gentz gegen die Rückerstattung des Elsasses an Deutschland im Jahr 1814 nicht richtig berechnet gewesen zu seyn. Die Eifersucht auf Preußen konnte nicht störend einwirken, wenn das deutsche Land, das den Franzosen wieder abgenommen werden sollte, entweder an Oesterreich selbst oder an eine andere deutsche Macht kam, die mit Preußen in keiner nähern Verbindung stand. Daß Rußland sich eifrig bemühte, Frankreich am Rheine mächtig zu erhalten, um dadurch Deutschland zu schwächen, war natürlich, weil Rußland jeden Zuwachs der deutschen Macht, die ihm zunächst benachbart ist, mehr fürchten muß, als einen Zuwachs der französischen, die ihm entfernter liegt. Oesterreich aber hatte nicht das gleiche Interesse, wie Rußland; es mußte vielmehr den deutschen Bund so weit ausdehnen als möglich, weil es in allen künftigen europäischen Krisen seinen Stützpunkt und Rückhalt immer nur in der deutschen Nationalität finden wird, und weil eine solche Ausdehnung des Bundes zugleich das Gegengewicht gegen Preußen in Deutschland selbst verstärkt haben würde. Oesterreich hätte durch eine Mehrung des deutschen Bundes (die alten Kaiser hießen ja officiell Mehrer des Reichs) nichts verloren, viel gewonnen.

„Dieß ist um so gewisser, als trotz aller mercantilischen und litterarischen Mauthen und trotz so vieler feindseligen Tiraden gegen Oesterreich von der andern Seite her, gleichwohl sehr innige Sympathien zwischen den übrigen Deutschen und den österreichischen bestehen. Ja, in gewissem Sinne ist kaum ein deutscher Volksstamm bei den übrigen so populär und beliebt, als gerade der gemüthliche der Donaubewohner und Tyroler. Ein Anschluß Oesterreichs an den deutschen Zollverein würde diese Sympathien noch mächtig fördern.

„Wenn einmal eine offensive Verbindung Rußlands und Frankreichs zu Stande käme, so würde die innigste Allianz mit Preußen und den übrigen Bundesstaaten dann eine Nothwendigkeit für Oesterreich seyn, und es würde sich Glück zu wünschen haben, wenn es dieselbe schon vorbereitet, die Interessen Preußens und der Bundesstaaten gegen das Ausland unterstützt, alle deutschen Sympathien für sich gewonnen hätte.“

(Fortsetzung folgt.)


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[0010/0010] Pozzo di Borgo, russischen Gesandten in Paris, im Portfolio lesen, die so antiösterreichisch als immer möglich concipirt sind, und in denen Alles (namentlich Preußen und Frankreich) gegen das Wiener Cabinet aufzubieten versucht wird. Deßhalb fällt auch die Sprache russischer Publicisten in noch neuerer Zeit nicht auf. Die Denkschrift von 1834 und „die europäische Pentarchie“ suchen die kleinen deutschen Bundesstaaten gegen Oesterreich zu stimmen, erinnern an Oesterreichs alte Politik gegen Bayern und lassen sich sogar herab, die Liberalen gewinnen zu wollen, indem sie das stabile Princip in Oesterreich ein „der neueren Zeit unangemessenes“ nennen, als ob das russische etwa liberaler wäre. Die letztere Schrift deutet auch an, in Böhmen wünsche man die Vereinigung aller Slaven (natürlich unter Rußland), und schon vor dreißig Jahren glaubte Rußland einmal über Böhmen verfügen zu können, als es durch den Bund mit Frankreich übermächtig geworden war. ... „Eine Allianz Oesterreichs mit Frankreich ist immer und unter allen Umständen unnatürlich und dem wahren Interesse Oesterreichs verderblich, weil sie nur auf Kosten des übrigen Deutschlands, Preußens oder der kleinen Staaten möglich ist, welches die natürlichen Alliirten und Schutz- und Trutzgenossen Oesterreichs seyn müssen. Als sich Oesterreich auf Antrieb des Fürsten Kaunitz verleiten ließ, sich mit Frankreich gegen Preußen zu verbinden, beging es einen Fehler, dessen Folgen zum Glück Friedrichs Genie abwandte. Oesterreich würde nichts dabei gewonnen haben, wenn es Preußen mit Frankreich (und Rußland) getheilt, das damalige preußische Rheinland oder ein Aequivalent an Frankreich (und Ostpreußen an Rußland) abgetreten und selber Schlesien genommen hätte. Frankreich (und Rußland) würden dadurch auf Kosten Deutschlands übermächtig und dem Cabinet von Wien bald höchst gefährlich geworden seyn. „Der Franzose hält seine Allianz für unumgänglich. Er bietet aber wohl seine Waare zu früh und zu theuer an, ehe er weiß, ob man sie wirklich brauchen wird. Wir wollen uns noch nach einigen anderen Garantien Oesterreichs umsehen. „Eine natürliche Allianz ist für Oesterreich die englische. Auch war England in allen großen europäischen Kriegen immer auf der österreichischen Seite, wovon nur die Reformationskämpfe und das fehlerhafte österreichisch-französische Bündniß im siebenjährigen Krieg eine Ausnahme machten. In dem Interesse, Rußland und Frankreich nicht übermächtig werden zu lassen, stimmen England und Oesterreich stets überein. Inzwischen ist England allein doch nicht im Stande, mit seinen Flotten und Landungsversuchen Oesterreich hinreichend zu unterstützen. „Eine natürliche Allianz gegen Frankreich ist für Oesterreich die spanische; doch ist Spanien keine große Macht mehr. Eine natürliche Allianz für Oesterreich gegen Rußland ist die dänische und schwedische, doch auch diesen fehlt der Nachdruck der Macht. „Eine natürliche Allianz ist für Oesterreich die preußische. Früher hätte man diese Behauptung für paradox halten können, jetzt ist sie es nicht mehr. ... „Preußens Kriegsmacht, mit der österreichischen verbunden, darf keinen Feind scheuen, woher er auch käme, von Osten oder Westen, ja von beiden Seiten zugleich. Wobei man nicht übersehen darf, wie populär eine solche Allianz seyn würde, wie sie den Neigungen und Gesammtinteressen der deutschen Bevölkerung entsprechen und daraus den Enthusiasmus entlehnen würde, der in gemeinsamen Gefahren Wunder thut. „Aus demselben Grund ist für Oesterreich auch die Allianz mit den kleinen deutschen Bundesstaaten eine natürliche. Kann es auf seine slavischen, magyarischen, italienischen Elemente unter allen Umständen in dem Grade rechnen, als auf sein deutsches Element? Muß es nicht unter allen Umständen, wie bisher, seine Kraft hauptsächlich aus seiner deutschen Wurzel schöpfen? Waren ihm die alten Reichslande nicht Jahrhunderte lang die treuesten und wichtigsten Bundesgenossen gegen Frankreich, und sogar in der traurigen Periode der Rivalität gegen Preußen? Ist es nicht seine natürliche Politik, diese Masse kleiner Staaten sich zu verbinden, und dazu beizutragen, daß sie so stark und so glücklich als möglich seyen, da sie seine Vormauern gegen Frankreich bilden? Nicht umsonst hat sich das alte Kaiserhaus so lange und mit so viel Energie und Aufopferung um die Rheingränzen gewehrt, den Schild mit dem doppelten Adler so standhaft, bis es nicht mehr konnte, über Elsaß, Lothringen, die gefährdete Pfalz und die geistlichen Kurfürstenthümer gehalten. Je größer die deutsche Staatenmasse am Rhein, desto besser für Oesterreich. Je weiter Frankreich vorgreift, desto schlimmer für Oesterreich. – Erwägt man dieß, so scheint das Votum des Hrn. v. Gentz gegen die Rückerstattung des Elsasses an Deutschland im Jahr 1814 nicht richtig berechnet gewesen zu seyn. Die Eifersucht auf Preußen konnte nicht störend einwirken, wenn das deutsche Land, das den Franzosen wieder abgenommen werden sollte, entweder an Oesterreich selbst oder an eine andere deutsche Macht kam, die mit Preußen in keiner nähern Verbindung stand. Daß Rußland sich eifrig bemühte, Frankreich am Rheine mächtig zu erhalten, um dadurch Deutschland zu schwächen, war natürlich, weil Rußland jeden Zuwachs der deutschen Macht, die ihm zunächst benachbart ist, mehr fürchten muß, als einen Zuwachs der französischen, die ihm entfernter liegt. Oesterreich aber hatte nicht das gleiche Interesse, wie Rußland; es mußte vielmehr den deutschen Bund so weit ausdehnen als möglich, weil es in allen künftigen europäischen Krisen seinen Stützpunkt und Rückhalt immer nur in der deutschen Nationalität finden wird, und weil eine solche Ausdehnung des Bundes zugleich das Gegengewicht gegen Preußen in Deutschland selbst verstärkt haben würde. Oesterreich hätte durch eine Mehrung des deutschen Bundes (die alten Kaiser hießen ja officiell Mehrer des Reichs) nichts verloren, viel gewonnen. „Dieß ist um so gewisser, als trotz aller mercantilischen und litterarischen Mauthen und trotz so vieler feindseligen Tiraden gegen Oesterreich von der andern Seite her, gleichwohl sehr innige Sympathien zwischen den übrigen Deutschen und den österreichischen bestehen. Ja, in gewissem Sinne ist kaum ein deutscher Volksstamm bei den übrigen so populär und beliebt, als gerade der gemüthliche der Donaubewohner und Tyroler. Ein Anschluß Oesterreichs an den deutschen Zollverein würde diese Sympathien noch mächtig fördern. „Wenn einmal eine offensive Verbindung Rußlands und Frankreichs zu Stande käme, so würde die innigste Allianz mit Preußen und den übrigen Bundesstaaten dann eine Nothwendigkeit für Oesterreich seyn, und es würde sich Glück zu wünschen haben, wenn es dieselbe schon vorbereitet, die Interessen Preußens und der Bundesstaaten gegen das Ausland unterstützt, alle deutschen Sympathien für sich gewonnen hätte.“ (Fortsetzung folgt.)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 2. Augsburg, 2. Januar 1840, S. 0010. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_002_18400102/10>, abgerufen am 28.04.2024.