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Allgemeine Zeitung. Nr. 2. Augsburg, 2. Januar 1840.

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Spanien.

Wenn die Feststellung der spanischen Zustände nach der Vertreibung des Prätendenten langsamer eintritt, als von den Freunden der monarchischen Grundsätze gewünscht wird, so mögen die widerstreitenden Meinungen über Spanien und ihre praktischen Folgen im übrigen Europa daran nicht weniger Schuld haben, als die Bewegungen der Parteien in Spanien selbst, indem diese durch die schwankenden Ansichten über die spanischen Zustände unterstützt oder auch gelähmt werden. Nachdem die Beschützer des Don Carlos ihre Hand von ihm abgezogen, hat es sich schnell gezeigt, daß er sich aus eigner Kraft nicht halten konnte, und daß seine Anhänger in Spanien nich im Stande waren, für ihn den Ausschlag zu geben. Selbst wenn seine Sache rechtlich die beste gewesen wäre, gehörte eine ganz andere Persönlichkeit dazu als die seinige, um seinen Ansprüchen Kraft, Nachdruck und Erfolg zu geben; jetzt aber, wo er rechtlich und factisch abgeurtheilt ist, scheint das Festhalten am Carlismus, selbst aus monarchischen und religiösen Gründen, nicht mehr gerechtfertigt. Was wollen auch die Freunde der Rechtgläubigkeit von der Schwäche des Prätendenten für die Religion erwarten, wenn er auf dem Thron säße? Er wäre nicht im Stande, die Folgen der philosophischen oder encyklopädistischen Ideen den Exaltados aus den Köpfen zu treiben und sie zu einem gläubigen und positiven Handeln zurückzuführen. Wer aber sollte es thun? Seine Rathgeber, ... mögen die Carlisten doch zusehen, ihren leiblichen König nicht in ein Phantasiegebilde zu verwandeln, sie verlieren ja damit alles Positive, was ihre Basis bleiben muß, wenn sie sich nicht der Revolution in die Arme werfen wollen. Sie sollten vielmehr, getreu ihren Grundsätzen, dem Königthum Isabellens, für welches Recht und That entschieden haben, helfen, Ordnung in das verwirrte Spanien zu bringen; sie sollten diese Regierung nicht ungünstig ansehen, weil sie eine weibliche ist, sie dürfen ihr nicht Schwäche vorwerfen, ohne über die ihres Prätendenten zu erröthen, sondern sie sollten sich mit der großen Anzahl gemäßigter Spanier vereinigen, welche die Wiederherstellung der Ruhe in ihrem heimgesuchten Vaterlande aus allen Kräften befördern wollen. Dieser Zweck ist nicht so schwer zu erreichen, als man glauben machen will. Die Monarchie ist in Spanien wesentlicher mit dem Volke verbunden, als in manchen andern Ländern; eine Auflösung des Königthums in Provinzen ist durchaus nicht zu fürchten, denn die Provinzen selbst würden durch eine Trennung von der Monarchie zu Grunde gehen. Die Bewilligung der Fueros für die baskischen Provinzen ist so wenig ein Separatismus als ein Nachtheil für die Einheit des Königthums, und die trotzigste Provinz, Catalonien, würde sich wohl hüten, die Auflösung der Monarchie zu betreiben da ihre überwiegende Industrie durch eine provincielle Beschränkung vernichtet würde. Wer aber sollte sonst den Provincialismus wünschen? Die Grandeza? Sie ist seit Jahrhunderten in Madrid vereinigt und müßte durch eine provincielle Auflösung wieder zu Landjunkern herabsteigen. Der Clerus? Er würde für die Dotation der neuen Diöcesaneintheilung, die nicht zu umgehen wäre, keine Mittel finden, und sein Schicksal unter den provinciellen Republiken möchte ungefähr demjenigen gleichkommen, wie es in der Schweiz sich zeigt. Die Städte? Die bedeutendsten sind Seeplätze, die zu ihrem Schutz einer Marine bedürfen, wie sie nur die Monarchie, nicht aber die Provinz aufbringen kann. Das Kriegsheer hat ebenso wenig Grund, die Auflösung der Monarchie zu wünschen, und der Bauernstand auch nicht. Daß also Spanien unter der jetzigen Regierung in provincielle Republiken zerfallen werde, ist nicht zu befürchten, weil alle Wahrscheinlichkeit dagegen streitet. Verschließe man doch nicht Augen und Ohren gegen dasjenige, was die Regierung und die sie unterstützenden Gemäßigten für die Befestigung eines geordneten Zustandes fortwährend thun. Das Programm der Gemäßigten vom 5 December ist seiner ausgesprochenen Grundsätze wegen ein beachtenswerthes Manifest. Sie wollen die spanische Monarchie auf den Grundfesten der katholischen Religion erhalten; sie erkennen an, daß die Geistlichkeit in Achtung stehen müsse und nicht am Nöthigsten Mangel leiden dürfe, daß der Thron über allen Parteien erhaben sey, daß die Cortes, deren Wahl sich nun vorbereitet, weder angreifend noch rächend zu Werke gehen, sondern mit Festigkeit, Klugheit und Versöhnung handeln sollen. Wenn das Maaß des Unglücks einer Nation voll ist, so kommt sie wie der einzelne Mensch zur Besinnung, glücklich, wenn sie, wie die Gemäßigten in Spanien, das Rechte trifft, die Beruhigung und Stärkung der Nation durch Religiosität. Ein solches Bestreben muß selbst der Carlismus achten, denn er könnte nicht mehr thun. Die allgemeinen Interessen der spanischen Monarchie, gegründet auf die Grundpfeiler der Religion, sollen jetzt in Spanien gewahrt werden; möge der Carlismus sich vor der Verantwortung hüten, durch Verhinderung jenes Zweckes den Staat parteilichen Interessen aufzuopfern.

Frankreich.

"Das wird ein böses Jahr werden, das Jahr 1840. Es wird ein großer Aerolith aus der Luft fallen, ganz Paris und Alles in der Runde auf 20 Meilen weit zerstören," sagte mir gestern der Polizeicommissär X. Der muß es wissen, dachte ich. Aber er blieb weit hinter der Wahrheit zurück; denn als ich später die Abendblätter im Cafe Valois las, hörte ich die Dame des Comptoirs zu ihrer Freundin sagen: Sais tu deja, la fin du monde viendra l'an 1840. Alle Welt prophezeit, und was das Lustigste ist, man spricht mit lachender Miene so viel von diesen Prophezeiungen, daß es am Ende wirklich so aussieht, als ob die Heiden in Paris wieder gläubig werden wollten. Ueberhaupt aber sind Unglaube und Aberglaube zwei Schwestern, Kinder Einer Mutter, und so ist die Sache nicht so sehr zu verwundern; dann kommt noch hinzu, daß wirklich die unendliche Mehrzahl der Franzosen zu dem tiefen Gefühle, zu dem klaren Bewußtseyn der innern Gehaltlosigkeit der gegenwärtigen Zustände gekommen ist, daß jeder Radicaländerungen entgegensieht, ihr Bedürfniß fühlt, ohne sich klar über das, was nothwendig ist, geworden zu seyn. Die Parteien exploitiren diese Stimmung, und die Legitimisten insbesondere, die sich mehr an den gläubigen und religiösen Theil des Volkes wenden, sind ungemein thätig in dieser Beziehung. Die Prophezeiungen des Nostradamus, die seit ein paar Tagen zu vielen Tausenden in Paris circuliren (24 weit gedruckte Seiten zu 10 Sous; eine herrliche Speculation für den Verleger, der sich ins Fäustchen lachen mag), dienen ihnen zur Basis. Es knüpft sich allerlei Aberglaube an diesen Namen eines jüdischen Arztes des 16ten Jahrhunderts, der eine Popularität hat, wie etwa der des Dr. Faust in Deutschland. Seine Prophezeiungen, die im 16ten Jahrhundert in Lyon herauskamen, sind wie alle Prophezeiungen, wie die Apokalypsis, Orakelsprüche, die nur eines gewandten Auslegers bedürfen, um in dieselben hineinzutragen, was man will.

Le juste a tort a mort l'on viendra mettre,
Publiquement et du milieu esteint:
Si grande peste en ce lieu viendra naistre,
Que les jugeans fouyr seront contraints.


Spanien.

Wenn die Feststellung der spanischen Zustände nach der Vertreibung des Prätendenten langsamer eintritt, als von den Freunden der monarchischen Grundsätze gewünscht wird, so mögen die widerstreitenden Meinungen über Spanien und ihre praktischen Folgen im übrigen Europa daran nicht weniger Schuld haben, als die Bewegungen der Parteien in Spanien selbst, indem diese durch die schwankenden Ansichten über die spanischen Zustände unterstützt oder auch gelähmt werden. Nachdem die Beschützer des Don Carlos ihre Hand von ihm abgezogen, hat es sich schnell gezeigt, daß er sich aus eigner Kraft nicht halten konnte, und daß seine Anhänger in Spanien nich im Stande waren, für ihn den Ausschlag zu geben. Selbst wenn seine Sache rechtlich die beste gewesen wäre, gehörte eine ganz andere Persönlichkeit dazu als die seinige, um seinen Ansprüchen Kraft, Nachdruck und Erfolg zu geben; jetzt aber, wo er rechtlich und factisch abgeurtheilt ist, scheint das Festhalten am Carlismus, selbst aus monarchischen und religiösen Gründen, nicht mehr gerechtfertigt. Was wollen auch die Freunde der Rechtgläubigkeit von der Schwäche des Prätendenten für die Religion erwarten, wenn er auf dem Thron säße? Er wäre nicht im Stande, die Folgen der philosophischen oder encyklopädistischen Ideen den Exaltados aus den Köpfen zu treiben und sie zu einem gläubigen und positiven Handeln zurückzuführen. Wer aber sollte es thun? Seine Rathgeber, ... mögen die Carlisten doch zusehen, ihren leiblichen König nicht in ein Phantasiegebilde zu verwandeln, sie verlieren ja damit alles Positive, was ihre Basis bleiben muß, wenn sie sich nicht der Revolution in die Arme werfen wollen. Sie sollten vielmehr, getreu ihren Grundsätzen, dem Königthum Isabellens, für welches Recht und That entschieden haben, helfen, Ordnung in das verwirrte Spanien zu bringen; sie sollten diese Regierung nicht ungünstig ansehen, weil sie eine weibliche ist, sie dürfen ihr nicht Schwäche vorwerfen, ohne über die ihres Prätendenten zu erröthen, sondern sie sollten sich mit der großen Anzahl gemäßigter Spanier vereinigen, welche die Wiederherstellung der Ruhe in ihrem heimgesuchten Vaterlande aus allen Kräften befördern wollen. Dieser Zweck ist nicht so schwer zu erreichen, als man glauben machen will. Die Monarchie ist in Spanien wesentlicher mit dem Volke verbunden, als in manchen andern Ländern; eine Auflösung des Königthums in Provinzen ist durchaus nicht zu fürchten, denn die Provinzen selbst würden durch eine Trennung von der Monarchie zu Grunde gehen. Die Bewilligung der Fueros für die baskischen Provinzen ist so wenig ein Separatismus als ein Nachtheil für die Einheit des Königthums, und die trotzigste Provinz, Catalonien, würde sich wohl hüten, die Auflösung der Monarchie zu betreiben da ihre überwiegende Industrie durch eine provincielle Beschränkung vernichtet würde. Wer aber sollte sonst den Provincialismus wünschen? Die Grandeza? Sie ist seit Jahrhunderten in Madrid vereinigt und müßte durch eine provincielle Auflösung wieder zu Landjunkern herabsteigen. Der Clerus? Er würde für die Dotation der neuen Diöcesaneintheilung, die nicht zu umgehen wäre, keine Mittel finden, und sein Schicksal unter den provinciellen Republiken möchte ungefähr demjenigen gleichkommen, wie es in der Schweiz sich zeigt. Die Städte? Die bedeutendsten sind Seeplätze, die zu ihrem Schutz einer Marine bedürfen, wie sie nur die Monarchie, nicht aber die Provinz aufbringen kann. Das Kriegsheer hat ebenso wenig Grund, die Auflösung der Monarchie zu wünschen, und der Bauernstand auch nicht. Daß also Spanien unter der jetzigen Regierung in provincielle Republiken zerfallen werde, ist nicht zu befürchten, weil alle Wahrscheinlichkeit dagegen streitet. Verschließe man doch nicht Augen und Ohren gegen dasjenige, was die Regierung und die sie unterstützenden Gemäßigten für die Befestigung eines geordneten Zustandes fortwährend thun. Das Programm der Gemäßigten vom 5 December ist seiner ausgesprochenen Grundsätze wegen ein beachtenswerthes Manifest. Sie wollen die spanische Monarchie auf den Grundfesten der katholischen Religion erhalten; sie erkennen an, daß die Geistlichkeit in Achtung stehen müsse und nicht am Nöthigsten Mangel leiden dürfe, daß der Thron über allen Parteien erhaben sey, daß die Cortes, deren Wahl sich nun vorbereitet, weder angreifend noch rächend zu Werke gehen, sondern mit Festigkeit, Klugheit und Versöhnung handeln sollen. Wenn das Maaß des Unglücks einer Nation voll ist, so kommt sie wie der einzelne Mensch zur Besinnung, glücklich, wenn sie, wie die Gemäßigten in Spanien, das Rechte trifft, die Beruhigung und Stärkung der Nation durch Religiosität. Ein solches Bestreben muß selbst der Carlismus achten, denn er könnte nicht mehr thun. Die allgemeinen Interessen der spanischen Monarchie, gegründet auf die Grundpfeiler der Religion, sollen jetzt in Spanien gewahrt werden; möge der Carlismus sich vor der Verantwortung hüten, durch Verhinderung jenes Zweckes den Staat parteilichen Interessen aufzuopfern.

Frankreich.

„Das wird ein böses Jahr werden, das Jahr 1840. Es wird ein großer Aërolith aus der Luft fallen, ganz Paris und Alles in der Runde auf 20 Meilen weit zerstören,“ sagte mir gestern der Polizeicommissär X. Der muß es wissen, dachte ich. Aber er blieb weit hinter der Wahrheit zurück; denn als ich später die Abendblätter im Café Valois las, hörte ich die Dame des Comptoirs zu ihrer Freundin sagen: Sais tu déjà, la fin du monde viendra l'an 1840. Alle Welt prophezeit, und was das Lustigste ist, man spricht mit lachender Miene so viel von diesen Prophezeiungen, daß es am Ende wirklich so aussieht, als ob die Heiden in Paris wieder gläubig werden wollten. Ueberhaupt aber sind Unglaube und Aberglaube zwei Schwestern, Kinder Einer Mutter, und so ist die Sache nicht so sehr zu verwundern; dann kommt noch hinzu, daß wirklich die unendliche Mehrzahl der Franzosen zu dem tiefen Gefühle, zu dem klaren Bewußtseyn der innern Gehaltlosigkeit der gegenwärtigen Zustände gekommen ist, daß jeder Radicaländerungen entgegensieht, ihr Bedürfniß fühlt, ohne sich klar über das, was nothwendig ist, geworden zu seyn. Die Parteien exploitiren diese Stimmung, und die Legitimisten insbesondere, die sich mehr an den gläubigen und religiösen Theil des Volkes wenden, sind ungemein thätig in dieser Beziehung. Die Prophezeiungen des Nostradamus, die seit ein paar Tagen zu vielen Tausenden in Paris circuliren (24 weit gedruckte Seiten zu 10 Sous; eine herrliche Speculation für den Verleger, der sich ins Fäustchen lachen mag), dienen ihnen zur Basis. Es knüpft sich allerlei Aberglaube an diesen Namen eines jüdischen Arztes des 16ten Jahrhunderts, der eine Popularität hat, wie etwa der des Dr. Faust in Deutschland. Seine Prophezeiungen, die im 16ten Jahrhundert in Lyon herauskamen, sind wie alle Prophezeiungen, wie die Apokalypsis, Orakelsprüche, die nur eines gewandten Auslegers bedürfen, um in dieselben hineinzutragen, was man will.

Le juste à tort à mort l'on viendra mettre,
Publiquement et du milieu esteint:
Si grande peste en ce lieu viendra naistre,
Que les jugeans fouyr seront contraints.

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Selbst wenn seine Sache rechtlich die beste gewesen wäre, gehörte eine ganz andere Persönlichkeit dazu als die seinige, um seinen Ansprüchen Kraft, Nachdruck und Erfolg zu geben; jetzt aber, wo er rechtlich und factisch abgeurtheilt ist, scheint das Festhalten am Carlismus, selbst aus monarchischen und religiösen Gründen, nicht mehr gerechtfertigt. Was wollen auch die Freunde der Rechtgläubigkeit von der Schwäche des Prätendenten für die Religion erwarten, wenn er auf dem Thron säße? Er wäre nicht im Stande, die Folgen der philosophischen oder encyklopädistischen Ideen den Exaltados aus den Köpfen zu treiben und sie zu einem gläubigen und positiven Handeln zurückzuführen. Wer aber sollte es thun? Seine Rathgeber, ... mögen die Carlisten doch zusehen, ihren leiblichen König nicht in ein Phantasiegebilde zu verwandeln, sie verlieren ja damit alles Positive, was ihre Basis bleiben muß, wenn sie sich nicht der Revolution in die Arme werfen wollen. Sie sollten vielmehr, getreu ihren Grundsätzen, dem Königthum Isabellens, für welches Recht und That entschieden haben, helfen, Ordnung in das verwirrte Spanien zu bringen; sie sollten diese Regierung nicht ungünstig ansehen, weil sie eine weibliche ist, sie dürfen ihr nicht Schwäche vorwerfen, ohne über die ihres Prätendenten zu erröthen, sondern sie sollten sich mit der großen Anzahl gemäßigter Spanier vereinigen, welche die Wiederherstellung der Ruhe in ihrem heimgesuchten Vaterlande aus allen Kräften befördern wollen. Dieser Zweck ist nicht so schwer zu erreichen, als man glauben machen will. Die Monarchie ist in Spanien wesentlicher mit dem Volke verbunden, als in manchen andern Ländern; eine Auflösung des Königthums in Provinzen ist durchaus nicht zu fürchten, denn die Provinzen selbst würden durch eine Trennung von der Monarchie zu Grunde gehen. Die Bewilligung der Fueros für die baskischen Provinzen ist so wenig ein Separatismus als ein Nachtheil für die Einheit des Königthums, und die trotzigste Provinz, Catalonien, würde sich wohl hüten, die Auflösung der Monarchie zu betreiben da ihre überwiegende Industrie durch eine provincielle Beschränkung vernichtet würde. Wer aber sollte sonst den Provincialismus wünschen? Die Grandeza? Sie ist seit Jahrhunderten in Madrid vereinigt und müßte durch eine provincielle Auflösung wieder zu Landjunkern herabsteigen. Der Clerus? Er würde für die Dotation der neuen Diöcesaneintheilung, die nicht zu umgehen wäre, keine Mittel finden, und sein Schicksal unter den provinciellen Republiken möchte ungefähr demjenigen gleichkommen, wie es in der Schweiz sich zeigt. Die Städte? Die bedeutendsten sind Seeplätze, die zu ihrem Schutz einer Marine bedürfen, wie sie nur die Monarchie, nicht aber die Provinz aufbringen kann. Das Kriegsheer hat ebenso wenig Grund, die Auflösung der Monarchie zu wünschen, und der Bauernstand auch nicht. Daß also Spanien unter der jetzigen Regierung in provincielle Republiken zerfallen werde, ist nicht zu befürchten, weil alle Wahrscheinlichkeit dagegen streitet. Verschließe man doch nicht Augen und Ohren gegen dasjenige, was die Regierung und die sie unterstützenden Gemäßigten für die Befestigung eines geordneten Zustandes fortwährend thun. Das Programm der Gemäßigten vom 5 December ist seiner ausgesprochenen Grundsätze wegen ein beachtenswerthes Manifest. Sie wollen die spanische Monarchie auf den Grundfesten der katholischen Religion erhalten; sie erkennen an, daß die Geistlichkeit in Achtung stehen müsse und nicht am Nöthigsten Mangel leiden dürfe, daß der Thron über allen Parteien erhaben sey, daß die Cortes, deren Wahl sich nun vorbereitet, weder angreifend noch rächend zu Werke gehen, sondern mit Festigkeit, Klugheit und Versöhnung handeln sollen. Wenn das Maaß des Unglücks einer Nation voll ist, so kommt sie wie der einzelne Mensch zur Besinnung, glücklich, wenn sie, wie die Gemäßigten in Spanien, das Rechte trifft, die Beruhigung und Stärkung der Nation durch Religiosität. Ein solches Bestreben muß selbst der Carlismus achten, denn er könnte nicht mehr thun. Die allgemeinen Interessen der spanischen Monarchie, gegründet auf die Grundpfeiler der Religion, sollen jetzt in Spanien gewahrt werden; möge der Carlismus sich vor der Verantwortung hüten, durch Verhinderung jenes Zweckes den Staat parteilichen Interessen aufzuopfern.</p>
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[0011/0011] Spanien. ** Vom Rhein. Wenn die Feststellung der spanischen Zustände nach der Vertreibung des Prätendenten langsamer eintritt, als von den Freunden der monarchischen Grundsätze gewünscht wird, so mögen die widerstreitenden Meinungen über Spanien und ihre praktischen Folgen im übrigen Europa daran nicht weniger Schuld haben, als die Bewegungen der Parteien in Spanien selbst, indem diese durch die schwankenden Ansichten über die spanischen Zustände unterstützt oder auch gelähmt werden. Nachdem die Beschützer des Don Carlos ihre Hand von ihm abgezogen, hat es sich schnell gezeigt, daß er sich aus eigner Kraft nicht halten konnte, und daß seine Anhänger in Spanien nich im Stande waren, für ihn den Ausschlag zu geben. Selbst wenn seine Sache rechtlich die beste gewesen wäre, gehörte eine ganz andere Persönlichkeit dazu als die seinige, um seinen Ansprüchen Kraft, Nachdruck und Erfolg zu geben; jetzt aber, wo er rechtlich und factisch abgeurtheilt ist, scheint das Festhalten am Carlismus, selbst aus monarchischen und religiösen Gründen, nicht mehr gerechtfertigt. Was wollen auch die Freunde der Rechtgläubigkeit von der Schwäche des Prätendenten für die Religion erwarten, wenn er auf dem Thron säße? Er wäre nicht im Stande, die Folgen der philosophischen oder encyklopädistischen Ideen den Exaltados aus den Köpfen zu treiben und sie zu einem gläubigen und positiven Handeln zurückzuführen. Wer aber sollte es thun? Seine Rathgeber, ... mögen die Carlisten doch zusehen, ihren leiblichen König nicht in ein Phantasiegebilde zu verwandeln, sie verlieren ja damit alles Positive, was ihre Basis bleiben muß, wenn sie sich nicht der Revolution in die Arme werfen wollen. Sie sollten vielmehr, getreu ihren Grundsätzen, dem Königthum Isabellens, für welches Recht und That entschieden haben, helfen, Ordnung in das verwirrte Spanien zu bringen; sie sollten diese Regierung nicht ungünstig ansehen, weil sie eine weibliche ist, sie dürfen ihr nicht Schwäche vorwerfen, ohne über die ihres Prätendenten zu erröthen, sondern sie sollten sich mit der großen Anzahl gemäßigter Spanier vereinigen, welche die Wiederherstellung der Ruhe in ihrem heimgesuchten Vaterlande aus allen Kräften befördern wollen. Dieser Zweck ist nicht so schwer zu erreichen, als man glauben machen will. Die Monarchie ist in Spanien wesentlicher mit dem Volke verbunden, als in manchen andern Ländern; eine Auflösung des Königthums in Provinzen ist durchaus nicht zu fürchten, denn die Provinzen selbst würden durch eine Trennung von der Monarchie zu Grunde gehen. Die Bewilligung der Fueros für die baskischen Provinzen ist so wenig ein Separatismus als ein Nachtheil für die Einheit des Königthums, und die trotzigste Provinz, Catalonien, würde sich wohl hüten, die Auflösung der Monarchie zu betreiben da ihre überwiegende Industrie durch eine provincielle Beschränkung vernichtet würde. Wer aber sollte sonst den Provincialismus wünschen? Die Grandeza? Sie ist seit Jahrhunderten in Madrid vereinigt und müßte durch eine provincielle Auflösung wieder zu Landjunkern herabsteigen. Der Clerus? Er würde für die Dotation der neuen Diöcesaneintheilung, die nicht zu umgehen wäre, keine Mittel finden, und sein Schicksal unter den provinciellen Republiken möchte ungefähr demjenigen gleichkommen, wie es in der Schweiz sich zeigt. Die Städte? Die bedeutendsten sind Seeplätze, die zu ihrem Schutz einer Marine bedürfen, wie sie nur die Monarchie, nicht aber die Provinz aufbringen kann. Das Kriegsheer hat ebenso wenig Grund, die Auflösung der Monarchie zu wünschen, und der Bauernstand auch nicht. Daß also Spanien unter der jetzigen Regierung in provincielle Republiken zerfallen werde, ist nicht zu befürchten, weil alle Wahrscheinlichkeit dagegen streitet. Verschließe man doch nicht Augen und Ohren gegen dasjenige, was die Regierung und die sie unterstützenden Gemäßigten für die Befestigung eines geordneten Zustandes fortwährend thun. Das Programm der Gemäßigten vom 5 December ist seiner ausgesprochenen Grundsätze wegen ein beachtenswerthes Manifest. Sie wollen die spanische Monarchie auf den Grundfesten der katholischen Religion erhalten; sie erkennen an, daß die Geistlichkeit in Achtung stehen müsse und nicht am Nöthigsten Mangel leiden dürfe, daß der Thron über allen Parteien erhaben sey, daß die Cortes, deren Wahl sich nun vorbereitet, weder angreifend noch rächend zu Werke gehen, sondern mit Festigkeit, Klugheit und Versöhnung handeln sollen. Wenn das Maaß des Unglücks einer Nation voll ist, so kommt sie wie der einzelne Mensch zur Besinnung, glücklich, wenn sie, wie die Gemäßigten in Spanien, das Rechte trifft, die Beruhigung und Stärkung der Nation durch Religiosität. Ein solches Bestreben muß selbst der Carlismus achten, denn er könnte nicht mehr thun. Die allgemeinen Interessen der spanischen Monarchie, gegründet auf die Grundpfeiler der Religion, sollen jetzt in Spanien gewahrt werden; möge der Carlismus sich vor der Verantwortung hüten, durch Verhinderung jenes Zweckes den Staat parteilichen Interessen aufzuopfern. Frankreich. Paris, im December. „Das wird ein böses Jahr werden, das Jahr 1840. Es wird ein großer Aërolith aus der Luft fallen, ganz Paris und Alles in der Runde auf 20 Meilen weit zerstören,“ sagte mir gestern der Polizeicommissär X. Der muß es wissen, dachte ich. Aber er blieb weit hinter der Wahrheit zurück; denn als ich später die Abendblätter im Café Valois las, hörte ich die Dame des Comptoirs zu ihrer Freundin sagen: Sais tu déjà, la fin du monde viendra l'an 1840. Alle Welt prophezeit, und was das Lustigste ist, man spricht mit lachender Miene so viel von diesen Prophezeiungen, daß es am Ende wirklich so aussieht, als ob die Heiden in Paris wieder gläubig werden wollten. Ueberhaupt aber sind Unglaube und Aberglaube zwei Schwestern, Kinder Einer Mutter, und so ist die Sache nicht so sehr zu verwundern; dann kommt noch hinzu, daß wirklich die unendliche Mehrzahl der Franzosen zu dem tiefen Gefühle, zu dem klaren Bewußtseyn der innern Gehaltlosigkeit der gegenwärtigen Zustände gekommen ist, daß jeder Radicaländerungen entgegensieht, ihr Bedürfniß fühlt, ohne sich klar über das, was nothwendig ist, geworden zu seyn. Die Parteien exploitiren diese Stimmung, und die Legitimisten insbesondere, die sich mehr an den gläubigen und religiösen Theil des Volkes wenden, sind ungemein thätig in dieser Beziehung. Die Prophezeiungen des Nostradamus, die seit ein paar Tagen zu vielen Tausenden in Paris circuliren (24 weit gedruckte Seiten zu 10 Sous; eine herrliche Speculation für den Verleger, der sich ins Fäustchen lachen mag), dienen ihnen zur Basis. Es knüpft sich allerlei Aberglaube an diesen Namen eines jüdischen Arztes des 16ten Jahrhunderts, der eine Popularität hat, wie etwa der des Dr. Faust in Deutschland. Seine Prophezeiungen, die im 16ten Jahrhundert in Lyon herauskamen, sind wie alle Prophezeiungen, wie die Apokalypsis, Orakelsprüche, die nur eines gewandten Auslegers bedürfen, um in dieselben hineinzutragen, was man will. Le juste à tort à mort l'on viendra mettre, Publiquement et du milieu esteint: Si grande peste en ce lieu viendra naistre, Que les jugeans fouyr seront contraints.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 2. Augsburg, 2. Januar 1840, S. 0011. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_002_18400102/11>, abgerufen am 27.04.2024.