Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.wohlgemuth, als er solches vernahm. Als sie ihm den Rest übergab, sagte sie: Nur um Gotteswillen keine Schulden. Schau, wenn so Gläubiger über einen kommen, ist's grad wie beim Dreschen. Anfangs, wenn die Dreschflegel auf die volle Spreite fallen, da geht's langsam, und man hört's nur wenig, je leerer aber das Korn wird, da geht's immer lauter und schneller. Verstehst mich? Wohl, du bist gescheit. Aber hast nicht noch mehr so geheime Bündel? Martha verneinte, Diethelm aber glaubte es ihr nicht, und war wieder voll Liebe gegen sie, wie in der ersten Zeit ihrer Ehe, so daß sie gar nicht dazu kam, gegen ihn den Gram und Zorn über seine Fahrlässigkeit auszulassen. Er vertröstete sie auf den großen Schick, der unfehlbar nächstens eintreffe, und half nun selber für die laufenden Ausgaben Leinwandballen verkaufen, von denen Martha aus Zorn gegen Fränz schon mehrere versilbert hatte. Eines Tages kehrte Diethelm nach einer vergeblichen Umfahrt von mehreren Tagen wieder heimwärts, da sah er am Wege im Walde an einem ausgehauenen Baumstumpf eine große Schichte von Kienholz. Rasch, ohne sich klar zu machen, was er wollte, hielt er an, sprang ab, raffte einen Arm voll auf, riß den Sitz ab, öffnete das Kutschentruckle, verschloß das Kienholz in dasselbe und fuhr rasch davon; bald aber stieg er wieder ab und wusch sich die harzigen Hände im Schnee. Seltsam! Als er heute heimkam, fragte ihn Martha: Hast nichts im Kutschentruckle? Warum fragst? erwiderte Diethelm erschreckt. Ich weiß nicht warum, ich mein' nur so. Es ist nichts darin, schloß Diethelm fest. Spät in der Nacht, als Alles im Hause schlief, schlich Diethelm noch einmal hinab, lauschte, ob Medard in seiner Stallkammer schlief, ging dann nach der Scheune, öffnete den Kutschensitz, nahm das Kienholz heraus, trug es die Leiter wohlgemuth, als er solches vernahm. Als sie ihm den Rest übergab, sagte sie: Nur um Gotteswillen keine Schulden. Schau, wenn so Gläubiger über einen kommen, ist's grad wie beim Dreschen. Anfangs, wenn die Dreschflegel auf die volle Spreite fallen, da geht's langsam, und man hört's nur wenig, je leerer aber das Korn wird, da geht's immer lauter und schneller. Verstehst mich? Wohl, du bist gescheit. Aber hast nicht noch mehr so geheime Bündel? Martha verneinte, Diethelm aber glaubte es ihr nicht, und war wieder voll Liebe gegen sie, wie in der ersten Zeit ihrer Ehe, so daß sie gar nicht dazu kam, gegen ihn den Gram und Zorn über seine Fahrlässigkeit auszulassen. Er vertröstete sie auf den großen Schick, der unfehlbar nächstens eintreffe, und half nun selber für die laufenden Ausgaben Leinwandballen verkaufen, von denen Martha aus Zorn gegen Fränz schon mehrere versilbert hatte. Eines Tages kehrte Diethelm nach einer vergeblichen Umfahrt von mehreren Tagen wieder heimwärts, da sah er am Wege im Walde an einem ausgehauenen Baumstumpf eine große Schichte von Kienholz. Rasch, ohne sich klar zu machen, was er wollte, hielt er an, sprang ab, raffte einen Arm voll auf, riß den Sitz ab, öffnete das Kutschentruckle, verschloß das Kienholz in dasselbe und fuhr rasch davon; bald aber stieg er wieder ab und wusch sich die harzigen Hände im Schnee. Seltsam! Als er heute heimkam, fragte ihn Martha: Hast nichts im Kutschentruckle? Warum fragst? erwiderte Diethelm erschreckt. Ich weiß nicht warum, ich mein' nur so. Es ist nichts darin, schloß Diethelm fest. Spät in der Nacht, als Alles im Hause schlief, schlich Diethelm noch einmal hinab, lauschte, ob Medard in seiner Stallkammer schlief, ging dann nach der Scheune, öffnete den Kutschensitz, nahm das Kienholz heraus, trug es die Leiter <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="10"> <p><pb facs="#f0073"/> wohlgemuth, als er solches vernahm. Als sie ihm den Rest übergab, sagte sie:</p><lb/> <p>Nur um Gotteswillen keine Schulden. Schau, wenn so Gläubiger über einen kommen, ist's grad wie beim Dreschen. Anfangs, wenn die Dreschflegel auf die volle Spreite fallen, da geht's langsam, und man hört's nur wenig, je leerer aber das Korn wird, da geht's immer lauter und schneller. Verstehst mich?</p><lb/> <p>Wohl, du bist gescheit. 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wohlgemuth, als er solches vernahm. Als sie ihm den Rest übergab, sagte sie:
Nur um Gotteswillen keine Schulden. Schau, wenn so Gläubiger über einen kommen, ist's grad wie beim Dreschen. Anfangs, wenn die Dreschflegel auf die volle Spreite fallen, da geht's langsam, und man hört's nur wenig, je leerer aber das Korn wird, da geht's immer lauter und schneller. Verstehst mich?
Wohl, du bist gescheit. Aber hast nicht noch mehr so geheime Bündel?
Martha verneinte, Diethelm aber glaubte es ihr nicht, und war wieder voll Liebe gegen sie, wie in der ersten Zeit ihrer Ehe, so daß sie gar nicht dazu kam, gegen ihn den Gram und Zorn über seine Fahrlässigkeit auszulassen. Er vertröstete sie auf den großen Schick, der unfehlbar nächstens eintreffe, und half nun selber für die laufenden Ausgaben Leinwandballen verkaufen, von denen Martha aus Zorn gegen Fränz schon mehrere versilbert hatte.
Eines Tages kehrte Diethelm nach einer vergeblichen Umfahrt von mehreren Tagen wieder heimwärts, da sah er am Wege im Walde an einem ausgehauenen Baumstumpf eine große Schichte von Kienholz. Rasch, ohne sich klar zu machen, was er wollte, hielt er an, sprang ab, raffte einen Arm voll auf, riß den Sitz ab, öffnete das Kutschentruckle, verschloß das Kienholz in dasselbe und fuhr rasch davon; bald aber stieg er wieder ab und wusch sich die harzigen Hände im Schnee.
Seltsam! Als er heute heimkam, fragte ihn Martha:
Hast nichts im Kutschentruckle?
Warum fragst? erwiderte Diethelm erschreckt.
Ich weiß nicht warum, ich mein' nur so.
Es ist nichts darin, schloß Diethelm fest.
Spät in der Nacht, als Alles im Hause schlief, schlich Diethelm noch einmal hinab, lauschte, ob Medard in seiner Stallkammer schlief, ging dann nach der Scheune, öffnete den Kutschensitz, nahm das Kienholz heraus, trug es die Leiter
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Zitationshilfe: | Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/73>, abgerufen am 26.07.2024. |