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Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Klettenschulden, so daß das einsame Haus von Drängern aller Art überlaufen wurde, die besonders die bekümmerte Frau peinigten; denn Diethelm blieb jetzt mehr als je und ganz ohne Grund tagelang aus dem Hause, nur um der Anschauung des auf ihn hereinbrechenden großen Unglücks und den kleinen Bedrängnissen zu entgehen. Er ärgerte sich jetzt über viele Menschen und sah erst jetzt, wie er es hatte geschehen lassen, daß er von Jedem ausgeraubt wurde, der etwas an ihn zu fordern hatte. Menschen, die ihm sonst brav und rechtschaffen erschienen waren, erkannte er nun in ihrer offenkundigen Schlechtigkeit und hatte vielerlei Streit und Gerichtsgänge. Noch böser hatte es Martha daheim. Leute, die sie sonst nicht lange bei sich geduldet hätte, saßen jetzt oft tagelang auf der Ofenbank, denn sie ließen sich nicht damit abweisen, daß Diethelm nicht zu Hause sei, sie wollten seine Rückkunft abwarten, und Martha, die vor Zorn und Kummer fast vergehen wollte, mußte noch freundlich thun, mußte diesen Leuten zu essen und zu trinken geben und sich fast entschuldigen, wenn sie etwas für sich bereitete, denn sie sah nicht undeutlich die höhnisch frechen Blicke, als ob sie vom Eigenthum fremder Menschen lebte. Sie fürchtete sich, die Stube zu verlassen, denn sie wußte, wie hinter ihrem Rücken über den Verfall dieses Hauses gesprochen wurde, und wie bald die Kunde hievon landauf und landab sich ausbreiten würde. Oft war es Martha, als sollte sie das ganze Haus mit allem was darin ist verlassen und davon rennen; es war ja himmelschreiend, wie ihr einziges Kind sie so heimtückisch verlassen hatte, und wie ihr Mann sie dem Elende und der Schande preisgab, während er lustig lebte. Dennoch war sie wie festgebannt an das Haus, und endlich griff sie ihren letzten Hort an: es war dies eine nicht unbeträchtliche Summe, die sie verborgen hatte, und die man erst nach ihrem Tode hatte finden sollten. Mit dieser erledigte sie sich nun der Klettenschulden, und Diethelm war bei seiner Heimkehr überaus

Klettenschulden, so daß das einsame Haus von Drängern aller Art überlaufen wurde, die besonders die bekümmerte Frau peinigten; denn Diethelm blieb jetzt mehr als je und ganz ohne Grund tagelang aus dem Hause, nur um der Anschauung des auf ihn hereinbrechenden großen Unglücks und den kleinen Bedrängnissen zu entgehen. Er ärgerte sich jetzt über viele Menschen und sah erst jetzt, wie er es hatte geschehen lassen, daß er von Jedem ausgeraubt wurde, der etwas an ihn zu fordern hatte. Menschen, die ihm sonst brav und rechtschaffen erschienen waren, erkannte er nun in ihrer offenkundigen Schlechtigkeit und hatte vielerlei Streit und Gerichtsgänge. Noch böser hatte es Martha daheim. Leute, die sie sonst nicht lange bei sich geduldet hätte, saßen jetzt oft tagelang auf der Ofenbank, denn sie ließen sich nicht damit abweisen, daß Diethelm nicht zu Hause sei, sie wollten seine Rückkunft abwarten, und Martha, die vor Zorn und Kummer fast vergehen wollte, mußte noch freundlich thun, mußte diesen Leuten zu essen und zu trinken geben und sich fast entschuldigen, wenn sie etwas für sich bereitete, denn sie sah nicht undeutlich die höhnisch frechen Blicke, als ob sie vom Eigenthum fremder Menschen lebte. Sie fürchtete sich, die Stube zu verlassen, denn sie wußte, wie hinter ihrem Rücken über den Verfall dieses Hauses gesprochen wurde, und wie bald die Kunde hievon landauf und landab sich ausbreiten würde. Oft war es Martha, als sollte sie das ganze Haus mit allem was darin ist verlassen und davon rennen; es war ja himmelschreiend, wie ihr einziges Kind sie so heimtückisch verlassen hatte, und wie ihr Mann sie dem Elende und der Schande preisgab, während er lustig lebte. Dennoch war sie wie festgebannt an das Haus, und endlich griff sie ihren letzten Hort an: es war dies eine nicht unbeträchtliche Summe, die sie verborgen hatte, und die man erst nach ihrem Tode hatte finden sollten. Mit dieser erledigte sie sich nun der Klettenschulden, und Diethelm war bei seiner Heimkehr überaus

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Klettenschulden, so daß das                einsame Haus von Drängern aller Art überlaufen wurde, die besonders die bekümmerte                Frau peinigten; denn Diethelm blieb jetzt mehr als je und ganz ohne Grund tagelang                aus dem Hause, nur um der Anschauung des auf ihn hereinbrechenden großen Unglücks und                den kleinen Bedrängnissen zu entgehen. Er ärgerte sich jetzt über viele Menschen und                sah erst jetzt, wie er es hatte geschehen lassen, daß er von Jedem ausgeraubt wurde,                der etwas an ihn zu fordern hatte. Menschen, die ihm sonst brav und rechtschaffen                erschienen waren, erkannte er nun in ihrer offenkundigen Schlechtigkeit und hatte                vielerlei Streit und Gerichtsgänge. Noch böser hatte es Martha daheim. Leute, die sie                sonst nicht lange bei sich geduldet hätte, saßen jetzt oft tagelang auf der Ofenbank,                denn sie ließen sich nicht damit abweisen, daß Diethelm nicht zu Hause sei, sie                wollten seine Rückkunft abwarten, und Martha, die vor Zorn und Kummer fast vergehen                wollte, mußte noch freundlich thun, mußte diesen Leuten zu essen und zu trinken geben                und sich fast entschuldigen, wenn sie etwas für sich bereitete, denn sie sah nicht                undeutlich die höhnisch frechen Blicke, als ob sie vom Eigenthum fremder Menschen                lebte. Sie fürchtete sich, die Stube zu verlassen, denn sie wußte, wie hinter ihrem                Rücken über den Verfall dieses Hauses gesprochen wurde, und wie bald die Kunde hievon                landauf und landab sich ausbreiten würde. Oft war es Martha, als sollte sie das ganze                Haus mit allem was darin ist verlassen und davon rennen; es war ja himmelschreiend,                wie ihr einziges Kind sie so heimtückisch verlassen hatte, und wie ihr Mann sie dem                Elende und der Schande preisgab, während er lustig lebte. Dennoch war sie wie                festgebannt an das Haus, und endlich griff sie ihren letzten Hort an: es war dies                eine nicht unbeträchtliche Summe, die sie verborgen hatte, und die man erst nach                ihrem Tode hatte finden sollten. Mit dieser erledigte sie sich nun der                Klettenschulden, und Diethelm war bei seiner Heimkehr überaus<lb/></p>
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[0072] Klettenschulden, so daß das einsame Haus von Drängern aller Art überlaufen wurde, die besonders die bekümmerte Frau peinigten; denn Diethelm blieb jetzt mehr als je und ganz ohne Grund tagelang aus dem Hause, nur um der Anschauung des auf ihn hereinbrechenden großen Unglücks und den kleinen Bedrängnissen zu entgehen. Er ärgerte sich jetzt über viele Menschen und sah erst jetzt, wie er es hatte geschehen lassen, daß er von Jedem ausgeraubt wurde, der etwas an ihn zu fordern hatte. Menschen, die ihm sonst brav und rechtschaffen erschienen waren, erkannte er nun in ihrer offenkundigen Schlechtigkeit und hatte vielerlei Streit und Gerichtsgänge. Noch böser hatte es Martha daheim. Leute, die sie sonst nicht lange bei sich geduldet hätte, saßen jetzt oft tagelang auf der Ofenbank, denn sie ließen sich nicht damit abweisen, daß Diethelm nicht zu Hause sei, sie wollten seine Rückkunft abwarten, und Martha, die vor Zorn und Kummer fast vergehen wollte, mußte noch freundlich thun, mußte diesen Leuten zu essen und zu trinken geben und sich fast entschuldigen, wenn sie etwas für sich bereitete, denn sie sah nicht undeutlich die höhnisch frechen Blicke, als ob sie vom Eigenthum fremder Menschen lebte. Sie fürchtete sich, die Stube zu verlassen, denn sie wußte, wie hinter ihrem Rücken über den Verfall dieses Hauses gesprochen wurde, und wie bald die Kunde hievon landauf und landab sich ausbreiten würde. Oft war es Martha, als sollte sie das ganze Haus mit allem was darin ist verlassen und davon rennen; es war ja himmelschreiend, wie ihr einziges Kind sie so heimtückisch verlassen hatte, und wie ihr Mann sie dem Elende und der Schande preisgab, während er lustig lebte. Dennoch war sie wie festgebannt an das Haus, und endlich griff sie ihren letzten Hort an: es war dies eine nicht unbeträchtliche Summe, die sie verborgen hatte, und die man erst nach ihrem Tode hatte finden sollten. Mit dieser erledigte sie sich nun der Klettenschulden, und Diethelm war bei seiner Heimkehr überaus

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

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Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/72>, abgerufen am 24.11.2024.